Die Bedeutung von Emotionen und eines Emotionsmanagements für das organisationale Lernen


Diplomarbeit, 2004

65 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Organisationen als emotionale Arenen.
2.1. Das Verhältnis von Rationalität und Emotionalität
2.2. Bezugsrahmen: Emotionale Ebenen der Organisation
2.3. Begriffliche Bestimmung des Emotionalen
2.3.1. Emotionen
2.3.2. Emotionales Klima
2.4. Einflüsse und Wirkungen des Emotionalen
2.4.1. Emotionale Aspekte der Mikroebene
2.4.2. Emotionale Aspekte der Mesoebene
2.4.3. Emotionale Aspekte der Makroebene
2.5. Emotionsmanagement
2.5.1. Individuelles Emotionsmanagement
2.5.2. Kollektives Emotionsmanagement

3. Der Prozess des Organisationalen Lernens
3.1. Bedeutung und Kontext des organisationalen Lernens
3.2. Bezugsrahmen: Lernebenen der Organisation
3.3. Begriffliche Bestimmungen des organisationalen Lernens und der lernenden Organisation
3.4. Theoretische Ansätze des organisationalen Lernens
3.4.1. Entwicklungstendenzen der Ansätze
3.4.2. Kulturansatz von Argyris/Schön
3.4.3. Wissensbasierter Ansatz von Duncan/Weiss
3.4.4. Integrativ-systemischer Ansatz von Senge
3.5. Der Lernprozess und die Rolle von Emotionen
3.5.1. Phasen des Lernprozesses
3.5.2. Individueller Lernprozess
3.5.3. Kollektiver Lernprozess
3.5.4. Emotionsarten im Lernprozess

4. Emotionsbezogene Gestaltung lernender Organisationen
4.1. Problemfelder des Emotionalen
4.1.1. Emotionale Lernbarrieren auf der Mikroebene
4.1.2. Emotionale Lernbarrieren auf der Mesoebene
4.1.3. Emotionale Lernbarrieren auf der Makroebene
4.2. Lernförderliches Emotionsmanagement
4.2.1. Gestaltungsmöglichkeiten für das Lernen auf der Mikroebene
4.2.2. Gestaltungsmöglichkeiten für das Lernen auf der Meso-ebene
4.2.3. Gestaltungsmöglichkeiten für das Lernen auf der Makroebene

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Versicherung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Unternehmen sind mehr denn je mit einer sich dynamisch entwickelnden Umwelt konfrontiert und müssen sich in dieser behaupten. Dies erfordert eine kontinuierliche Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen, die in der Organisationstheorie als „Organisationales Lernen“ bezeichnet wird. Die Organisationsforschung orientierte sich lange Zeit an einer kognitiven Sichtweise, bei der Rationalität für die Erreichung von Unternehmenszielen im Vordergrund stand. Diese Sichtweise hat die Entwicklung von theoretischen Ansätzen zum organisationalen Lernen und auch die Lernpraktiken in Unternehmen beeinflusst. Die Emotionsforschung erlangte erst gegen Ende des 20. Jh. größere Aufmerksamkeit. Somit bietet der Zeitgeist eine Erklärung dafür, warum die Rolle von Emotionen im Organisationsgeschehen bis vor kurzem in der Organisationsforschung kaum berücksichtigt wurde.

Durch die neueren Erkenntnisse zum Zusammenhang von Emotionalität und Rationalität werden zunehmend die Relevanz des Emotionalen und dessen Management für organisationale Prozesse erkannt. In Hinblick auf das organisationale Lernen ergeben sich daraus die folgenden Fragen: Welche Rolle spielen Emotionen bei Prozessen des organisationalen Lernens? Inwiefern sind emotionale Einflüsse und Wirkungen in etablierten theoretischen Ansätzen des organisationalen Lernens berücksichtigt bzw. lassen sich Zusammenhänge zwischen diesen Ansätzen und den Erkenntnissen der Emotionsforschung zum Umgang mit Emotionen herstellen? Und: Wie kann die Berücksichtigung von emotionalen Einflüssen und Wirkungen sowie ein Emotionsmanagement zur Gestaltung von lernenden Organisationen beitragen?

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Rolle von Emotionen im Lernprozess zu überprüfen, ob eine rein rational orientierte Sichtweise für die Konzipierung des organisationalen Lernens haltbar ist. Dies wird anhand der Darstellung von förderlichen als auch einschränkenden Einflüssen und Wirkungen des Emotionalen sowohl im individuellen als auch im kollektiven Lernprozess verdeutlicht. Darüber hinaus werden von den Erkenntnissen der Emotionsforschung Bezüge zu konkreten theoretischen Ansätzen des organisationalen Lernens hergestellt. Abschließend werden die Möglichkeiten und die Grenzen eines Emotionsmanagements zur Überwindung von emotionalen Lernbarrieren bei der Gestaltung von lernenden Organisationen diskutiert.

In Kapitel 2 werden einige, für den organisationalen Lernprozess relevante Einflüsse und Wirkungen des Emotionalen sowie Möglichkeiten des Emotionsmanagements auf verschiedenen Organisationsebenen beschrieben. Dazu wird zunächst das interdependente Verhältnis von Rationalität und Emotionalität näher erläutert. Anschließend erfolgen eine Unterscheidung der emotionalen Ebenen der Organisation und eine begriffliche Bestimmung des Emotionalen. Auf der Mikroebene werden emotionale Aspekte anhand des motivations- und kreativitätsförderlichen Flow-Konzepts sowie die Emotionsarbeit, die in Organisationen zunehmend an Bedeutung gewinnt, dargestellt. Hinsichtlich der Mesoebene werden das Phänomen der emotionalen Ansteckung sowie die Bedeutung von Spiel, Spaß und Humor in Gruppen beschrieben, während auf der Makroebene emotionale Aspekte der Unternehmenskultur verdeutlicht werden. Als Möglichkeiten des Umgangs mit Emotionen werden dann Strategien der Emotionsarbeit und das Konzept der Emotionalen Intelligenz als individuelle Formen des Emotionsmanagements vorgestellt. Letzteres kann auf die Gruppen- und Organisationsebene übertragen werden und stellt somit neben dem Konzept der beschränkten Emotionalität auch eine Möglichkeit des kollektiven Emotionsmanagements dar.

