Kriminalromane in der DDR


Seminararbeit, 2001

27 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeine Erkenntnisse
2.1. Das Opfer und die Tat
2.2. Der Täter
2.3. Die Verdächtigen
2.4. Die Ermittler
2.5. Die Gesellschaft

3. Hasso Mager: GIER
3.1. Opfer und Täter
3.2. Die Verdächtigen
3.3. Die Ermittler
3.4. Die Gesellschaft
3.5 Fazit

4. Anhang
4.1. Personen
4.2. Literaturnachweis
4.2.1. Primärliteratur:
4.2.2. Sekundärliteratur:

1. Einleitung

Eine Dokumentation über die Krimiserie „Polizeiruf 110“ im ZDF brachte mich auf die Idee zu dieser Hausarbeit. Wäre es nicht interessant, nachdem wir im Kurs verschiedene Genres und die Geschichte der Kriminalliteratur angesprochen haben, einen Blick speziell auf die eigene, die deutsch- deutsche Geschichte zu werfen?

Mein Gedanke war, jeweils zwei Romane aus Westdeutschland und der DDR zu lesen und miteinander zu vergleichen. Sehr bald musste ich jedoch erkennen, dass dies so für mich nicht durchführbar war. Stellte sich die Suche nach noch erhältlichen Romanen aus der DDR schon als kompliziert heraus, war das Finden von westdeutschen Krimis aus der entsprechenden Zeit für mich praktisch unmöglich. Ich fand zwar einige passende Romane, die auch über Antiquariate erhältlich waren, versuchte ich jedoch etwas über den Autor herauszufinden, stellte sich heraus, dass die Bücher meistens die einzigen Publikationen (was Kriminalromane anging) von den Autoren waren, und zudem noch sehr unbekannt.

Diese Tatsache führte mich zu der Überlegung, ob ein Vergleich dieser Bücher überhaupt sinnvoll wäre. Die DDR Romane stammten zwar alle von anerkannten und beliebten Autoren und haben deshalb meiner Meinung nach eine gewisse Aussagekraft über die „typische“ Kriminalliteratur in der DDR, ob die von mir ausfindig gemachten westdeutschen Romane jedoch auch repräsentativ für die entsprechende westdeutsche Literatur waren, konnte ich nicht wissen.

Aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschlossen, mein Thema etwas umzuformen.

Ich besorgte mir insgesamt fünf Krimis aus der DDR und untersuchte sie unter bestimmten Aspekte auf die Frage hin, ob es Gemeinsamkeiten zwischen ihnen gibt, oder nicht. Diese werde ich zunächst im Allgemeinen Teil in Bezug auf das Opfer, den Täter, die Verdächtigen, die Ermittler und die Gesellschaft darlegen. Im zweiten Teil meiner Hausarbeit werde ich speziell auf ein Buch eingehen und die vorher genannten Aspekte an ihm verdeutlichen.

Die Bücher, die ich in meiner Arbeit verwendet habe sind: „Bartuschek ist nicht mehr da“ von Hasso Mager, „Gier“ ebenfalls von Hasso Mager, „Die reußische Gemme“ von Gerhard Neumann, „Tödliche Bilanz“ von Fritz Erpenbeck und „Drei Flaschen Tokaier“ von Klaus Möckel.

Leider konnte ich das letztgenannte Buch nur eingeschränkt für meine Arbeit verwenden. Durch einen Fehler beim Binden sind die Seiten 161- 176 doppelt vorhanden, was ja kein Problem wäre, aber der Schluss des Buches, in dem der Täter und dessen Motiv bekannt gegeben werden, fehlt gänzlich.

Nichts desto trotz denke ich, dass die Ergebnisse, zu denen ich gekommen bin sehr interessant sind, wobei sie natürlich bei weitem nicht repräsentativ für die ganze DDR Literatur sein können.

