„The Global Transformation“ von Barry Buzan und „On Global Order“ von Andrew Hurrel. Gemeinsamkeiten ihrer Forschungsansätze zur Globalisierung

Ein Vergleich


Hausarbeit, 2016

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsstand und Theorie

3. Die globale Transformation

4. Schlussfolgerungen

5. Literatur

1. Einleitung

Wie sind die aktuell vorzufindende internationale Ordnung und das, was wir heute unter Globalisierung verstehen, entstanden? Welche Rolle spielen dabei die Nationalstaaten, die internationale Gesellschaft- sofern es eine gibt- und weitere soziale, ökonomische und ökologische Faktoren? Diesen großen Fragen widmen sich Barry Buzan (The Transformation of Global Order) und Andrew Hurrel (On Global Order) und versuchen dabei sehr ambitioniert das „Große Bild“ zu zeichnen. Während Buzan seinen Schwerpunkt insbesondere auf eine globale Transformation beginnend im 19.Jahrhundert legt und das Zusammenspiel von Industrialisierung, dem Aufkommen des rationalen Staates und der Fortschrittstheorien betont, fokussiert sich Hurrel auf die Herausforderungen der internationalen Gemeinschaft, insbesondere der Wahrnehmung von gemeinsamen Werten, dem Ausgleich von Machtungleichheiten und die Mediation von kultureller Diversität und Wertekonflikten.

Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet dementsprechend welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in beiden Forschungsansätzen bestehen und wie schlüssig die Antworten sind, die beide Autoren liefern. Vor dem Hintergrund ganz akuter, weltweiter Probleme, wie den globalen Terrorismus oder die ansteigenden Umweltprobleme, ist dieses Thema von besonderer Relevanz. In einem ersten Kapitel.. Anschließend wird der Forschungsstand und die Literatur sowie die theoretischen Überlegungen der Autoren vorgestellt. Im dritten Kapitel wird dann näher darauf eingegangen, was Buzan globale Transformation nennt und abschließend folgen in den Schlussfolgerungen eine Bewertung und ein Ausblick.

Das Hauptaugenmerk von Buzan liegt auf der globalen Transformation, die zu einem Auftreten eines weltumspannenden internationalen Systems mit einer Vielzahl von neuen und alten Akteuren geführt hat. Diese führenden Akteure innerhalb der internationalen Beziehungen sind namentlich der rationale Staat und transnationale Kooperationen und Netzwerke sowie intergouvernementale und transnationale Regierungs- und Nicht-Regierungorganisationen. Der durch die Transformation herbeigeführte Wandel der Strukturen und Akteure war die Geburtsstunde des Faches Internationale Beziehungen, wie wir es heute kennen. Dennoch verzeichnet Buzan eine geringe Aufmerksamkeit des Faches für diesen Wandel und sieht dadurch nicht unwesentliche Probleme für das Selbstverständnis und die Untersuchungsobjekte der Disziplin. In seinem Werk „The Global Transformation“ widmet sich Buzan dieser Lücke und argumentiert zunächst, dass die Industrialisierung und die Ausweitung des Handels zu einer zunehmenden, globalen Interaktion führte. Die damit einhergehende Wirtschaftsmacht und der Imperialismus, der zwischen einer zivilisierten und unzivilisierten Welt unterscheidet, brachte allerdings eine ansteigende Ungleichheit in den Gesellschaften und eine internationale Ordnung mit einer „Zentrum-Peripherie-Struktur“ mit sich. Zweitens entstanden im 19.Jahrhundert die Ideologien Nationalismus, Liberalismus, Sozialismus und der wissenschaftliche Rassismus, welche die Weltordnung grundlegend verändern sollten. Diese drei Entwicklungen der globalen Transformation destabilisierten mithilfe von technologischem Fortschritt und sozialem Wandel das internationale Machtgefüge und –Gleichgewicht und ermöglichen eine Unterscheidung zwischen Moderne und vorangegangenen Epochen. Die bisher auf Landbesitz und Wohlstand basierende Agrarwirtschaft wurde durch technologische Erneuerungen, kapitalistische Strukturen und dem internationalen Handel revolutioniert. Durch die neuen Ideologien entstanden in der Industriegesellschaft neue (Wohlstands-) Erwartungen an das Leben und das Volk wurde der Souverän, der sich durch die Nationalstaatsbildung einem bestimmten Territorium zugehörig fühlte. Zudem legitimierten die Ideologien den rationalen Staat, der den Absolutismus ablöste und Infrastruktur sowie neue bürokratische Strukturen schuf. Großmächte wurden von nun an anhand ihres Industrialisierungsgrads, technologischen Fortschritts und ihrer Staatsform definiert. Dieser Wandel im Westen Europas und in Nordamerika erodierte in Kombination mit dem Imperialismus das bisherige sehr ausgeglichene Machtgefüge der vorangegangenen Epochen und führte zu einer sehr ungleichen internationalen Ordnung zugunsten des Westens. Zu den bekannten Wegmarken der globalen Transformation zählen die Entdeckung der Seewege nach Amerika und Indien im späten 15.Jahrhundert, der Vertrag von Augsburg (1555), der Westfälische Friede (1648), die beiden Weltkriege sowie der anschließende Kalte Krieg. Buzan argumentiert hier, dass diese Wegmarken zwar die Veränderungen der Machtverteilung datieren, vernachlässigt aber wie es dazu kommen konnte.

