Synthese und Strukturaufklärung von Sekundärmetaboliten aus Schleimpilzen und lipophilen Hefen


Doktorarbeit / Dissertation, 1999

167 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1 Naturstoffchemie - woher, wohin, wozu ?
2 Stellung und Bedeutung von Pilzen in der Natur
2.1 Standortbestimmung: Pilze zwischen Pflanzen und Tieren
2.2 Unterteilung innerhalb der Pilze in einzelne Klassen
2.3 Myxomyceten (echte Schleimpilze)

Teil A: Naturstoffe aus Myxomyceten

3 Bisindolylmaleinimide - Inhaltsstoffe aus Schleimpilzen
3.1 Allgemeine Übersicht
3.2 Biochemische Vernetzung der Bisindolylmaleinimide untereinander
3.3 Biomimetische Synthesen von Maleinimiden ausgehend von Lycogalsäure
3.4 Ganz besondere Stoffe: Staurosporin, Rebeccamycin und K-252a
3.5 Totalsynthetische Bearbeitung der Materie
3.5.1 Zugänge zu Arcyriarubin und Arcyriaflavin
3.5.2 Totalsynthese von Arcyroxocin A und N -Methylarcyriacyanin

4 Naturstoffe mit Bisindolylstruktur ohne Maleinimid
4.1 Indolocarbazole - Herkunft und Nachweis im Organismus
4.1.1 Funktion des Aryl-Kohlenwasserstoff-Rezeptors (AHR)
4.1.2 Interaktion von Indolocarbazolen und anderen Substraten mit dem AHR
4.2 Allgemeines zu Violacein und Desoxyviolacein

5 Untersuchungen zu Bisindolylmaleinimiden aus Schleimpilzen
5.1 Themenstellung
5.2 Bearbeitete Strukturen
5.2.1 Synthesen zu Arcyroxocin A und B
5.2.2 1-Hydroxyarcyroxocin
5.2.3 Arcyroxindol
5.2.4 Staurosporinon
5.2.4.1 Syntheseversuche zu Staurosporinon
5.2.5 Violacein und Desoxyviolacein
5.2.5.1 Synthese von N -Benzyldesoxyviolacein
5.2.5.2 Synthese von Violacein und Desoxyviolacein
5.4 Einordnung der Ergebnisse

Teil B: Stoffwechsel von lipophilen Hefen

6 Biologische und methodische Grundlagen zu den Hefen
6.1 Klassifizierung der Hefen
6.2 Nähere Betrachtung der Malassezia-Hefen
6.3 Besondere Bedeutung von Hefen für die Medizin (spez. Dermatologie)
6.4 Strategien zur Behandlung von Mykosen

7 Medizinische Grundlagen der Hautkrankheit Pityriasis versicolor
7.1 Wie hängen Pityriasis versicolor und Malassezia furfur zusammen ?
7.2 Bisherige Deutungsversuche der Erscheinungsformen von Pityriasis versicolor
7.3 Das Hautpigment Melanin - Biosynthese und ihre Inhibierung
7.4 Themenstellung

8 Untersuchungen zu Metaboliten aus Malassezia-Hefen
8 Neuartige Kulturbedingungen ermöglichen einen neuen Forschungsansatz
8.2 Nachweis einfacher Indolderivate aus dem Rohextrakt
8.3 Strukturaufklärung von Malassezin
8.4 Synthetischer Zugang zu Malassezin
8.4.1 Syntheseplanung
8.4.2 Synthese von Malassezin
8.5 Evaluierung der biologischen Aktivität von synthetischem Malassezin
8.5.1 Untersuchung der inhibitorischen Wirkung von Malassezin auf Tyrosinase
8.5.2 Untersuchung der inhibitorischen Wirkung von Malassezin auf Tyrosinkinasen
8.5.3 Wechselwirkung von Malassezin mit dem AHR
8.6 Untersuchung von weiteren Metaboliten aus Malassezia furfur
8.6 Einordnung der Ergebnisse und Ausblick

Experimenteller Teil

9 Verwendete Geräte, Chromatographie und allgemeine Arbeitsmethoden

10 Synthesevorschriften für Arcyroxocin B

11 Synthesevorschriften zu Arcyroxindol

12 Synthesevorschriften für Violacein und Desoxyviolacein

13 Isolierung von Naturstoffen aus Malassezia furfur

14 Synthesevorschriften für Malassezin

Anhang

15 NMR- und HPLC-Spektren

16 Daten zu den Röntgenstrukturanalysen

Abkürzungen

Literatur

Zusammenfassung

- Der Naturstoff Arcyroxocin B (11, aus Myxomyceten) wurde in 15 Stufen, ausgehend von Indol (39), 4-(a-Tetrahydropyranyloxy)indol (68) und 3,4-Dibrom-1-methylmaleinimid

(40) mit 4 % Gesamtausbeute hergestellt. Im Rahmen von Reaktivitätsuntersuchungen ge- lang die Struktursicherung der Oxocin-Grundkörper von Arcyroxocin A und B (10 und

11) durch Röntgenstrukturanalyse. Ferner wurden Versuche zur biomimetischen Synthese von 1-Hydroxyarcyroxocin A (12) aus 10 unternommen.

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- Syntheseversuche zum Naturstoff Arcyroxindol (17) ergaben zwar nicht das Zielmolekül, lieferten jedoch interessante Zwischenergebnisse. So wurde die stereochemische Orien- tierung einer 1,3-dipolaren Cycloaddition an N -Benzylmaleinimid durch Röntgenstruktur- analyse eindeutig bestimmt. Der Baustein (E)- 137 wurde als thermodynamisch günstigeres Produkt gegenüber dem (Z)-Isomer durch Wittig-Reaktion erhalten.

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- Die Darstellung der blauen Bakterienpigmente Violacein (94) und Desoxyviolacein (95) gelang ausgehend von Indol (39) bzw. 5-Benzyloxyindol (163), Isatin (105) und Pyrrol

(1 46) in fünf bzw. vier Stufen. Im Schlüsselschritt der Synthese wurde das Rohprodukt einer Aldolreaktion an Kieselgel erhitzt. Dabei erfolgte simultan die Olefinierung, die Oxidation des Lactams und die Abspaltung der Boc-Schutzgruppen.

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- In Zusammenarbeit mit der Hautklinik Gießen wurde der Naturstoff Malassezin 177 aus Kulturen des lipophilen Hefepilzes Malassezia furfur isoliert und in seiner Struktur aufge- klärt. Ferner wurde eine fünfstufige Synthese für 177 mit 19 % Gesamtausbeute erarbeitet. GC/MS-Untersuchungen und eine leichte Transformierbarkeit von 177 zu Indolo[3,2- b ]carbazol (80) weisen auf die Bildung dieser Substanzklasse durch den Hefepilz hin, über dessen Stoffwechsel bislang wenig bekannt ist.

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Die Synthese von 177 basiert auf Indol (39) und Indol-3-carbaldehyd (173), die als ein- fache Indolderivate zuvor ebenfalls im Rohextrakt von M. furfur -Kulturen nachgewiesen wurden. Die Induktion einer erhöhten Produktion von Cytochrom P450 durch Bindung an den Aryl-Kohlenwasserstoff-Rezeptor (AHR) von 80 ist bekannt. Malassezin (177) konnte als erster Naturstoff identifiziert werden, der mit einer nicht planaren Vorzugskonformation als Agonist am AHR wirkt.

Einleitung

1 Naturstoffchemie - woher, wohin, wozu ?

Ähnlich der Artenvielfalt in Flora und Fauna hat die Natur auch auf molekularar Ebene eine un- übersehbare Vielzahl von Verbindungen hervorgebracht. Besonders "artenreich" ist dabei die Klasse der Sekundärmetabolite im nichttierischen Bereich. Diese Substanzen sind zwar für die Lebensfunktionen des Organismus nicht essentiell, haben jedoch vielfach bemerkenswerte Eigenschaften. So verleihen etwa Farbstoffe den Blumen ihre ästhetische Schönheit, schützen sich Schierlingspflanzen durch Alkaloide vor Fraß oder verschaffen sich Schimmelpilze durch ihre Antibiotika Wachstumsvorteile gegenüber Bakterien. Auch Sekundärmetabolite ohne er- kennbare Funktion haben sich für den Menschen als nützlich erwiesen, der diese Schatzkammer für seine Gesundheit und zur Verbesserung seiner Lebensqualität nutzt.

