Die Erste und Zweite Wiener Türkenbelagerung von 1529 und 1683. Hergang, Vergleichbarkeit und Ergebnisse der osmanischen Westexpansionen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

27 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Erste Wiener Türkenbelagerung von 1529
2.1 Hintergründe der Ersten Belagerung von Wien
2.2 Die Belagerung von 1529
2.3 Ergebnisse der Ersten Belagerung

3. Die Zweite Wiener Türkenbelagerung von 1683
3.1 Hintergründe der Zweiten Belagerung von Wien
3.2 Die Belagerung von 1683
3.3 Ergebnisse der Zweiten Belagerung

4. Vergleich der beiden Türkenbelagerungen von Wien

5. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Habsburgischen Erblande existierten von 1278 bis 1918, die osmanischen Erblande von 1289 bis 1923. Es sind somit zwei Monarchien, die ihren langen Weg durch die Geschichte nahezu zeitgleich zurücklegten. Sie entstanden und endeten etwa zur gleichen Zeit. Dabei verband sie zweifellos eine über Jahrhunderte währende Feindschaft und eine gemeinsame konfliktreiche Geschichte. Diese beiden Vielvölkerstaaten, welche ungleicher nicht sein konnten, waren durch ihre vielhundertjährige Nachbarschaft schicksalhaft aneinander gebunden und nahmen sich trotz der unbestreitbaren Gegnerschaft intensiv wahr.

Sie reagierten aufeinander, betrieben miteinander Handel, rezipierten unterschiedliche Konfessionsvorstellungen und wurden in der jeweiligen Propaganda mit dem Bild des Anderen konfrontiert.

Heute sind vor allem noch die beiden Türkenbelagerungen Wiens 1529 und 1683 in Erinnerung. Sie haben sich in das kollektive europäische Gedächtnis eingeprägt und bildeten für eine lange Zeit die Grundlage der Angst vor der „Türkengefahr“ im Okzident. Auch in der heutigen Zeit hat dieses Thema nicht an Aktualität verloren, betrachtet man zum Beispiel die Vorurteile und Ängste von denen die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur Europäischen Union begleitet werden.

Doch wie kam es dazu, dass die Türken zweimal bis nach Wien vordrangen und somit vor den Toren der Habsburgischen Erblande standen? Wie verliefen die beiden Belagerungen Wiens und können diese, obwohl mehr als hundert Jahre zwischen ihnen liegen, miteinander verglichen werden? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede existieren zwischen ihnen und was sind die jeweiligen Ergebnisse der osmanischen Westexpansion?

Um diese Fragen zu beantworten, bildet das Thema dieser Arbeit: „Die Erste Wiener Türkenbelagerung von 1529 und die Zweite Wiener Türkenbelagerung von 1683 im Vergleich“ den passenden Rahmen. Diese Hausarbeit ist dazu in fünf Kapitel gegliedert, wobei im zweiten und dritten Kapitel die Erste Wiener Türkenbelagerung bzw. die Zweite Wiener Türkenbelagerung betrachtet werden. Untergliedert werden diese beiden Kapitel jeweils in die Hintergründe der zu betrachtenden Belagerung, also deren Vorgeschichte, die Belagerung der Stadt Wien selbst und die Ergebnisse der Konfrontation. Im vierten Kapitel werden dann die beiden Stadtbelagerungen miteinander verglichen und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Das Hauptaugenmerk soll hierbei aber auf den beiden Wiener Belagerungen selbst liegen. Die Hintergründe und die weiteren Entwicklungen werden nur begleitend und zum Thema hinführend behandelt, wobei die außenpolitische Lage der Habsburger Monarchie innerhalb Europas zur entsprechenden Zeit nicht unbetrachtet bleibt. Soweit zum methodischen Vorgehen, um die oben gestellten Fragen abzuarbeiten.

Der heutige Wissensstand zu diesem Thema ist sehr groß, wie auch die Fülle an verfügbarer Literatur zeigt. Zur Beantwortung der Fragen wird dementsprechend eine größere Anzahl an Literatur herangezogen. Dabei kommt vorrangig dem Buch des Historikers und Universitätsprofessors Bertrand Michael Buchmann: „Österreich und das Osmanische Reich: eine bilaterale Geschichte“ von 1999, eine führende Rolle zu. Weitere Werke, die als Sekundärliteratur verwendet werden, sind z.B. Bücher von: Erich Zöllner, Ekkehard Eickhoff und Thomas Winkelbauer.

