"Ex Machina" (2015). Philosophische Betrachtungen über das (Selbst-) Bewusstsein im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine


Hausarbeit, 2016

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problem- und Fragestellung
1.2. Zielsetzung und Vorgehensweise

2. Theoretische Grundlage
2.1. Inhaltsangabe Ex Machina
2.2. Göttliche und biblische Bezüge

3. Philosophische Ansatzpunkte
3.1. Ludwig Wittgenstein – Philosophische Untersuchungen
3.2. Helmuth Plessner – Philosophische Anthropologie

4. Fazit

1. Einleitung

„Es gibt nichts Menschlicheres als der Wille zu überleben" – so lautet der Untertitel von „Ex Machina“, dem 2015 erschienenen Debütfilm des britischen Drehbuchautors und Regisseurs Alex Garland. Das Sciene-Fiction-Drama, welches sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetzt, ordnet sich thematisch geradezu in eine Reihe von erst kürzlich erschienenen Filmen ein, darunter etwa Wally Pfisters „Transcendence“ (2014) oder jüngst „Chappie“ (2015) von Neill Blomkamp.

Das Besondere an „Ex Machina“ ist jedoch, dass dieses Werk den Zuschauer dazu anregt, nicht nur über technisch-futuristische Entwicklungen hinsichtlich Künstlicher Intelligenz zu sinnieren oder kritisch zu hinterfragen. Vielmehr fordert der Film den Zuschauer geradezu dazu auf, über das eigene menschliche Wesen nachzudenken und vermeintlich menschliche Züge auf den Prüfstand zu stellen.

1.1. Problem- und Fragestellung

„Ex Machina“ wirft dabei mehr Fragen auf, als dass es Antworten liefert. Doch auch die richtigen Fragen können schon zur Lösung eines Problems beitragen. So tangiert der Film grundlegendmenschliche Fragestellungen, wie etwa worin die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine liegen oder wo das Menschsein überhaupt beginnt. Die Schwierigkeit zur Beantwortung dieser Fragen zeigt sich schon anhand der Problematik der Definierbarkeit menschlicher Intelligenz. Da es bereits hier an einer exakten Definition mangelt, ist auch der Begriff der Künstlichen Intelligenz nicht genau abgrenzbar. Der Film versucht sich dem zu nähern, indem er einer wahren Künstlichen Intelligenz ein Bewusstsein zuschreibt.[1]

Doch auch hier stellt sich das Problem einer fehlenden Definition. Die Bewusstseinsforschung ist noch nicht weit genug fortgeschritten, um eine anerkannte und allgemeingültige Definition von Bewusstsein zu liefern. Ohne diese ist eine Differenzierung zwischen künstlichem und menschlichem Bewusstsein nur schwer möglich. Taugt das Bewusstsein überhaupt als Schlüssel zur Dechiffrierung und Rekonstruktion dessen, was den Menschen zum Menschen macht oder wann eine Maschine besonders menschlich ist?

1.2. Zielsetzung und Vorgehensweise

Aufgrund der geschilderten Problematik soll das Ziel der Arbeit nicht sein, eine präzise Definition von „Künstlicher Intelligenz“ oder „Bewusstsein“ zu liefern oder eindeutige Unterscheidungsmerkmale zwischen Mensch und Maschine herauszuarbeiten. Vielmehr soll unterscht werden, wie der Film selbst mit dieser Problematik des Bewusstseins umgeht und auf welche philosophischen Ideen er hierbei zurückgreift. Da es sich bei „Ex Machina“ um einen sehr reichhaltigen Film mit diversen philosophischen Anspielungen handelt, soll sich im Verlauf der Arbeit insbesondere auf die beiden Philosophen Ludwig Wittgenstein und Helmuth Plessner konzentriert werden. Dabei gilt es zu analysieren, inwieweit diese philosophische Ebene dazu im Stande ist zu klären, ob der Roboter Ava ein Bewusstsein aufweist oder nicht.

Nach einer kurzen Inhaltsangabe erfolgt eine etymologische Auseinandersetzung sowohl in Bezug auf den Titel des Films als auch mit den Figuren. Da sich hier bereits ein biblischer Bezug erkennen lässt, soll nicht nur auf die Etymologie, sondern darüber hinaus auf den biblischen Verweis näher eingegangen und auf den Gesamtkontext des Films bezogen werden.

In Bezug auf Ludwig Wittgenstein, schließt sich der Bezug zu seinen philosophischen Untersuchungen an, der insbesondere seine Sprachspiele und seine damit verbundenen Überlegungen hinsichtlich des Bewusstseins zum Gegenstand hat. Daran anknüpfend folgt Helmuth Plessners philosophische Anthropologie. Hierbei liegt der Fokus zum einen auf Plessners Verständnis von den anthropologischen Sinnen und zum anderen auf seiner Begriffsprägung der exzentrischen Positionalität. Da sich hier der Verweis auf René Descartes anbietet, wird Plessners philosophische Anthropologie an entsprechenden Stellen mit Descartes in Beziehung gesetzt und dahingehend vertieft. Die sich aus den philosophischen Auseinandersetzungen ergebenden Erkenntnisse werden zudem stets mit dem Film in Verbindung gebracht und entsprechend erläutert.

