Der Wandel der Familie. Ist die Familie ein Auslaufmodell?


Hausarbeit, 2014

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsstand
2.1 Definition Familie
2.2 Die Individualisierungsthese
2.3 Die Pluralisierungsthese

3. Historische Familienforschung
3.1 Mythos "Großfamilie"
3.2 Die Behauptung "Mütter hatten früher mehr Zeit für ihre Kinder
3.3 Die These von der Liebesheirat und größerer Mutterliebe
3.4 Die These von der Familie als Ort größerer Intimität und Privatsphäre

4. Das Modell der traditionellen bürgerlichen Kleinfamilie

5. Einzelne Aspekte des Familienwandels
5.1 Wandel des Verhältnisses von Ehe und Familie
5.2 Scheidung
5.3 Neue familiale Lebensformen
5.3.1 Nichteheliche Lebensgemeinschaften
5.3.2 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften..
5.3.3 Alleinerziehende Frauen und Männer
5.4 Vereinbarkeit von Familie udn Beruf
5.5 Wandel des Generationsverhältnisses zwischen Eltern und Kindern

6. Resümee

7. Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In der familiensoziologischen Forschung besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass die Familie sich derzeit im Wandel befindet. Doch: Ist die Familie ein Auslaufmodell? Diese Befürchtung und viele Diskussionen darüber, wie sehr sich die Definition von Familie in unserer Gesellschaft verändert hat, vorallem in den letzten fünf Jahrzehnten, stehen im Fokus. Als markanteste Veränderung von Familie und Ehe gelten die steigenden Scheidungszahlen, der Rückgang von Eheschließungszahlen und der dramatische Geburtenrückgang seit Mitte der sechziger Jahre. Schließlich wird der Wandel auch an der Zunahme nichtfamilialer Haushalte wie nichteheliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende fest gemacht.1

Das traditionelle Familienmodell und was dieses für uns beinhaltet, dominiert dennoch nach wie vor. Erst kürzlich fanden Meinungsforscher bei einer repräsentativen Umfrage heraus, dass 78 Prozent der Befragten der Meinung waren, ihnen sei die Familie wichtiger als der Beruf. Auch sind 72 Prozent der Jugendlichen laut Shell-Studie von 2006 der Meinung, dass man eine Familie braucht, um wirklich glücklich leben zu können.2 Aber in der Literatur wird seit Mitte der 80er Jahre festgestellt, dass ehemals alternative Lebensformen von Erwachsenen mit Kindern zahlenmäßig zunehmen und für die sozialen Akteure immer selbstverständlicher werden. Lebensformen, die früher als Abweichungen von der „Normalfamilie“ oder defizitäre Gebilde galten, gelten heute als familial. Diejenigen, die darum bemüht sind, die neuen Lebensformen nicht an dem klassischen Familienmodell zu messen, verwenden neuerdings den Begriff der Familienkonstellation.3

Seit den 90er Jahren rückt ein weiterer Aspekt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Neben der Beschreibung und Erforschung neuer Familienformen wird nun vor allem auf die Veränderung der Bedeutung von Familie für die sozialen Akteure hingewiesen. Normative Vorstellungen über Geschlechter, Geschlechterverhältnis, Partnerschaft, Ehe und Familie ändern sich. Betont wird in diesem Kontext nicht so sehr die Zahl der verschiedenen familialen Lebensformen, sondern die Bedeutung, die diese intimen Sozialbeziehungen für die Individuen haben und welche Akzeptanz sie in der Gesellschaft erfahren.4

Während unter SoziologInnen Einigkeit darüber zu bestehen scheint, dass sich familiale Lebensformen und die Bedeutung der Familie verändern, wird das Ausmaß und die gesellschaftliche Bedeutung dieses Wandels sehr unterschiedlich eingeschätzt. Teilweise wird sogar recht heftig um die Frage gestritten, wie tiefgreifend und langfristig der Wandel ist. Manche gehen davon aus, dass sich gegenwärtig eine strukturelle Veränderung der traditionellen Familie vollzieht, vor allem des patriarchalen Geschlechterverhältnisses und des Generationenverhältnisses.5 Andere beschreiben die Veränderungen nur als graduell, weil sie nur innerhalb einzelner gesellschaftlicher Schichten stattfinden. Das heißt, die beobachtbaren Veränderungen veranlassen nicht nur zu empirischen Untersuchungen, sondern auch zu Bewertungen des beobachteten Geschehens und zu Prognosen bezüglich der Zukunft. „Kulturpessimisten“, die eine Krise und die Auflösung der Familie heraufziehen sehen und einen epochalen Bruch visionieren, konkurrieren mit „Modernisten“, die in dem Wandel der Familie einen Aspekt einer allgemeinen Entwicklung sehen, und „Utopisten“, die einen grundlegenden Wandel einer zentralen gesellschaftlichen Institution erhoffen.6 Eine vergleichende Lektüre familiensoziologischer Arbeiten kommt mit anderen Worten nicht umhin zu bemerken, dass ein und dasselbe gesellschaftliche Phänomen von auf völlig unterschiedliche Art und Weise interpretiert wird. Klar ist jedoch, dass die Familie als zentrale Institution der Gesellschaft gilt und dass das, was in, mit und um die Familie herum geschieht, als von immenser Bedeutung für die weitere gesellschaftliche Entwicklung eingeschätzt wird.7 Dies hat zur Folge, dass die wissenschaftliche Debatte nicht nur für sich genommen gesellschaftspolitisch aufgeladen ist, sondern überhaupt stark beeinflußt ist von den politischen und medialen Diskussionen über den Zustand der Familie.8

