Die Möglichkeiten und Grenzen des Marketings für Ärzte. Rechtlicher Rahmen, Strategien und Maßnahmen


Seminararbeit, 2008

35 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen
2.1. Was ist Marketing?
2.1.1. Dienstleistungsmarketing/Customer-Relationship-Marketing .
2.2. Was ist Wettbewerb?

3. Rechtlicher Rahmen
3.1. Rechte des Patienten
3.2. Rechte des Arztes
3.3. Rechtliche Einschränkungen
3.3.1. Die Musterberufsordnung (MBO) der Länder
3.3.2. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG)
3.3.3. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG)
3.3.4. Das Verbot der berufswidrigen Werbung
3.3.5. Das Telemediengesetz (TMG)

4. Marketing für Ärzte
4.1. Grundlagen
4.1.1. Zulässige Werbeinhalte
4.1.1.1. Qualifikationen nach der Weiterbildungsordnung/Facharztbezeichnungen
4.1.1.2. Akademische Grade und Titel
4.1.1.3. Weitere Qualifikationen
4.1.1.4. Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte
4.1.1.5. Sonstige zulässige Angaben
4.1.1.6. Bildliche Darstellung
4.1.2. Zulässige Werbeträger
4.1.2.1. Das Praxisschild
4.1.2.2. Anzeigen
4.1.2.3. Patienteninformationen und Praxisbroschüren
4.1.2.4. Internet
4.1.2.5. Akzidenzdrucksachen/Corporate Design
4.1.2.6. Publikationen und Presseberichte
4.1.2.7. Weitere Werbemaßnahmen
4.2. Strategien
4.2.1. IST-Analyse
4.2.2. Bestimmung der Zielgruppe(n)
4.2.3. Festlegung der Marketing-Ziele
4.2.4. Der Marketing-Mix
4.2.4.1. Die klassischen Marketing-Instrumente
4.2.4.2. Die drei neuen Ps
4.2.5. Marketing-Controlling
4.3. Maßnahmen
4.3.1. Das Praxisleitbild
4.3.2. Corporate Identity
4.3.3. Gewinnung neuer Patienten
4.3.4. Bindung bestehender Patienten

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

ABKÜRZUNGVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Definition „Markt“

Abbildung 2: Grundrechte Arzt und Patient

Abbildung 3: Rechtlicher Rahmen ärztlicher Werbung

Abbildung 4: Möglichkeiten der ärztlichen Werbung

Abbildung 5: Beispiel eines sachlichen Web-Auftritts

Abbildung 6: Maßnahmen am Beispiel des Corporate Designs

1. Einleitung

MARKETING FÜR ÄRZTE

Ärzte und Marketing - diese beiden Begriffe erscheinen im Zusammenspiel paradox. Ärzte machen alle dasselbe und haben dank Influenza, Noroviren und co. immer genug zu tun. Warum dann Marketing?

Von den Krankenkassen werden immer mehr Leistungen gestrichen. Geld, das den Ärzten fehlt. Andererseits gibt es ein immer größeres Klientel Privatversicherter, welches sich Gesundheit und Schönheit gerne etwas kosten lässt. Obwohl 90 % der deutschen Bevölkerung gesetzlich versichert sind, stammen nur noch 65 % der Praxisumsätze aus dieser Quelle1 ; Tendenz sinkend. Ärzte müssen also umdenken, wenn sie im Werben um zahlungskräftige Patienten (Kunden!) erfolgreich sein wollen.

Ebenso wie Apotheker und Krankenhäuser müssen auch Ärzte in Zukunft verstärkt auf die Gesetze des Marktes achten und strategische Marketingmaßnahmen einsetzen, um ihre geschäftliche Zukunft abzusichern. Es ist nicht mehr uneingeschränkt gültig, dass sich gute Arbeit von selbst durchsetzt - auch wenn die ärztliche Qualität Grundlage und Bedingung für jeden Geschäftserfolg ist.

