Anlieferung nach dem Milkrun-Konzept. Planung und Eignung für die Beschaffungslogistik der Automobilindustrie


Hausarbeit, 2015

25 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II. Abkürzungsverzeichnis

III. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Aktuelle Herausforderungen der Automobilindustrie
1.2 Konsequenzen für die Automobillogistik
1.2.1 Umfassendere Betrachtung der Logistik
1.2.2 Schnittstellenmanagement und Zeitdruck
1.2.3 Prozessqualität in der Logistik
1.2.4 Logistikkosten
1.2.5 Flexibilität der Logistik

2. Beschaffung in der Automobilindustrie
2.1 Die Automobile Supply Chain
2.2 Besondere Eigenschaften der Beschaffung in der Automobilindustrie
2.2.1 Hohe Beschaffungsmengen
2.2.2 Hohe Teilevielfalt
2.2.3 Sich verändernde Bedarfe der OEMs
2.2.4 Anforderungen an die Nachhaltigkeit
2.3 Standardanlieferkonzepte in der Automobillogistik
2.3.1 Bedarfsgesteuerter Lieferabruf
2.3.2 Verbrauchsgesteuerter Lieferabruf
2.4 Formen der Direktanlieferung
2.4.1 Just-in-Time Anlieferung
2.4.2 Just-in-Sequence Anlieferung
2.4.3 Verbrauchsgesteuerte Direktanlieferung
2.5 Lageranlieferung

3. Das Milkrun-Konzept
3.1 Ablauf von Milkruns in der Beschaffungslogistik
3.2 Planung von Milkruns in der Beschaffungslogistik
3.2.1 Interdependenzen von Bestandsmanagement und Tourenplanung
3.2.2 Interdependenzen von Bestell- und Lieferfrequenz
3.2.3 Vorgehen bei der Planung von Milkruns

4. Vergleich des Milkrun-Konzepts in der Beschaffung der Automobillogistik mit anderen Transportkonzepten
4.1 Abgrenzung des Milkruns zur Direktbelieferung und dem Gebietsspediteur
4.2 Vorteile des Milkrun-Konzepts
4.3. Fazit

IV. Literaturverzeichnis

V. Internetquellen:

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zulieferpyramide

Abbildung 2: Standardanlieferkonzepte in der Beschaffungslogistik

Abbildung 3: Interdependenzen in der Planung von Milkruns

Abbildung 4: Abgrenzung der Transportkonzepte

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit wird das Konzept des Milkruns und seine Anwendung in der Beschaffungslogistik der Automobilindustrie betrachtet. Zunächst wird die Beschaffung in der Automobilindustrie mit ihren aktuellen Veränderungen und Herausforderungen betrachtet. Ihre Aufgabe und ihre Anforderungen werden definiert und auf einige ausgewählte und weit verbreitete Lieferabrufsysteme und Anlieferkonzepte wird eingegangen. Im nächsten Abschnitt wird auf die Geschichte und Gestaltung des Milkrun-Konzepts eingegangen sowie Anforderungen und Ablauf der Planung eines Milkruns. Im letzten Abschnitt wird auf seine Abgrenzung zu anderen Anlieferkonzepten eingegangen und es wird die Frage beantwortet, in wie weit und unter welchen Bedingungen sich eine Anlieferung nach dem Milkrun-Konzept zur Bewältigung der Herausforderungen in der Automobillogistik eignet, insbesondere im Vergleich zu anderen Standardanlieferkonzepten.

Grund für die detaillierte Betrachtung des Milkrun-Konzepts ist der in der Automobillogistik stetig steigende Bedarf an an die jeweilige Situation angepasste und optimierte Logistikkonzepte.[1] Aufgrund der gestiegenen Anforderungen sind klassische Belieferungsformen, wie die Lageranlieferung, aber auch in Automobillogistik verbreitete Konzepte wie die JIT- und JIS-Anlieferung nicht ausreichend um alle Situationen optimal zu lösen.[2] Die sich stetig ändernden Anforderungen und Rahmenbedingungen machen eine Überprüfung und Anpassung der Anlieferkonzepte notwendig, insbesondere in Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen und Veränderungen in der Automobilindustrie. Die Logistikkosten und –leistungen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie beeinflussen in zunehmendem Maß den Kundenwert und Preis von Produkten. Dabei entsteht die Notwendigkeit, sowohl leistungsstarke wie auch kostenoptimierte Logistikkonzepte einzusetzen.[3]

