Das Toleranzkonzept Rainer Forsts im Vergleich zur UNESCO-Erklärung der Prinzipien von Toleranz


Hausarbeit, 2013

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

1. RAINER FORST

2. DIE UNESCO- ERKLÄRUNG VON PRINZIPIEN DER TOLERANZ
2.1 DIE ERKLÄRUNG VON PRINZIPIEN DER TOLERANZ IM VERGLEICH ZU RAINER FORSTS TOLERANZKONZEPTION

3. FAZIT

4. ANHANG

5. LITERATURVERZEICHNIS

Einleitung

Das Thema Toleranz ist politisch und ideengeschichtlich von großer Bedeutung, denn Toleranz ist ein äußerst wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie. Toleranz stellt eine unverzichtbare, aber auch umstrittene Tugend dar. Der Grund, warum der Begriff „Toleranz“ konfliktbehaftet ist, mag der sein, dass Toleranz eine Tugend darstellt, die während eines menschlichen Streits gefordert ist, aber gleichzeitig auch schon immer ein Gegenstand des Streits gewesen ist. Hinzu kommt, dass der Begriff auch heute noch durch unterschiedliche Verständnisse, Bewertungen und Auffassungen geprägt wird. Ein Konflikt, in dem Toleranz zum Tragen kommt, besteht aus Ablehnungsgründen gegenüber andersartigen Praktiken und Überzeugungen. Diesen werden Akzeptanzmöglichkeiten entgegengestellt, die den begründeten Zweifel der Ablehnung nicht aufheben, aber ausbalancieren sollen. Toleranz versucht also, ausgleichend und unparteilich zu wirken, sie ist gesellschaftlich und konfessionell, aber auch ethisch und politisch angesiedelt, wie auch situationsgebunden. Kulturelle Konflikte werden nicht nur durch die Gegenwart geprägt, insbesondere ab dem 16. Jahrhundert brachen innerhalb des Christentums religiöse Konflikte auf, welche sich seither durch alle zeitliche Epochen ziehen. So ist der Begriff aber nicht nur allein durch religiöse und ethische Konflikte geprägt, stattdessen bestehen Differenzen und Abweichungen innerhalb eines menschlichen Zusammenlebends schon immer, da Menschen ihre eigenen Erfahrungen, Perspektiven, Interessen und Wertvorstellungen besitzen und aus diesem Grund nicht wie Maschinen funktionieren (vgl. Forst 2000, S. 8).

Die Mitgliedstaaten der UNESCO verabschiedeten während ihrer 28. Generalkonferenz im Herbst 1995 in Paris die 'Erklärung von Prinzipien der Toleranz', weil sie "den Gedanken der Toleranz in unserer Gesellschaft […] verbreiten" wollen, da Toleranz "eine notwendige Voraussetzung für den Frieden und für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller Völker" ist. Die UNESCO-„Erklärung von Prinzipien der Toleranz“ ist die einzige internationale Schrift, die den Begriff der Toleranz in einer Erklärung darlegt.

In meiner Arbeit möchte ich mich mit der Toleranzkonzeption des Philosophen und Politologen Rainer Forst beschäftigen und mit der UNESCO-„Erklärung von Prinzipien der Toleranz“ vergleichen. Dabei möchte ich der Frage nachgehen, in wie weit Forsts Toleranzkonzept mit dem Toleranzverständnis der UNESCO übereinstimmt.

1. Rainer Forst

Rainer Forst, geboren am 15. August 1964 in Wiesbaden, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Amerikanistik in Frankfurt a.M. und New York. Er promovierte im Jahr 1993 bei Jürgen Habermas mit einer Arbeit zur politischen und sozialen Gerechtigkeit. Später arbeitete er als Wissenschaftlicher Assistent erst an der FU Berlin, dann in Frankfurt a.M. Im Jahr 2003 habilitierte Forst in Philosophie mit der Schrift „Toleranz im Konflikt“. Nach dem Erhalt des Heisenbergstipendiums, nahm Forst im Jahr 2004 die Professur für politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität in Frankfurt an. Seit 2007 ist Rainer Forst Sprecher des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“. Den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, erhielt er im Jahr 2012 (vgl. „Curriculum Vitae“, Online-Ressource).