Die Quellenlage zu den Belagerungen der Residenzstadt Wien ist ebenfalls sehr umfangreich. Bodo Guthmüller und Wilhelm Kühlmann schreiben dazu:

„ Die Verflechtung militärischer, politischer und religiöser Gesichtspunkte, jeweils zurückweisend auf territoriale, also innenpolitische Konstellationen und Interessen, ja das Unerhörte der osmanischen Expansion an sich schlugen sich in einem weitverzweigten, bis heute kaum überschaubaren Schrifttum nieder, das alle materiellen Mittel der Kommunikation, auch der bildlichen Darstellung, umfasste und als transnationales Paradigma frühneuzeitlicher Öffentlichkeit angesehen werden muß.“ [1]

Ausgehend von dieser guten Quellenlage, werden in der Arbeit an den passenden Stellen einige Quellen aus der jeweiligen Zeit eingebaut, um die Ereignisse besser rekonstruieren zu können.

2. Die Erste Wiener Türkenbelagerung von 1529

2.1 Hintergründe der Ersten Belagerung von Wien

Mit der Eroberung von Konstantinopel als letztem Überbleibsel des Oströmischen Reiches am 29. Mai 1453, wurde der Expansionsdrang der Osmanen immer mehr zu einer Bedrohung für Europa und seinen wichtigsten Staatenbund, dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen.[2] Aber schon vor dem endgültigen Fall des byzantinischen Reiches und eines Großteils des heutigen Griechenlands, waren die Osmanen tief nach Europa vorgedrungen und ihr Vormarsch schien unaufhaltsam. Sie unterwarfen relativ schnell die Bulgaren, Makedonier und die Serben. Die Eroberungen auf dem Balkan gipfelten in ihrem entscheidenden Sieg auf dem Amselfeld (1389) gegen die Südslawen. Sie verheerten und plünderten das bäuerliche Südungarn, wurden aber 1442 in Siebenbürgen und 1456 vor Belgrad durch den erfahrenen ungarischen Heerführer János Hunyadi (um 1408-†1456) aufgehalten.[3] 1468 gelang dem türkischen Sultan Mehmet II. („der Eroberer“; 1444-46 & 1451-1481) nach Konstantinopel, die Eroberung Albaniens. Venedig, welches 17 Jahre mit ihm in Konflikt stand, wurde tributpflichtig und musste jährlich 10.000 Golddukaten für die freie Beschiffung osmanischer Gewässer bezahlen.[4]

Verschiedene Unternehmungen christlicher Heere brachten keinerlei Offensiverfolge, und auch die Bemühungen von Kaiser Sigmund (1368-†1437), aus dem Hause Luxemburg und den Päpsten Kalixt II. (1455-1458) und Pius II. (1458-1464) verpufften. Dagegen konnte Sultan Selim I. („der Gestrenge“; 1512-1520), der Enkel von Mehmet II., das osmanische Reich in Afrika und Asien weiter ausdehnen. Unter seinem Nachfolger Süleiman II. („der Prächtige“; 1520-1566) gelang 1522 die Eroberung der Insel Rhodos. Mit der Niederlage der dort ansässigen Johanniter war nun die Herrschaft über das östliche Mittelmeer gesichert.

In Europa hatte sich seit dem 15. Jahrhundert ein markanter Antagonismus zwischen Spanien und Frankreich entwickelt, der sich zunächst im Kampf um den Einfluss in Italien äußerte, aber auch durch die zahlreichen Entdeckungsfahrten, die eine steigende Bedeutung der Staaten am Atlantik bewirkten, eine nahezu globale Ausweitung erfuhr. Während das Reich in dieser Auseinandersetzung eher abseits stand, wurden die Habsburger durch den Erwerb der spanischen Krone, die dem Enkel Maximilians I. Karl zufiel, unmittelbar involviert. Die Feindschaft zwischen den Habsburgern und Frankreich führte schließlich dazu, dass der Sultan zu einem Verbündeten des französischen Königs wurde.[5]