Zuletzt zwingen auch steigende Energiekosten für den Transport, Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur und der Wunsch ein umweltfreundliches Image zu gewinnen die OEMs zu Anpassungen ihrer Logistiksysteme.[4]

1.1 Aktuelle Herausforderungen der Automobilindustrie

Die Automobilindustrie unterliegt sich stetig ändernden Herausforderungen. Dazu zählten in der Vergangenheit eine Zunahme der Komplexität, da die Kundenanforderungen stiegen und der Druck durch den Wettbewerb ebenfalls zunahm. Gesättigte Märkte in Europa, Nordamerika und Japan erfordern neue Modelle die sich in Nischen positionieren, aufsteigende Wirtschaftsräume erfordern neue Absatzstrategien, die Zunahme an potenziellen Lieferanten neue Sourcing-Strukturen. Die Folgen sind eine Erhöhung der Komplexität, die sich entsprechend auf die Automobillogistik durchschlägt.[5]

1.2 Konsequenzen für die Automobillogistik

In Folge der gestiegenen Komplexität in der Automobilindustrie sind auch die Anforderungen an die Automobillogistik umfassender und anspruchsvoller geworden. Im Folgenden wird dies anhand einiger Punkte erläutert.

1.2.1 Umfassendere Betrachtung der Logistik

In der Vergangenheit wurden unter dem Begriff der Logistik vor allem die damit verbundenen physischen Aufgaben verstanden, wie Lagerwirtschaft und Transport. Das Verständnis der Logistik hat sich hin zu einer umfassenderen Betrachtung entwickelt, so dass administrative und planerische Tätigkeiten mit einbezogen werden. Die Logistik wird als Querschnittsfunktion im Unternehmen verstanden, die logistischen Prozesse als mitentscheidend für den Unternehmenserfolg gesehen und der Materialfluss entlang der gesamten Versorgungskette betrachtet.[6] In diesem Rahmen hat sich der Begriff Supply Chain Management entwickelt.[7]

1.2.2 Schnittstellenmanagement und Zeitdruck

Aus der Umfassenderen Betrachtung ergibt sich auch eine Erhöhung der zu betrachtenden Schnittstellen. Durch den Wandel hin zu einer flussorientierten Logistik müssen Prozesse an den Schnittstellen optimiert werden, die früher entkoppelt waren. Gleichzeitig bleibt für Prozessumstellungen weniger Zeit, da die Nachfrage nach individualisierten Fahrzeugen mit geringer Lieferzeit besteht.[8]

1.2.3 Prozessqualität in der Logistik

Die Flussorientierung und die Zunahme von Schnittstellen erfordern auch eine höhere Prozessqualität. Kleinere Fehler haben mangels abfedernden Lagern größere Auswirkungen auf den restlichen Herstellprozess haben. Bei der Sicherung der Prozessqualität spielen Automatisierung von Prozessen und IT-Unterstützung eine immer stärkere Rolle. Jedoch spielen auch die Fähigkeiten des eingesetzten Personals zukünftig eine immer stärkere Rolle, da komplexere Technik beherrscht werden muss und Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen getroffen werden müssen. Von den Logistikmitarbeitern der Zukunft wird ganzheitliches Prozessdenken gefordert, eine entsprechende Ausbildung ist erforderlich.[9]

1.2.4 Logistikkosten

Der Wettbewerb in der Automobilbranche wirkt sich auch mit Kostendruck auf die Logistik aus. Personalintensive Prozesse in Hochlohnländern müssen daher optimiert und regelmäßig betrachtet werden. Auch die Kosten durch den Transport und die Lagerung werden durch intelligenten Planung und dem Einsatz von leistungsfähigen IT-Systemen reduziert.[10]