Nach Rainer Forst handelt es sich bei dem Begriff Toleranz um eine umstrittene Tugend. Die Problematik mit der dieser Begriff belegt ist, führt Forst auf die Tatsache zurück, dass Tugend als Toleranz im Zusammenleben der Menschen vorkommt. Von Bedeutung ist hierbei, dass Menschen eigene Erfahrungen, Perspektiven, Interessen und Wertvorstellungen haben und nicht wie Maschinen funktionieren (vgl. Forst 2000 S. 8). Forst beschäftigt sich nicht nur mit dem gegenwärtigen Toleranzdiskurs, sondern auch mit dem historischen, da der Begriff der Toleranz vor allem ab dem 16. Jahrhundert im Zuge der innerhalb des Christentums aufbrechenden, religiösen Konflikten geprägt wurde. Historische, als auch gegenwärtige Toleranzdiskurse, werden von unterschiedlichen Rechtfertigungen geprägt, zu denen unter anderen pragmatische oder strategische Klugheitserwägungen.

Außerdem stellt Toleranz eine Haltung oder Praxis dar. Zudem basiert Toleranz auf gemeinsamen ethischen Werten, da gewährleistet sein sollte, dass eine Lebensform autonom gewählt werden kann, und die moralische Autonomie anderer Personen geachtet wird. Weitere Argumente für Toleranz sind die des Skeptizismus, Relativismus und das fallibilistische Argument, welches bedeutet, dass es durch wahre Überzeugungen zu einem menschlichen Fortschritt kommt (vgl. Forst 2000, S. 16ff).

In der historischen Auseinandersetzung mit dem Toleranzbegriff wird für Forst deutlich, dass das Verständnis, die Bedeutung und die Bewertung dieses Begriffs nicht einheitlich sind. Aus diesem Grund möchte er versuchen, ein grundlegendes Verständnis von Toleranz darzulegen. Hierfür unterscheidet er zwischen einem allgemeinen Konzept und verschiedenen spezifischen Konzeptionen von Toleranz (vgl. ebd. S. 119).

Um das Konzept der Toleranz zu beschreiben, ist es notwendig zunächst den Kontext der Toleranz zu betrachten und somit die Beziehung zwischen den Tolerierten und den Tolerierenden. Es stellt sich die Frage nach den Subjekten der Toleranz, ob es sich also bei der Ausübung von Toleranz um Individuen, Gruppen oder den Staat handelt. Des Weiteren müssen die Objekte der Toleranz getrachtet werden, wobei es darum geht, um was es sich bei der Tolerierung handelt, also ob es Praktiken, persönliche Eigenschaften, einzelne Handlungen oder Überzeugungen sind, die toleriert werden sollen (vgl. ebd. S. 120).

Für den nächsten Schritt ist es von Bedeutung, dass die zu tolerierenden Praktiken oder Überzeugungen als schlecht oder falsch angesehen werden. Forst bezeichnet dies als Ablehnungs-Komponente, bei der eine Ablehnung normativ begründet wird. Würde diese Komponente nicht bestehen, spräche man von einer unreflektierten Bejahung oder von Indifferenz ohne eine vorherige Wertung (vgl. ebd. S.121). Der eben beschriebenen Komponente steht die Akzeptanz- Komponente gegenüber. Hier werden die tolerierten Überzeugungen oder Praktiken zwar als falsch oder schlecht verurteilt, doch bestehende positive Gründe sprechen für eine Tolerierung. Sowohl aus der Ablehnungs- als auch aus der Akzeptanz-Komponente, entstehen nach Forst so genannte Paradoxien.

Zum einen die Paradoxie des „ toleranten Rassisten “. Die Paradoxie besteht darin, dass ein Rassist umso toleranter erscheint, je stärker seine Ablehnung ist. Die Paradoxie verfällt, wenn deutlich wird, dass eine Ablehnung normativ begründet werden muss, woraufhin die ablehnenden Argumente eines Rassisten an Wirksamkeit verlieren.

Aus der Akzeptanz-Komponente ergibt sich die Paradoxie moralischer Toleranz, bei der es richtig erscheint, das moralisch Falsche oder Schlechte zu tolerieren (vgl. ebd.).

Aus der Beziehung zwischen der Ablehnungs- und Akzeptanzkomponente stellt sich die Frage nach den Grenzen der Toleranz. Eine Grenzziehung ist notwendig, da ein allgemeines Tolerieren zu Indifferenz und Ignoranz, und somit zum Verfall des Toleranzgedanken führen würde. Die Grenze des Tolerierbaren entsteht dort, wo normative Ablehnungsgründe stärker gewichtet werden, als Gründe die für eine weitere Akzeptanz sprechen. Hieraus entsteht eine weitere Paradoxie, die Paradoxie der Grenzziehung. Diese ergibt sich daraus, dass sich der Begriff der Toleranz aus der notwendigen Grenzziehung, in Intoleranz verwandelt (vgl. ebd. S. 122). Aus diesem Grund sei es notwendig, dass Grenzen nicht auf willkürliche Weise entstehen, sondern gerechtfertigt sind. Ebenso müsse es Tolerierenden möglich sein, ihre Ablehnung zu begründen, da Toleranz nicht von außen erzwungen werden darf (vgl. ebd.).