70 Jahre nach dem Entsatz von Belgrad richtete sich nun die volle Wucht der osmanischen Streitmacht auf Mitteleuropa. Sultan Süleiman II. richtete einen Feldzug gegen Ungarn, nachdem Verhandlungen auf diplomatischem Wege gescheitert waren. Der Inhaber der Stephanskrone König Ludwig II. (1516-1526) war durch eine habsburgisch-jagellonische Doppelheirat mit dem Habsburgischen Reich verbunden und verweigerte das vom Sultan geforderte Durchmarschrecht seiner Truppen in Richtung Kärnten und der Steiermark. Dieser Feldzug kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da Ungarn sich in einer wirtschaftlichen und politischen Krise befand und Österreich, aufgrund eines bald zweijährigen Interregnums, so gut wie wehrlos dastand. König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn wusste um die Gefahr für sein Land, doch ihm waren die Hände gebunden. Von seinem Schwager Karl V. (König ab 1519; Kaiser 1530-1556) war keine Hilfe zu erwarten, da dieser in Kriege mit Frankreich verwickelt war und somit Ungarn für ihn nur einen peripheren Kriegsschauplatz darstellte. Ihm ging es in erster Linie um die Hegemonie Habsburgs in Europa. Doch dieser einseitige Blick nach Westen sollte sich für Karl V. rächen, denn König Franz I. von Frankreich, nahm nach der Niederlage von Pavia (1525) mit dem Sultan Verhandlungen auf, um gegen den siegreichen Kaiser eine zweite Front aufzubauen.[6]

Der jagellonische König bittet nun seinen Schwager, den Erzherzog Ferdinand von Österreich (den Bruder Karls V.) um Hilfe und schreibt nach Ofen (Buda) am 15. Juli 1526:

„ […] Erhabenster Fürst, Unser teuerster Bruder und Schwager: Wir haben Euerer Geneigtheit oft durch Briefe und auch durch unseren Sekretär, der nun auch bei Eurer Geneigtheit verhandelt, die Auskunft des Kaisers der Türken angezeigt und die Gefahren, welche Uns in diesem unserem Königreich drohen. Nun aber sind Unsere Angelegenheiten in die äußere Gefahr geraten. Denn der Kaiser der Türken ist mit allen seinen Streitkräften in Unserem Königreich und Wir glauben, daß Peterwardein von ihm schon belagert wird. Sobald jene Festung erobert ist, versucht er, direkt her nach Buda und gegen Unsere Person vorzugehen. Wir bitten also, daß Euere Herrlichkeit sich um Gott in Unserer bedrängten Lage anstrenge und den in äußerter Gefahr Schwebenden so rasch wie möglich zu Hilfe komme. […]“ [7]

Doch diese Bitte um Hilfe erhörte Ferdinand I. (1503-†1564; Kaiser 1558-1564) nicht. Nachdem sich im Frühjahr 1526 ein ca. 60.000-70.000 Mann starkes osmanisches Heer zur Eroberung Ungarns in Bewegung gesetzt hatte, wurde die Schlacht von Mohács am Nachmittag des 29. August 1526 geschlagen.[8] Sie endete mit der vernichtenden Niederlage des ca. 25.000 Mann starken ungarischen Heeres. Neben König Ludwig II. starben ca. 14.000 ungarische Soldaten und als direkte Folge der Schlacht von Mohács verlor Ungarn etwa 200.000 Einwohner (durch Gefangenschaft und Tod), d.h. ca. 5 Prozent seiner gesamten Einwohnerschaft.[9]

Durch den Tod des ungarischen Königs war die Stephanskrone nun vakant geworden. Ungarn verlor somit die politische Führung und die Reichseinheit. Im selben Jahr wie die Türkenschlacht von Mohács wurden der Woiwode von Siebenbürgen Johann Zápolya (1487-†1540), durch die Mehrheit des ungarischen Adels und der Habsburger Ferdinand I. zu Königen von Ungarn gewählt. Ersterer wurde anschließend durch Sultan Süleiman I. als Vasall bestätigt. Erst nach Johann Zápolyas Tod eroberte der Sultan 1541 die Hauptstadt Ofen und die Städte in der Mitte des Landes. Ungarn war seitdem dreigeteilt.[10]