Im Rahmen dieser Hausarbeit werden im ersten Schritt begriffliche Grundlagen der Thematik näher erklärt. Anschließend werden der rechtliche Rahmen der ärztlichen Werbung abgesteckt und der damit verbundene Wandel erläutert. Danach kommen die Möglichkeiten des Ärzte-Marketings zum Einsatz: Was ist neu? Wie darf geworben werden? Wo sind die Grenzen? Schlussendlich wird beispielhaft dargelegt, inwiefern Marketing für Arztpraxen möglich ist.

Auf Grund des Umfangs und der Komplexität des Themengebietes kann eine vollständige Betrachtung nicht erfolgen. Darüber hinaus dient diese Arbeit nicht zur Entwicklung eines spezifischen Marketing-Konzeptes, da die Bedingungen der Maßnahmen zu vielseitig sind, als dass ein Grundkonzept erarbeitet werden könnte. Es sollen vielmehr die verschiedenen Möglichkeiten aufgezeigt werden, welche Ärzte seit der Novellierung der Musterberufsordnung im Jahr 2002 zur Gestaltung ihres Praxismarketings haben.

2. Begriffsbestimmungen

2.1. Was ist Marketing?

Marketing ist nach Heribert Meffert der Ausdruck eines marktorientierten, unternehmerischen Denkens und Handelns. Es hat die Aufgabe, bestehende Absatzmärkte zu durchdringen und auszuschöpfen sowie neue Absatzmärkte zu erkunden und zu erschließen. Der Begriff Marketing gliedert sich in vier Teile:

- Marketingarten (z. B. Dienstleistungsmarketing)
- Marketingprozesse (Analyse, Planung, Durchführung, Kontrolle)
- Marketinginstrumente (Produkt-, Preis-, Kommunikations-, und Distributionspolitik)
- Absatz (z. B. Absatzorgane und -wege)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Definition „Markt“

(vgl. Zollondz, H.-D., Grundlagen Marketing, 3. Auflage, Berlin, 2006, S. 13)

Adaptiert man die allgemeine Definition auf den Gesundheitsmarkt, so ist Marketing ein Prozess, der auf die Erkennung und die erfolgreiche Befriedigung von Patientenbedürfnissen ausgerichtet ist. Der amerikanische Begriff Marketing rückte in Deutschland erst in den 1960er Jahren ins Blickfeld. In den Jahren davor, überwiegend in den Kriegsjahren, herrschte in Deutschland noch der sog. Verkäufermarkt. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die Nachfrage nach Gütern höher ist als das bestehende Angebot. Die Probleme der Unternehmen bestanden überwiegend in Engpässen bei der Produktion und der Beschaffung, nicht aber im Absatz. Mit dem Wandel zum Käufermarkt (Angebot übersteigt Nachfrage) waren die Unternehmen gezwungen, ihre Leistungen (Produkte, Dienstleistungen) auf die Wünsche der Kunden auszurichten. Aus produktionsorientiertem Denken wurde absatzpolitisches Denken2.

2.1.1. Dienstleistungsmarketing/Customer-Relationship-Marketing

Bei der Betrachtung des Arztes bzw. der Arztpraxis im (Käufer-)Markt spielt eine spezielle Form des Marketing eine Rolle: das Dienstleistungsmarketing oder auch Customer-Relationship-Marketing. Besonderheiten dieser Form:

- Immaterialität (personenbezogene Leistungen, sind nicht greifbar) und Vergänglichkeit
- keine Lagerfähigkeit
- Heterogenität/Individualität der Leistungen
- kein Besitzerwechsel möglich
- Kundenbeteiligung erforderlich
- Produktion und Marketing erfolgen oft zeitgleich

Das Dienstleistungsmarketing ist primär dadurch gekennzeichnet, dass für die immaterielle Dienstleistung ein Image geschaffen werden muss, welches dem Patienten (Käufer) als Entscheidungskriterium für seine (Kauf-)Entscheidung dienen kann. Der Prozess des Imageaufbaus erfolgt mittel- bis langfristig und oftmals eher emotional als rational3.

Der Einsatz der vier Marketinginstrumente Produkt, Preis, Kommunikation und Distribution wird im Dienstleistungssektor um drei zusätzliche Instrumente erweitert:

- Personalpolitik (Quantität und Qualität)
- Prozess-Management (Gestaltung der relevanten Prozesse)
- Ausstattungspolitik (z. B. Art des Gebäudes, Wartezimmer)4

2.2. Was ist Wettbewerb?

Wettbewerb ist die Voraussetzung für Werbung. Hätte ein Unternehmen keine Konkurrenten bzw. keine Wettbewerber, wäre Werbung nicht erforderlich.