Die vorangegangenen Ausarbeitungen münden anschließend in einer Zusammenführung der Ergebnisse, bei der „Ex Machina“ und die damit zusammenhängenden philosophischen Auseinandersetzungen hinsichtlich des Bewusstseins noch einmal kritisch vor dem Hintergrund der im Film dargestellten Dichotomie zwischen Mensch und Maschine betrachtet werden können.

2. Theoretische Grundlage

2.1. Inhaltsangabe Ex Machina

Der 26-jährige Programmierer Caleb arbeitet für die Firma “Blue Book”, der meist verwendeten Suchmaschine der Welt. Er gewinnt bei einem unternehmensinternen Gewinnspiel und darf als Preis seinen Konzernchef Nathan persönlich kennenlernen. Dieser wohnt weit ab der Zivilisation in den Bergen Alaskas in einem abgelegenen High-Tech-Haus, welches zugleich als private Forschungseinrichtung dient. Nathan gibt sich kumpelhaft und eröffnet Caleb schnell, weswegen er eigentlich hier ist: Nathan hat eine weibliche Androidin namens Ava kreiert. Caleb soll nun Teil eines Turing-Tests werden.

Laut dem Erfinder des Tests – Alan Turing – gilt eine Maschine dann als intelligent, wenn ihr Verhalten nicht von dem eines Menschen unterscheidbar ist.[2] Beim klassischen Turing-Test wird dem Menschen der Computer verheimlicht und wenn dem Probanden nicht auffällt, dass sein Gegenüber eine Maschine ist, gilt der Test als bestanden. Nathan geht jedoch weiter: Er will herausfinden, ob Caleb – obwohl er bereits weiß, dass er es mit einem Roboter zu tun hat – trotzdem das Gefühl hat, dass Ava ein Bewusstsein besitzt.

Schon nach kurzer Zeit beginnt Caleb, Gefühle für Ava zu entwickeln. Später teilt Nathan Caleb jedoch mit, dass er an einem Nachfolgemodell für Ava arbeitet. Da Nathan nicht nur sportlich aktiv ist, sondern auch regelmäßig zu viel trinkt, nutzt Caleb einen Rauschzustand von Nathan aus, um sich heimlich Zugang zu seinem Computer zu verschaffen. Auf diesem findet er Videos früherer Roboterprototypen, deren Körper er anschließend in Nathans Schränken findet. Als er feststellt, dass die Haushaltshilfe Kyoko ebenfalls ein Roboter in menschlicher Gestalt ist, verfällt Caleb in Panik und zweifelt an seiner eigenen Menschlichkeit. Er schneidet sich mit einer Rasierklinge den Unterarm auf und erst als tatsächlich Fleisch und Blut zum Vorschein kommt, ist Caleb beruhigt. In einem später scheinbar unbeobachteten Moment verrät Caleb Ava Nathans Vorhaben und verspricht ihr, sie vor der Abschaltung zu bewahren und zu befreien.

Am letzten Tag möchte Nathan von Caleb erfahren, ob Ava den Test bestanden hat, was Caleb bejaht. Später eröffnet Nathan Caleb, dass er von seinem Plan weiß, Ava zu befreien. Dies ist der eigentliche Test gewesen herauszufinden, ob Ava Caleb tatsächlich von ihrem Bewusstsein überzeugen kann, sodass er ihr zur Flucht verhelfen möchte.

Um einen echten Menschen wie Caleb zu überzeugen, musste Ava alles anwenden: Selbstwahrnehmung, Fantasie, Manipulation, Sexualität und Empathie – und damit alles, was nach Nathan eine wahre Künstliche Intelligenz auszeichnet. Als es Ava dank des Zuspiels von Caleb gelingt, während eines Stromausfalls ihren Raum zu verlassen, schlägt Nathan Caleb bewusstlos und versucht sie aufzuhalten. Beim dem Kampf zwischen Nathan und Ava sticht Kyoko hinterrücks auf Nathan ein, woraufhin Nathan Kyoko mit einer Eisenstange zerstört. Schließlich gelingt es Ava jedoch, Nathan mit einem Messer zu töten. Die im Kampf beschädigte Ava setzt sich anschließend aus älteren Prototypteilen – vor den Augen Calebs, der hinter einer Scheibe eingeschlossen ist – zu einem menschlich aussehenden Körper zusammen und verlässt alleine das Haus. Sie fliegt mit dem Helikopter, der eigentlich für Caleb bestimmt war, aus den Bergen in die Stadt, wohingegen Caleb eingesperrt in dem Gebäude zurückbleibt. Die letzte Szene des Films zeigt Ava an einer städtischen Kreuzung und damit an jenem Ort, den Ava zuallererst in Freiheit besuchen wollte.