In den Mittelpunkt des Kapitels 3 wird der organisationale Lernprozess gestellt, wobei zunächst eine kontextuelle Einordnung, eine Unterscheidung der Lernebenen der Organisation als Bezugsrahmen sowie begriffliche Bestimmungen des organisationalen Lernens und der lernenden Organisation erfolgen. Im Anschluss werden einige etablierte theoretische Ansätze des organisationalen Lernens erläutert. Dabei wird anhand des Zeitbezuges zur Entwicklung der ersten Konzepte und insbesondere am wissensbasierten Ansatz von Duncan/Weiss das Vorherrschen der rational orientierten Sichtweise in und von Organisationen deutlich gemacht. Andere theoretische Konzepte des organisationalen Lernens, wie der Kulturansatz von Argyris/Schön und der integrativ-systemische Ansatz von Senge, lassen im Gegensatz dazu Bezüge zu emotionalen Aspekten und zum Umgang mit Emotionen zu, weshalb sie näher erläutert werden. Schließlich wird die Bedeutung von Emotionen im individuellen und kollektiven Lernprozess anhand der spezifischen Phasen erläutert und zusammenfassend eine Klassifikation der wichtigsten Emotionsarten im Lernprozess sowie Möglichkeiten eines optimalen Emotionsmix für verschiedene Entwicklungsphasen der Organisation vorgestellt.

Kapitel 4 ist der emotionsbezogenen Gestaltung von Organisationen gewidmet. Hier werden zunächst ebenenspezifische Problemfelder im organisationalen Lernen, die durch Emotionen verursacht werden, dargestellt. Insbesondere stellt die Lernangst auf jeder Organisationsebene eine Lernbarriere dar, wobei die für jede Ebene spezifischen Implikationen verdeutlicht werden. Darüber hinaus werden negative Auswirkungen der Emotionsarbeit auf der Mikroebene und der emotionalen Ansteckung auf der Mesoebene erläutert. Auf der Makroebene wird die Problematik der Übertragung von individuellem Lernen auf kollektives Lernen diskutiert. Anschließend werden für jede Ebene Gestaltungsmöglichkeiten durch ein lernförderliches Emotionsmanagement aufgezeigt. Die emotional-intelligenten Kompetenzen von Führungskräften spielen bei der Überwindung von lernhinderlichen Emotionen und der Schaffung eines lernförderlichen emotionalen Klimas eine besonders wichtige Rolle. Daneben werden auch die emotionale Intelligenz von Gruppen und von Organisationen, die beschränkte Emotionalität und Formen der symbolischen Führung zur Gestaltung der lernenden Organisation betrachtet. Besonders hervorgehoben werden außerdem die Bedeutung von Praxis- und Lerngemeinschaften auf der Mesoebene und die strukturellen Gestaltungsmöglichkeiten auf der Makroebene.

2. Organisationen als emotionale Arenen

2.1. Das Verhältnis von Rationalität und Emotionalität

Eine der wohl wichtigsten Erkenntnisse der neueren Psychologie ist, dass es ohne Emotionen kein rationales Denken, Entscheiden und Handeln gibt (vgl. Kiefer 2002, S. 32f.). Diese Interdependenz von Rationalität und Emotionalität stützt sich insbesondere auf die Forschungsergebnisse der Neurologen Damasio (vgl. 1995) und LeDoux (vgl. 2001), die damit die überholte Sichtweise der Irrationalität von Emotionen widerlegen konnten. Mayer/Salovey (vgl. 1997, S. 9) begründen die Dichotomie von Emotionalität und Rationalität mit der Auffassung, dass es die störende, vom gegenwärtigen Kurs ablenkende Kraft der Emotionen ist, die das Denken auf wichtigere Dinge richtet, welche erst durch die Emotionen in ihrer Bedeutung wahrgenommen werden.

In der Tat wurde das Emotionale wie Leidenschaften, Stimmungen und Gefühle lange Zeit als Störfaktor für kognitive Prozesse - also Denken, Entscheiden, Handeln, Lernen - angesehen. Rationalität als kognitive Fähigkeit des Menschen stellte somit viele Jahrzehnte auch ein Primat für Organisationstheoretiker des 20. Jh. dar, das die Unternehmenspraxis wesentlich geprägt hat (vgl. Kiefer 2002, S. 33). So beeinflussen die Vorstellungen des deutschen Soziologen Weber (vgl. 1980) von einer bürokratischen Organisation sowie die des amerikanischen Ingenieurs Taylor (vgl. 1983) von einer wissenschaftlichen Betriebsführung heute noch in vielfältiger Weise Unternehmen und Verwaltungen. Der Glaube, dass Emotionalität einen Gegensatz zur Rationalität darstellt, hatte dazu beigetragen, dass Emotionen im Organisationsgeschehen als negativ empfunden wurden. So beschreiben Ashforth/Humphrey (vgl. 1995, S. 101ff.) Mechanismen der Managementpraxis, wie das Emotionale in Organisationen unter Kontrolle gehalten werden sollte. Einerseits kann versucht werden, das Auftreten von sozial unerwünschten Emotionen zu verhindern. Die Ausrichtung des Denkens und Handelns erfolgt dabei gemäß den Normen der Rationalität und nicht den in jüngster Zeit an Bedeutung gewinnenden Normen der Emotionalität, wie z.B. Effektivität statt Freude an der Aufgabe, Fokus auf Rollen statt auf Personen und zwischenmenschliche Beziehungen, Hierarchien statt Netzwerke, Leistung statt Zufriedenheit (vgl. Abb. 1). Die anderen Mechanismen dienen der Regulierung von unvermeidbaren oder rolleninhärenten Emotionen. Insbesondere nennen diese Autoren die Vorgabe von Gefühlsregeln und das Erlernen des persönlichen Abstandnehmens von emotionsgetragenen Interaktionen sowie die Suche nach akzeptablen rationalen Erklärungen für Handlungen, die eigentlich durch Emotionen verursacht wurden. Nach den neueren Erkenntnissen der Emotionsforschung scheint jedoch ein derartiger Umgang mit Emotionen entsprechend dieser Mechanismen nicht mehr adäquat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Rationalität versus Emotionalität (vgl. Ashforth/Humphrey 1995, S. 103)