In den folgenden Ausführungen soll allerdings hauptsächlich vom aktuellen Forschungsstand über den Wandel der Familie ausgegangen werden. Folgen sollen einige wichtige Theorien, welche anhand von Auszügen aus der historischen Familienforschung vor dem Hintergrund der Geschichte der Familie ab dem 14. Jahrhundert diskutiert werden. Auch sollen die herkömmlichen Familienstrukturen in der bürgerlichen Kleinfamilie kurz betrachtet und somit auf den Ursprung unseres heutigen Bildes von Familie hingedeutet werden. Abschließend gilt es, einige wichtige Aspekte des Familienwandels und empirische Forschungsergebnisse vorzustellen.

2 Forschungsstand

2.1 Definition Familie

Laut Lexikon ist die Familie „eine soziologische durch Heirat und/oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft“. Familie war bis tief in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein eine Form des Zusammenlebens, die weit mehr von wirtschaftlichen als sozialen Bindungen geprägt war. Das steckt auch im Ursprung des Begriffs Familie, der dem lateinischen Wort famulus (der Haussklave) entstammt und den Besitzstand eines Mannes, des pater familias bezeichnete. Zu seinem Besitz gehörten freilich nicht nur Weib und Kinder, sondern gleichermaßen Vieh und Sklaven.9

Die Familie an sich hat eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich und das Wort an sich existiert nicht annähernd so lange wie die vergleichbare Institution (das Wort “Famile” taucht erstmals Ende des 18. Jahrhunderts auf). Aber geht man nur bis ins frühe Mittelalter zurück, so hätte niemand etwas mit dem im Zusammenhang stehenden Begriff “Ehe”, der damit verbundene Monogamie oder festen Familienstrukturen anfangen können. Es war eine lockerere Einstellung zum Leben. Die meisten Menschen führten mehrere Beziehungen, Kinder wurden gemeinsam erzogen und es wurde weder nach irgendeiner Moral noch nach strengen Regelungen dieser Art zu leben gefragt.10 Die traditionelle Familie, wie wir sie kennen, ist wie die Liebesheirat eine Erfindung des Bürgertums im 19. Jahrhundert. Mehr und mehr entwickelte sich ein Muster, das auf traditioneller Rollenverteilung basiert: Der Vater ist Ernährer der Familie und somit für den außerhäuslichen Bereich zuständig. Er verdient das Geld und kümmert sich um die sozialen Kontakte. Seiner Ehefrau, die keiner Berufstätigkeit nachgeht, obliegt die Sorge für den innerfamiliären Bereich. Dazu gehören das gemütliche Heim und die Erziehung der Kinder.11

Familie heute wird als ein dynamischer Prozess gesehen, in dem Ereignisse wie Zustandekommen oder Auflösung einer Partnerschaft konstitutiv sind. Mit dieser dynamischen Vorstellung von Familie verändern sich auch die Definitionen von Familie. Die gelebten Beziehungen zwischen den Generationen und deren Dynamik treten in den Vordergrund, unabhängig davon, ob verwandtschaftliche Beziehungen bestehen oder nicht. Das Verständnis von Familie verändert sich.12

2.2 Die Individualisierungsthese

Bei der Lektüre familiensoziologischer Arbeiten fällt auf, dass die impliziten theoretischen Bezüge stark von einem Ansatz dominiert werden und zwar von der Theorie gesellschaftlicher Individualisierung.