2.2. Göttliche und biblische Bezüge

Der Titel „Ex Machina“ ist dem sich vom lateinischen Begriff „Deus ex machina“ ab, der wortwörtlich „Gott aus der Maschine“[3] bedeutet. Die Bezeichnung stammt ursprünglich aus der Bühnentechnik und bezeichnete in der antiken Tragödie das Eingreifen von Gottheiten, die oftmals an einer kranähnlichen Flugmaschine auf die Bühne schwebten.[4] Befand sich der Protagonist in einer für ihn schier unlösbaren Konfliktsituation, so benötigte er göttliche Hilfe. Heutzutage wird die Bezeichnung leicht verallgemeinert verwendet und steht für die überraschende und unerwartete Lösung eines Konflikts. Nimmt man nun Gott aus dieser Definition konsequent heraus, so bedeutet „ex machina“ die Lösung eines Konflikts allein durch die Maschine oder – bezogen auf den Film – in Form eines Roboters, der auf künstliche Intelligenz zurückgreifen kann.

„Caleb“ ist hebräisch und bedeutet soviel wie „treu“ oder „mit ganzem Herzen“ und weist eine Verbindung zum biblischen Kaleb[5] auf, der als Vorbild für die Treue zu Jahwes Verheißungen gilt. „Nathan“ als brillanter Wissenschaftler erinnert vor allem an Gotthold Ephraim Lessings gleichnamigen „Nathan den Weisen“, der wiederum auf den biblischen Propheten Nathan zurückgeht und übersetzt „Gott hat gegeben“[6] bedeutet. Nathan, der sich aufgrund seiner künstlichen Erschaffungen teilweise selbst als eine Art Gott ansieht, komplementiert diesen Bezug zudem mit der Namensgebung „Ava“, die er sich für seine artifizielle Schöpfung überlegt hat. So kann „Ava“ als Zusammensetzung aus den Namen des ersten biblischen Menschenpaars „Adam“ und „Eva“ angesehen werden. Auch die Ergänzung „Avatar“ ist in diesem Zusammenhang zulässig. Ähnlich wie Eva, die vom Baum der Erkenntnis kostet und damit Selbstbewusstsein im wortwörtlichen Sinne – das Bewusstsein von sich selbst – erlangt, da sie sich selbst im Wasser erkennt, so schreibt auch Caleb Ava am Ende Künstliche Intelligenz zu. Als Folge des Kostens vom Baum der Erkenntnis müssen Adam und Eva das Paradies verlassen. Auch Ava verlässt zum Schluss das Haus, in dem sie erschaffen wurde, sodass auch hier die Schöpfung ihren Schöpfer verlässt.

3. Philosophische Ansatzpunkte

3.1. Ludwig Wittgenstein – Philosophische Untersuchungen

„Ex Machina“ hat sowohl offenkundige als auch versteckte Anspielungen auf Ludwig Wittgenstein, der sich mit Logik, Sprache und dem Bewusstsein auseinandersetzte, also mit den aus heutiger Sicht wichtigsten Komponenten künstlicher Intelligenz.

Bereits der Firmenname „Blue Book“ ist eine explizite Referenz auf das „Blaue Buch“ von Wittgenstein. In Nathans Räumlichkeiten ist zudem ein Bild des österreichischen Malers Gustav Klimt zu sehen, welches Wittgensteins Schwester Margarethe Stonborough-Wittgenstein portraitiert.

Darüber hinaus wurde „Ex Machina“ in Norwegen gedreht und damit in dem Land, in dem Wittgenstein selbst 1913 Zuflucht vor der Gesellschaft suchte und an seinem System der Logik arbeitete. Er erwarb dort ein Holzhaus in dem Ort Skjolden und damit im selben Teil des Landes, wo auch der Film gedreht wurde.[7]

[...]


[1] Vgl. Garand, Alex (2015): Ex Machina, Time: 00:10:47 – 00:11:16 und 00:16:08 – 23.

[2] Vgl. Lassemann, Wolfgang: Künstliche Intelligenz, S. 436.

[3] Vgl. Pöppelmann, Christa (2009): Nomen erst omen, S. 41.

[4] Vgl. Andronikashvili, Zaal (2009): Die Erzeugung des dramatischen Textes, S. 68.

[5] Vgl. Numeri 13,1-14,38, nachzulesen unter: URL: http://www.bibleserver.com/text/EU/4.Mose13

[6] Vgl. Heesche, Klaus (2011): Nathan und der Gartenfreund, S. 11.

[7] Vgl. ROY TSAO (2015): “Ex Machina” and Philosophy: Some Notes after Wittgenstein, nachzulesen unter: URL: http://roytsao.nyc/2015/04/17/ex-machina-and-philosophy-some-notes-after-wittgenstein/

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
"Ex Machina" (2015). Philosophische Betrachtungen über das (Selbst-) Bewusstsein im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Philosophie und Film
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V322981
ISBN (eBook)
9783668221307
ISBN (Buch)
9783668221314
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ex Machina, Philosophie, Film, Selbstbewusstsein, Künstliche Intelligenz, KI, Mensch, Maschine, Descartes, Plessner, Wittgenstein, Blaues Buch, Sprachspiele
Arbeit zitieren
Ann-Kristin Mehnert (Autor:in), 2016, "Ex Machina" (2015). Philosophische Betrachtungen über das (Selbst-) Bewusstsein im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322981

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