Schon vor ca. 4.500 Jahren verwendeten die Ägypter den Indigo zur Blaufärbung von Textilien, den sie aus dem Schmetterlingsblütler Indigofera tinctoria gewannen.[1] Dies geschah freilich noch ohne Verständnis der chemischen Vorgänge beim Herstellen des Pigments über mehrere Schritte. Ebenso gebrauchten die Spanier seit 1513 die peruanische Chinarinde zur Schmerz- und Fieberbekämpfung, ohne das Chinin als wirksame Substanz erkannt zu haben.[2] Die natürlichen Farbstoffe waren die ersten Syntheseziele der organischen Chemie am Ende des

19. Jahrhunderts (Baeyer patentierte 1880 die erste Indigosynthese). Die Motivation dieser Forschung war nicht zuletzt eine erfolgreiche Vermarktung des Farbstoffs.[3] Im Gegensatz dazu diente die Darstellung des Chinins 1945 durch Woodward et al. [4] vor allem der endgülti- gen Klärung seiner ungleich komplexeren Struktur.[5] Bekannte Naturstoffe als Syntheseziele sind nach wie vor die Prüfsteine, an denen sich eine neue Methode beweisen muß. Aber erst die Kenntnis der Struktur eines biologischen Wirkstoffs eröffnet die Möglichkeit, dessen Wirkmechanismus zu erkennen und durch (partial-) synthetische Präparate zu optimieren (Bsp. Penicillin).[6,7] Durch die Verbesserung des Screenings wurde es möglich, auch geringste Mengen (< 1 mg) in kurzer Zeit auf ihre biologische Aktivität zu prüfen.[8] Daraus erwächst für die präparative Chemie die Aufgabe der zielgerichteten Synthese von größeren Substanzmengen für weiterführende Tests und der Entwicklung wirksamerer Derivate. So sind nach Seebach[9] die Ziele der organischen (Naturstoff-) Synthese nicht mehr die Moleküle "um ihrer selbst wil- len, sondern es sind [die] Funktionen und Eigenschaften des hergestellten Gebildes".

Dies ist der Hintergrund der vorliegenden Arbeit, welche sich mit der Strukturaufklärung und Synthese von Naturstoffen aus Schleimpilzen und Hautpilzen beschäftigt.

2 Stellung und Bedeutung von Pilzen in der Natur

2.1 Standortbestimmung: Pilze zwischen Pflanzen und Tieren

Die Pilze (einschließlich der Schleimpilze) stellen neben Pflanzen und Tieren einen eigenen Stamm von eukaryontischen Organismen dar. Mehr als 98 % ihrer Arten leben an Land, die restlichen 2 % finden sich überwiegend im Süßwasser.[10] Ihre eindeutige Zuordnung zum Tier- oder Pflanzenreich fällt schwer, da die Pilze in ihrem Aufbau und ihrer Lebensweise sowohl tierische als auch pflanzliche Merkmale aufweisen. Die Zuordnung eher zum Pflanzenreich erfolgte ursprünglich aufgrund der festgewachsenen Strukturen (bis auf die Schleimpilze, vgl. 2.3) und der vorhandenen Zellwände, wobei allerdings nur die Klasse der Oomyceten (niedere Pilze, vgl. Abb. 2.1) als Gerüstsubstanz Cellulose verwendet.[11] Die übrigen Organismen bilden ihr Gerüst aus Chitin, das im Tierreich den Hauptbestandteil des Exoskeletts der Insekten darstellt.

Nach Analyse von ribosomaler 16 S RNA tendiert man heute wieder zu einer Dreiteilung der Organismenreiche in Plantae, Fungi und Animalia. Stammesgeschichtlich wurden vor ca. 2 Mrd. Jahren zunächst die Fungi abgegliedert, worauf 200 Mio. Jahre später die Trennung von Plantae und Animalia folgte. Diese Datierung erfolgte ebenfalls auf der Grundlage von molekularbiologischen Vergleichen - in diesem Fall der Aminosäuresequenzen des Atmungsketten-Enzyms Cyctochrom c. [12]

Diese Einteilung basiert ferner auf dem Aufbau der Zellwände (bzw. Membranen) und den Ernährungsweisen. Alle Pilzarten sind auf Nahrungszufuhr von außen angewiesen, da ihnen die Zellorganellen für die Photosynthese fehlen (heterotrophe Lebensweise). So sind Pilze in der Lage, abgestorbene (Holz-) Organismen zu zersetzen und dadurch z.B. organisch gebun- denen Stickstoff in NH4+ zu konvertieren. Dieser wird von den Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen und erneut zur Biosynthese verwendet (Aminosäuren, Alkaloide, Nucleinbasen).

Durch diese sog. saprophytische Lebensweise sind Pilze als Destruenten (gemeinsam mit Bakterien) essentielle Bestandteile des Ökosystems.[13]

Eine weitere Lebensform der Pilze, die z.T. auf der saprophytischen Lebensweise aufbaut, ist die Symbiose mit Pflanzen (sog. Mykorrhiza), Algen (Flechten) oder Tieren (Bsp.: Kultivierung von Hypomyces spp. in Ameisenstaaten). Besonders verbreitet ist das Zusammenleben von pflanzlichem Wurzelwerk und Bodenpilzen. Dabei übernimmt der Pilz die Funktion der Wurzelhaare durch sein Myzel. Der Pilz wiederum profitiert von Photosyntheseprodukten und Spurenstoffen[12] aus der Pflanze und versorgt diese mit Wasser und Nährsalzen aus dem Boden. Die parasitäre Lebensform führt zur Schädigung des Wirts.

Parasitär lebende (Schimmel-) Pilze verursachen in den feuchten und gemäßigten Klimazonen mitunter großen volkswirtschaftlichen Schaden an Saatgut, Baumaterial und Nahrungsmitteln.

Im Verlauf der Evolution haben sich Pilze in besonderem Maße an extreme Lebensbedingungen angepaßt. Ein Beispiel dafür ist die Fähigkeit zur Sporenbildung unter besonders ungünstigen Lebensbedingungen, um bei verbessertem Nahrungsangebot wieder in die vegetative Form überzugehen. Man vermutet, daß es sich bei Todesfällen nach Plünderungen antiker Gräber und archäologischen Grabungen ("Fluch der Pharaonen", Kryptaöffnung im Dom zu Krakau) um Infektionen mit den enorm haltbaren Sporen von Aspergillus flavus handelte, welche die stark lebertoxischen und kanzerogenen Aflatoxine produzieren. Neben der Sporenbildung lernten einige Arten im Verlauf der Evolution Antibiotika gegen konkurrierende Mikroorganismen zu produzieren und verschafften sich so einen Wachstumsvorteil.

2.2 Unterteilung innerhalb der Pilze in einzelne Klassen

Die Gesamtzahl der pilzlichen Arten wird auf weit über eine Million geschätzt,[14] von denen bislang jedoch nur etwa 56.000 bekannt sind. Für die Strukturierung dieser Arten gibt es ver- schiedene Ansätze. Im Lehrbuch der Botanik von Strasburger[10] werden fünf Klassen der Pilze auf der Grundlage des jeweiligen Entwicklungsgangs und der Fortpflanzungsorgane un- terschieden (Abb. 2.1). Eine Übersicht anderer Strukturierungsansätze (u.a. nach genetischer Verwandtschaft) findet sich bei Weber.[15] In der Medizin (spez. der Dermatologie) hat sich das sog. DHS-System neben der Klassifizierung in die fünf großen Pilzklassen etabliert (vgl. 6.3).