Abbildung 1 verdeutlicht die unterschiedlichen Fokussierungen zur Ausrichtung von Organisationen, Mitteln und Zielen, Menschen und sozialen Beziehungen in einerseits rationaler und andererseits emotionaler Hinsicht. Es gab zwar schon in früheren Zeiten der Organisationstheorie „Gegenstimmen“ zum Rationalitätsmythos, wie z.B. die Human-Relations-Bewegung oder die Mikropolitik (vgl. auch Steger 2001, S. 81), aber erst seit den 80er Jahren des 20. Jh. hat die Emotionsforschung von vielen wissenschaftlichen Disziplinen größere Aufmerksamkeit erfahren. So findet die neue Sichtweise der Interdependenz von Emotionalität und Rationalität auch in der jüngsten Organisationsforschung Berücksichtigung, wobei u.a. die Bedeutung von Emotionen für das organisationale Lernen erkannt wurde (vgl. Scherer/Tran 2001).

2.2. Bezugsrahmen: Emotionale Ebenen der Organisation

Der Ausdruck, Organisationen als emotionale Arenen aufzufassen, wurde von Fineman (vgl. 2000b, S. 1ff.) geprägt. Darunter lassen sich die vielfältigen emotionalen Aspekte und Formen des Umgangs mit Emotionen in Organisationen zusammenfassen, die einzelne Organisationsmitglieder, Gruppen oder auch die gesamte Organisation betreffen. Zur Darstellung der Bedeutung von Emotionen und eines Emotionsmanagements für das organisationale Lernen bietet sich eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Organisationsebenen an (vgl. Abb. 2).

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Abb. 2: Emotionale Ebenen der Organisation

Auf der Mikroebene wird das einzelne Individuum betrachtet, das Emotionen erlebt und ausdrückt. Die Mesoebene bezieht sich auf Gruppen, während die Makroebene die gesamte Organisation umfasst. Gruppen bzw. Teams können als eine formelle Arbeitsgruppe verstanden werden, deren Mitglieder eine gemeinsame Aufgabe bearbeiten und deren Bewältigung einer wechselseitigen Abstimmung bedarf (vgl. Weibler 2001, S. 247). Organisationen sind soziale Gebilde, die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe die Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden (vgl. Kieser/Kubicek 1992, S. 4). Organisation bedeutet ebenfalls die Schaffung einer formalen Struktur (Gebilde- und Prozessstruktur), die die Erreichung der Unternehmensziele fördern soll (vgl. Schertler 1998, S. 20). Sowohl auf der Mesoebene als auch auf der Makroebene wird durch das Vorherrschen bestimmter individueller und kollektiver Emotionen das emotionale Klima innerhalb der Gruppe oder der Organisation geprägt. Für alle Ebenen lassen sich Möglichkeiten des Umgangs mit Emotionen, also des Emotionsmanagements, benennen.

2.3. Begriffliche Bestimmung des Emotionalen

In den folgenden beiden Abschnitten werden die Begriffe Emotion und emotionales Klima näher erläutert.

2.3.1. Emotionen

Die Begriffe Emotion und Gefühl werden im deutschen Sprachgebrauch oft synonym verwendet. Die wissenschaftliche Auffassung der Psychologie teilt die Gleichbedeutung beider Begriffe (vgl. Häcker/Stapf 2004, S. 241), allerdings lässt sich Gefühl eher als allgemeiner Oberbegriff für mentale Prozesse einordnen und Emotion als psychologischer Fachausdruck in Anlehnung an den englischen Sprachgebrauch interpretieren. Dort wird der Begriff Emotion im Sinne von Affekt verstanden, d.h. Emotionen sind Gefühle von großer Intensität, die durch einen internalen oder externalen Stimulus hervorgerufen werden, Aufmerksamkeit erfordern sowie kognitive Prozesse und Verhaltensweisen unterbrechen (vgl. George 2000, S. 1029). Im Gegensatz zu Emotionen versteht man unter Stimmungen allgemeine Gefühlszustände, die nicht durch ein bestimmtes Ereignis hervorgerufen werden müssen bzw. bei denen das Objekt des affektiven Erlebens nicht notwendigerweise bekannt ist. Stimmungen werden entweder als angenehm oder unangenehm empfunden, sind von geringerer Intensität, aber länger andauernd als Emotionen und führen nicht zur Unterbrechung von Handlungen. Stimmungen können einerseits die Folge von erlebten und verarbeiteten Emotionen sein, anderseits können sie die Intensität von Emotionen beeinflussen (vgl. George 2000, S. 1029; Häcker/Stapf 2004, S. 912).

In der Literatur lassen sich vielfältige Definitionsmöglichkeiten für den Begriff Emotion finden. Versucht man möglichst alle Aspekte einzubeziehen, können Emotionen als ein aus folgenden Komponenten zusammengesetztes psychologisches Konstrukt betrachtet werden: (i) kognitive Prozesse der Beurteilung und Bewertung von Stimuli und Situationen; (ii) physiologische Erregungszustände; (iii) motorische Verhaltensweisen, insbesondere der emotionale Ausdruck; (iv) motivationale Aspekte, die die Verhaltensintention und –bereit-schaft einschließen sowie (v) subjektive Gefühlszustände wie z.B. Müdigkeit und Energie (vgl. Tran 1998, S. 99). Emotion ist dann ein komplexes Muster von Veränderungen dieser Komponenten, die in Reaktion auf einen Stimulus oder eine Situation eintreten, welche als persönlich bedeutsam wahrgenommen wurden (vgl. auch Weibler 2001, S. 468). Emotionen dienen also als Signale, die ein Individuum auf bedeutsame Änderungen in seiner Umwelt aufmerksam machen und entsprechende Reaktionen beeinflussen. Emotionen wirken sich somit auf die Motivation, das Lernen, die Entscheidungsfindung und schließlich das Verhalten aus (vgl. Scherer/Tran 2001, S. 371f.). Außerdem werden Ereignisse von großer Bedeutung im Langzeitgedächtnis gespeichert. Emotionen spielen damit auch eine Rolle in sozialen Interaktionen, da sie das soziale Umfeld des Individuums über seine Reaktion auf bestimmte Ereignisse informieren. Dieser kommunikative Aspekt von Emotionen wird häufig auch taktisch genutzt, indem Emotionen vorgetäuscht werden, um die wahren Reaktionen oder Verhaltensintentionen zu verbergen.