Eines ist für mich nach der Lektüre der Romane jedoch klar: Brigitte Kehrberg, die von der künstlerisch dürren Qualität[1] der Krimis spricht und im Vorwort ihrer Dissertation über DDR Kriminalromane folgendes schreibt: „Nach der Lektüre von mehr als 150 Kriminalromanen aus der DDR bot sich ein ästhetisch niederschmetterndes Bild: Graue Langeweile stellte sich ein“[2], kann ich nicht zustimmen. Sicherlich gibt es gute, aber auch schlechte Romane, aber gerade bei Kriminalromanen ist das ja im Allgemeinen nichts außergewöhnliches. Eher würde ich Dorothea Germer beistimmen, die 1995 Chefredakteurin beim Verlag Eulenspiegel- Das Neue Berlin war, und in einem Interview mit Dorothea Germer sagt: „Ich denke, es gibt eine Spezifik der DDR-Kriminalliteratur, aber von einem Qualitätsunterschied [zwischen DDR und anderer Kriminalliteratur] würde ich nicht sprechen.“[3]

2. Allgemeine Erkenntnisse

2.1. Das Opfer und die Tat

„Denn in der Regel geht natürlich ein Menschenleben bei uns ziemlich gut aus,...“[4]

Die 48- jährige Annemarie Dosse wird auf brutale Weise erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden. Sie war eine reiche, vertrauensselige und lebenslustige Frau. Ebenfalls reich, dazu noch sehr erfolgreich und als Soziologe in verschiedenen Ländern geachtet, war das Opfer Doktor Bartuschek. Er stand kurz vor einer Beförderung, wurde von allen Leuten geschätzt und als sympathisch und vertrauenswürdig beschrieben.

Im Gegensatz zu den drei anderen Opfern hatten beide scheinbar keine Feinde und waren in keine dunklen Geschäfte verwickelt, wie zum Beispiel der 41- jährige Benno Leysing.

Der leicht reizbare und brutale Stallmeister war, zusammen mit seiner Ehefrau, der Kopf eines großen Schieberrings, der hauptsächlich mit Autos handelte.

Ludwig Zierau war „nach außen hin das Vorbild, der gute Staatsbürger, der untadelige Abteilungsleiter,...“[5], verdiente jedoch weitaus mehr durch etliche Betrügereien mit alten Münzen.

Und Hermann Haldeweg schließlich, der noch kurz vor seinem gewaltsamen Tod durch Zyanid die Republikflucht plante, war einige Jahre vorher in einen Juwelenraub verwickelt gewesen.

Die Frage war nun, was diese fünf doch recht verschiedenen Personen gemeinsam haben könnten, dass gerade sie Opfer solcher Tötungsverbrechen wurden. Gab es einen Zusammenhang, oder waren sie lediglich willkürlich vom jeweiligen Autor erschaffen worden?

Nachdem ich einige Gespräche mit Bekannten aus der ehemaligen DDR geführt hatte, wusste ich, dass es in der Tat einen sehr erstaunlichen Zusammenhang gab.

Jedes der Opfer hatte entweder gegen geltende Gesetze der DDR oder gegen ungeschriebene moralische Grundsätze verstoßen. Sie waren also alle in gewisser Weise sittlich anrüchig. Was bei Haldeweg, Leysing und Zierau auf der Hand lag, war bei Dosse und Bartuschek etwas schwieriger zu entdecken. Als entscheidender Punkt erwies sich jedoch ihr Reichtum. Dieser war in einem kommunistischen Land verpönt, stellten sich die Wohlhabenden doch in indirekter Weise gegen das System und dessen Grundlagen.

Dies lässt eine deutliche Botschaft für den Leser des Kriminalromans erkennen: Nicht etwa anständige, gute Bürger der DDR wurden Opfer solcher Straftaten, nein, immer Außenseiter, Kriminelle, schlechte Kommunisten. Stets waren die Opfer gleichzeitig in irgendeiner Weise auch selbst Täter. Lebte man also konform mit den Regeln der Republik hatte man von derartigen Übeltätern praktisch nichts zu befürchten.