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Abb. 2.1: Ordnung der Pilze nach Strasburger.[10]

Bei den Deuteromyceten (Fungi imperfecti) handelt es sich um eine künstliche Sammelgruppe von Pilzen, deren geschlechtliche Fortpflanzungsform unbekannt ist. Ihre genaue systematische Einordnung ist daher vorläufig nicht möglich. Viele Deuteromyceten dürften zur Gruppe der Ascomyceten gehören. In Teil A dieser Arbeit werden Naturstoffe aus Myxomyceten behandelt. Anschließend folgen Untersuchungen zu lipophilen Hefen aus der Klasse der Basidiomyceten (Teil B).

2.3 Myxomyceten (echte Schleimpilze)

Im Unterschied zu den übrigen Pilzen beobachtet man bei den Schleimpilzen eine räumliche Fortbewegung im Verlauf ihres Entwicklungskreislaufs (Abb. 2.2). Die vegetative Form stellt das Plasmodium dar, das eine Ausdehnung von mehreren Quadratdezimetern erreichen kann. Bei den echten Schleimpilzen besteht das Plasmodium aus einer undifferenzierten Plasmamasse mit einer Vielzahl von diploiden Zellkernen (Fusionsplasmodium). Im Unterschied dazu verei- nigen sich bei den zellulären Schleimpilzen (Acrasiomyceten) einzelne Amöben zu einem Aggregationsplasmodium ohne zu verschmelzen. Möglicherweise wird die einheitliche Bewegung der vielen (und nur lose miteinander verbundenen) Einzelamöben durch die Ausschüttung von cAMP durch die Amöben koordiniert.[12] Zur Nahrungsaufnahme bewegt sich das Plasmodium kriechend über das feuchte Substrat (moderndes Holz, Laubstreu, Moospolster usw.), nimmt feste Nahrungspartikel auf (sog. Phagozytose) und verdaut diese in den Vakuolen (zum Mechanismus der Bewegung vgl. Lit.[16]).

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Abb. 2.2: Entwicklungskreislauf der Myxomyceten nach Lüttge.[12]

Am Beginn des Entwicklungskreislaufs verdichtet sich durch bislang unbekannte Faktoren das Plasmodium auf der Oberfläche des Substrats zu den sog. Sporangien. Diese Fruchtkörper sind mitunter auffällig gelb oder rot gefärbt. Durch Reifung (R) entstehen im Innern der Sporangien die Haplosporen mit einem haploiden Chromosomensatz, der durch Reduktionsteilung aus den diploiden Kernen hervorgegangen ist. Nach Ausstoß der Haplosporen und ihrer Verteilung durch Wind und Regen, keimen diese im Wasser zu begeißelten amöboiden Myxoflagellaten, die nach kurzer Zeit ihre Geißel abwerfen und zu Myxamöben werden. Die eigentliche Paarung erfolgt durch die Vereinigung zweier Myxamöben, wobei zunächst deren Cytoplasma ver- schmilzt. Aus der so entstandenen dikaryotischen (d.h. zweikernigen) Amöbe entsteht an- schließend die monokaryotische, diploide Amöbe durch Verschmelzen der beiden Zellkerne. Durch fortlaufende Teilung der Kerne und Heranwachsen des Cytoplasmas bildet sich wieder das Plasmodium.[12] Unter optimalen (d.h. feuchten) Umweltbedingungen kann dieser Zyklus innerhalb weniger Stunden durchlaufen werden.

Von besonderem Interesse für die folgenden Untersuchungen sind die Fruchtkörper der Schleimpilze, die man nach ihrem Aussehen in vier Gruppen einteilt.[17] Die beiden folgenden Beispiele gehören zur Gruppe der Sporocarpien. In Abb. 2.3 und 2.4 sind die Sporangien von Arcyria denudata (der häufigsten Art der Gattung) und der in Deutschland eher seltenen Art Arcyria stipata dargestellt.

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Abb. 2.3: Fotografie der Sporangien von A. denudata (L.) Wettst.

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Abb. 2.4: Fotografie der Sporangien von

A. stipata (Schw.) A. Lister.

Im Vergleich zu den Fruchtkörpern anderer (Speise-) Pilze sind die abgebildeten Organismen mit einer Länge von 1-3 mm und einem Durchmesser von max 1.2 mm geradezu winzig. Die in den Sporangien enthaltenen Sporen können bei einem Durchmesser von 6-8 mm mit bloßem

Auge nicht mehr erkannt werden. Während die Plasmodien beider Schleimpilze meist farblos oder allenfalls gelblich erscheinen (A. stipata), bestechen die Fruchtkörper durch ihre leuchtend rote Farbe. Als Pigmente der Myxomyceten wurde die Substanzklasse der Bisindolylmalein- imide identifiziert, über deren Totalsynthese in der vorliegenden Arbeit berichtet wird.

Teil A: Naturstoffe aus Myxomyceten

3 Bisindolylmaleinimide - Inhaltsstoffe aus Schleimpilzen

3.1 Allgemeine Übersicht

Die Erforschung des Sekundärstoffwechsels der Schleimpilze (allg. Lit.[18-20]) begann Anfang der 80er Jahre mit der Charakterisierung der roten Arcyriarubine und der gelben Arcyriaflavine aus Organismen der Gattung Arcyria durch Steglich et al. [21-23] Die hydroxylierten Verbindungen bilden hierbei die Hauptpigmente (Abb. 3.1). Aufgrund der geringen Größe der Arcyria -Fruchtkörper erfolgte die Strukturaufklärung der ersten Arcyriarubine aus 2 Gramm (!) Biomasse. Das doppelt hydroxylierte Arcyriaflavin D und B1 wurden von Casser[17] bzw. Schmidt[22] aus Dictydiaethalium plumbeum isoliert.

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Abb. 3.1: Verschiedene Arcyriarubine und Arcyriaflavine.

Bei der 2,2'-Verknüpfung von Arcyriarubin zum Arcyriaflavin beobachtet man eine hypso- chrome Verschiebung der Lichtabsorption nach gelb. Im Gegensatz dazu tritt bei einer 2,4'- Verknüpfung der Indolsysteme ein bathochromer Shift auf. Der entsprechende Naturstoff ist das blaugrüne Arcyriacyanin 9, das aus Arcyria obvelata isoliert wurde (Abb. 3.2).[19]

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Abb. 3.2: Arcyriacyanin und diverse Arcyroxocine (aus A. denudata).

Wird die Konjugation zwischen den beiden Aromaten wie bei den Arcyroxocinen 10 - 13 durch ein Sauerstoffatom unterbrochen, so sind die Verbindungen wieder rot gefärbt. Die lange Zeit unklare Struktur von 1-Hydroxyarcyroxocin A (12) wurde kürzlich von Schmidt[17] zweifels- frei als solche identifiziert.

Eine bathochrome Farbverschiebung gegenüber Arcyriarubin wird auch durch die Anwesenheit von auxochromen Gruppen erreicht. Der Naturstoff Arcyriapurpuron B (14, Abb. 3.3) wurde von Schmidt[17] aus Arcyria denudata isoliert und die Struktur durch Partialsynthese bestätigt (Schema 3.5). Lösungen von 14 erscheinen je nach verwendetem Solvens bräunlich grün (Methanol) oder intensiv purpurrot (Aceton). Die Konfiguration der beiden exocyclischen Doppelbindungen im dunkelgrünen Arcyriaverdin (15 - 16) konnte bislang nicht eindeutig be- stimmt werden.[24] Arcyriaverdin C (16) wurde von Casser[22] aus Dictydiaethalium plumbeum als grünes Hauptpigment isoliert (Abb. 3.3).

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Abb. 3.3: Arcyriapurpuron B (aus A. denudata) und Arcyriaverdin A und C.

