Konzeption eines Stressmanagementprogramms im betrieblichen Kontext


Masterarbeit, 2015

71 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

2 ZIELSETZUNG

3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Definition „Stress“
3.2 Stressmodelle
3.2.1 Lazarus
3.2.2 Salutogenetischer Ansatz
3.2.3 Das Flow-Konzept
3.3 Belastung vs. Beanspruchung
3.3.1 Belastung
3.3.2 Beanspruchung
3.4 Stress am Arbeitsplatz
3.5 Möglichkeiten zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz
3.5.1 Ursprung Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.5.2 BGM heute
3.5.3 Multimodales Stressmanagementprogramm „Gelassen bei der Arbeit“
3.5.4 Einzelverfahren Progressive-Muskelrelaxation (PMR)
3.6 Methoden zur Stresserfassung
3.6.1 Stressverarbeitungsfragebogen SVF
3.6.2 Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster AVEM

4 METHODIK
4.1 Forschungsfrage/ Untersuchungshypothesen
4.2 Untersuchungseinheit
4.2.1 Zusammensetzung
4.3 Ablaufplan/ Untersuchungsplan
4.4 Untersuchungsdesign
4.5 Erhebungsinstrument Stressbelastung
4.5.1 Testgütekriterien
4.6 Erhebungsinstrument Bedarf

5 ERGEBNISSE T1 (T UND K) UND BEDARFSANALYSE MIT DER TESTGRUPPE T
5.1 Ergebnisse t1
5.1.1 Interpretation t1
5.2 Ergebnisse Bedarfsanalyse
5.2.1 Interpretation Bedarfsanalyse
5.3 Erstellung der Interventionsmaßnahme Testgruppe T
5.4 Kurzbeschreibung der einzelnen Methoden
5.4.1 Autogenes Training
5.4.2 Progressive Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobsen
5.4.3 Feldenkrais
5.4.4 five© - Beweglichkeitskurs
5.5 Intervention Kontrollgruppe

6 ERGEBNISSE
6.1 Ergebnisse Bereich „Stressbelastung“
6.2 Ergebnisse Bereich „körperliche und psychische Stresssymptome“
6.3 Ergebnisse Bereich „Umgang mit Stress“
6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Prä-Post-Messung
6.4.1 Tabellarische Darstellung der Ergebnisse
6.4.2 Deutung der Ergebnisse

7 DISKUSSION
7.1 Methodendiskussion
7.1.1 Recherche für aktuellen Wissensstand
7.1.2 Untersuchungseinheit und Untersuchungsmethode
7.1.3 Auswertung
7.2 Ergebnisdiskussion

8 ZUSAMMENFASSUNG

9 LITERATURVERZEICHNIS
9.1 Bücher
9.2 Internetquellen
9.3 Sonstige Quellen

10 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
10.1 Abbildungsverzeichnis
10.2 Tabellenverzeichnis
10.3 Abkürzungsverzeichnis

ANHANG

Anhang: Bedarfsanalyse Testgruppe T

1 Einleitung und Problemstellung

„Das Leben ist kurz, weniger wegen der kurzen Zeit, die es dauert, sondern weil uns von dieser kurzen Zeit fast keine bleibt, es zu genießen.“ (Jean-Jacques Rousseau).

Eine immer wichtigere Rolle in der psychologischen Stressforschung spielen Belastungen, die im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit stehen. Stress ist zu einem der größten Gesundheitsrisiken in der modernen Arbeitswelt geworden. Als berufliche Stressoren gelten Überforderung, widersprüchliche Arbeitsanweisungen, Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten etc. Viele Beschäftigte haben inzwischen Schwierigkeiten, sich nach Dienstschluss zu regenerieren, zu entspannen und somit neue Energien zu schöpfen. Erschwerend kommt hinzu, dass es heute zum „guten Ton“ gehört, gestresst zu sein und sich darüber zu unterhalten. „Angesehen ist, wer viel Aufwand betreibt und viel Stress hat. Ob dabei auch ein Ergebnis entsteht und dieses Ergebnis brauchbar ist, das ist für die tägliche Selbstdarstellung erst einmal zweitrangig. Der Gedanke, ein gutes Ergebnis könne auch in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand zustande kommen, ist unserer Arbeitswelt immer noch sehr fremd.“ (Kitz, 2012, S. 84-85)

