Der Atomausstieg in Deutschland. Die politischen Hintergründe und die ökonomische Diskussion

Aktuelle umweltrechtliche und politische Entscheidungen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wandel der Akzeptanz in der Gesellschaft

3. Politischer Wandel - Der Streit um die Atomfrage

4. Kann Atomkraft sicher sein?

5. Umweltfreundlichkeit - Klimaneutralität vs. radioaktiver Abfall

6. Der Atomausstieg und seine ökonomischen Folgen

7. Deutschland als Vorbild für die Welt

8. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit großer Mehrheit wurde am 30. Juni 2011 der deutsche Atomausstieg beschlossen (Deutscher Bundestag, 2011). Bis dahin war es kein einfacher Weg. Zunächst wurden große Hoffnungen in die Atomkraft1 gesetzt und sowohl in West- als auch Ostdeutschland mit dem Bau von Atomkraftwerken (AKW) begonnen (Neles, 2012, S. 5,6). Doch sowohl die politische als auch die gesellschaftliche Haltung änderten sich (Neles, 2012, S. 6, 10): Bereits im Jahr 2000 wurde der geregelte Atomausstieg von der Bundesregierung festgelegt (BMUB, 2000), jedoch von der neuen Regierung im Jahr 2010 wieder revidiert (Hennicke & Welfens, 2012, S. 12) und nach der Katastrophe in AKW Fukushima im drauffolgenden Jahr erneut beschlossen.

Anhand dieser Entwicklungen ist zu erkennen, dass die Frage der Nutzung von Atomkraft stark diskutiert wurde und auch in Zukunft weiterhin diskutiert wird. Sie bietet zwar einige Vorteile wie die geringen CO2-Emissionen, birgt aber gleichzeitig auch ein Risiko für Mensch und Umwelt. Auch international ist die Meinung über die Atomkraft geteilt. Während einige Länder ganz auf die Atomkraft verzichten, sind in anderen Ländern bereits neue AKW geplant (Lévêque, 2015, S. 1).

Doch auch nach dem beschlossenen Atomausstieg in Deutschland ist die Problematik der Atomkraft nicht gelöst. Vor allem die derzeitige Suche nach einem geeigneten Endlager wird weiterhin für Diskussionen sorgen. Dies wird noch gesteigert, da sich die Energiekonzerne nicht an den Kosten beteiligen möchten und stattdessen versuchen ihre AKW an den Staat abzugeben, um weitere Verluste zu vermeiden.

Welche Gründe schlussendlich für den Atomausstieg in Deutschland verantwortlich sind, soll in dieser Arbeit genauer untersucht werden. Dazu werden der gesellschaftliche und der politische Wandel sowie seine möglichen Ursachen genauer betrachtet. Außerdem werden ökologische und ökonomische Folgen des Atomausstiegs dargestellt und bewertet. Danach wird die Rolle Deutschlands als Vorbild in den internationalen Kontext gesetzt und kurz dargestellt. Als Abschluss der Arbeit dienen ein Fazit und einer Stellungnahme des Autors zum deutschen Atomausstieg.

2. Wandel der Akzeptanz in der Gesellschaft

Bevor im weiteren Verlauf die politischen Hintergründe sowie die ökologischen und ökonomischen Folgen des Atomausstiegs beleuchtet werden, soll zunächst im Schnelldurchlauf gezeigt werden, wie sich die gesellschaftliche Haltung gegenüber der Atomkraft von anfänglicher Euphorie der 1960er Jahren über die Höhepunkte der Anti-AKW-Bewegung in den 1970er hin zur einer heute überwiegenden Ablehnung gewandelt hat.