Gegenüber den bislang diskutierten Pilzinhaltsstoffen mit modifizierten Indoleinheiten ist das Maleinimid der Naturstoffe Arcyroxindol (17, aus A. denudata) und Dictydiacitrin B1 (18, aus

D. plumbeum) in die Verknüpfung miteinbezogen (Abb. 3.4). Arcyroxindol 17 ist aufgrund der sterischen Hinderung der Wasserstoffatome an C-2 und C-4' helikal chiral und scheint nur in einer optischen Antipode im Pilz vorzukommen. Dictydiacitrin B1 (18) wurde erst kürzlich von Schmidt[17] charakterisiert und leitet sich möglicherweise vom Dihydroarcyriarubin A (19) über eine Vielzahl von Zwischenschritten ab. Neben den hier vollständig konjugierten Heteroaromaten wurden auch die farblosen Dihydrovarianten von Arcyriacyanin, Arcyriarubin B und Arcyroxocin als Inhaltsstoffe von Myxomyceten beschrieben (o. Abb.).[22]

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Abb. 3.4: Bisindolylmaleinimide mit Verknüpfungsstellen am Maleinimid.

Bei den Naturstoffen Lycogalsäure (20), Staurosporinon (21, aus Lycogala epidendrum [25] und Arcyria stipata [17]) und seiner hydroxylierten Variante (22, aus D. plumbeum [17]) handelt es sich um Verbindungen, denen das Arcyriaflavin-Gerüst gemeinsam ist. Die Verbindungen unterscheiden sich aber durch ein unterschiedliches Substitutionsmuster am Maleinimid (Abb. 3.5). Auf die besondere Bedeutung von Staurosporin (dem glykosidierten Staurosporinon, 21) wird in Abschn. 3.4 genauer eingegangen.

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Abb. 3.5: Naturstoffe mit substituierten Maleinimiden.

Vieles deutet darauf hin, daß sich die oben aufgeführten Sekundärmetabolite biosynthetisch von Lycogalsäure (20) ableiten. Die Dicarbonsäure und die Diester wurden bislang aus Myxomyceten der Gattung L. epidendrum isoliert; 20 selbst aber auch aus dem Chromobacterium violaceum (vgl. 4.2). Durch doppelte Decarboxylierung und Oxidation an den beiden vinylischen C-Atomen des Maleinimids wäre eine einfache Umwandlung von 20 in Arcyriaflavin (4) denkbar. Tatsächlich isolierte Schmidt[17] kürzlich die a-Hydroxycarbonsäure 23 aus Arcyria stipata. Ausgehend von diesem wichtigen Intermediat und einigen biomime- tischen Versuchen (vgl. 3.3) schlugen Steglich et al. [19,20] einen Biosynthesezyklus für die Inhaltsstoffe der Schleimpilze vor, der im folgenden Abschnitt vorgestellt wird. Dabei wird exemplarisch auf die nichthydroxylierten Maleinimide eingegangen.

3.2 Biochemische Vernetzung der Bisindolylmaleinimide untereinander

Bei der biochemischen Klassifizierung der Bisindolylmaleinimide kann grob zwischen den Carbacyclen (Arcyriarubin und Arcyriaflavin) in Schema 3.1 und den oxygenierten Vertretern (Arcyroxocin, Arcyroxindol etc.) in Schema 3.2 unterschieden werden. Während die zweite Klasse durch Oxygenierung aus Arcyriarubin (1) hervorgeht, beginnt die Biosynthese der car- bacyclischen Verbindungen mit Tryptophan (24).[19]

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Schema 3.1: Postulierte Biosynthese carbacyclischer Bisindolylmaleinimide.

Nachdem Lycogalsäure (20) aus Tryptophan (24) gebildet wird, kommt es zu einer Oxidation des Fünfrings zur a-Hydroxycarbonsäure 25. Von hier aus ist entweder die Cyclisierung zum Indolo[2,3- a ]carbazol-Gerüst (26) oder die Decarboxylierung und Tautomerisierung zum

Dihydroarcyriarubin (19) möglich. Während die komplexe Umsetzung von 19 zu Dictydiacitrin B1 (18) bislang nur postuliert wurde,[17] genügt zur Oxidation von 19 zu Arcyriarubin (1) bereits Luftsauerstoff. Der Naturstoff Arcyriaflavin (4) kann dann durch oxi- dative 2,2'-Verknüpfung von 1 oder alternativ durch Decarboxylierung von 26 und Oxidation des Hydroxystaurosporinons (22) entstehen. Für die Bildung des Staurosporinons (21) er- scheint eine säurekatalysierte Eliminierung von Wasser und die anschließende Reduktion des Iminiumions plausibel.

Das aus Tryptophan (24) gebildete Arcyriarubin A (1) wird von Steglich als zentrale Ausgangssubstanz für die Biosynthese der oxygenierten Bisindolylmaleinimide angenommen (Schema 3.2). Für die Folgereaktionen zu weiteren Naturstoffen sind vor allem die Oxidationen der 2- und 6-Position am Indolsystem von Bedeutung. Nach Einführung der OH-Gruppe am Benzolring (Arcyriarubin B, 2) kann durch zusätzliche Oxidation der 2-Position Arcyriapurpuron B (14) entstehen. Wird hingegen zuerst die 2-Position von 1 oxygeniert (Bildung von 27), so entstehen die cyclischen Naturstoffe Arcyroxindol (17) oder Arcyroxocin (10) durch einfache Oxidationen. Bei dreifacher Oxidation von 27 bildet sich das acyclische Arcyriaverdin (15). Die Hydroxylierung von 10 liefert 1-Hydroxyarcyroxocin A (12).

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Schema 3.2: Biosynthese oxygenierter Bisindolylmaleinimide aus Schleimpilzen.

3.3 Biomimetische Synthesen von Maleinimiden ausgehend von Lycogalsäure

Die postulierte Startsubstanz für die Biosynthese der Schleimpilzinhaltsstoffe ist die Lycogalsäure (20). Biosynthetisch leitet sich Indolylbrenztraubensäure 28 von der Aminosäure Tryptophan (24) durch Transaminierung ab. Ausgehend von 28 wurde 20 biomimetisch von Terpin[26] durch oxidative Kupplung der Anionen mit Iod und anschließender Amidierung dar- gestellt (Schema 3.3). Zuvor waren nach einer ähnlichen Methode von Hinze[27] nur die ent- sprechenden Ester direkt zugänglich. Die unmittelbare Oxidation von 20 zum Arcyriaflavin (4) gelang Terpin mittels K3Fe(CN)6. Die Annahme von Lycogalsäure (20) als biosynthetischem Vorläufer der Aryria-Inhaltsstoffe wird durch die Oxidation des Phenylanalogons (29) zur a- Hydroxycarbonsäure 30 gestützt. Abgesehen vom Halogen/Wasserstoffaustausch und der Veresterung ist damit eine plausible Erklärung für die in-vivo- Bildung von 25 gefunden (vgl. 2025 in Schema 3.1).[26]

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Schema 3.3: Biomimetische Versuche zur Bildung von Bisindolylmaleinimiden.

Wie für die oxidative Verknüpfung der beiden Indolringe zum zentralen C-Ring (204) wur- den auch biomimetische Reaktionen für die bevorzugte Oxidation in der 2- bzw. 2'-Position ge- funden (Schema 3.4). Die Umsetzung von N -Methylarcyriarubin A oder C (31 bzw. 32) mit 3 eq. Bleitetraacetat ergibt die dunkelgrünen N -Methylarcyriaverdine A bzw. C (33 und 34). Bei der Verwendung dieses Reagenz ist die 2-Position des Heteroaromaten offenbar der bevorzugte Ort für die Oxidation, da unter diesen Bedingungen keine Oxidation des C-Derivats (32) zum chinoiden System eintritt.[23] Möglicherweise kann der Ringschluß zum C-Ring sowohl direkt (204), als auch nach vorheriger Oxygenierung erfolgen. Diesen Zusammenhang zeigte Mayer[24] auf, indem er 35 als Zwischenprodukt der Oxidation mit Bleitetraacetat isolierte. Nach Belichten einer Lösung von 35 in CH2Cl2 wurde das cyclisierte N -Methylarcyriaflavin

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Schema 3.4: Oxidationen in der 2-Position von N -Methylarcyriarubin A und C (31 und 32).