Doch vorher lieferten sich die Anhänger der beiden Könige einen blutigen Streit und die ungarischen Magnaten wechselten je nach augenblicklicher Opportunität ständig die Fronten. Aus diesem Bürgerkrieg ging jedoch Ferdinand I. als der Sieger hervor und Zápolya floh zu seinem Schwager, König Sigismund von Polen. Dort schloss er ein gegen Habsburg gerichtetes Bündnis mit der Pforte (1528) und Sultan Süleiman I. versprach ihm Hilfe gegen Ferdinand. Dieser wusste jedoch, dass er sich nur in Ungarn behaupten konnte, wenn das Osmanische Reich mit ihm Frieden hielt. Er schickte eine Botschaft an den Sultan, der nur unter der Vorrausetzung zu Verhandlungen bereit war, wenn Ungarn geräumt wurde. Dieser Aufforderung konnte und wollte Ferdinand nicht nachkommen und in einer Abschiedsaudienz am 28. Juni 1528 wurde den Österreichern drohend angekündigt, dass der Sultan bald an der Spitze eines Heeres bei Ferdinand erscheinen würde.[11]

Nun ist eine Konfrontation der beiden Mächte unausweichlich geworden, denn das Heilige Römische Reich hatte endgültig eine gemeinsame Grenze mit den Osmanen. Süleiman I. nutzte die Gunst der Stunde, zu einem Feldzug gegen die österreichischen Erblande der Habsburger. Zumal diese durch die Italienischen Kriege gegen Frankreich erheblich eingeschränkt waren. Die Habsburger waren in eine direkte Rivalität mit den Osmanen getreten.[12]

2.2 Die Belagerung von 1529

Ferdinand entfaltete eine hektische Reisetätigkeit, um die Stände zur Türkenhilfe zu bewegen. Er zog von Landtag zu Landtag und zuletzt zum Reichstag nach Speyer. Dort wurde ihm nur ein Landesaufgebot an ungeübten Knechten bewilligt, welche es im offenen Kampf mit den Türken nicht aufnehmen konnten. Die Protestenten sahen ein Scheitern der im Ländererwerb bisher überaus erfolgreichen Habsburger nicht ungern und das mit Johann Zápolya verbündete katholische Bayern verzögerte jeden Reichstagsbeschluss.[13]

Endlich entschieden sich die Reichsstände für eine „eilende Türkenhilfe“, deren Wirksamkeit sie jedoch bis zur Unwirksamkeit einschränkten. Eine eigene in Regensburg tagende Reichsdeputation habe darüber zu wachen, dass die Türkenhilfe ausschließlich gegen Türken und nicht gegen Protestenten im Reich eingesetzt werde.[14] Auch von seinem kaiserlichen Bruder Karl V., war wie oben erwähnt, wenig Hilfe zu erhoffen. Obgleich Karl V. die Türkengefahr zur Legitimierung der Machtansprüche seiner Dynastie nutzte, überließ er die konkrete Abwehr der Osmanen weitgehend seinem Bruder.[15]

Nachdem Ferdinand I. erkannt hatte, dass er vom Reich nur ungenügende Hilfe zu erwarten hatte, richtete er am 28. August 1529 einen letzten verzweifelten Aufruf an die „gesamte Christenheit“. Er forderte sie zur Geldhilfe für ein Heer gegen die Türken auf, denn seine landesfürstlichen Eigenmittel (Regalien und Kammergüter) reichten kaum zur Bestreitung der Kosten für Hof und Verwaltung. Eigene Truppen konnte er somit nicht aufstellen.[16] Nachdem auch dieses Hilfegesuch weitgehend ungehört verhallte, setzte Ferdinand nicht mehr nur auf fremde Hilfe oder auf die Gnade des Sultans. Er organisierte eine flächendeckende Verteidigung der Erblande. Ungarische Festungen, z.B. Ofen, Raab (Györ) und Pressburg (Bratislava) erhielten eine Besatzung und wurden mit ausreichend Munition und Proviant ausgestattet. Alle Festungen Niederösterreichs, wie z.B. Wien wurden instand gesetzt und schließlich wurde ein Alarmsystem mittels Kreidefeuer, Böllerschüssen und Sturmgeläut installiert. Der Zweck dieses Alarmsystems war es, die Bevölkerung rechtzeitig vor herannahenden Türken zu warnen und zum Aufsuchen der ihnen zugewiesenen Fluchtorte zu bewegen.[17]