1.2.5 Flexibilität der Logistik

Bedingt durch schwankende Nachfragen und sich stetig weiter verändernde Anforderungen wird die Flexibilität zur Anforderung an die Automobillogistik. Sie muss sich schnell und präzise den sich ergebenden Anforderungen anpassen, dabei sind anpassungsfähige Prozesse von Nöten. Hierfür wiederrum muss eine Reihe von unterschiedlichen, standardisierten Prozesse vordefiniert sein um schnelle Prozessumstellungen zu realisieren. Eine Orientierung bieten hierbei japanische Automobilhersteller mit ihrer Fokussierung auf die Prozesse und einer logistikgerechten Produktgestaltung. Logistikprozesse müssen adaptiv geplant werden, so das spätere Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen ohne vollständige Neuentwicklung der Prozesse möglich ist.[11]

Durch den immer weiter fortschreitenden Wandel in der Automobilindustrie ist es auch die Aufgabe der Logistik zu der Wandlungsfähigkeit des Automobilherstellers beizutragen. Bei Bedarf muss die Logistik neue Netzwerke aufbauen können und die Material-, Waren- und Informationsflüsse etablieren können.[12]

2. Beschaffung in der Automobilindustrie

Grundlegende Aufgabe der Beschaffung ist es dem Unternehmen die Verfügbarkeit der benötigten Materialien sicherzustellen. Damit liegt es in der Verantwortung der Beschaffung, allen anderen Unternehmensbereichen die Materialien zukommen zu lassen, welche diese für die Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen. Die auf Material durch die Beschaffung angewiesenen Unternehmensbereiche werden daher aus Sicht der Beschaffung als Bedarfsträger bezeichnet.[13] Weiter wird unterteilt in Einkaufs- und Beschaffungslogistik. Erstere nimmt marktorientierte und vertragsabschließende Aufgaben wahr, letztere die administrativen und physischen Aufgaben bzgl. des Materialflusses.[14] Die Beschaffung in der Automobilindustrie ist von den besonderen Eigenschaften dieses Industriezweiges geprägt und unterscheidet sich daher von der Beschaffung in anderen Unternehmen.[15] Sie ist nicht nur auf die den OEM direkt beliefernde Lieferanten beschränkt, sondern befasst sich auch mit den davor liegenden Lieferanten. Damit entsteht eine Betrachtung der gesamten Supply Chain des OEMs.

2.1 Die Automobile Supply Chain

Unter dem Begriff der Supply Chain versteht man alle Unternehmen, die an der Entwicklung, Erstellung und Lieferung eines Produktes an den Endverbraucher beteiligt sind.[16] Die an der Supply Chain beteiligten Unternehmen werden von dem Automobilhersteller in verschiedenen Stufen eingeteilt, je nachdem wie weit diese in den Belieferungsprozess integriert sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Zulieferpyramide[17]

Mit steigender Stufe sinkt die Integrationstiefe. So liefern Lieferanten der ersten Stufe ganze Module oder Systeme, während jene der letzten Stufe nur Roh- und Hilfsstoffe liefern. Somit ist der Automobilhersteller von den Lieferanten der ersten Stufe deutlich abhängiger und kann diesen auch nicht einfach ersetzen. Generell steigt die Anzahl der Lieferanten in den höheren Stufen an.[18]

Neben den Zulieferern sind auch die Vertriebskanäle Teil der Automobilen Supply Chain. Hier unterscheidet sich die Vertriebsart hauptsächlich durch den betrachteten Wirtschaftsraum. In der Heimatregion stellen Händler den Hauptteil des Vertriebs, hier wird zwischen Vertragshändlern und Franchisenehmern unterschieden. Daneben steht der Direktvertrieb über das Internet sowie eigene Niederlassungen. In anderen Wirtschaftsräumen läuft der Vertrieb überwiegend über Importeure, die gegenüber dem Automobilhersteller als Großkunde auftreten.[19]

2.2 Besondere Eigenschaften der Beschaffung in der Automobilindustrie

Wie zuvor erwähnt unterliegt die Beschaffung in der Automobilindustrie besonderen Eigenschaften, welche im Folgenden erläutert werden.