Im Unterschied zur obigen Oxidation unter Erhalt der Hydroxygruppen von 32 gelang Schmidt[17] die Partialsynthese von Arcyriapurpuron B (14) aus synthetischem und natürli- chem Arcyriarubin B (2). Durch Oxidation unter radikalischen Bedingungen mit Fremy's Salz wurde die phenolische OH-Gruppe zum chinoiden System oxidiert (Schema 3.5).

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Schema 3.5: Biomimetische Transformation von Arcyriarubin B (2) zu Arcyriapurpuron B (14).

3.4 Ganz besondere Stoffe: Staurosporin, Rebeccamycin und K-252a

Für die Arcyriarubine 1 - 3 wurde eine mäßige antibiotische Aktivität im Plattendiffusionstest festgestellt.[21] Davis et al. [28] unternahmen systematische Studien zur biologischen Aktivität der Arcyriarubine, ohne jedoch eine signifikante Wirkung festzustellen. Dabei wurden auch synthetische Derivate miteinbezogen.

Während es sich bei den oben beschriebenen Naturstoffen aus Schleimpilzen um vollständig konjugierte Polycyclen handelt, wurden aus anderen Mikroorganismen N -glykosidierte Indolo[2,3- a ]pyrrolo[3,4- c ]carbazole isoliert. Diese zeichnen sich durch eine z.T. erhebliche biologische Aktivität aus. Besonders ausgeprägte Aktivität zeigen Staurosporin (37, isoliert aus Streptomyces staurosporeus)[29,30] und das Rebeccamycin[31] (38, isoliert aus Saccharotrix aerocolonigenes, Abb. 3.6). Während das monoglykosidierte 38 (möglicherweise durch Inter- kalation in die DNA) als Inhibitor der Topoisomerase I wirkt,[32] zeigen Staurosporin und K- 252a (aus Kulturen von Nocardiopis spp.) inhibierende Wirkung vor allem gegenüber Protein- Kinasen (PKA und PKC). Bei 37 handelt es um den ersten entdeckten Naturstoff mit Indolo- carbazol-Teilstruktur. Ferner wurde über seine Wirkung auf Tyrosin-Kinase, Aggregation der Blutplättchen, neuronale Aktivität, Wirksamkeit gegen Tumore,[33] Topoisomerase II[34] und als Immunsuppressivum [35] berichtet. Im Unterschied dazu vermögen Arcyriarubin (B und C, 2 und 3) und Arcyriaflavin B (5) die Protein-Kinase C nur schwach zu inhibieren.[36]

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Abb. 3.6: Indolocarbazole mit Pyranose- und Furanose-Glykonen: Die Naturstoffe Staurosporin (37), Rebeccamycin (38),

K-252a und synthetisches KT5720.

Das Enzym PKC findet sich sowohl in Säugetierzellen als auch in den zellulären Schleimpilzen Dictyostelium discoideum.[37] Protein-Kinasen besitzen im Organismus regulierende Wirkung auf die Signaltransduktion zwischen den Zellen.[38] Als Folge der Wechselwirkung eines Substrats (z.B. eines Wachstumsfaktors aus einer bereits entarteten Zelle) mit bestimmten Rezeptoren, bewirkt PKC die verstärkte Phosphorylierung der Aminosäuren Serin und Threonin in den Proteinen. Diese modifizierten Proteine spielen wiederum eine Rolle bei der Genexpression, Zellwachstum (Wucherung) und Sekretion. Von der medikamentösen Kontrolle der PKC-Aktivität verspricht man sich daher Erfolge bei der Behandlung von Krebs und AIDS (durch Unterbindung der viralen Genexpression).[28]

Seit der Entdeckung von 37 vor über 20 Jahren wurden nur zwei Derivate mit einer stärkeren Wirkung gegen PKC gefunden: 11-Hydroxy- und 3,11-Dihydroxystauroporin.[39] Trotzdem fand sich noch keine Verwendung von 37 als Medikament etwa in der Tumortherapie. Der Grund dafür liegt in der großen, aber unspezifischen Aktivität gegen eine Vielzahl von

Enzymen (Tab. 3.1), einer großen Cytotoxizität und der schlechten Wasserlöslichkeit (problematische Applikation und geringe Bioverfügbarkeit).[33] Es wurden daher große Anstrengungen unternommen, natürliche oder synthetische Derivate mit verbesserten Eigenschaften zu finden.[18] Dabei bewirken geringfügige Variationen der Molekülstruktur oft eine deutliche Veränderung des Wirkungsprofils.[33] Der Austausch des Methylesters am K-252a-Gerüst gegen einen Pentylrest im synthetischen KT5720 bewirkt eine Steigerung der Selektivität gegen PKA.

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Tab. 3.1: IC50-Werte [nM] für die Inhibierung einiger Protein-Kinasen durch Staurosporin, K-252a und KT5720.

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PKA: cAMP-abhängige Protein-Kinase, PKG: cGMP-abhängige Protein-Kinase, PTK: Tyrosin-Kinase, MCLK: Myosin Light Chain Kinase.

Einen ähnlichen Effekt stellten Danishefsky et al. [40] für die vier Stereoisomere von Staurosporin fest: iso -Staurosporin (54, Schema 3.9) zeigt eine 50-fach schwächere in-vitro- Wirkung auf a-PKC als 37. Gleichzeitig ist jedoch auch die Cytotoxizität um bis zu 1700-fach erhöht (Leberzellen HL-60). Einen ähnlichen Effekt beobachteten die Autoren für die beiden Enantiomere von 37 und 54. Daraus folgerten sie, daß die CH2-Gruppe am Maleinimid für die inhibitorische Wirkung essentiell ist und anti zur Methylgruppe im Glykon stehen muß.

3.5 Totalsynthetische Bearbeitung der Materie

3.5.1 Zugänge zu Arcyriarubin und Arcyriaflavin

Aufgrund der besonders starken biologischen Aktivität der glykosidierten Arcyriaflavine ist eine Vielzahl von Synthesen für das Indolo[2,3- a ]pyrrolo[3,4- c ]carbazol-Gerüst entwickelt worden (Übersicht in Lit.[41]). In Abb. 3.7 sind drei wichtige Synthesestrategien zusammengestellt. Aufgrund der großen Flexibilität bei der Variation der Indolhälften hat sich besonders die Oxidationsroute (Weg A) bewährt. Die cyclisierende Oxidation kann mit Pd(OAc)2, PdCl2, hn/O2, DDQ oder CuCl2 erfolgen.

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Abb. 3.7: Verschiedene Synthesestrategien zur Darstellung von Arcyriaflavin.

Die ersten Synthesen der Arcyriarubine 1 - 4 nach Steglich et al. [21] basierten auf der Kupplung von deprotoniertem Indol (39) mit 3,4-Dibrom-1-methylmaleinimid (40)[42] in THF (Schema 3.6). Diese Methode wurde vielfach variiert: EtMgBr als Base,[43] LiHMDS als Base,[41] 3,4- Dichlor-1-methylmaleinimid statt 40. [44]

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Schema 3.6: Allg. Syntheseschema für Arcyriarubine, exemplarisch für Arcyriarubin A (1).

Bemerkenswert ist die direkte Bildung des symmetrischen Naturstoffs 1 bei Verwendung von Toluol anstelle von THF als Solvens. Dabei besteht keine Möglichkeit, bei der Addition des zweiten Indols ein substituiertes Derivat anstelle von 39 zu einzusetzen.[43] Nach thermischem Abspalten der Boc-Gruppe wird der Naturstoff durch alkalische Hydrolyse des Maleinimids und Reamidierung mit NH4OAc erhalten.