2.3.2. Emotionales Klima

Das emotionale Klima ist ein zentrales Schlüsselelement im organisationalen Leben, da auf der Gruppen- und Organisationsebene einerseits kollektive Emotionen auftreten wie z.B. Freude über gute Geschäftsergebnisse, Begeisterung für eine neue Strategie, Traurigkeit bei Entlassungen oder Verärgerung bei Streiks. Hier handelt es sich um Ereignisse, bei denen viele Individuen zu sehr ähnlichen Emotionen neigen. Andererseits sind im kollektiven Gefüge individuelle Emotionen wie Zuneigung, Neid oder Verzweiflung, aber auch mikropolitische Prozesse wie z.B. die Austragung von Machtkämpfen zu beobachten (vgl. auch Tran 1998, S. 101; Scherer/Tran 2001, S. 372).

In Anlehnung an Paez et al. (vgl. 1995, S. 144; zitiert nach Scherer/Tran 2001, S. 372) kann emotionales Klima als ein kollektiver Gefühlszustand definiert werden, der beherrscht wird von bestimmten vorrangigen Emotionen, Werthaltungen, Überzeugungen und Handlungstendenzen sowie einem bestimmten sozialen Auftreten einer kollektiven Entität. De Rivera (vgl. 1992, S. 197ff.; zitiert nach Scherer/Tran 2001, S. 372) betont, dass sich das Konzept des emotionalen Klimas nicht nur auf kollektive Gefühle und Verhaltensweisen bezieht, sondern auch auf die Art und Weise, wie die Mitglieder einer Gesellschaft emotional zueinander in Beziehung stehen. Das emotionale Klima ist also gekennzeichnet durch bestimmte vorherrschende Emotionen und emotionale Einstellungen, die von den Mitgliedern einer Gruppe oder Organisation geteilt werden und die deren Verhalten und Interaktionen bestimmen (vgl. Scherer/Tran 2001, S. 372).

Ein organisationsspezifisches emotionales Klima entwickelt sich dadurch, dass die Organisationsmitglieder interne oder externe Ereignisse in einer ähnlichen Weise bewerten und demzufolge auf gleiche Art darauf reagieren. Organisationsmitglieder teilen dasselbe soziale Umfeld, das u.a. geprägt ist durch die Organisationsstruktur, den Führungsstil, den Netzwerkaufbau und die physischen Arbeitsbedingungen. Darüber hinaus machen sie gemeinsame Erfahrungen, entwickeln ähnliche Wertvorstellungen, Motivationsziele und Einstellungen. Diese Gemeinsamkeiten führen zu einer ähnlichen Beurteilung von spezifischen Ereignissen, die gemeinsam geteilte Emotionen und gleichförmige Verhaltenstendenzen hervorruft (vgl. Scherer/Tran 2001, S. 372f.). Weitere Determinanten des emotionalen Klimas sind das Phänomen der emotionalen Ansteckung und die gemeinsame Informationsverarbeitung in Gruppen (vgl. Abschnitt 2.4.2.).

Im Gegensatz zu individuellen Emotionen wirkt sich das emotionale Klima einer Organisation sowohl auf die individuelle als auch auf die organisationale Leistung aus, denn es hat großen Einfluss auf organisationsdynamische Prozesse wie das Generieren von Ideen und die Kreativität, die Entscheidungsfindung, die Wandelbereitschaft, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Ermöglichung von Lernprozessen (vgl. Tran 1998, S. 101f.; Abb. 3).

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Abb. 3: Emotionales Klima und organisationsdynamische Prozesse (vgl. Tran 1998, S. 102)

2.4. Einflüsse und Wirkungen des Emotionalen

Einige emotionale Aspekte auf den einzelnen Organisationsebenen haben eine besondere Relevanz im Organisationsgeschehen und bei Prozessen des organisationalen Lernens, weshalb sie in diesem Abschnitt näher erläutert werden. Auf der Mikroebene sind das die Motivation durch Flow-Erlebnisse und die Erbringung von Gefühlsarbeit, während das emotionale Klima von Gruppen durch das Phänomen der emotionalen Ansteckung sowie durch Spiel, Spaß und Humor beeinflusst wird. Auf der Makroebene spielt die emotionale Verankerung der Organisationskultur eine wesentliche Rolle.

2.4.1. Emotionale Aspekte der Mikroebene

Motivation der einzelnen Mitarbeiter ist geprägt durch Emotionen. Allerdings kam die Berücksichtigung der emotionalen Bindung zwischen Mitarbeiter und dem Arbeitsinhalt bzw. Arbeitskontext in der Motivationstheorie bisher zu kurz (vgl. Ashforth/Humphrey 1995, S. 109). Ebenfalls weitgehend unberücksichtigt blieb bisher, dass es gerade Emotionen sind, die die Motivation zum Handeln geben (Scherer/Tran 2001, S. 370). So orientieren sich einflussreiche Prozesstheorien der Motivation wie z.B. die Valenz-Instrumentalitäten-Erwar-tungs-Theorie von Vroom (vgl. 1964) vor allem an der rationalen Sichtweise der Menschen. Demzufolge sind Mitarbeiter gemäß der Erwartung motiviert, dass ihr Verhalten zu den gewünschten Ergebnissen führt. Denn es wird angenommen, dass ein rationaler Austausch zwischen Anstrengung und Entlohnung, Arbeitsplatzsicherheit, Beförderung etc. stattfindet. Das etablierte Konzept der intrinsischen Motivation beinhaltet zwar, dass die Motivation für eine Tätigkeit aus dieser selbst erwächst, es wird also eine Erfüllung in der Aufgabe selbst gesehen (vgl. auch Weibler 2001, S. 469), jedoch wird dabei kaum auf die emotionalen Aspekte der Motivation wie Freude, Begeisterung, Überraschung oder Frustration eingegangen.