2.2.1 Hohe Beschaffungsmengen

Die Wertschöpfungstiefe der OEMs ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gesunken liegt zur Zeit bei ca. 25%.[20] Die Wertschöpfung der OEMs liegt hauptsächlich in den Bereichen Antriebsstrang, Karosserie und Montage.[21] Die Folge ist eine hohe Beschaffungsmenge, welche sich auch in einer hohen Anzahl an Lieferanten ausdrückt.

2.2.2 Hohe Teilevielfalt

Die Automobilhersteller bieten ihren Kunden eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle an. Dabei gibt es neben vordefinierten Ausstattungslinien auch die Möglichkeit, dass jeder Kunde sich sein Fahrzeug individuell aus allen zur Verfügung stehenden Ausstattungsoptionen konfiguriert.[22] Dies resultiert in der Notwendigkeit, alle für die Produktion des Fahrzeugs nach der jeweiligen Konfiguration benötigten Variantenteile zu Beschaffen.

2.2.3 Sich verändernde Bedarfe der OEMs

Die soeben erwähnte Teilevielfalt erschwert den OEMs auch die Planung der Bedarfe, insbesondere an Variantenteilen. So ist die tatsächlich auftretende Nachfrage der Kunden nach bestimmten Ausstattungsoptionen für die OEMs zu dem Zeitpunkt in dem für den jeweiligen Lieferanten eine Prognose abgegeben wird noch nicht genau bekannt.[23]

2.2.4 Anforderungen an die Nachhaltigkeit

Die aus der Beschaffungsstrategie des OEMs resultierenden Belieferungskonzepte haben maßgeblichen Einfluss auf das damit einhergehende Transportaufkommen. Je nach Transportaufkommen entstehen damit unterschiedlich starke Belastungen für die Umwelt. Da der Verkehr in der Öffentlichkeit als einer der Hauptverursacher von Umweltbelastungen angesehen wird, stellen sich auch an die Logistik Anforderungen nach Reduzierung der verursachten Emissionen.[24]

2.3 Standardanlieferkonzepte in der Automobillogistik

In der Automobilindustrie haben sich durch die jeweiligen Beschaffungsstrategien der Fahrzeughersteller und den jeweiligen strukturellen Rahmenbedingungen viele unterschiedliche und auf die spezifisch vorliegenden Anforderungen angepasste Anlieferungskonzepte entwickelt. Bei unabhängig voneinander entstehenden Anlieferungskonzepten entstehen dem Unternehmen Kosten durch mangelnde Einheitlichkeit der Prozesse. Daher werden ähnliche Prozessabläufe zusammengefasst und standardisiert, damit der Logistikablauf einheitlicher wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Standardanlieferkonzepte in der Beschaffungslogistik[25]

Für die Auswahl des genutzten Standardanlieferkonzeptes sind Faktoren wie Transportvolumen, Gewicht, gewünschte Anlieferfrequenz, genutzte Behälter und der Standort von Bedeutung. Ebenfalls entscheidend ist die Art des Lieferabrufes, beide werden im Folgenden vorgestellt.[26]

2.3.1 Bedarfsgesteuerter Lieferabruf

Der bedarfsgesteuerte Lieferabruf entsteht durch die Vorausberechnung der benötigten Mengen durch die Programmplanung. Hierbei kommt ein mehrstufiges System zur Anwendung, da weiter in der Zukunft liegende Lieferabrufe bzgl. des genauen Anliefertermins und der genauen Anliefermenge erst mit der Zeit konkretisiert werden. Der Lieferabruf teilt sich dementsprechend auf in Liefervorschau, Feinabruf und Produktionsabruf, wobei auftretende Schwankungen mit jeder genaueren Stufe abnehmen. Mit der Entstehung des Lieferabrufes durch den geplanten Bedarf entspricht der bedarfsgesteuerte Lieferabruf der Push-Philosophie.[27]