Daneben wurden alternative Zugänge zum Arcyriarubin-Grundgerüst entwickelt. Schlüsselschritt der palladiumkatalysierten Methode von Neel et al. [45] ist eine Suzuki-Kupp- lung zwischen N-Tosyl-3-indolylboronsäure (47) und dem Vinyltriflat (46, Schema 3.7).

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Schema 3.7: Arcyriarubin-Synthese nach Neel et al. [45]

Unmittelbar nach der Isolierung der Arcyriarubine (1980) entwickelte Backens[31a] einen Zugang zum Arcyriarubin-Gerüst durch Amidierung und Aldolreaktion von 3-Indolylacetamid mit 3-Indolylglyoxylsäurechlorid (o. Abb.). Kürzlich nutzten Faul et al. [31b] diese Methode zu einer Synthese von Rebeccamycin (38, Schema 3.8). Bei der basischen Kondensation von glykosidiertem 7-Chlor-3-indolylessigsäureamid (49) und 7-Chlor-indolylglyoxylsäure- methylester (50) wurde 52 in 86 % erhalten. Für die abschließende Cyclisierung zum Indolocarbazol (38) erwies sich ausschließlich Pd(OTf)2 als geeignet.

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Schema 3.8: Synthese von Rebeccamycin (38) via Aldolreaktion nach Faul et al. [31]

Aufgrund der starken biologischen Aktivität von Staurosporin ist das Aglykon Staurosporinon (21) Ziel intensiver Synthesebemühungen. Eine Methode zur Darstellung von 21 verläuft über die Reduktion einer der beiden Carbonylkohlenstoffe im Indolo[2,3- a ]pyrrolo[3,4- c ]carbazol. Dieses Verfahren verwendeten auch Danishefsky et al. [40,46] bei der ersten Totalsynthese von Staurosporin (37) und iso -Staurosporin (54). Dabei nahmen die Autoren die regiounspezi- fische Umsetzung mit NaBH4 in Kauf (Schema 3.9). Das Aglykon wurde zuvor durch oxida- tive Verknüpfung der 2-Position aus dem Arcyriarubin-Gerüst aufgebaut.

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Schema 3.9: Abschließende Reduktion des Arcyriaflavin-Gerüsts im Verlauf der Staurosporin-Synthese nach Danishefsky et al. [40,46]

Ein direkter Zugang zum Staurosporinon (21) wurde u.a. von den Arbeitsgruppen um Bergman,[47] Wood[48] und Winterfeldt[49] erarbeitet. Nach erfolgreicher Synthese des doppelt N -geschützten Aglykons demonstrierten Winterfeldt et al. [49] ferner, daß die 13-Position be- vorzugt entschützt werden kann (Schema 3.10). Dies begründen die Autoren mit einer stärkeren Acidität des Indolstickstoffs in der 12-Position, der in Konjugation mit der Carbonylgruppe steht. Diese Methode zur regioselektiven Glykosidierung nutzten auch Lowinger et al. [50] bei der Synthese von (±)-K-252a (o. Abb.).

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Schema 3.10: Synthese von orthogonal geschütztem Staurosporinon 59 nach Winterfeldt et al. [49] a) NaHMDS, SEMCl, 0 °C. Der Baustein 55 ist aus Indolyl-3- essigsäure und a-Oxotryptamin-hydrobromid (62) zugänglich (vgl. Schema 3.11).

Allerdings wurde bei keiner Hydrolysemethode eine vollständige Selektivität erreicht. Daher verwendeten Winterfeldt et al. [49] in einer weiteren Synthese bereits als Startmaterialien zwei orthogonal geschützte Indolbausteine (Schema 3.11).

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Schema 3.11: Synthese von geschütztem Staurosporinon 67 nach Winterfeldt et al. [49]

a) KHMDS, BOMCl; b) DMF, Molekularsieb 3 Å, Ethanolamin, TBAF, D.

Durch die geschützte 12-Position konnte der verbleibende Indolstickstoff selektiv glykosidiert werden. Allerdings gelang es den Autoren nicht, den BOM-Rest vollständig zu entfernen.

3.5.2 Totalsynthese von Arcyroxocin A und

N -Methylarcyriacyanin

Im Unterschied zu den Arcyriaflavinen und Staurosporinonen sind die beiden Indolsysteme in den Naturstoffen Arcyroxocin A (10) und Arcyriacyanin (9) über die 2- und die 4'-Position verknüpft (vgl. Abb. 3.2). Unter Verwendung des gemeinsamen Bausteins 70 gelang Mayer[24,51] die Totalsynthese von 10 und N -Methylarcyriacyanin (74, Schema 3.12), nach- dem Arcyriacyanin selbst zuvor auf anderem Wege von Brenner[52,95] dargestellt worden war (o. Abb.).

Analog der bekannten Kupplung von Indolylgrignard-Verbindungen an Halogenmaleinimide wurde zunächst 69 aus dem Boc-geschützten Baustein 42 (vgl. Schema 3.6) und THP- geschütztem 4-Hydroxyindol (68) hergestellt. Nach säurekatalysiertem Abspalten der THP- Schutzgruppe eröffneten sich die beiden Wege A und B aus der zentralen Relaisverbindung 70. Im ersten Fall ist N -Methylarcyriacyanin (74) durch eine Heck-Reaktion aus dem Triflat 73 zugänglich. Im Verlauf der Reaktion wird gleichzeitig die Boc-Schutzgruppe abgespalten. Im zweiten Fall (Weg B) kann der zentrale 8-Ring direkt durch oxidierende Cyclisierung geschlos- sen werden. Der Naturstoff Arcyroxocin A (10) wird durch die bekannte Sequenz aus

Hydrolyse und Reamidierung des Maleinimids gewonnen (vgl. Schema 3.6). Dabei bewährte sich anstelle von NH4OAc sich auch HN(Si(CH3)3)2 anstelle von bewährt hat.

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Schema 3.12: Totalsynthese von Arcyroxocin A (10) und N -Methylarcyriacyanin (74) nach Mayer.[24,51]

Die Ausbeute der cyclisierenden Oxidation von 70 zum Oxocin 71 erwies sich als abhängig von der Menge an eingesetzter Säure (PPTS), worauf in Abschn. 5.2.1 näher eingegangen wird.

4 Naturstoffe mit Bisindolylstruktur ohne Maleinimid

4.1 Indolocarbazole - Herkunft und Nachweis im Organismus

Das gemeinsame Grundgerüst vieler Bisindolylmaleinimide (wie Staurosporin, Tjipanazol J oder Arcyriaflavin) ist das Indolo[2,3- a ]carbazol (75, Abb. 4.1). Doch gerade das Maleinimid macht die z.T. enorme physiologische Aktivität dieser Naturstoffe aus. Dies wurde am Beispiel des einfach chlorierten Tjipanazol I (77, aus der Blaualge Tolypothrix tjipanasensis) demon- striert, das kaum inhibierende Wirkung auf Protein-Kinase-Enzyme zeigt und nur schwach cytotoxisch wirkt.[53] Auch die bloße Anwesenheit eines Säureamids (76) am C-Ring von 75 genügt nicht zur Inhibierung von PKC oder PKA.[54] Das einfach N -glykosidierte Indolo[2,3- a ]carbazol (Tjipanazol G-2, o. Abb.) besitzt antifungische Wirksamkeit.[55]

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Abb. 4.1: Verschiedene Indolocarbazole.