Im Sommer 1529 zog Sultan Süleiman I. vom Sammelplatz Adrianopel (Edirne) aus mit einem riesigen, samt Tross und leichter Reiterei ungefähr 150.000 Mann zählenden Heer wieder gen Ungarn. Nach dem Abmarsch vom letzten Basislager Belgrad zog Süleiman mit seinem Heer die Donau aufwärts und traf am 14. August 1529 auf dem ehemaligen Schlachtfeld von Mohács ein.[18]

Den Kern seines Heeres bildeten die zentralen Streitkräfte mit etwa 20.000-30.000 Soldaten. Zu diesen zählten vier Waffengattungen: Janitscharen, höfische Kavallerie, Artillerie und Waffenschmiede. Die Janitscharen waren die Fußsoldaten, während alle anderen osmanischen Truppen beritten waren. Sie waren die Elitetruppe des Sultans und nur ihm verpflichtet. Ihre Ausrüstung umfasste Schwert, Axt, Pistole und Hakenbüchse. Den zahlenmäßig größten Teil des Osmanenheeres bildeten die Feudaltruppen der Provinzen. Sie gliederten sich in die Lehenstruppen aus Anatolien, die während der Feldschlacht stets auf dem linken Flügel aufgestellt waren, und jenen Truppen aus den europäischen Provinzen, welche den rechten Flügel einnahmen. In einem Vorsprung von etwa zwei bis drei Tagen, ritten die mit Pfeil und Bogen bewaffneten Renner und Brenner (Akindschi). Sie plünderten, mordeten und verbreiteten Angst und Schrecken.[19]

Am 8. September 1529 eroberten die Osmanen Ofen zurück und der Sultan verhalf seinem Vasallen Johann Zápolyas wieder zurück auf den Königsthron von Ungarn. Nach sieben Tagen marschierte das osmanische Heer weiter in Richtung Wien.[20] Die Türken erreichten Ende September die Umgebung der Stadt und der Sultan bezog am 26. September seine prächtige Zeltburg bei Kaiserebersdorf.[21]

Die Stadt Wien war mit 40.000 Einwohnern Deutschlands größte Stadt. Ihre aus dem 13. Jahrhundert stammende Stadtbefestigung war hoffnungslos veraltet. Die 4,5km lange Ringmauer war im Durchschnitt 6m hoch und 1-2m breit. Sie besaß 19 Türme, 6 große Tore, war mit Zinnen bewehrt und mit einem Holzüberbau versehen. Der Stadtgraben war stets trocken gehalten und an seinem äußeren Rand begannen die Vorstadthäuser.[22] In Wien galt die Verteidigung der Stadt als Bürgerpflicht, doch im 15. Jahrhundert ging man dazu über Söldner für den Wach- und Kriegsdienst einzustellen. Dieses Bürgeraufgebot existierte zwar, doch als 1529 die Türken herannahten, griff eine Massenflucht aus Wien um sich. Von den 3500 wehrfähigen Bewohnern, blieben kaum 400 zurück. Auch die meisten Mitglieder des Stadtrates flüchteten, zurück blieben nur der Bürgermeister und drei Stadträte. Der Oberste Feldhauptmann und damit Kommandant Wiens war Niklas Graf zu Salm (1459-†1530). Dieser Feldherr, welchen Friedrich I. mit der Verteidigung Wiens beauftragte, verfügte über maximal 12.000 Bewaffnete. Dazu zählten, neben der Bürgerwehr, ca. 8000 Landsknechte, 1700 gepanzerte Reiter und außerdem einige 1000 Mann des von den niederösterreichischen Ständen bewilligten Aufgebots des „zehnten Mannes“. Der Proviant war für einen Monat ausgelegt, aber für die Bezahlung der Landsknechte waren nicht genügend monetäre Mittel vorhanden. So mussten aus den Kirchenschätzen Notmünzen geschlagen werden. Der einzige Bereich, in dem die Verteidiger den Angreifern gleichwertig waren, betraf die Artillerie. Etwa 100 Geschütze waren auf der Festung verteilt. Mehr hatten die Osmanen auch nicht aufzubieten, denn ihre schwere Belagerungsartillerie musste wegen der zu erwartenden Transportschwierigkeiten und dem tagelang anhaltenden Regen in Belgrad zurückbleiben.[23]