2.3.2 Verbrauchsgesteuerter Lieferabruf

Im Gegensatz dazu entspricht der verbrauchsgesteuerte Lieferabruf der Pull-Philosophie. Hierbei wird der Abrufimpuls bei einer logistischen Stufe stets von einer dazu nachgelagerten Stufe erzeugt. Entscheidender Unterschied zum bedarfsgesteuerten Lieferabruf ist, dass der Lieferabruf hierbei dezentral ausgelöst wird, ohne Eingriff einer übergreifenden Steuerung, was zu erhöhten Reaktionsgeschwindigkeiten führt. Dies ist von Vorteil, da so Schwankungen besser abgefangen werden können, ohne eine Erhöhung von Zwischenlagern und Puffern.[28] Dennoch ist auch bei einem verbrauchsgesteuerten Lieferabruf eine Prognose zu erstellen und mit den Lieferanten zu klären. Um die Vorteile der erhöhten Reaktionsgeschwindigkeit zu nutzen, ist auch ein reaktionsschneller Lieferant mit entsprechend schnellem Anlieferverfahren notwendig. Bekanntestes verbrauchsgesteuertes Lieferabrufsystem ist das Kanban-System.[29]

2.4 Formen der Direktanlieferung

Im Folgenden wird auf die verschiedenen Ausprägungen der Direktanlieferung eingegangen, die in der Abb. 1 aufgezeigt werden und den beiden Lieferabrufsystem zuzuordnen sind. Für alle Formen der Direktanlieferung ist die Vereinheitlichung der vom Lieferanten versandten Liefereinheit, der vom Spediteur transportierten Transporteinheit und der bei dem OEM genutzten Bereitstellungs- und Verbrauchseinheiten von Vorteil um das Handling des Materials zu vereinfachen.[30]

2.4.1 Just-in-Time Anlieferung

Die JIT-Anlieferung ist Teil eines Organisationsprinzips bei dem Mengen- und Zeitkomponente des Materialflusses exakt Abgestimmt wird. Damit wird den Zielen der Logistik, das richtige Produkt im richtigen Zustand an dem richtigen Ort in der richtigen Menge zur richtigen Zeit bereitzustellen stärker entsprochen, als durch eine Lageranlieferung. Bei einer Lageranlieferung sind durch die Entkoppelung zum nächstfolgendem Logistikschritt die Punkte Menge und Ort weniger ausschlaggebend. Eine JIT-Anlieferung bedarf eines höheren Planungs- und Steuerungsaufwandes, daher ist eine engere Kooperation mit dem Lieferanten erforderlich. Diese lässt sich leichter realisieren, wenn Lieferanten in geringer Entfernung liegen, bspw. bei in einem Industriepark. Dabei ist auch eine Einbindung der Lieferanten in das genutzte ERP-System in der Automobilindustrie Standard, der Lieferant erhält somit Zugang zur Funktionen wie einer Abrufvorschau.[31]

Im Zuge einer JIT-Anlieferung ist es dem OEM möglich, nicht wertschöpfende Flächen zu reduzieren indem die Bestandsreichweite reduziert wird. Durch die Abgabe der Verantwortung für die JIT-Anlieferung an Externe (d.h. den Lieferanten oder einen Logistikdienstleister) wird die Komplexität der internen Logistik verringert.[32] Für den Lieferanten führt eine JIT-Anlieferung jedoch mitunter zu höherer Kapitalbindung, wenn der Lieferant zur Erfüllung der Kundenanforderungen einen Fertigwarensupermarkt aufbaut aus dem der Kunde dann nach Bedarf herausziehen kann.[33]

2.4.2 Just-in-Sequence Anlieferung

Die JIS-Anlieferung erfolgt grundsätzlich nach dem Konzept der JIT-Anlieferung, jedoch wird das angelieferte Material sequenziert. Die konsequente Einhaltung dieser Sequenz hat höchste Priorität, sowohl beim Lieferanten wie auch bei der weiteren Verwendung des angelieferten Materials in der Produktion des OEMs. Eine JIS-Anlieferung erfolgt optimaler Weise direkt an den Produktionslinien des OEMs, hier wird das sequenzierte Material in einen Puffer direkt an der Produktionslinie eingelegt. Der Puffer muss entsprechend nach dem FIFO-Prinzip erfolgen, um die Sequenz beizubehalten.[34]