Wie für das unsubstituierte Indolo[2,3- a ]carbazol (75) wurden für Indolo[3,2- a ]carbazol (78) bislang keine außergewöhnlichen physiologischen Wirkungen beschrieben. Allerdings haben sich einige Derivate seines Aza-Analogons (79) als potente Liganden des Benzodiazepam- Rezeptors erwiesen.[56]

Als letzter Vertreter der hier vorgestellten Indolocarbazole besitzt das Indolo[3,2- b ]carbazol (80), auch ohne weitere Substituenten, interessante Eigenschaften, die es zum Objekt physio- logischer und materialwissenschaftlicher Forschung (Stichwort: leitfähige Polymere[57,58]) gemacht haben. Als biogenetischer Vorläufer von 80 kommt Indol-3-carbinol (82) in einer Reihe von Kohlpflanzen in Konzentrationen von bis zu 470 mg/kg (Rosenkohl) vor. Dabei entsteht 82 als Autolyseprodukt des Glucobrassicins (81, Schema 4.1). Bjeldanes et al. [60,61] erhielten Indolo[3,2- b ]carbazol (80) neben anderen linearen Kondensationsprodukten (wie 3,3'-Methylenbisindol (83)[59]) als in-vitro -Produkt bei der säurekatalysierten Umsetzung von 82. Darüber hinaus gelang ihnen der Nachweis von 80 in Leber und Magen von Versuchs- tieren sowie Exkrementen von Versuchspersonen, die zuvor eine spezielle Indol-3-carbinol- haltige Diät erhalten hatten.

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Schema 4.1: Bildung von Indolo[3,2- b ]carbazol (80) aus Indol-3-carbinol (82).[60]

Synthetisch kann 80 leicht in 80 % Ausbeute, ausgehend von 3,3'-Methylenbisindol[62,63]

(83) mit Orthoameisensäureethylester, dargestellt werden[64] (Schema 4.2). Bei 83 handelt es sich auch um einen Naturstoff, der von Khuzbaev et al. [76] aus den Wurzeln des Schilfgrases Arundo donax isoliert und Arundin genannt wurde. Im Verlauf der Reaktion erfolgt eine 1,2- Verschiebung eines Indolrests. Nach der Abspaltung von Acetaldehyd wird das zunächst gebil- dete 1,4-Cyclohexadien nicht isoliert, sondern sofort durch Luftsauerstoff zu 80 oxidiert.

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Schema 4.2: Darstellung von Indolo[3,2- b ]carbazol (80) aus 3,3'-Methylenbisindol (83).

Alternativ ist 80 auch durch doppelte Suzuki-Kupplung[57] von Phenylboronsäure mit 1,4- Dibrom-2,5-dinitrobenzol und anschließender Cyclisierung mit P(OEt)3 zugänglich (o. Abb.).

4.1.1 Funktion des Aryl-Kohlenwasserstoff-Rezeptors

Der Aryl-Kohlenwasserstoff-Rezeptor (engl.: aryl hydrocarbon receptor, AHR) gehört zu den biologischen Systemen, deren Aufgabe im tierischen Organismus noch nicht vollständig geklärt ist. Es handelt sich dabei um ein ca. 100 kDa schweres Protein mit einer Helix-Loop-Helix- Struktur, das vornehmlich in Leberzellen vorkommt. Möglicherweise ist dieser Rezeptor im Rahmen eines Entgiftungsmechanismus gegen körperfremde Substanzen (xenobiotische Ver- bindungen) an der Bereitstellung größerer Mengen von Oxidationsenzymen wie Cytochrom P450 beteiligt.[65] So verläuft z.B. der Mechanismus der Entgiftung von polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen über deren Hydroxylierung, wodurch ihre Wasserlöslich- keit erhöht und damit die Ausscheidung erleichtert wird.[66] Offensichtlich sind chlorierte Aryl- Kohlenwasserstoffe wie das starke Umweltgift 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo- p -dioxin (TCDD, Abb. 4.3) für Oxidationsenzyme besonders schwer zugänglich, wodurch sich ihre lange Ver- weilzeit im Körper erklärt. Neben seinen zahlreichen nachteiligen Wirkungen, wie Kanzero- genität, Fruchtschädigung, Immunsuppression und Störung der inneren Sekretion,[65,67-70] wird TCDD vom Aryl-Kohlenwasserstoff-Rezeptor besonders stark gebunden. Daher dient TCDD häufig als Referenzverbindung zur Beurteilung der Affinität eines neuen Agonisten an den AHR. Eine Übersicht des Wirkmechanismus ist in Abb. 4.2 dargestellt.

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Abb. 4.2: Wirkmechanismus von Agonisten am AHR in der Zelle. Abkürzungen und Beschreibung der Reaktionsschritte siehe Text.

In seiner inaktiven Form ist der AHR im Cytoplasma tierischer Zellen zunächst an das Peptid hsp90 gekoppelt (untersucht wurden vor allem Leberzellen von Ratten). Bindet nun ein Agonist an den AHR (1), so dissoziiert hsp90 ab (2), und der neu entstandene AHR-Agonist-Komplex bindet an den "Aryl hydrocarbon Receptor Nuclear Translocator" (ARNT) auf der Oberfläche des Zellkerns (3). Nachdem der neu entstandene AHR-ARNT-Komplex ins Innere des Zellkerns diffundiert ist (4), bindet er sich spezifisch an das "xenobiotic-responsive element" (XRE) bestimmter Gene (5, Details siehe Lit.[71,72]). Durch vermehrte Translation kommt es nun zur verstärkten Bildung von Cytochrom P450 A1 (CYPA1), P450 A2 (CYPA2) und ande- ren Redoxenzymen.[73]

Die Affinität eines AHR-Agonisten kann u.a. indirekt durch die Aktivität des CYPA1- abhängigen Enzyms 7-Ethoxyresorufin O -Dealkylase (EROD) bestimmt werden.[74] Die Zunahme der Lichtemission von Resorufin bei 586 nm (lmax = 510 nm) dient im in-vivo- Testsystem als physikalische Meßgröße für die Reaktionsgeschwindigkeit v. Eine halb- logarithmische Auftragung von v bei verschiedenen Konzentrationen c(Agonist) ergibt einen sigmoiden Verlauf, dessen Wendepunkt die Konzentration für die Hälfte des maximalen Effekts

(EC50) darstellt. TCDD besitzt mit 36 pM einen besonders kleinen Wert, was demnach für hohe EROD-Aktivität steht und eine große Affinität zum AHR bedeutet (vgl. Tab. 4.1).[60]

4.1.2 Interaktion von Indolocarbazolen und anderen Substraten mit dem AHR

Nach Cambillau et al. [75] muß ein effektiver AHR-Agonist bestimmten räumlichen Anfor- derungen genügen. Unter Berücksichtigung der van-der-Waals Radien sollte das Molekül in ein imaginäres Rechteck von 6.8 ´ 13.7 Å passen und aus einem ebenen System anellierter Ringe bestehen. So zeigten Indolo[2,3- a ]carbazol (75), Indol-3-carbinol (82), 3,3'-Methylenbisindol (83) und 2,3'-Methylenbisindol (91, Schema 4.3) in Radioligandstudien keine Affinität zum AHR.[75]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4.3: Verschiedene AHR-Agonisten.

Die Wirkungsstärken verschiedener AHR-Agonisten sind in Tab. 4.1 dargestellt. Bemerkenswert sind die Aktivitäten von 84 [77] und 85,[73] deren Abmessungen über das postulierte Idealmaß von 6.8 ´ 13.7 Å hinausgehen. TCDD und 8 0 füllen dieses Fenster hin- gegen optimal aus. Offenbar haben die Carbonylgruppen einen wirkungssteigernden Effekt, was beim Vergleich von 80 mit 84 besonders deutlich wird.