Wenn in der Familienforschung auf die Individualisierungsthese (und dessen prominentesten Vertreter Ulrich Beck) Bezug genommen wird, geschieht dies in der überwiegenden Zahl der Texte, um auf die wachsende Bedeutung individueller Autonomie gegenüber institutionellen Vorgaben und Bindungen an traditionelle Werte und Normen hinzuweisen. Die Freisetzung der Individuen aus diesen Vorgaben und Bindungen wird als Folge verschiedener für die Moderne charakteristische Entwicklungen begriffen (bürgerlicher Grundrechte, Ausweitung des Bildungs- und Berufssystems sowie des modernen Sozialstaates).13 Individualisierung bezeichnet dabei den Prozess, in dem die einzelnen Individuen Fähigkeiten entwickeln, die für sie richtigen und notwendigen biographischen Entscheidungen zu treffen.14 Hier wird ein zunehmendes Konfliktpotential zwischen den Geschlechtern diagnostiziert. Dieser Konflikt liegt dem Aufbrechen der traditionalen Formen des verbindlichen familialen Zusammenlebens zugrunde.15 Autoren wie Beck betonen zwar ebenfalls den gestiegenen Tradionsverlust, bedauern aber die zugenommene Auflösung fester Verbindlichkeiten nicht, sondern stellen den damit verbundenen Gewinn an individueller Freiheit heraus, vor allem die damit verbundene Chance, zwichen den verschieden Lebensformen wählen zu können.16 Die Abnahme normativer Verbindlichkeit eröffnet allerdings nicht nur Chancen, sondern sie erzeugt auch einen Zwang, über den individuellen Lebensweg zu entscheiden. Der zentrale Widerspruch, der in der überwiegenden Zahl der Untersuchungen als “Anomie” bezeichnet wird, wird in den beschränkten Möglichkeiten gesehen, die gewünschten Lebensentwürfe auch umzusetzen. In Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Ressourcen können die bestehenden Widersprüche besser bearbeitet werden. So wird auch verständlich, warum sich in unterschiedlichen sozialen Milieus und in unterschiedlichen Phasen der individuellen Lebensläufe verschiedene Lebensformen herausbilden.17

Mit der Individualisierungsthese und vor allem von Beck wird die Aufgabe des begrifflichen Konstruktes “Familie” gefordert und die Pluralität von Familienformen herausgestellt, denn immerhin habe der Wandel dazu geführt, dass es “Familie” nicht mehr gäbe sondern nur noch “Familien”.18

2.3 Die Pluralisierungsthese

Mit der These über die zugenommene Individualisierung wird auch die Pluralisierung familialer Lebensformen verbunden und soll die heutige Vielfältigkeit im Hinblick auf die Familienbildungsprozesse und Rollenzusammensetzung betont werden.19 Als Reflex auf die hohe dynamische und komplexe Gesellschaft verstanden, stellt die Pluralisierung die Folge einer umweltinduzierten Anpassung des Systems Familie dar. Das Teilsystem Famlie differenziert sich in unterschiedlichste private Lebensformen mit einer ihnen jeweils eigenen Rationalität oder Sytemlogik.20 Demgegenüber wird eingewendet, dass es schon immer viele verschiedene Formen von Familie gegeben hat. Der zu beobachtende Wandel ist demzufolge eher eine Verschiebung der Dominanz mit einer grundlegenden Veränderung in der Struktur der Familie, also in den Beziehungen der Personen innerhalb der Familie. Denn während lange Zeit das traditionelle Modell der bürgerlichen Kleinfamilie vorherrschend war, verliert es gegenwärtig seine Monopolstellung und andere Familienformen, die zuvor zwar existierten aber marginal waren, gewinnen zunehmend an Bedeutung.21

Auffallend ist, dass kaum Anstrengungen unternommen werden, genauer zu präzisieren, von welchen historischen Zeiten und welchen Familienformen jeweils die Rede ist bzw. was genau miteinander verglichen wird. Nicht zuletzt zeigt diese Debatte, wie notwendig es für eine Einschätzung des aktuellen Wandels ist, einen kurzen Überblick zu geben über die Ergebnisse der historischen Familienforschung. Angesichts der aufgeladenen, teilweise ziemlich polemischen Diskussion über den Zerfall der Familie ist eine solche historische Einordnung zudem wichtig, um einige immer wieder angeführte Behauptungen über zentrale Funktionen von Familie zu relativieren.

3 Historische Familienforschung

Im folgendem werden einige wichtige Themen der aktuellen Dabatte rund um die Familie aufgegriffen und mit geschichtlichen Forschungsergebnissen ab der frühen Neuzeit (14. Jahrhundert) verglichen.

[...]


1 Maihofer 2001, S. 8

2 Kohlhase 2008, S. 1

3 Leske/Budrich 1996, S. 23

4 Schneider 2008, S. 83

5 Schneider 2008, S. 84

6 Maihofer 2001, S. 7

7 Nave-Herz 2002, S. 21

8 Maihofer 2001, S. 9

9 vgl. Wolf 2010

10 vgl. Schneider 2008, S. 80

11 vgl. Leske/Budrich 1996, S. 7

12 vgl. Maihofer 2001, S. 11

13 vgl. Schneider 2008, S. 72

14 vgl. Maihofer 2001, S. 12

15 Schneider 2008, S. 72

16 Nave-Herz 2002, S.13

17 vgl. Maihofer 2001, S. 12

18 Nave-Herz 2002, S. 13

19 Nave-Herz 2002, S.14

20 Schneider 2008, S.71

21 vgl. Maihofer 2001, S. 13

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Wandel der Familie. Ist die Familie ein Auslaufmodell?
Hochschule
Evangelische Hochschule Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
20
Katalognummer
V322899
ISBN (eBook)
9783668220706
ISBN (Buch)
9783668220713
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familie, Wandel, Soziologie, Familienwandel
Arbeit zitieren
Janine Henkes (Autor:in), 2014, Der Wandel der Familie. Ist die Familie ein Auslaufmodell?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322899

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