Die Entwicklung der deutschen Atomkraft beginnt 1955 im damals noch geteilten Deutschland mit den ersten Plänen für eine atomare Energieerzeugung und dem gleichzeitigen Verzicht auf Atomwaffen (Neles, 2012, S. 5). Die Erwartungen an die Atomkraft waren zu dieser Zeit sehr hoch und man war davon überzeugt, die weltweiten Energieprobleme allein durch Atomkraft lösen zu können (Radkau & Hahn, 2013, S. 56). Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland war die Entwicklung der Atomenergie mit großer Euphorie verbunden, sodass fast zeitgleich 1957 sowohl die BRD in München als auch die DDR in Dresden ihren ersten Forschungsreaktor in Betrieb nahmen (Neles, 2012, S. 4-6). Doch die öffentliche Meinung gegenüber der Atomkraft änderte sich. Von den USA ausgehend breitete sich eine Anti-Atomkraft-Bewegung auch nach Europa aus. Der Höhepunkt der Anti-AKW-Bewegung in Deutschland war in den späten 1970er Jahren (Radkau, 2012, S. 191), was wahrscheinlich auch damit zusammenhing, dass bis dahin ein Großteil der deutschen Atomkraftwerke entstand: insgesamt 20 von 33 mit einer elektrischen Gesamtleistung von 11559 MW (BfS, 2014). Danach verlor die Anti-AKW-Bewegung an Dynamik, war jedoch nie völlig verschwunden. Im Jahr 1986 brachte der Super-GAU in Tschernobyl die Debatte um Atomenergie wieder ins öffentliche Interesse (Czada, 2012, S. 268).

Das letzte große Ereignis, das dazu führte die

Nutzung und Sicherheit der Atomenergie erneut in Frage zu stellen, geschah 2011 als es im Atomkraftwerk Fukushima I (Japan) zur Kernschmelze kam (Czada, 2012, S. 268). Laut einer Studie von Ipsos (2011, S. 1) haben die Ereignisse in Fukushima in vielen Ländern zum Umdenken geführt: Demnach sprechen gegen Atomkraft aus, 51% davon sind „sehr Fukushima (nach Ipsos, 2011, S. 1). dagegen“ (siehe Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Meinung der deutschen Bevölkerung zur Atomkraftnutzung nach der Katastrophe in