Das Flow-Konzept von Csikszentmihalyi (vgl. 1990) ist ein Beispiel dafür, dass das emotionale Engagement gegenüber dem kalkulativen Engagement der traditionellen Motivationstheorien an Bedeutung gewinnt (vgl. Ashforth/ Humphrey 1995, S. 110). Ein Flow-Erlebnis ist durch ein völliges Aufgehen in der Tätigkeit gekennzeichnet, bei dem Handlung und Bewusstsein verschmelzen. Ein typisches Beispiel ist der Mitarbeiter, der getragen von der Begeisterung sein Abendessen vergisst und bis spät in die Nacht arbeitet. Der Mensch lässt sich im Strom der vorliegenden Aufgabe treiben, die Aufmerksamkeit ist vollkommen darauf gerichtet und er lässt sich durch nichts ablenken. Es findet keine Reflexion über die Bedeutung der Handlung, die möglichen Erfolge oder Misserfolge oder die Bewertung der Handlung durch andere statt (vgl. Krell/Weiskopf 2001, S. 22). Das Flow-Gefühl ist die Überzeugung, dass die eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung der Aufgabe ausreichen (vgl. Gonschorrek 2002, S. 132). Flow-Erlebnisse verstärken somit die Motivation der einzelnen Mitarbeiter und dienen der Generierung kreativer und innovativer Ideen.

Ein weiterer Aspekt des Emotionalen auf der Mikroebene ist das Erbringen von Emotionsarbeit durch einzelne Mitarbeiter. Der Begriff Emotionsarbeit (emotional labour) ist durch die Studien von Hochschild (vgl. 1983) bekannt geworden, die u.a. den Einsatz von Gefühlen bei Stewardessen auf die Zufriedenstellung der Passagiere untersuchte. Emotionsarbeit ist vor allem bei Dienstleistungstätigkeiten mit direktem Kundenkontakt erforderlich (z.B. Verkaufspersonal, Kundenbetreuer, Angestellte in Tourismus und Gastronomie, Call-Center-Mitarbeiter, aber auch Inkasso-Angestellte und medizinisches Personal). Als Emotionsarbeit am Arbeitsplatz bezeichnet man den Versuch, Emotionen bewusst und zielgerichtet zu beeinflussen, damit sie vorgegebenen beruflichen Normen bzw. Erwartungen entsprechen (vgl. Hochschild 1983, S. 7; Stengel 1997, S. 233). Diese Beeinflussung bezieht sich dabei auf die eigenen Emotionen (z.B. freundlich lächeln) und die Emotionen anderer (z.B. Kunde fühlt sich wohl). Sie kann auf das Erbringen und Hervorrufen sowohl von positiven als auch von negativen Emotionen gerichtet sein. Gefühlsnormen geben dabei die Darstellung einer bestimmten Bandbreite, Intensität und Häufigkeit von Emotionen für eine gewisse Dauer vor, unabhängig davon, ob dieser Ausdruck von Emotionen den internalen Gefühlen des Emotionsarbeiters entspricht (vgl. auch Ashforth/Tomiuk 2000, S. 184). Diese Nichtübereinstimmung zwischen äußerlich gezeigten und innerlich erlebten Emotionen wird als emotionale Dissonanz bezeichnet.

2.4.2. Emotionale Aspekte der Mesoebene

Gruppen bilden sich in der Regel durch eine emotionale Bindung ihrer Mitglieder heraus, denn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist geprägt durch individuelle Erwartungen an die Erfüllung emotionaler Bedürfnisse nach Nähe und Zuwendung (vgl. Wiegand 1996, S. 396). Ein wichtiges emotionales Gruppenphänomen, das man insbesondere in hoch kohäsiven Gruppen beobachten kann, ist die emotionale Ansteckung (emotional contagion). Hatfield et al. (vgl. 1992, S. 153f.) definieren emotionale Ansteckung als die Tendenz zu einer automatischen Imitation des Gesichtsausdrucks, der Sprache, der Haltung und der Bewegungen einer anderen Person, so dass dadurch die gleichen Emotionen erfahren und ausgedrückt werden (vgl. Scherer/Tran 2001, S. 373). Ashforth/Humphrey (vgl. 1995, S. 113) ergänzen, dass Menschen Emotionen nicht nur durch unbewusste oder automatische Imitation „einfangen“, sondern auch durch bewusste Informationsverarbeitung, wie z.B. Traurigkeit beim Lesen einer tragischen Geschichte. Nach diesen Autoren wird die emotionale Ansteckung verstärkt, wenn (i) ein hoher Grad an Interaktion und Kohäsion in der Gruppe vorliegt, (ii) die Emotion von einem höherrangigen oder beliebten Gruppenmitglied gezeigt wird, (iii) die Emotion etablierten Gefühlsnormen entspricht, (iv) stark entgegen gesetzte Emotionen nicht bereits vorherrschen und (v) im Fall der bewussten Informationsverarbeitung Ambiguität bzgl. der Bedeutung eines Ereignisses und der angemessenen emotionalen Haltung dazu besteht, die gemeinschaftlich von der Gruppe interpretiert wird.