Der Fokus des Werkes „On Global Order“ von Andrew Hurrel liegt auf den Herausforderungen der internationalen Gemeinschaft, insbesondere der Wahrnehmung von gemeinsamen Werten, dem Ausgleich von Machtungleichheiten und die Mediation von kultureller Diversität und Wertekonflikten. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, die Komplexität zu reduzieren und ein Argument zu entwickeln, wie sich die internationale Gesellschaft verändert hat, welche Probleme dadurch entstanden sind und in Zukunft entstehen können. Viele dieser Veränderungen betreffen den sehr häufig verwendeten Begriff der Globalisierung und es geht um soziale, ökonomische, politische und ökologische Fragen. Des Weiteren spielen Institutionen, Werte und Normen sowie deren Entwicklung eine übergeordnete Rolle. Ordnung wird unterschieden zwischen Ordnung als Zustand und Ordnung als Wert. Soziale Ordnung kann auf der einen Seite ein stabiler und regulärer Rahmen für menschliches Verhalten sein- das Gegenteil wären Chaos und Instabilität. Auf der anderen Seite muss soziale Ordnung einen Sinn ergeben, einen Nutzen haben, dem die Menschen eine Bedeutung beimessen, also Ziele und Werte beinhalten, die zu einem bestimmten Ergebnis führen. Demnach in Anlehnung an Bull “A pattern [in the relations of human individuals or groups] that leads to a particular result, an arrangement of social life such that it promotes certain goals or values” (Hurrel, 2007:S.21). Die Rahmenbedingung für die internationale Ordnung ist die Idee einer eingeschränkten, pluralistischen Gesellschaft innerhalb eines souveränen Staates. Die Welt besteht demnach aus separaten Staaten, die durch politische Praktiken und institutionelle Strukturen miteinander verbunden sind. Die globale Ordnung wird daran gemessen, wie sehr sie es schafft durch diese Verbindungen Konflikte zu vermeiden und Kooperation/Stabilität herbeizuführen.