Am 25. September 1529, also buchstäblich in letzter Minute, trafen zusätzlich 5000 Soldaten der im April vom Reichstag in Speyer bewilligten „eilenden Reichshilfe“ ein, die unter dem Kommando des Pfalzgrafen Philipp bei Rhein standen. Die Befestigungsanlagen wurden in sechs Verteidigungsabschnitte eingeteilt, die unter Berücksichtigung landsmannschaftlicher Verbundenheit besetzt wurden. Den besonders gefährdeten Hauptabschnitt am Kärntnertor verteidigten 3000 österreichische Knechte und 700 spanische Söldner, welche geübte Hakenbüchsenschützen darstellten, die mit ihrem treffsicheren Salven erheblichen Anteil an den Abwehrfolgen hatten.[24]

Bevor die Türken vor Wien standen, brannten die Besatzungstruppen auf Befehl des Grafen Salm etwa 900 Vorstadthäuser nieder, was jedoch nicht alle waren und so boten die restlichen stehenden Mauern und die Keller der Häuser den Osmanen, sogar unmittelbar vor dem Stadtgraben, noch ausreichend Deckung.

[...]


[1] Guthmüller, Bodo/Kühlmann, Wilhelm (Hrsg.): Europa und die Türken in der Renaissance (Frühe Neuzeit, Bd. 54), Tübingen 2000, S. 1.

[2] Vgl.: Kreiser, Klaus: Der Osmanische Staat (Oldenbourg Grundriss de Geschichte, Bd. 30), München22008, S. 24.

[3] Vgl.: Palmer, Alan: Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches, München 1994, S. 19.

[4] Vgl.: Buchmann, Bertrand Michael: Österreich und das Osmanische Reich. Eine bilaterale Geschichte, Wien 1999, S. 48.

[5] Vgl.: Csendes, Peter/Opll, Ferdinand (Hrsg.): Wien. Geschichte einer Stadt (Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung 1529, Bd. 1), Wien/Köln/Weimar 2001, S. 186.

[6] Vgl.: Buchmann 1999, S. 75.

[7] Frass, Otto: Quellenbuch zur Österreichischen Geschichte II, Wien 1959, S. 33.

[8] Vgl.: Buchmann 1999, S. 76/77.

[9] Vgl.: Winkelbauer, Thomas: Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 1(Österreichische Geschichte 1522-1699), Wien 2003, S.123.

[10] Vgl.: Eickhoff, Ekkehard: Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645-1700, Stuttgart3/42008, S. 176.

[11] Vgl.: Buchmann 1999, S. 79/80.

[12] Vgl.: Höfert, Almut: Den Feind beschreiben. “Türkengefahr“ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450-1600, Frankfurt/Main 2003, S. 109.

[13] Vgl.: Buchmann 1999, S. 80.

[14] Vgl.: Buchmann 1999, S. 81.

[15] Vgl.: Höfert 2003, S. 108.

[16] Vgl.: Buchmann 1999, S. 80f.

[17] Vgl.: Buchmann 1999, S. 82.

[18] Vgl.: Winkelbauer 2003, S. 128.

[19] Vgl.: Buchmann 1999, S. 83/84.

[20] Vgl.: Winkelbauer 2003, S. 128.

[21] Vgl.: Zöllner, Erich: Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München81990, S. 189.

[22] Vgl.: Buchmann 1999, S. 85.

[23] Vgl.: Buchmann 1999, S. 86.

[24] Vgl.: Winkelbauer 2003, S. 129.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Erste und Zweite Wiener Türkenbelagerung von 1529 und 1683. Hergang, Vergleichbarkeit und Ergebnisse der osmanischen Westexpansionen
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Note
2,0
Jahr
2011
Seiten
27
Katalognummer
V321070
ISBN (eBook)
9783668203143
ISBN (Buch)
9783668203150
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wien, Türken, Belagerung, Goldener Apfel, Sultan, Festung, Janitscharen, Istanbul
Arbeit zitieren
Anonym, 2011, Die Erste und Zweite Wiener Türkenbelagerung von 1529 und 1683. Hergang, Vergleichbarkeit und Ergebnisse der osmanischen Westexpansionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/321070

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