Besonders eignet sich die JIS-Anlieferung bei komplexen Modulen, die eine hohe Varianz aufweisen und sequenzgenau verbaut werden müssen. Der Lieferant produziert nicht auftragsbezogene Grundmodule vor und individualisiert und sequenziert diese dann auf den Lieferabruf des OEMs bezogen. Hierfür benötigt der Lieferant einen zeitversetzten Sequenzabruf. Dieser ermöglicht auch eine JIS-Anlieferung über größere Distanzen.[35]

Die JIS-Anlieferung beinhaltet das Risiko, dass bei einem Fehler in der Sequenz ein falsches Teil verbaut wird, oder wenn das falsche Teil erkannt wird dieses nicht verbaut werden kann. Es ist in so einem Fall für den OEM häufig wirtschaftlicher die Produktionslinie nicht bis zum Wiederherstellen der richtigen Sequenz anzuhalten, sondern die betroffenen Fahrzeuge zu markieren und später in einer Werkstatt mit den richtigen Teilen nachzurüsten. Sowohl ein Bandstillstand wie auch ein Nachrüsten verursachen dem OEM Mehrkosten.[36]

2.4.3 Verbrauchsgesteuerte Direktanlieferung

Die verbrauchsgesteuerte Direktanlieferung stellt bei verbrauchsgesteuerten Lieferabrufen des OEMs eine kontinuierliche Direktanlieferung dar. Dabei werden die Anlieferzeitpunkte durch den Materialverbrauch des OEMs bestimmt. Der Lieferant erhält für seine Planung einen unverbindlichen Lieferabruf und später einen Feinabruf. Die tatsächliche Lieferung wird aber kurzfristig über einen verbrauchsgesteuerten Abruf erzeugt. Die Anlieferung erfolgt dann in der Regel sortenrein und unter Auslassung von Zwischenschritten wie Wareneingangsbuchungen und Qualitätssicherung, da diese der schnellen Reaktionsfähigkeit dieses Anlieferungskonzepts und dem dessen zugrundeliegenden Lieferabrufkonzepts entgegenstehen würden. Das angeleiferte Material wird produktionsnah auf Versorgungsflächen zwischengepuffert.[37]

Die verbrauchsgesteuerte Direktanlieferung eignet sich bei Teilen mit hohen Lieferumfängen, hoher Umschlagsgeschwindigkeit und geringer Variantenanzahl. Mangels weiterer Qualitätskontrolle seitens des OEMs muss dieser sich vollkommen auf die Qualitätssicherung des Lieferanten verlassen können.[38]

2.5 Lageranlieferung

Bei einer Lageranlieferung werden ein oder mehrere Lagerstufen zwischen den Lieferanten und dem OEM aufgebaut, die entweder von einem der beiden oder einem externen Logistikdienstleister betrieben werden. Dabei wird durch die Lagerstufen der logistische Prozess von der Produktion entkoppelt. Ein Lager stellt dabei die Versorgung des OEMs sicher, bindet jedoch auch Kapital und verursacht Kosten durch seinen Betrieb. Es ist daher nur bei bestimmten Anlieferbedingungen sinnvoll. Dazu zählen starke Schwankungen beim Bedarf oder der Transportzeit sowie große Entfernungen zum Lieferanten.[39]

Nach Betrachtung der Standardanlieferkonzepte in der Beschaffung der Automobilindustrie wird im Folgenden auf das Konzept des Milkruns eingegangen und danach dieses im Vergleich mit den zuvor auf geführten Anlieferkonzepten untersucht.

3. Das Milkrun-Konzept

Seinen Ursprung findet das Konzept des Milkruns in der Geschichte der Milchauslieferung im angelsächsischen Raum. Ein Milchjunge lief dabei eine Tour ab und lieferte an die Haushalte eine Flasche frischer Milch aus, an denen eine leere Flasche für ihn zum Mitnehmen bereitstand. So ist die Grundidee eines Milkruns in der Logistik, das Material in der verbrauchten Menge wieder aufgefüllt wird, somit besteht eine feste Losgröße. Ebenfalls wird der Wiederbeschaffungszyklus festgelegt, also wie häufig der Milkrun seine Tour abfährt. Dabei muss der Wiederbeschaffungszyklus natürlich so bemessen sein, dass der Materialverbrauch nicht schneller als die Wiederauffüllung erfolgen kann.[40]