2. Forschungsstand und Theorie

Nach Buzan nahm die globale Transformation weitreichende Einflüsse auf die internationale Ordnung. Die Ausbreitung der Industrie, des Finanzwesens und die technologischen Errungenschaften führten in Verbindung mit dem Kolonialismus und Imperialismus zu einer tieferen Integration des internationalen Staatensystems und zu einer enger miteinander vernetzten Weltgesellschaft. Zudem entstanden neue Machtgleichgewichte, neue „Global Player“ aus dem Westen drängten alte Dynastien wie China, Japan oder das Osmanische Reich in die Peripherie. Wie noch dargelegt wird, argumentiert Buzan, dass diese weitreichenden Veränderungen vornehmlich im „Langen 19.Jahrhundert“ vonstattengingen. In der Literatur des Faches Internationale Beziehungen finden sich hierzu widersprüchliche Aussagen. Der Marxismus nach Halliday erkannte einen radikalen Wandel um etwa 1800, der die moderne Welt von der vorangegangenen unterscheidet. Die Vertreter der „Englischen Schule“, Bull und Watson, bestätigten ebenfalls eine tiefgreifende Veränderung, was die Macht-und Wohlstandsverteilung betrifft und sahen einen grundlegenden Wandel der Beziehungen zwischen Europa, Afrika und Asien. Die Realisten um Morgenthau argumentieren, dass in der Periode 1789-1919 eine wichtige Veränderung der Politik zwischen den Dynastien hin zu einer internationalen Politik zu verzeichnen ist. Die Historische Soziologie kommt den Annahmen von Buzan am nächsten, indem sie sagt, dass Vieles aus dem heutigen Blickfeld des Faches Internationale Beziehungen mit den Entwicklungen im 19.Jahrhundert zu tun hat und die Überlegenheit des Westens wiederspiegelt (Buzan 2015:S.46).

Der Übergang zur Moderne im 19.Jahrhundert setzte Maßstäbe für das was heute als hierarchische Form zwischen dem Westen und dem Rest der Welt zu beobachten ist, dies schließt die Agenda der Zivilisierung bis hin zur heutigen „Good Governance“ ein. Vielfach ignoriert die Forschung einfach die Bedeutung des 19.Jahrhunderts, indem sie die Transformation irgendwo zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Ende des 1.Weltkriegs verortet. Aus konstruktivistischer Sicht war der Westfälische Friede der Wendepunkt von einem feudalen System hin zu modernen Souveränitätsansprüchen von Staaten. Obwohl der Westfälische Friede grundsätzliche Souveränitätsgedanken einführte, wie beispielsweise die freie Wahl der Religion, war er jedoch tatsächlich nur das Ende eines jahrzehntelangen Ringens um die Deutungshoheit im Christentum. Die Politik des „Flickenteppichs“ unter den europäischen Königshäusern setzte sich unverändert fort. Auch der 1.Weltkrieg beziehungsweise das Jahr 1919 hatten einen großen Einfluss auf das Fach und die Themen wie Rüstungswettlauf oder Kampf der Ideologien haben noch heute eine große Bedeutung, jedoch ist es für viele Vertreter nur der Punkt ab dem sie vorwärts schauen anstatt die vorangegangene Entwicklung zu betrachten. Dabei war der Wandel von einem Europa der Dynastien hin zu einem Europa mit Nationalstaaten und Machtgleichgewicht ein Produkt des 19.Jahrhunderts. Dies trifft ebenso auf die Evolution des internationalen Rechts und der intergouvernementalen Institutionen zu.

Ein weiterer Forschungszweig verwendet schlicht die Kriege im 19.Jahrhundert zu quantitativen Zwecken wie etwa das „Correlation of Wars Project“, das beginnend mit dem Wiener Kongress (1815) die Häufigkeit von Kriegen bis heute misst. Weitere Vertreter des Faches setzten das 19.Jahrhundert in einen übergeordneten Zusammenhang und als Beginn einer liberalen Weltordnung. Diese endete um das Jahr 1870 und es begann eine Phase der imperialistischen Rivalität, die erst durch das Aufkommen der Supermacht USA nach dem Ende des 2.Weltkrieges endete (Buzan 2015:S.57). Die Vertreter der „Englischen Schule“ sahen das Jahrhundert als das Ende eines Ausdehnungsprozesses des Westens an, der bereits im 16.Jahrhundert begonnen hatte. Es wird fast nostalgisch als eine Zeit betrachtet, in der die internationale Gemeinschaft florierte und die Folgen des Imperialismus werden klar heruntergespielt. Die „Englische Schule“ fokussiert sich des Weiteren darauf, wie die ehemaligen Dynastien China und Japan auf die Entwicklungen reagierten (Buzan 2015:S.58).