Wettbewerb zwischen mehreren Personen ist dadurch gekennzeichnet, dass der eine das zu gewinnen strebt, was ein anderer zur gleichen Zeit zu gewinnen strebt. Unternehmen versuchen Kunden zu gewinnen, um Gewinn zu erzielen. Dazu gehört auch der Kundenkreis, mit dem der Mitbewerber rechnet, oder den der Mitbewerber bereits besitzt. Ein Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Im Wesentlichen bezieht sich Wettbewerb auf das Bemühen, auf dem Markt ein bessere Akzeptanz für die eigenen Leistungen zu finden5.

Laut Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 1996 darf Wettbewerb in zulässigem Umfang auch unter Ärzten stattfinden. Dieser beginnt bereits beim Verhalten gegenüber den Patienten und den Öffnungs- zeiten der Praxis. Die Zusammensetzung des Praxis-Umsatzes zeigt, dass ein großer Teil des Ertrags jenseits der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erwirtschaftet wird. Bei allen angebotenen ärztlichen Leistungen, bei denen der Patient eine eigene Einkaufs-Entscheidung treffen muss, z. B. bei den IGeL (Individuelle Gesund- heitsleistungen), entsteht prinzipiell eine Wettbewerbssituation unter den Leistungsanbietern.

Der Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Ärzten steigt damit in dem Maße, wie der Ertrag nicht mehr durch die GKV erbracht wird, sondern durch Leistungen, die die Patienten selbst zahlen. Gewinner im Ärztewettbewerb sind in erster Linie die Patienten, auf ihre Belange wird vermehrt eingegangen und nachgefragte Dienstleistungen werden bedarfsgerecht erbracht.

3. Rechtlicher Rahmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Grundrechte Arzt und Patient

(vgl. Bahner, B., Das neue Werberecht für Ärzte, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg, 2004, S. 15)

3.1. Rechte des Patienten

Der Patient hat verfassungsgemäß das Recht auf Information und Selbstbestimmung, welche in Art. 1 und 2 des Grundgesetzes verankert sind. Das bedeutet, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, selbst zu entscheiden, was mit seinem Körper geschehen soll. Ebenso kann jeder mündige Mensch frei wählen, ob, wann, wo, wie und durch wen er behandelt werden will6.

Das Gesetz der Selbstbestimmung beinhaltet auch das Recht auf freie Arztwahl. Dieses beginnt bei der Su- che nach einem Arzt und der Kontaktaufnahme. Die freie Arztwahl ist einer der wesentlichsten Punkte des Patientenrechts7.

Wichtig bei der Betrachtung der Patientenrechte ist, dass sich der Patient über sämtliche Daten und Fakten einer Behandlung frei informieren können muss. Anhand wahrheitsgemäßer und sachlicher Informationen muss er sich einen Überblick über die angebotenen Leistungen verschaffen können, um so verschiedene Angebote gegeneinander abwägen zu können. Laut Art. 5, Abs. 1, S. 2 des Grundgesetzes hat jeder das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

3.2. Rechte des Arztes

Damit der Arzt den Patientenanspruch auf umfassende Information überhaupt erfüllen kann, muss er sein Angebot und seine Leistungen ungehindert veröffentlichen können. Dies sollte allerdings nicht erst in der Praxis der Fall sein, z. B. anhand persönlicher Beratung oder Info-Broschüren, denn zu diesem Zeitpunkt hat sich der Patient bereits für diesen Arzt entschieden. Der Arzt muss daher alle Patienten informieren dürfen, die sich bei der Arztwahl noch nicht entschieden haben. Ein potenzieller neuer Patient möchte sich vor einer Behandlung über die Qualifikationen des Arztes, seine Kenntnisse, die Untersuchungs- und Behandlungsformen und den angebotenen Service in Kenntnis setzen.