Über die Art des Mordes selbst, schreibt Anselm Dworak, dass die Morde im bürgerlichen Krimi raffiniert ausgeklügelt, detailgenau geplant sind und unlösliche perfekte Verbrechen wären, gäbe es nicht geniale Detektive. Die Morde in den DDR Kriminalromanen sind dagegen meist recht hausbacken, sie kommen ohne indianisches Pfeilgift oder Eiszapfen, die als Dolche verwendet werden aus.[6]

Auch Hans Pfeiffer untersuchte für sein Buch „Phantasiemorde“ 50 Kriminalroman, unter anderem auch auf diesen Aspekt hin. Er fand heraus, dass Tod durch Erschlagen, mit 33% die häufigste Todesursache ist, Erwürgen steht mit 16% an dritter Stelle und Erstechen und Ertränken stehen mit jeweils 7% an vierter Stelle. Was Gift angeht, wiederspricht sich sein Ergebnis jedoch mit dem von Dworak, denn den Tod durch Gift nennt er mit 20%, als die zweithäufigste Todesursache in den Büchern[7], wobei man dazu sagen muss, dass Dworaks Studie von 1974 und Pfeiffers Untersuchung von 1985 stammt.

Was jedoch bei beiden Autoren betont wird, ist die Seltenheit des Gebrauches von Schusswaffen. Laut Pfeiffer spiegelt sich darin die strenge Gesetzgebung der DDR „hinsichtlich des Besitzes und Gebrauchs von Schusswaffen wider – im Gegensatz zu kapitalistischen Ländern, wo Morde mit Schusswaffen an der Tagesordnung sind“[8].

Wie verhält es sich nun jedoch mit den Todesarten in den von mir gelesenen Büchern?

Zwei der Opfer werden erschlagen, eines erwürgt und eines wird durch einen brutalen Schlag mit der Faust auf den Brustkorb getötet und bei Neumann kommt Gift als Todesursache ins Spiel. Dieses Ergebnis stimmt also im Großen und Ganzen mit den eben genannten überein.

Des weiteren schreibt Dworak: jeder „zweite Mord des DDR-Krimis ist Sekundärverbrechen, d.h. er wird in aller Eile mal eben mitverübt, um den Zeugen für das Primärverbrechen zu beseitigen: in 65,7% [...] aller Krimis ist Mord zwar Hauptverbrechen, aber in nur 33,3% der Krimis ist er auch Primärverbrechen“[9].

Ein Mord, der geschieht um einen Zeugen zu beseitigen, findet sich bei den von mir gelesenen Büchern nur einmal, nämlich in „Bartuschek ist nicht mehr da“. Fred Schneidereit bringt Bartuschek zwar um, weil dieser ihm das Sparbuch mit dem erpressten Geld nicht aushändigen will, jedoch auch deshalb, weil Bartuschek zwangsläufig Zeuge der Erpressung ist und die Sache ans Licht bringen könnte.

Eine Erklärung, weshalb der Mord als Sekundärverbrechen hier nicht so präsent ist, wie Dworak es beschreibt, könnte sein, dass er in seine Studie lediglich Bücher aus dem Zeitraum 1952 bis 1970 einbezieht. Und 1971 trat mit Erich Honecker eine kulturpolitische Wende ein, die auch den Kriminalroman in weitem Ausmaß betraf.

2.2. Der Täter

„Der Verbrecher hat hier keinen Nährboden und keinen gesellschaftlichen Rückhalt mehr, keine Organisation, die ihn deckt, keine Schlupfwinkel, in die er sich verkriechen kann. Was er in der alten Welt eigentlich niemals war, ist er hier endlich geworden: ein Outsider.“[10]

Ein Outsider – das ist es, was der Verbrecher und besonders der Mörder in den Kriminalromanen der DDR ist.

Ein Mensch, der aus irgendwelchen Gründen zu einem asozialen, unmenschlichen und für die Gesellschaft in keiner Weise tragbaren Individuum geworden ist, mit dem man kein Mitleid haben darf.

Das Tatmotiv ist bei drei Fällen ein niederes: Gier. Gier nach mehr. Mehr Geld, mehr Achtung, mehr Ansehen.

So kann Fred Schneidereit abends mitunter eine Stunde lang in seinem Sparbuch blättern[11], wobei es ihm weitaus lieber wäre, hätte er „die Fleppen zählen können“[12]. Trotz seines nicht geringen Vermögens, bringt er Dr. Bartuschek um, da dieser ihm ein Sparbuch mit etwa 5000 Mark nicht aushändigen will.