Für den Fortlauf des Buches stellt Buzan sechs Grundannahmen und zwei Forderungen auf: Erstens geht er von einem „Langen 19.Jahrhundert aus“, das zwischen den Wegmarken der atlantischen Revolution in Amerika beziehungsweise in Frankreich und dem Beginn des 1.Weltkrieges liegt. Zweitens fand die globale Transformation unter den zusammenhängenden Prozessen der Industrialisierung und Kommerzialisierung, der Agrarwirtschaft und der Ausweitung des Kapitalismus statt. Drittens betont er die Rolle der sozialen Interaktion und sieht die globale Transformation nicht als Schritt einer endogenen, europäischen Gesellschaft, sondern sieht eine globale Moderne, die von vielen äußeren Faktoren beeinflusst wurde. Viertens ist die Moderne kein einschneidender singulärer Moment, sondern ein ungleicher Prozess, dessen Beginn und Ende fließend sind. Fünftens sieht er die Transformation als Prozess der Ausdifferenzierung und erhöhten Interaktion der Gesellschaften an, das heißt die Zunahme des internationalen Handels, technologische Erneuerungen und die Verbesserung von Transport- Kommunikationswegen führten zu einem zunehmenden internationalen Austausch und auch zu einer größeren Abhängigkeit/ Interdependenz. Gleichzeitig wuchsen die Ungleichheiten an und die wenigen Staaten mit technologischer und wirtschaftlicher Überlegenheit herrschten gegen Ende des 19.Jahrhunderts über den Rest der Welt. Die sechste Annahme geht davon aus, dass die „Zentrum-Peripherie-Struktur“ nicht nur in wirtschaftlichen Größen gedacht werden darf, sondern auch in einem Gesamtzusammenhang mit dem Industrialisierungsgrad, der Staatsform und der zugrundeliegenden Ideologie. Aus den sechs Annahmen ergibt sich, dass im „Langen 19.Jahrhundert“ eine neue Ära begann, deren Entwicklungen sich bis heute durchziehen.

Aus theoretischer Sicht ist es nun wichtig auf die genannte Interaktionskapazität einzugehen. Buzan definiert diese wie folgt: „Interaction capacity is the physical and organizational capability of a system to move ideas, goods, people, money and armed forces across the system” (Buzan 2015:S.68). Dabei geht es nicht nur um die Möglichkeiten diese Dinge zu bewegen, sondern Geschwindigkeit, Preis, Größe, Technologie und der politische Rahmen spielen ebenfalls eine Rolle. Mit sozialer Interaktionskapazität sind dann die sozialen Errungenschaften der Menschheit gemeint, welche einen Einfluss auf die internationale Gesellschaft haben. Hier ist die Diplomatie, gemeinsame Werte, Institutionen oder das internationale Recht sowie transnationaler Austausch zu nennen. Obwohl es auch schon vorher soziale Interaktion durch gemeinsame Sprache oder Religionen gab, erreichte der Austausch im 19.Jahrhundert eine neue Qualität. Intergouvernementalen Regierungsorganisationen werden auch hier eine sehr hohe Bedeutung zugesprochen. In Anlehnung an die „Englische Schule“ unterscheidet Buzan auch zwischen primären und sekundären Institutionen. Erstere sind konstitutiv für einen Staat und für die internationale Gesellschaft und definieren deren Charakter. Sie entwickelten sich über viele Jahre hinweg und drehen sich um die Prinzipien der Souveränität oder des internationalen Rechts. Sekundäre Institutionen, wie beispielsweise die Vereinten Nationen, wurden für einen bestimmten Zweck geschaffen und sind ein Kind des 19.Jahrhunderts. Buzan argumentiert, dass es im 19.Jahrhundert drei wesentliche Veränderungen in der sozialen Interaktionskapazität gab. Erstens der Wandel von Naturrecht zu positivem, internationalem Recht, die Schaffung von permanenten intergouvernementalen Regierungsorganisationen und das Auftreten von transnationalen Netzwerken und Nicht-Regierungsorganisationen.