Unter der Wahrung der Patientenrechte gilt somit: Informationen müssen ohne Aufwand (zeitlicher und finan- zieller Art) zugänglich sein, und zwar in einer verständlichen und nachvollziehbaren Art und Weise. Schlussfolgernd muss es also auch den Ärzten erlaubt sein, uneingeschränkt über ihr Leistungsspektrum informieren zu dürfen. Neben dem Recht auf/zur Information ergibt sich dieser Anspruch zudem aus der Be- rufsfreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 12 und 5 des Grundgesetzes.

Genauso wie es dem Arzt erlaubt ist Informationen weiterzugeben, ist es ihm auch erlaubt Informationen zu unterlassen. Ein Zahnarzt, der eine bestimmte Behandlung (z. B. Akupunktur) beherrscht, diese aber nicht veröffentlichen will, da er ansonsten eventuell in die Ecke der Naturheilpraktiker gerät, hat das Recht diese Information zu verschweigen. Ärzte sind nicht verpflichtet Informationen über ihre beruflichen Leistungen gegen ihren eigenen Willen zu veröffentlichen8.

Wie jeder andere Bundesbürger hat selbstverständlich auch der Arzt das Recht auf Meinungsfreiheit und darf somit seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten9.

Die Grenze zwischen einer Meinung im eigentlichen Sinne und einer Tatsachenäußerung sind sehr vage. Mei- nungen sind subjektive, meist urteilende Aussagen über Sachverhalte oder Personen, unabhängig davon, ob die Wahrheit gesprochen wird. Tatsachenäußerungen sind objektive Behauptungen, die auf ihren Wahrheits- gehalt hin überprüft werden können. Bewusst unwahre Tatsachenäußerungen genießen in keinster Weise den Grundrechtsschutz10.

Die Meinungsfreiheit kann beschränkt werden, wenn Äußerungen der Diffamierung einer anderen Person gelten, z. B. die öffentliche Bloßstellung eines Arztes, der Abtreibungen durchführt. Dies gilt als Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

3.3. Rechtliche Einschränkungen

Trotz dieser grundlegenden Rechte war es Ärzten jahrelang verboten für die eigenen Leistungen Werbung zu machen, bzw. die (potenziellen) Patienten außerhalb der Praxis über das Angebotsspektrum zu informieren: „Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen. Es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren.“11

Seit 2002 haben das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Menschengerichtshof in zahlreichen Entscheidungen klargestellt, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit den Ärzten auch die Werbefreiheit ga- rantiert. Die Werbefreiheit darf nur dann eingeschränkt werden, wenn es um Gemeinwohlbelange geht. Ein Gemeinwohlbelang ist der Schutz des Patienten. In der neuen Rechtsprechung wird dem Informationsbedürfnis des Patienten eine höhere Bedeutung eingeräumt. Sie sollen darauf vertrauen dürfen, dass ihr Arzt sie nur aus medizinischer Notwendigkeit behandelt und nicht aus Gewinnstreben falsche Hoffnungen macht.

Häufig wird angenommen, dass das damalige Werbeverbot auf gesetzlicher Ebene verankert war. Das ist falsch: Anders als es bei Rechtsanwälten der Fall war, wurden die Beschränkungen durch die 250 Delegierten im Deutschen Ärztetag selbst erlassen und in den Berufsordnungen für Ärzte festgehalten.

Die Informationsfreiheit der Ärzte gilt nach dem Erlass der neuen Musterberufsordnung allerdings nicht uneingeschränkt, sie hat - wie auch im restlichen Geschäftsverkehr - ihre Grenzen. Diese Grenzen beruhen auf drei Grundsteinen: der Musterberufsordnung (MBO), dem Gesetz des unlauteren Wettbewerbs (UWG), sowie dem Heilmittelwerbegesetz (HWG).

3.3.1. Die Musterberufsordnung (MBO) der Länder

Leitbild aller Berufsordnungen auf Landesebene ist die Musterberufsordnung (MBO), welche vom Deutschen Ärztetag auf Bundesebene beschlossen wird. Sie dient zum Ausdruck der allgemeinen ärztlichen Standesauf- fassung. Die Musterberufsordnung entfaltet keine unmittelbare Rechtswirkung. Verbindlich sind die Berufs- ordnungen der Landesärztekammern. Diese sind je nach Bundesland unterschiedlich, oftmals aber in enger Anlehnung an die erlassene Musterberufsordnung. Die Landesärztekammern erlassen ihre jeweilige Berufs- ordnung in Form einer Satzung.