Tab. 4.1: Wirkungsstärke der AHR-Agonisten aus Abb. 4.4. Agonist EC50 (M), EROD

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6-Formylindolo[3,2- b ]carbazol (84) als stärkster bekannter AHR-Agonist entsteht in kleinen Mengen durch UV-Bestrahlung (200 nm) von wäßriger Tryptophan-Lösung.[78] Bergman etal. [78] beschrieben 1998 auch die Totalsynthese von 84, in deren Verlauf ein neuartiger Zugang für 2,3'-Methylenbisindol (91) über ortho -lithiiertes Indol gefunden wurde (Schema 4.3). Die negative Ladung am Heterocyclus wird dabei durch die intermediäre Carboxylschutzgruppe in der 2-Position lokalisiert. Nach Kupplung mit Tos-geschütztem Indol-3-carbaldehyd (87) wird der verbrückte Alkohol 88 in 30 % Ausbeute erhalten. Die Hydroxyfunktion von 88 wird dann durch Oxidation mit DDQ und anschließender Reduktion in die Methylengruppe überführt (frühere Synthesen von 91 siehe Lit.[79]). Nach Einführung der Seitenkette in der 3-Position von 91 mit Dichloressigsäurechlorid wird das Indolocarbazol unter sauren Bedingungen cycli- siert. Gleichzeitig erfolgt die Hydrolyse der exocyclischen CHCl2-Gruppe zu 84.

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Schema 4.3: Synthese von 6-Formylindolo[3,2- b ]carbazol (84) nach Bergman et al. [78]

Die verschiedenen Derivate der Tryptanthrine (85) können durch Verfütterung von Anthranilsäure und 5-Methyl- oder 5-Bromtryptophan an Hefepilze wie Candida lipolytica ge- wonnen werden.[73] Allerdings wirkt 8-Bromtryptanthrin (anders als das Methylderivat) auch stark cytotoxisch.

4.2 Allgemeines zu Violacein und Desoxyviolacein

Die Naturstoffe Violacein (94) und Desoxyviolacein (95) sind die Pigmente aus den Bakterien Chromobacterium violaceum [80] und Alteromonas luteoviolacea.[81] In wesentlich geringeren Mengen wurden außerdem die isomeren Proviolacein (92) und Pseudoviolacein (96) mit ihren Desoxyderivaten gefunden (Abb. 4.4). Ähnlich den Farbstoffen der Arcyria-Schleimpilze bildet die Desoxyverbindung 95 das Nebenpigment, während Violacein die Hauptkomponente dar- stellt (vgl. 3.1). Beide Verbindungen besitzen eine tiefblaue Farbe. Ein reiner Polyenchromo- phor zur Absorption der Komplementärfarbe (Gelb) würde eine vergleichsweise große Aus- dehnung benötigen (ca. 580 nm).[82] Das Gerüst des Chromophors kann durch die Anwesen- heit geeigneter chromophorer Gruppen erheblich verkleinert werden. Wie beim Indigo wird dies bei 94 und 95 durch ein doppelt gekreuzt konjugiertes System erreicht, in dem jede Hälfte capto-dativ substituiert ist (C=O als Elektronenakzeptor (capto) und N-H als vinyloger Elektro- nendonator).[83]

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Abb. 4.4: Proviolacein (92), Violacein (94) und Pseudoviolacein (96) mit Desoxyderivaten.

Die Biosynthese von 94 und 95 wurde von Hoshino et al. [84] aufgeklärt. Die Verfütterung von 2-[13C]-markiertem Tryptophan (98) an Chromobacterium violaceum bewies, daß das Violacein-Grundgerüst aus Tryptophan aufgebaut wird[85] (Schema 4.4). Im Verlauf der Biosynthese tritt eine 1,2-Wanderung des Indolrests auf, der später die phenolische OH- Gruppe trägt. Für die Anlage der OH-Gruppe wird eine vorübergehende Epoxidierung ange- nommen (der Nachweis gelang ebenfalls durch Einbau von 18O2). Im Jahr 1995 wurde Proviolacein (92) als Zwischenstufe isoliert.[84] Je nachdem, an welchem der beiden Indolringe die Oxidation (in-vitro- Nachweis mit 18O2) zum Indoxyl abläuft, gelangt der Organismus ent- weder zum Violacein (Weg A) oder zum Pseudoviolacein (Weg B).

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Schema 4.4: Biosynthese von Violacein und Pseudoviolacein nach T. Hoshino et al. [85]

Für Violacein wurde eine schwache antibiotische Wirkung[86-88] gegen grampositive und gramnegative Bakterien und eine starke Cytotoxizität bei Tumorzellen der Linien L929, M5076 und HeLa gefunden.[89] Die Struktur von 94 und 95 wurde von Ballantine et al. [80] beschrie- ben. Dieselbe Arbeitsgruppe[90] stellte 1960 auch die bislang einzige Synthese beider Verbindungen vor (Schema 4.5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 4.5: Synthese von Desoxyviolacein und Violacein nach Ballantine et al. [90]

Ausgehend vom 5-Methoxyindol (98) verläuft die Synthese von Violacein (94) über sechs

Stufen mit einer Gesamtausbeute von 2 %. Der zentrale Fünfring wird durch die Addition von offenkettigem b-Methoxycarbonylpropionylchlorid[91,92] (100) und anschließende Dehydrati- sierung mittels Acetylchlorid angelegt.[93] Die Verknüpfung mit der Indoxyleinheit von 94 ge- lingt durch eine Aldolreaktion mit Isatin (105).[93] Die Überführung des Lactonsauerstoffs (106) in das entsprechende Lactam (108) mit NH3 liefert das gewünschte Amid allerdings nur in 15 % Ausbeute.[90] Abschließende Umsetzung mit HBr ergibt 94 durch Spaltung der N -Acetyl-Gruppe und des Methoxyethers. Auf der gleichen Syntheseroute gelangt man vom Indol (39) mit 3 % Gesamtausbeute in fünf Stufen zum Desoxyviolacein (95).

Die Bestimmung der Olefingeometrie an der exocyclischen Doppelbindung in 94 gelang Laatsch et al. [81] durch Röntgenstrukturanalyse des Tetramethylderivats. Ebenfalls wurden die 1H-NMR-Spektren aufgenommen, die bis dahin nicht zur Verfügung standen.

5 Untersuchungen zu Bisindolylmaleinimiden aus Schleimpilzen

5.1 Themenstellung

Gegenstand der folgenden Untersuchungen zu den Bisindolylmaleinimiden aus Myxomyceten ist die Totalsynthese der Naturstoffe Arcyroxocin B, Arcyroxindol und Staurosporinon. Arcyroxocin B sollte aufgrund der OH-Gruppe besser wasserlöslich sein als das A-Derivat (10) und damit für mögliche physiologische Effekte besser bioverfügbar sein. Der Reiz einer Synthese von Arcyroxindol liegt in seiner ungewöhnlichen helikalen Struktur und der endgültigen Struktursicherung durch Vergleich mit den spektroskopischen Daten des natürli- chen Materials. Für Staurosporinon soll ein einfacher synthetischer Zugang unter Verwendung orthogonaler Schutzgruppen erarbeitet werden.

5.2 Bearbeitete Strukturen

5.2.1 Synthesen zu Arcyroxocin A und B

Die Totalsynthese von Arcyroxocin A durch Mayer[24] wurde bereits in Abschnitt 4.3 beschrie- ben. In Anlehnung an diese Synthese sollte auch Arcyroxocin B durch Verwendung eines ge- schützten 6-Hydroxyindols (112) anstelle von Indol (39) zugänglich sein. Die Synthese von 112 und der Schutz der OH-Gruppe mit CH3I bei tiefer Temperatur sind literaturbeschrie- ben[94] (vgl. Schema 5.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schema 5.1: Darstellung von 6-Hydroxyindol nach Nakatsuka et al. [94]

[...]

Ende der Leseprobe aus 167 Seiten

Details

Titel
Synthese und Strukturaufklärung von Sekundärmetaboliten aus Schleimpilzen und lipophilen Hefen
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Department für Chemie und Pharmazie)
Note
1.0
Autor
Jahr
1999
Seiten
167
Katalognummer
V320
ISBN (eBook)
9783638102315
Dateigröße
5195 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Schleimpilze, Maleimidindolylalkaloide, Malassezia furfur, Pityriasis versicolor, Hautpilz, Hefen, Malassezin
Arbeit zitieren
Gregor Wille, Dr. (Autor:in), 1999, Synthese und Strukturaufklärung von Sekundärmetaboliten aus Schleimpilzen und lipophilen Hefen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320

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