3. Politischer Wandel - Der Streit um die Atomfrage

Neben dem gesellschaftlichen gab es auch einen politischen Wandel gegenüber Atomkraft. Bis in die 1970er Jahre war die politische Haltung gegenüber der Atomenergie einheitlich dafür und somit ohne oppositionellen Widerstand, da sie als Lösung aller Energieprobleme gesehen wurde (Neles, 2012, S. 2, 5). Dies verdeutlicht ein Zitat von Franz Joseph Strauß2 aus dem Jahr 1955: „Ich bin persönlich der Überzeugung [...], dass die Ausnutzung der Atomenergie für wirtschaftliche und kulturelle Zwecke, wissenschaftliche Zwecke, denselben Einschnitt in der Menschheitsgeschichte bedeutet wie die Erfindung des Feuers für die primitiven Menschen. Dieser Standpunkt wird von vielen Wissenschaftlern geteilt" (NWDR, 1955). Die politische Haltung änderte sich jedoch spätestens 1983 mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag (Neles, 2012, S. 6, 7). Dadurch gab es erstmals einen eindeutigen Gegner der Atomkraft auf Bundesebene. In den Jahren 1993 bis 1995 fanden erste Gespräche zur Kernkraftnutzung, Entsorgung und zum künftigen Einsatz zwischen der damals schwarz-gelben Regierung und Vertretern von Gewerkschaften, Umweltverbänden, Elektrizitätswirtschaft und verarbeitender Industrie statt, die jedoch ohne Ergebnis endeten (Deutscher Bundestag, 2010a, S. 1-3). In den folgenden Jahren nahm bei der SPD die Zahl der Atomkraftgegner zu (Neles, 2012, S. 7; Schneehain, 2005, S. 10), was dazu führte, dass unter der rot-grünen Regierungskoalition im Jahr 2000 erstmals mit der sogenannten Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungs-unternehmen vom 14. Juni 2000 der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde (BMUB, 2000). Dieser Beschluss wurde nach dem Regierungswechsel im Jahr 2010 durch die schwarze-gelbe Regierung wieder revidiert und stattdessen eine Laufzeiten- Verlängerung3 durchgesetzt, mit dem Argument, die Atomkraft müsse als eine notwendige Brückentechnologie bis zur Zeit der erneuerbaren Energien eingesetzt werden, da sie eine sichere und preiswerte Energiequelle sei (Bontrup & Marquardt, 2014, S. 4; Hennicke & Welfens, 2012, S. 12). Während die Regierung ihre Entscheidung mit den drei Zielen Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit rechtfertigte (Deutscher Bundestag, 2010b, S. 1), warfen ihnen die Grünen Klientelpolitik vor und auch der Naturschutzbund NABU sah darin ein Einknicken vor der Atomlobby (Focus online, 2010). Doch bereits im darauf folgenden Jahr haben die Folgen des Unfalls im Atomkraftwerk Fukushima die Regierung dazu veranlasst erneut über die Zukunft der Atomkraftwerke nachzudenken, was bereits drei Tage später zum sogenannten Atom-Moratorium führte (Dorfmeister, 2013, S. 1; Lechtenböhmer und Samadi, 2013, S. 234). Die Folge dieses Moratoriums war ein erneut beschlossener Atomausstieg, also die Reduzierung der Laufzeiten für Atomkraftwerke bis 2022 - wie ursprünglich geplant - und zusätzlich das sofortige Abschalten acht älterer und als weniger sicher eingestufter Atommeiler (Bontrup & Marquardt, 2014, S. 4). Ob die Beweggründe dieser politischen Kehrtwende von polit-strategischer Natur waren oder aus Überzeugung, wird unterschiedlich wahrgenommen (vgl. Bontrup & Marquardt, 2014, S. 4; Wurzbacher, 2013 S. 94). Da jedoch, wie bereits zuvor gezeigt, der Großteil der deutschen Bevölkerung seit der Havarie in Japan gegen die Nutzung von Atomkraft ist, ist der Hauptgrund m.E. politisches Kalkül.

Nichtsdestotrotz ist der deutsche Atomausstieg beschlossen, was unterschiedliche Auswirkungen zur Folge hat. Diese teils positiven teils negativen Auswirkungen, die im Vorhinein immer wieder als politische Argumente für und gegen einen deutschen Atomausstieg verwendet wurden, sollen in den folgenden Kapiteln genauer erläutert werden. Von großer Bedeutung sind dabei die allgemeine Sicherheit von Atomkraftwerken, die Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit, sowie die Wirtschaft und Versorgungsicherheit.

4. Kann Atomkraft sicher sein?

Wie aus den vorherigen Kapiteln hervorgeht, hat sich die Haltung gegenüber der Atomkraft in Deutschland überwiegend zu einer Ablehnung entwickelt, was größtenteils aus der Frage der Sicherheit von AKW resultiert. Das zentrale Ereignis, das den Sinneswandel der Regierung und den folgenden Atomausstieg zur Folge hatte, war die nukleare Katastrophe im AKW Fukushima und die Angst, dass solche Unfälle auch in Deutschland passieren könnten. Wie berechtigt diese Angst ist und in wie weit die Sicherheitsfrage den deutschen Atomausstieg rechtfertig, soll im folgenden Abschnitt kurz dargestellt werden.