Durch die Neufassung der Musterberufsordnung im Jahr 2002 (erste Lockerungen wurden bereits im Jahr 1997 und weitere 2000 erlassen) wurden die bisher gültigen Werbeverbote fast komplett gestrichen.

Was bisher detailliert auf mehreren Seiten ausformuliert war, wurde nun auf generalklauselartige Bestimmungen beschränkt. Damit wurde dem Bundesverfassungsgericht Rechnung getragen, denn die Summe der monatlichen Entscheidungen überstieg das normale Maß.

Der wichtigste Paragraph der Musterberufsordnung in Hinsicht auf die ärztliche Werbung ist § 27:

(1) Zweck der nachstehenden Vorschriften der Berufsordnung ist die Gewährleistung des Patientenschutzes durch sachgerechte und angemessene Information und die Vermeidung einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufes.

(2) Auf dieser Grundlage sind dem Arzt sachliche, berufsbezogene Informationen gestattet.

(3) Berufswidrige Werbung ist dem Arzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Der Arzt darf eine solche Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Werbeverbote aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen bleiben unberührt.

(4) Der Arzt kann

1. nach der Weiterbildungsordnung erworbene Bezeichnungen,
2. nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erworbene Qualifikationen,
3. Tätigkeitsschwerpunkte und
4. organisatorische Hinweise ankündigen.

Die nach Nr. 1 erworbenen Bezeichnungen dürfen nur in der nach der Weiterbildungsordnung zulässigen Form geführt werden. Ein Hinweis auf die verleihende Ärztekammer ist zulässig. Andere Qualifikationen und Tätigkeitsschwerpunkte dürfen nur angekündigt werden, wenn diese Angaben nicht mit solchen nach geregeltem Weiterbildungsrecht erworbenen Qualifikationen verwechselt werden können.

(5) Die Angaben nach Abs. 4, Nr. 1 bis 3 sind nur zulässig, wenn der Arzt die umfassenden Tätigkeiten nicht nur gelegentlich ausführt.

(6) Die Ärzte haben der Ärztekammer auf deren Verlangen die zur Prüfung der Voraussetzungen der An- kündigung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Die Ärztekammer ist befugt, ergänzende Auskünfte zu verlangen.

Folgende Konsequenzen hat die Neufassung der Musterberufsordnung12:

- Alle Werbeträger werden gleich behandelt, es wird nicht mehr zwischen den Medien unterschieden. Praxisschilder, Briefbögen, Rezeptvordrucke, Internetpräsenzen und Anzeigenschaltungen werden somit gleich behandelt, auch Funk- und Fernsehwerbung gehört dazu.
- Ärzte dürfen neben ihren nach geltendem Weiterbildungsrecht erworbenen Qualifikationen nun auch Tätigkeitsschwerpunkte, sonstige öffentlich-rechtliche Qualifikationen und organisatorische Hinweise veröffentlichen.
- Unabhängig von besonderen Anlässen (wie z. B. Urlaub oder Praxisvertretung) dürfen Ärzte über ihre beruflichen Tätigkeiten informieren.

Weitere Punkte der Musterberufsordnung befassen sich mit dem Inhalt des Praxisschilds, dem Hinweis auf ausgelagerte Praxisräumlichkeiten sowie der Ankündigung von Kooperationen.

Einer der wichtigsten Punkte der MBO ist, dass ärztliche Werbung sachlich sein muss. Die Dienstleistungen des Arztes können nicht wie Produkte dargestellt werden, da sie immateriell und abstrakt sind. Hier muss der Patient einen Vertrauensvorschuss leisten, er kann vorher nicht abschätzen, welcher Qualität die Behandlung entspricht. Die Sachlichkeit der ärztlichen Werbung baut auf drei Kriterien: den Inhalt der Information, die Art ihrer Darstellung und die Art der Kommunikation.