Spiel, Spaß und Humor sind weitere Aspekte des Emotionalen in Gruppen, obwohl sie unserer westlichen Auffassung von Arbeitsmoral und Vernunftdenken widersprechen (vgl. Ashforth/Humphrey 1995, S. 114f.). Sich mit Spitznamen rufen, gegenseitig necken, Streiche spielen oder singen sind Verhaltensweisen, die man häufig in organisationalen Gruppen beobachten kann. Sie fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Teamdenken, denn der Kollege wird als Person und nicht bloß als Rolleninhaber geschätzt. Der rational orientierten Ansicht, Spaß behindere die effiziente Leistungserbringung, kann entgegengesetzt werden, dass Spaß sowohl zum Abbau von Spannungen und Langeweile beiträgt als auch Kreativität verstärkt. Spaß und Humor wirken somit sehr wohl leistungsfördernd. Arbeit im Sinne von Spiel, Sport und Knobeln wirkt sich außerdem positiv auf die Freude an der Tätigkeit, das Engagement und das Lernen aus. Unabhängig von einer humorvollen oder spielerischen Atmosphäre dient die Gruppe in jedem Fall als Medium der gemeinsamen Informationsverarbeitung, wodurch kollektive Emotionen generiert und organisationale Lernprozesse begünstigt werden (vgl. auch Scherer/Tran 2001, S. 372).

2.4.3. Emotionale Aspekte der Makroebene

Auf der Ebene der gesamten Organisation spielen Emotionen eine wesentliche Rolle bei der Prägung der Organisationskultur, die sich auf ähnliche Art und Weise bestimmt wie das emotionale Klima der Organisation. Nach dem Modell von Schein (vgl. 1985) lässt sich die Organisationskultur in drei Ebenen gliedern (vgl. Abb. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Ebenen der Organisationskultur (in Anlehnung an Schein 1985, S. 14)

Die Organisationskultur äußert sich in Artefakten und Symbolen, wie bestimmten Verhaltensweisen, Sitten, Geschichten, Slogans, Mythen, Ritualen, Logos, Berufsbekleidung oder architektonischer Gestaltung. Hinter dieser sichtbaren, aber interpretationsbedürftigen Ebene liegt die weitaus weniger sichtbare und teils unbewusst wahrgenommene Ebene der kollektiven Werthaltungen. In Form von Normen, Verhaltensstandards, Verboten oder ungeschriebenen Richtlinien prägen diese Werthaltungen die Denk- und Verhaltensmuster der Organisationsmitglieder. Die kollektiven Werthaltungen ergeben sich aus den grundlegenden Annahmen und Überzeugungen, welche als dritte Ebene das Fundament der Organisationskultur bilden. Diese Basisannahmen und Grundüberzeugungen beziehen sich bspw. auf das in der Organisationskultur vorherrschende Menschenbild oder die Einstellung zu Wandel- und Lernprozessen, die von den Organisationsmitgliedern als selbstverständlich vorausgesetzt und nicht mehr hinterfragt werden. Sie sind weitestgehend im Unterbewusstsein angesiedelt und deshalb nach außen nicht eindeutig erkennbar.

Die Organisationskultur gibt den Organisationsmitgliedern eine kollektive Identität, wobei die Identifikation mit der Kultur von den emotionalen Bedürfnissen des Menschen, wie z.B. dem Wunsch nach Zugehörigkeit, herrührt. Die Werthaltungen, Basisannahmen und Grundüberzeugungen sind an Gefühle gebunden, denn sie wecken und beeinflussen Emotionen. So ruft ein normenkonformes Verhalten bspw. positive Gefühle hervor, während ein von den Normen abweichendes Verhalten vornehmlich negative Gefühle erzeugt (vgl. George 2000, S. 1045). Die Interpretationsbedürftigkeit von Symbolen und Artefakten kann z.B. so erklärt werden, dass mit dem Image eines Rollenvorbildes oder eines Firmenlogos unbewusst emotionsgetragene Erinnerungen und Einstellungen assoziiert werden, wodurch eine verinnerlichte Reaktion hervorgerufen wird. Andere Symbole wie Metaphern, Geschichten oder Mythen haben eher eine kognitive Funktion. Sie helfen, bestimmte Erfahrungen zu verstehen sowie Gedanken, Gefühle und Ereignisse besser einzuordnen (vgl. Ashforth/Humphrey 1995, S. 111). Die Organisationskultur wird also in analoger Weise wie das emotionale Klima der Organisation durch die Gleichförmigkeit bei der Wahrnehmung und Bewertung von Ereignissen bestimmt, was zu gleichförmigen Denk- und Verhaltensmustern bei den Organisationsmitgliedern führt (vgl. Scherer/Tran 2001, S. 372f.).

2.5. Emotionsmanagement

Unter Emotionsmanagement kann man ganz allgemein den Umgang mit den eigenen Emotionen und den Emotionen anderer sowie die Beeinflussung des emotionalen Klimas in Gruppen und Organisationen verstehen. Als Formen des individuellen Emotionsmanagements werden in diesem Abschnitt die Strategien der Emotionsarbeit und die emotionale Intelligenz näher erläutert. Letztere kann auch in Gruppen und ganzen Organisationen entwickelt werden, sodass die emotionale Intelligenz neben der beschränkten Emotionalität eine Möglichkeit des kollektiven Emotionsmanagements bietet. Diese theoretischen Konzepte basieren auf sehr ähnlichen Grundannahmen, weshalb sie sich inhaltlich teils überschneiden und teils ergänzen.