Zu dem Toleranz-Konzept und seinen sechs Komponenten entwickelt Forst vier Konzeptionen im politischen Kontext eines Staates, in denen es um die Toleranz zwischen Gruppen geht. Diese Gruppen weisen „normativ bedeutungsvolle und tiefgreifende Differenzen kultureller oder religiöser Art.“ auf (Forst 2000, S. 123) Forst weist darauf hin, dass die im Folgenden aufgeführten Konzeptionen, in gegenwärtigen Diskussionen aktuell sind und in demokratischen Gesellschaften im Konflikt zueinander stehen. Es lässt sich feststellen, dass die vier Konzeptionen nach Anspruch an den Toleranzbegriff ansteigend geordnet sind. Die Erlaubnis-Konzeption stellt den ersten Punkt dar und bezeichnet, dass eine Beziehung zwischen einer Autorität oder Mehrheit und einer von deren Wertvorstellungen abweichenden Minderheit besteht (Forst 2003, S. 42).

Demnach besteht Toleranz darin, dass die Autorität der Minderheit die Erlaubnis gibt, ihren Überzeugungen gemäß zu leben, mit der Bedingung, dass sie die Vorherrschaft der Autorität, oder auch der Mehrheit, nicht in Frage stellt. Dieses Toleranzverständnis ist hauptsächlich pragmatisch begründet, denn das Ziel besteht darin, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu wahren, indem die Überzeugungen und Praktiken der Minderheit in den privaten Bereich verschoben werden. So kann „(...)kein gleichberechtigter öffentlicher und politischer Status gefordert werden.“ (ebd. S. 43)

Es wird deutlich, dass die Toleranzsituation nach dieser Ansicht darin besteht, dass die Autorität oder die Mehrheit die Macht besitzt bestimmte Zwangsmaßnahmen einzusetzen, um damit die Minderheit zu Konformität zu zwingen. Unterschiede werden geduldet und nicht untersagt, die Minderheit ist in dieser Position gezwungen die Machtposition der Autorität zu akzeptieren. Forst nennt diese Toleranzsituation „nicht-reziprok“ (vgl. Forst 2000, S. 125). So ist die Toleranzausübung eine einseitige und willkürliche Gewährung von Freiheiten und Praktiken und Überzeugungen des anderen werden lediglich gedulten, aber nicht als wertvoll oder gleichberechtigt angesehen und nur so lange toleriert wie die erlaubnisgebende Seite nicht angetastet wird. Forst spricht in diesem Hinblick auch von: „Dulden heißt beleidigen.“ (Forst 2011, S. 175) Worauf er auf Goethe anspielt der sagte: „Toleranz sollte nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ (Forst 2000, S. 125) Wenn sich diese Beziehung zwischen dem Duldenden und den Geduldeten so verändert, dass beiden Gruppen gleich viel Macht zukommt, spricht man von der Koexistenz-Konzeption Bei dieser Konstellation handelt es sich um eine pragmatisch-instrumentelle Begründung von Toleranz, es geht auch hier darum, Konflikte zu vermeiden. Zwar stehen sich nun zwei gleich starke Gruppen gegenüber, sodass es sich um eine horizontale Toleranz handelt, jedoch geht es auch hier nur um reine Duldung und wechselseitige Kompromisse. So kann diese Konstellation zu keinem stabilen sozialen Zustand führen, da sich kein wechselseitiges Vertrauen bilden kann, denn sobald sich das Machtverhältnis zugunsten einer Gruppe verändert, löst sich das Toleranzverhältnis auf (vgl. Forst 2000, S. 126).

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Toleranzkonzept Rainer Forsts im Vergleich zur UNESCO-Erklärung der Prinzipien von Toleranz
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V320423
ISBN (eBook)
9783668197688
ISBN (Buch)
9783668197695
Dateigröße
703 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
toleranzkonzept, rainer, forsts, vergleich, unesco-erklärung, prinzipien, toleranz
Arbeit zitieren
Jacqueline Rapp (Autor:in), 2013, Das Toleranzkonzept Rainer Forsts im Vergleich zur UNESCO-Erklärung der Prinzipien von Toleranz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320423

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