Eine große Bedeutung nehmen auch die Ideologien als Form des Fortschritts und in Abgrenzung zu absolutistischen oder religiösen Herrschaftsansprüchen ein. Ohne sie wäre der Fortschritts-und Wachstumsgedanke sowie die Ungleichheiten des Kapitalismus dem Volk nicht zu erklären gewesen. Sie schufen eine noch heute vorzufindende Sucht nach Wachstum und Vermehrung in der Gesellschaft. Durch sie wurden bisherigen Ordnungsvorstellungen einer Gesellschaft in Frage gestellt, sie trieben die Industrialisierung voran und legitimierten die Nationalstaatsbildung sowie den Führungsanspruch des Westens. Fast alle Konflikte und Kriege im 20.Jahrundert sind als Auseinandersetzung der Ideologien anzusehen. Der Liberalismus wird mit individuellen Freiheiten und konstitutioneller Demokratie assoziiert und war maßgebend für die Unabhängigkeitsbewegungen, das Demokratiebestreben und die Bildung von internationalen Organisationen. Zu Beginn des 19.Jahrhunderts wurde er noch als Begriff dafür verwendet, wenn die Macht eines Monarchen an eine Verfassung gebunden werden sollte. Später wandelte er sich zu einem politischen Begriff mit der Grundannahme, dass das Individuum der erste Adressat in normativen und wirtschaftlichen Fragen ist und die repräsentative Demokratie die entsprechende Form der politischen Autorität. Im Zuge der atlantischen Revolutionen ist der Liberalismus eng mit individuellen Rechten, zum Beispiel dem Recht auf Selbstbestimmung, verbunden. Die freiheitlichen Ideen sind auch mit ökonomischen Aspekten wie der Ausweitung des Marktes oder dem freien Geldverkehr konform, sein Sendungsbewusstsein dieses Recht auch dem Rest der Welt zu ermöglichen, förderte allerdings auch den Imperialismus. Im Sozialismus ist der Fortschritt mit der materiellen Entwicklung verbunden und nicht das Individuum, sondern die Gesellschaftsklassen der primäre Adressat von Wandel. Er richtete sich wie der Liberalismus gegen bestehende Autoritäten, hatte aber eine stärkeren revolutionären Charakter, weswegen er auch stärker bekämpft wurde. Letztlich scheiterte die Ideologie an den Realitäten, aber das soll nicht Teil dieser Arbeit sein. Weniger bekannt ist der wissenschaftliche Rassismus, der den Gedanken der Überlegenheit des Westens gegenüber den anderen ins Spiel brachte und somit auch den Imperialismus befeuerte. Höhepunkt der Ideologie war in den 1930er Jahren, als der ethnische Nationalismus den Faschismus hervorbrachte, der in dieser Hinsicht keine Ideologie des 20.Jahrhunderts, sondern eine Mischform aus den Ideologien des 19.Jahrhunderts war (Buzan 2015:S.123).

Vor diesem Hintergrund galt der Nationalismus als fortschrittlich, weil er neue soziale Strukturen schuf und versuchte alle Menschen am politischen Prozess teilhaben zu lassen. Grundlegender Gedanke war, dass die Nation die Basis eines funktionierenden Staates sein muss. Eine Nation ist eine Identitätsgemeinschaft, die sich auf gleiche Werte wie Identifikation, Geschichte, Tradition, Sprache oder ethnische Zugehörigkeit beruft und der Rahmen dieser Gemeinschaft soll der Nationalstaat sein. Das brachte ein neues Verständnis mit sich, der Bürger sollte Staatsbürger einer Nation werden. Weil der Nationalismus alle einschloss, zumindest die sich der Gemeinschaft zugehörig fühlten, war er das ideale Instrument für die Massenmobilisierung. Hinzu kamen nationale Symbole wie eine eigene Flagge, Währung oder Hymne, die diese Wirkung noch verstärkten. Auch aus diesem Grund und weil er weniger revolutionär als andere Ideologien war, gingen die Herrscher teilweise auf die nationalistischen Forderungen ein, um Schlimmeres zu verhindern. Während der Nationalismus stabilisierend nach Innen wirkte, so destabilisierend wirkte er beispielsweise auf Großreiche oder Empire, weil der Ruf nach Selbstbestimmung unweigerlich zu Konflikten führen soll.