2.5.1. Individuelles Emotionsmanagement

Emotionsarbeit (vgl. Abschnitt 2.4.1.) ist eine Form des individuellen Emotionsmanagements, denn die Vorstellung einer Arbeit an und mit den eigenen Gefühlen geht davon aus, dass man in der Lage ist, Gefühle zu gestalten, zu unterdrücken oder hervorzurufen (vgl. Rastetter 2001, S. 115). Entsprechend den eingesetzten Strategien zur Leistung von Emotionsarbeit unterscheidet Hochschild (vgl. 1983, S. 35 f.) Oberflächenhandeln und Tiefenhandeln. Bei Ersterem handelt es sich um eine rein äußerliche Darstellung von Emotionen gegenüber Kunden ohne innere Beteiligung. Es wird lediglich gestisch und körperlich an der Oberfläche agiert, ohne sich dabei selbst über die wahren Gefühle zu täuschen. Man könnte auch sagen, der Mitarbeiter handelt ganz automatisch wie ein Roboter. Beim Tiefenhandeln werden die eigenen Gefühle hingegen manipuliert, d.h. es wird versucht, die innere Einstellung zu verändern, um die gewünschte Emotion in sich hervorzurufen und sich entsprechend zu verhalten. Rastetter (vgl. 1999, S. 375) schlägt dafür Techniken vor, wie (i) die körperliche Entspannung zum Erreichen der innerlichen Ruhe, (ii) die Konzentration auf die Aufgabe, die Ziele und die Bedürfnisse des Kunden sowie (iii) die Vorstellung von mentalen Bildern und Situationen, die an das entsprechende Gefühl erinnern. Probleme können sich hinsichtlich der Authentizität ergeben, denn Oberflächenhandeln kann unecht wirken, während Tiefenhandeln mehr Überzeugungskraft hat. Gelungenes Oberflächenhandeln kann aber auch befriedigend und selbstwerterhöhend sein, weil man die Kontrolle über sich und den anderen verspürt. Die Automatismus-Strategie funktioniert allerdings nur, wenn der Arbeitsplatz keinen intensiven Kundenkontakt erfordert (vgl. Rastetter 1999, S. 381). Bei der Erbringung von Emotionsarbeit fällt auch die Abgrenzung zwischen authentischem und professionellem Verhalten nicht leicht. So stellten Ashforth/Tomiuk (vgl. 2000, S. 190) in einer Studie zur Authentizität von Dienstleistungsangestellten fest, dass diese sich bewusst einem anderen „Ich“ in ihrem beruflichen Umfeld annehmen, sich aber trotz verändertem Auftreten im Privaten als authentisch sahen.

Das Konzept der emotionalen Intelligenz postuliert eine ähnlich zielgerichtete Beeinflussung von Emotionen wie die Emotionsarbeit und stellt damit eine weitere Möglichkeit des Emotionsmanagements auf der Mikroebene dar. Die Kernaussage des Konzeptes ist, dass emotionale Kompetenzen, d.h. die Fähigkeit eines reflektierten Umgangs mit den eigenen und fremden Gefühlen, zur Voraussetzung erfolgreicher Arbeit werden (vgl. Goleman 1995). Damit ist es sowohl für den Umgang mit Kunden als auch für die Zusammenarbeit mit Kollegen innerhalb der Organisation relevant. Einen wesentlichen Einfluss auf die Konzipierung der emotionalen Intelligenz hatte das Modell der Multiplen Intelligenzen von Gardner (vgl. 1991, S. 75ff.), da er auf den Unterschied zwischen intellektuellen und emotionalen Fähigkeiten aufmerksam machte. Neben fünf Intelligenzarten zu sprachlichen und logisch-mathematischen Fähigkeiten benannte dieser Autor auch zwei personale Intelligenzen in Form von intrapersonalen und interpersonalen Fähigkeiten. Erstere bezieht sich auf das Kennen der eigenen Innenwelt und letztere auf die soziale Geschicklichkeit. Mayer/Salovey (vgl. 1997, S. 7ff.) fassten diese beiden personalen Kompetenzen zu dem theoretischen Konstrukt emotionale Intelligenz zusammen. Nach ihrer Definition beinhaltet die emotionale Intelligenz interindividuell unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten, eigene Gefühle und die Gefühle anderer zu erkennen, einzuordnen und dieses Wissen zu nutzen, um das Denken und Handeln darauf abzustimmen sowie Emotionen bei sich und anderen zu regulieren.

In Anlehnung an diese theoretischen Ansätze von Gardner und Mayer/Salovey formulierte Goleman (vgl. Goleman et al. 2002, S. 61ff.) ein Konzept der emotionalen Intelligenz, dass stärker auf das Arbeitsleben fokussiert und insbesondere auf Führungskräfte ausgerichtet ist. Abbildung 5 gibt einen Überblick über die im Organisationskontext relevanten EI-Kompetenzen, die nicht nur angeborene Begabungen sind, sondern durchaus erlernt werden können.

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Abb. 5: Matrix der Emotionalen Intelligenz (vgl. Goleman et al. 2002, S. 61)

Ausgangspunkt ist eine akkurate Selbstwahrnehmung, die die Grundlage für ein gutes Selbstmanagement bildet. Aufbauend auf diese beiden persönlichen Kompetenzbereiche können dann die sozialen Kompetenzen des sozialen Bewusstseins und des Beziehungsmanagements entwickelt werden. Obwohl einige wenige EI-Kompetenzen speziell auf Führungskräfte konzipiert sind, lässt sich das Konzept zum besseren Umgang mit Emotionen durchaus auf Mitarbeiter jeder Organisationsebene übertragen.

2.5.2. Kollektives Emotionsmanagement

Unter einem kollektiven Emotionsmanagement soll der gemeinsame Umgang mit Emotionen von Mitgliedern einer Gruppe oder Organisation verstanden werden mit dem Ziel der Schaffung eines verbesserten emotionalen Klimas. Dies könnte bspw. erreicht werden, je besser jeder Einzelne emotionale Kompetenzen wie die der emotionalen Intelligenz beherrscht.

Eine ähnliche Möglichkeit zur Umsetzung von kollektivem Emotionsmanagement bietet das Konzept der beschränkten Emotionalität (bounded emotionality). Etabliert wurde dieser Ansatz von Mumby/Putnam (vgl. 1992) als eine pragmatische Alternative zu traditionell durch das Rationalitätsparadigma geprägte Organisationen und zu den strikten Vorgaben von Gefühlsnormen bei der Emotionsarbeit. Mit der Anwendung von beschränkter Emotionalität soll der Aufbau interpersonaler Beziehungen durch ein verbessertes gegenseitiges Verständnis von arbeitsrelevanten Emotionen erreicht werden, um vornehmlich den Gemeinschaftssinn zu stärken (vgl. Martin et al. 2000, S. 116). Die Leistungsziele der Organisation wie Effizienz, Produktivität, Gewinn etc. stehen damit nicht direkt im Mittelpunkt, werden allerdings indirekt beeinflusst.