Karl-Herbert Welsch vergiftet seinen Partner, weil dieser sich weigert, die zusammen gestohlenen Juwelen zu verkaufen und im Anschluss daran in den Westen zu gehen.

Und Bernd Dosse halten seine Arbeitskollegen für so geldgierig, dass sie davon überzeugt sind, er „wäre imstande, für zehn Dollar alle seine Überzeugungen zu verraten“[13].

Ein weiteres Tatmotiv, das bei diesen Mördern auffindbar ist, ist Neid. Unzufrieden mit ihrem Leben, streben sie nach immer mehr.

Welsch, der als Jugendlicher mit den Kindern des Reichskanzlers Tennis spielte und von „vornherein zur Kaste der Reichsten und Mächtigsten“[14] gehörte, ist durch die Niederlage Deutschlands im zweiten Weltkrieg gezwungen, ein „normales“ Leben als Angestellter einer Bank und später als Verwaltungsdirektor eines Theaters zu führen. Seither ist er jedoch neidisch auf die finanziell und gesellschaftlich besser Gestellten und versucht mit allen Mitteln den „Sturz aus der Klasse der Privilegiertesten“[15] rückgängig zu machen – letztendlich auch durch Mord.

[...]


[1] Vgl. Kehrberg, Brigitte: Der Kriminalroman der DDR. 1970-1990. 1. Auflage, Hamburg 1998, S.3

[2] Kehrberg, Brigitte: Der Kriminalroman der DDR. 1970-1990. 1. Auflage, Hamburg 1998, S.3

[3] Germer, Dorothea: Von Genossen und Gangstern: Zum Gesellschaftsbild in der Kriminalliteratur der DDR und Ostdeutschlands von 1974 bis 1994. Literaturwissenschaft in der Blauen Eule/ Band20, 1. Auflage, Essen 1998, S.418

[4] Neumann, Gerhard: Die reußische Gemme. 1. Auflage, Halle- Leipzig 1978, S.197

[5] Möckel, Klaus: Drei Flaschen Tokaier. o. A., o. V, o. J, S.9f.

[6] vgl. Dworak, Anselm: der Kriminalroman der DDR.1. Auflage, Marburg 1974, S.332f.

[7] vgl. Pfeiffer, Hans: Phantasiemorde. Ein Streifzug durch den DDR Kriminalroman, 1. Auflage, Berlin 1985, S.126

[8] Pfeiffer, Hans: Phantasiemorde. Ein Streifzug durch den DDR Kriminalroman, 1. Auflage, Berlin 1985, S.127

[9] Dworak, Anselm: der Kriminalroman der DDR.1. Auflage, Marburg 1974, S.333

[10] Mager, Hasso: Bartuschek ist nicht mehr da. 3. Auflage, Berlin 1983, S. 91

[11] vgl. Mager, Hasso: Bartuschek ist nicht mehr da. 3. Auflage, Berlin 1983, S. 227

[12] Mager, Hasso: Bartuschek ist nicht mehr da. 3. Auflage, Berlin 1983, S.227

[13] Mager, Hasso: Gier. 5. Auflage, Leipzig 1983, S.36

[14] Neumann, Gerhard: Die reußische Gemme. 1. Auflage, Halle-Leipzig 1978, S.223

[15] Neumann, Gerhard: Die reußische Gemme. 1. Auflage, Halle-Leipzig 1978, S.223`

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Kriminalromane in der DDR
Hochschule
Universität Augsburg  (Universität - Lehrstuhl für Europäische Kulturgeschichte)
Veranstaltung
Proseminar: Von Fräulein Scudèrie bis Commissario Brunetti - Sozialgeschichtliche Narrationen im Kriminalroman
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
27
Katalognummer
V3220
ISBN (eBook)
9783638119481
ISBN (Buch)
9783638638029
Dateigröße
618 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Proseminararbeit in NDL/ Europäische Kulturgeschichte. 182 KB
Arbeit zitieren
Julia Koller (Autor:in), 2001, Kriminalromane in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3220

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Titel: Kriminalromane in der DDR



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