Aus theoretischer Sicht liegt der Fokus von Andrew Hurrel darauf, den sich verändernden Charakter des Institutionalismus in der Weltpolitik, die Ideen des Global-Governance-Ansatzes und die praktischen und normativen Probleme, mit denen die bestehenden Institutionen zu kämpfen haben, zu erklären. Es geht ihm dabei, in Abgrenzung zu Buzan, nicht darum, wie Institutionen überhaupt entstehen konnten und sich entwickelt haben. Hurrel stellt fünf Grundannahmen auf, diese sind: Erstens die Ablehnung der Annahme, dass das internationale System nur nach materiellen Interessen strebt und nach einem dezentralisierten, anarchischen Prinzip funktioniert. Demzufolge sind die Konzepte zu Souveränität, internationalem Recht und Krieg nicht aus dem Spiel der Mächte heraus entstanden, sondern müssen anderen Ursprungs sein. Zweitens sind materielle Interessen zwar auch von Bedeutung, können aber nicht ohne gemeinsame Werte und Verständnis der Akteure untereinander verstanden werden. Dies ist ein konstruktivistischer Ansatz, der davon ausgeht, dass sich soziale Strukturen erst durch den Austausch der Akteure untereinander produzieren und reproduzieren. Drittens spielen Normen, Werte und Institutionen multiple Rollen und bilden einen regulativen Rahmen, in dem die Akteure ihre Präferenzen zum Ausdruck bringen können. Normen sind deshalb so bedeutsam, weil sie zu verstehen helfen, wie politisches Handeln mobilisiert, gerechtfertigt und legitimiert werden kann. Viertens erklären Ideen Muster in den internationalen Beziehungen und die Handlungen der Staatsmänner. Fünftens liegt ein besonderer Fokus darauf herauszuarbeiten, welche Rolle Werte und Normen in der politischen Praxis spielen und uns Auskunft über das richtige ethische Handeln geben (Hurrel, 2007:S.17).

Nach Hurrel war man in dem Fach Internationale Beziehung hauptsächlich damit beschäftigt die internationale Ordnung zu untersuchen, die im 18.Jahrhundert „society of states“ und im 19.Jahrhundert „family of nations“ genannt wurde. Die Gesellschaft basierte auf minimalistischen Grundwerten und Regeln, die normative Struktur bildete sich um die gegenseitige Anerkennung von gleichberechtigten Staaten und der Idee, dass jeder Staat eigenverantwortlich und selbstbestimmend agieren kann. Ziel war es, die Idee der Englischen Schule der internationalen Gesellschaft wiederaufleben zu lassen. Es(neuer Satz es) gibt aber auch Überschneidungen zum Institutionalismus und zur Global Governance-Literatur, welche die Komplexität der internationalen Gesellschaft dadurch aufklären wollen, indem sie die zugrundeliegenden Mechanismen und Strukturen, die dafür verantwortlich sind wie eine soziale Ordnung hergestellt werden kann, aufdecken. In diesem Sinne sind Normen und Institutionen durch einen Prozess der sozialen Interaktion entstanden und nicht einfach geschaffen worden (Hurrel, 2007:S.10). Aus der Sicht des rationalen Institutionalismus wurden Institutionen geschaffen, um kollektive Handlungsprobleme zu lösen. Global Governance wäre demnach eine möglich Antwort auf die ansteigende Handlungsproblematik, die sich in einer sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen immer vernetzteren Welt ergibt. Dabei führt die Globalisierung nicht automatisch zu einer Harmonisierung von Interessen, aber sie fördert den Bedarf nach Kooperation.

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
„The Global Transformation“ von Barry Buzan und „On Global Order“ von Andrew Hurrel. Gemeinsamkeiten ihrer Forschungsansätze zur Globalisierung
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Geschichte, Theorie und Empirie der Globalisierung
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V322381
ISBN (eBook)
9783668216228
ISBN (Buch)
9783668216235
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vergleich, werke, global, transformation, barry, buzan, order, andrew, hurrel, gemeinsamkeiten, forschungsansätze, globalisierung
Arbeit zitieren
Carsten Müller (Autor:in), 2016, „The Global Transformation“ von Barry Buzan und „On Global Order“ von Andrew Hurrel. Gemeinsamkeiten ihrer Forschungsansätze zur Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/322381

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