Atomkraftwerke zählen zu den Wärmekraftwerken und dienen der Gewinnung elektrischer Energie (Koelzer, 2013, S. 105, 106). Wie bei allen Wärmekraftwerken wird dazu Wasserdampf auf Turbinen geleitet, welche mit einem Generator verbunden sind und dadurch elektrischen Strom erzeugen (ebd.). Der Unterschied zu anderen Kraftwerken wie Kohle- oder Gaskraftwerke liegt in der Bereitstellung der Wärme, die für die Erzeugung des Wasserdampfs benötigt wird. Die Energie für die Wärmeerzeugung stammt aus der Kernbindungsenergie, die bei der Kernspaltung4 in einem Reaktor freigesetzt wird (ebd.). Die Gefahr, die dabei von Atomkraftwerken ausgeht, ist die mögliche Freisetzung ionisierender Strahlung, die verschiedene biologische Folgen haben kann wie Krebs oder Veränderungen des Erbguts (Allelein, 2013, S. 78). Eine unkontrollierte Freisetzung radioaktiver Strahlung kann durch Unfälle verschiedenster Art wie allgemeine Störfälle im Betriebsablauf, Erdbeben, Hochwasser, terroristische Handlungen, etc. verursacht werden. Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS, 2014) haben alleine die zurzeit noch laufenden AKW seit ihrer Inbetriebnahme knapp 1500 Störfälle verzeichnet (Stand vom 09.12.2014.) Hinzu kommt, dass nach dem vom Bundesministerium für Strahlenschutz (BfS) in Auftrag gegebenen Gutachten der Reaktor- Sicherheitskommission (RSK, 2011, S. 7ff.) nicht alle deutschen AKW ausreichend gegen Erdbeben und Hochwasser abgesichert sind. Betrachtet man dazu noch, dass in Deutschland vor dem Atomausstieg knapp zehn Millionen Menschen im Umkreis von 30 km (Evakuierungsradius in Fukushima) zu einem AKW lebten (Zeit online, 2011) und sich allein vier der deutschen AKW an der Grenz zu erdbebengefährdetem Gebiet befanden (siehe Abb. 2), so ist der beschlossene Atomausstieg sowie das sofortige Abschalten älterer Meiler m.E. nicht nur gerechtfertigt, sondern wird von einigen Umweltverbänden wie dem BUND sogar noch als zu wenig erachtet und von ihnen stattdessen ein sofortiges Abschalten aller AKW gefordert (BUND, 2011b, S. 1). Denn auch wenn die Sicherheitsstandards der AKW sehr hochliegen, so ist ein Unfall mit schwerwiegenden Folgen nie gänzlich auszuschließen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Links: Anzahl der im Umkreis von 30km zu einem AKW lebenden Menschen (vor dem Atomausstieg), rechts: Erdbebengefährdetes Gebiet in Deutschland (vgl. BUND; Zeit online, 2011).

[...]


1 Während Gegner dieser Energieerzeugung von Atomkraft bzw. Atomenergie sprechen, nennen es Befürworter Kernkraft bzw. Kernenergie, um die Nähe zur Atombombe zu vermeiden; gleiches gilt für Atomkraftwerke und Kernkraftwerke (F.A.Z. online, 2010). Da sich diese Begriffe inhaltlich jedoch nicht unterscheiden, wird im weiteren Verlauf nur von Atomkraft und Atomkraftwerken (AKW) gesprochen.

2 Franz Josef Strauß war als Politiker der CSU von 1955-1956 Leiter des damals neugegründeten Bundesministeriums für Atomfragen (Bickerich, 1996, S. 84).

3 Die gesetzliche Laufzeitverlängerung vom 5. September 2010 sah für ältere Atomkraftwerke eine acht Jahre längere, für neuere Kraftwerke eine 14 Jahre längere Laufzeit vor (Deutscher Bundestag, 2010b, S. 1).

4 Eine genauere Erklärung der Energiegewinnung mithilfe der Kernspaltung findet sich bei Allelein (2013).

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Atomausstieg in Deutschland. Die politischen Hintergründe und die ökonomische Diskussion
Untertitel
Aktuelle umweltrechtliche und politische Entscheidungen
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Umweltwissenschaften)
Veranstaltung
Umweltpolitik und -recht
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
20
Katalognummer
V321277
ISBN (eBook)
9783668205291
ISBN (Buch)
9783668205307
Dateigröße
826 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
atomausstieg, deutschland, hintergründe, diskussion, aktuelle, entscheidungen
Arbeit zitieren
Daniel Sigmund (Autor:in), 2015, Der Atomausstieg in Deutschland. Die politischen Hintergründe und die ökonomische Diskussion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321277

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