Aufbauend auf das Gedankengut von Mumby/Putnam (vgl. 1992, S. 471) definieren Martin et al. (vgl. 2000, S. 116ff.) sechs Merkmale der beschränkten Emotionalität. (i) Die Einschränkung des emotionalen Ausdrucks erfolgt freiwillig, um interpersonale Beziehungen zu fördern. Die eigenen Emotionen werden aus Respekt für die emotionalen Bedürfnisse der anderen in einem gewissen Maße beherrscht. Diese intersubjektiven Einschränkungen dienen der Achtung der Persönlichkeit anderer und der Anerkennung möglicher Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich der Art und Weise, wie emotional man sich zeigen möchte. Ein temperamentvoller Mensch zeigt z.B. gern offen seine Gefühlslagen, während ein introvertierter Mensch nicht gern aus sich herausgeht. (ii) Der Ansatz postuliert das Zulassen von spontan aufkommenden Gefühlen am Arbeitsplatz. Die Abgrenzung des Ansatzes zur Emotionsarbeit ist hierbei nicht ganz einfach. Gefühlsnormen im Sinne der Emotionsarbeit geben zwar den Rahmen für das emotionale Verhalten vor, allerdings soll ein größerer Handlungsspielraum für den Emotionsarbeiter erlaubt sein. Emotionen wie Verärgerung oder Frustration, die aus der Emotionsarbeit resultieren können, sollten aber innerhalb der intersubjektiven Grenzen Ausdruck finden. (iii) Eine Toleranz für Ambiguitäten sollte gegeben sein, d.h. gegensätzliche Gefühle, Meinungen, Einstellungen und Wünsche sind zulässig. (iv) Auch individuell unterschiedliche Werthaltungen sollen akzeptiert werden, was bedeutet, dass den Mitarbeitern kein organisationales Wertesystem als das einzig richtige aufgezwungen werden kann. (v) Beschränkte Emotionalität sollte die Fähigkeit erleichtern, sich ohne Einschränkung authentisch am Arbeitsplatz zu verhalten. Hierunter könnte man bspw. eine Annäherung des professionellen „Ichs“ an das private „Ich“ verstehen (vgl. Ashforth/Tomi-uk 2000; Abschnitt 2.5.1.). (vi) Schließlich sollte eine angewandte beschränkte Emotionalität ein starkes Gemeinschaftsgefühl unter den Organisationsmitgliedern hervorrufen.

Die Relevanz der in diesem Kapitel dargestellten emotionalen Aspekte der einzelnen Ebenen für das organisationale Lernen und der Möglichkeiten des Emotionsmanagements zur Förderung von Lernprozessen wird in Kapitel 4 näher erläutert. Zuvor wird in Kapitel 3 ein allgemeiner Überblick über den organisationalen Lernprozess gegeben sowie ausgewählte theoretische Ansätze des organisationalen Lernens und die Rolle von Emotionen im Lernprozess dargestellt.

3. Der Prozess des Organisationalen Lernens

3.1. Bedeutung und Kontext des organisationalen Lernens

Unternehmen sind in der heutigen Zeit mehr denn je mit einem sich dynamisch wandelnden Umfeld konfrontiert. Rasanter technischer Fortschritt, rasche Produktinnovationen, das Vorherrschen von Käufermärkten, die zunehmende Tendenz zur Globalisierung und die Intensivierung des Wettbewerbs sind nur einige der wesentlichen Determinanten des Wandels, die zur Anpassung zwingen (vgl. Doppler/Lauterburg 2002, S. 21ff.). Darüber hinaus ist in der heutigen Zeit auch innerhalb von Organisationen der Wille zur Veränderung sichtbar. Dies könnte u.a. in einem veränderten Wertewandel begründet sein, z.B. weg von strengen Hierarchien und autoritärer Führung hin zu Netzwerkstrukturen, Mitsprache und Selbstentfaltung. Möglichkeiten eines organisationalen Wandels bieten die theoretischen Konzepte der Organisations-entwicklung und der lernenden Organisation. Während unter Organisationsentwicklung Wandel als Sonderfall und separates Problem betrachtet wird, dem mit Hilfe von externen Experten begegnet wird, stellt Wandel in einer lernenden Organisation einen endogenen Normalfall dar, der durch die generelle Kompetenz der Organisation und ihrer Mitglieder bewältigt wird (vgl. Schreyögg/Noss 1995; zitiert nach Wiegand 1996, S. 153f.). In diesem Sinne stellt Wandel einen stabilen bzw. kontinuierlichen Faktor im Organisationsgeschehen dar. Organisationales Lernen und lernende Organisationen dienen einer stetigen Anpassungsfähigkeit an sich verändernde externe und interne Umstände, denen durch den Aufbau von interner Handlungskompetenz Rechnung getragen werden soll (vgl. Probst/Büchel 1998, S. 5). Dabei spielen nicht nur quantitative Faktoren des organisationalen Wachstums, wie z.B. die Erhöhung der Wissensbasis durch vermehrtes Wissen, eine Rolle, sondern auch die qualitativen Aspekte der Veränderung, wie die Regelsysteme, Strukturen und Prozesse innerhalb von Organisationen, rücken in den Mittelpunkt der Organisationsgestaltung (vgl. Probst/Büchel 1998, S. 9).

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Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung von Emotionen und eines Emotionsmanagements für das organisationale Lernen
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
65
Katalognummer
V32263
ISBN (eBook)
9783638330299
ISBN (Buch)
9783656523994
Dateigröße
695 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedeutung, Emotionen, Emotionsmanagements, Lernen
Arbeit zitieren
Susanne Löschmann (Autor:in), 2004, Die Bedeutung von Emotionen und eines Emotionsmanagements für das organisationale Lernen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32263

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