In der Logistik werden Milkruns in zwei Bereichen eingesetzt:

- Intralogistische Milkruns, also beispielsweise Milkruns in der Produktion. Hierbei werden die Güter von einer Quelle, in der Produktion als Supermarkt bezeichnet, zu den Senken, also den Verbrauchsorten in der Produktion, transportiert. Ein zunehmend eingesetztes Transportmittel stellt hierbei der Routenzug dar, da somit im Vergleich zum Staplerverkehr das Verkehrsaufkommen reduziert werden kann.[41]
- Milkruns in der Beschaffungslogistik, bei denen die Quellen die Lieferanten und die Senke der Wareneingang des Produzenten darstellen.

Aufgrund der Zielsetzung dieser Arbeit, den Milkrun als Konzept in der Beschaffungslogistik vorzustellen und zu bewerten wird im Folgenden nur auf letztere Art des Milkruns eingegangen. Im deutschsprachigen Raum wird das Milkrun-Konzept auch als Sammelrundtour-Transport bezeichnet.

[...]


[1] Vgl. Günthner, 2007, S. 14, S.24 ff.

[2] Vgl. Grunewald, 2015, S. V, S. 1-2

[3] Vgl. Niemeyer; Wildemann, 2015, S. 1

[4] Vgl. Bretzke, 2014, S. 63-64

[5] Vgl. Günthner, 2007, S. 4 ff.

[6] Vgl. a. a. O., S. 24-25

[7] Vgl. Arndt, 2008, S. 46-47

[8] Vgl. Günthner, 2007, S. 25

[9] Vgl. Günthner, 2007, S. 26

[10] Vgl. ebd.

[11] Vgl. a. a. O., S. 27

[12] Vgl. ebd.

[13] Vgl. Krampf, 2012, S. 5

[14] Vgl. Schulte, 2012, S. 310

[15] Vgl. Grunewald, 2015, S. V, S. 9

[16] Vgl. Beckmann, 2004, S. 1

[17] Schulte, 2013, S. 310

[18] Vgl. Grunewald, 2015, S. 10-11

[19] Vgl. Grunewald, 2015, S. 11

[20] Vgl. Hild, 2005, S. 45

[21] Vgl. Grunewald, 2015, S. 15

[22] Vgl. Online Konfiguratoren der Hersteller, z.B. http://app.volkswagen.de/ihdcc/de/configurator.html

[23] Vgl. Grunewald, 2015, S. 19

[24] Vgl. Lohre; Pfenning; Poerschke; Gotthardt, 2015, S. 2

[25] Klug, 2010, S. 290

[26] Vgl. Klug, 2010, S. 290

[27] Vgl. a. a. O., S. 291

[28] Vgl. a. a. O., S. 296

[29] Vgl. Dickmann, 2009, S. 11-12

[30] Vgl. Klug, 2010, S. 306

[31] Vgl. Dickmann, 2009, S. 14-15

[32] Vgl. Klug, 2010, S. 299

[33] Vgl. Dickmann, 2009, S. 15

[34] Vgl. a. a. O., S. 16

[35] Vgl. Klug, 2010, S. 303

[36] Vgl. Hartel, 2015, S. 104

[37] Vgl. Klug, 2010, S. 306

[38] Vgl. ebd.

[39] Klug, 2010, S. 308

[40] Vgl. Grunewald, 2015, S. 33-34

[41] Rother; Maienschein, 2011

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Anlieferung nach dem Milkrun-Konzept. Planung und Eignung für die Beschaffungslogistik der Automobilindustrie
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg  (Department Wirtschaft)
Veranstaltung
Logistik in Theorie und Praxis
Note
1,3
Jahr
2015
Seiten
25
Katalognummer
V321693
ISBN (eBook)
9783668214996
ISBN (Buch)
9783668215009
Dateigröße
905 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Logistik, Milkrun, Beschaffung, Automobilindustrie
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Anlieferung nach dem Milkrun-Konzept. Planung und Eignung für die Beschaffungslogistik der Automobilindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321693

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