Eine Information ist dann sachlich, wenn sie Tatsachen beschreibt, die für den Patienten verständlich sind. Ein Arzt darf nur berufsbezogen und unterrichtend informieren. Sachliche Informationen sind z. B. Angaben über die in der Praxis angebotenen Untersuchungsmethoden oder der Hinweis auf besondere Qualifikationen des Arztes. Nicht geworben werden darf mit Selbstverständlichkeiten, wie etwa Blutdruckmessungen, da sie in jeder Arztpraxis zum Einsatz kommen und somit jeglicher Information entbehrt.

Eine Darstellung bzw. Präsentation einer ärztlichen Leistung ist sachlich, wenn sie zurückhaltend und dezent gestaltet ist. Große Bannerplakate und überdimensionierte Leuchtreklame gelten daher als unsachlich und verboten. Die Urteile der Gerichte sind hier zurückhaltend, da Präsentationen auch immer eine individuelle Haltung widerspiegeln und die Grenze zur Meinungsfreiheit nicht klar definiert werden kann. Die Beurteilung der Sachlichkeit wird hier im konkreten Einzelfall geprüft, da immer das gesamte Umfeld einer Information gesehen werden muss.

Über sachliche Kommunikation bzw. Kommunikationsmittel entscheidet nicht das genutzte Medium, sonderndie Art der Darstellung. Grundsätzlich kann jeder Werbeträger als Kommunikationsmittel eingesetzt werden. Eine neuartige Präsentationsmethode ist nicht zeitgleich berufswidrig13. Werbung im Radio oder im Fernsehen gilt nicht als unsachlich nur weil sie bislang eher unüblich war. Unzulässig sind definitiv Werbeaktionen per Telefon, Telefax, E-Mail oder SMS, da der Empfänger hierfür sein Einverständnis geben muss.

Laut Beschluss der Bundesärztekammer sind Mailingaktionen („Postwurfsendungen“) zulässig, sofern sie eine gültige Absenderadresse aufweisen und dem Empfänger die Möglichkeit geben gebührenfrei eine Auffor- derung zur Einstellung solcher Aktionen geben. Dieser Beschluss beruht darauf, dass nicht jede Arztpraxis sich Radio- oder Fernsehwerbung leisten lann. Durch eine kostengünstigere Mailingaktion wird annähernd der gleiche Effekt erzielt.

[...]


1 Vgl. Obermann, K. (Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit, 2006), S. 8.

2 Vgl. Olfert, K., (Marketing, 2007), S. 19.

3 Vgl. Olfert, K., (Marketing, 2007), S. 41

4 Vgl. Zollondz, H.-D., (Marketing-Mix, 2005), S. 106ff.

5 Vgl. Baumbach, A. und Hefermehl, W. (Wettbewerbsrecht, 1998), S. 60.

6 Vgl. Barth, D., (Medizinermarketing - Vom Werbeverbot zur Patienteninformation, 1999), S. 177.

7 Vgl. Deklaration des Weltärztebundes von Lissabon über die Rechte des Patienten, 1996, 4. Auflage, S. 704ff.

8 Vgl. „Recht auf informelle Selbstbestimmung“, BGH, Urteil v. 13.11.1990 - VI ZR 104/90 - NJW 1991, S. 1532ff.

9 Vgl. Grundgesetz, Art. 5, Abs. 1.

10 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 07.11.2002 - 1 BvR 580/02, www.bverfg.de.

11 BVerfG, Urteil v. 23.07.2001, Az.: BvR 873/00, Rd.-Nr. 17, www.bverfg.de.

12 Vgl. Auslegungsgrundsätze Bundesärztekammer zu §§ 27ff. der MBO von 2002.

13 Vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.02.2002, www.bverfg.de.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Die Möglichkeiten und Grenzen des Marketings für Ärzte. Rechtlicher Rahmen, Strategien und Maßnahmen
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
35
Katalognummer
V320741
ISBN (eBook)
9783668206229
ISBN (Buch)
9783668206236
Dateigröße
2874 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
möglichkeiten, grenzen, marketings, ärzte, rechtlicher, rahmen, strategien, maßnahmen
Arbeit zitieren
Lena Küssner (Autor:in), 2008, Die Möglichkeiten und Grenzen des Marketings für Ärzte. Rechtlicher Rahmen, Strategien und Maßnahmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320741

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