Um, gerade dem im beruflichen Alltag entstehenden Stress, Paroli zu bieten sind in den vergangenen Jahren immer mehr Stressmanagementprogramme, teils im Rahmen von BGM (Betrieblichem Gesundheitsmanagement), teils losgelöst davon, entstanden, durchgeführt und evaluiert worden. Der Gedanke dahinter ist allerdings nicht neu. Bereits 1986 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der „Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung“ ein Dokument veröffentlicht, das ein inhaltliches und methodisches Integrationsmodell anbietet, um unterschiedliche Strategien der Gesundheitsaufklärung, -erziehung, -bildung, -beratung und -selbsthilfe sowie der Präventivmedizin anzuwenden und weiter zu entwickeln. Der Kerngedanke gilt der Verwirklichung des größtmöglichen Gesundheitspotenzials in der Gesellschaft (vgl. Wallmann, 2012). Die Charta gilt mitunter als Wendepunkt vom Gedanken an Verhütung von Krankheit hin zur Förderung von Gesundheit.

2 Zielsetzung

Ziel dieser Arbeit ist es, die Stressbelastung in einem Unternehmen der Dienstleistungsbranche zu ermitteln. Aufbauend auf dem so eruierten IST-Zustand und einer konkreten Bedarfsanalyse wird dann ein geeignetes Stressmanagementprogramm für den betrieblichen Kontext konzipiert und dessen Wirkung evaluiert und mit bereits bestehenden Standard-Methoden bzw. Einzelverfahren (z.B. PMR, Autogenes Training etc.) verglichen. Anhand dieses Vergleichs sollen dann erste Rückschlüsse gezogen werden können, ob bereits bestehende, einzelne Methoden gleiche, bessere oder schlechtere Effekte/ Wirksamkeit erzeugen als ein speziell auf den Bedarf konzipiertes, maximal individuelles Programm.

Diesbezüglich stellen sich demnach folgende Fragen:

- Weißt eine einzeln eingesetzte Stressmanagementmethode, ohne vorangehende Bedarfsanalyse, die gleiche oder eine signifikant bessere Wirksamkeit in Bezug auf die Reduzierung von Stress in einem Unternehmen auf, wie ein bedarfsorientiertes, maximal individuelles Konzept?
- Kann durch vorangehende Bedarfsanalysen/ Kurzanalysen ein Konzept zur Stressreduzierung in einem Unternehmen erstellt werden, dass eine signifikant höhere Wirksamkeit erzielt als standardisierte Einzelmethoden?
- In welcher Beziehung stehen eine vorangehende Bedarfsanalyse und der aus dem Konzept entstehende Erfolg?

Der Rahmen dieser Arbeit und ihrer Ergebnisse soll lediglich in eine Richtung weisen, keinesfalls aber Anspruch darauf erheben, pauschale Aussagen über die höhere oder geringere Wirksamkeit von bedarfsangepassten Stressmanagementkonzepten treffen zu können. Dies müsste im Anschluss mit wesentlich weitergreifenden und größer angelegten Studien evaluiert und geprüft werden.

3 Gegenwärtiger Kenntnisstand

3.1 Definition „Stress“

Um eine ersten Einblick in die Definition des Begriffs „Stress“ und dessen Bedeutung zu bekommen kann man zunächst dessen Etymologie betrachten.

Laut dem Etymologischen Wörterbuch der Internetdatenbank „Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache“ (DWDS; www.dwds.de), einem Projekt der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) lässt sich Stress wie folgt definieren:

„Streß m. ‘(gesundheitsschädigende) Überbeanspruchung des menschlichen Organismus durch große physische und psychische Belastungen’, Übernahme (50er Jahre 20. Jh.) von gleichbed. amerik.-engl. stress, das zuerst 1936 von dem kanadischen Physiologen H. Selye als medizinischer Terminus im oben angegebenen Sinne verwendet wird. Engl. stress ‘Nachdruck, Gewicht, Beanspruchung, Belastung, Spannung’ geht entweder als Kürzung von engl. distress ‘Qual, Schmerz, Kummer, Not, Erschöpfung’ auf afrz. destrece ‘Bedrängnis, Angst, Not’ (vlat. *districtia ‘Enge’, abgeleitet von lat. districtus, Part. Perf. zu lat. distringere ‘auseinanderziehen, -dehnen, von allen Seiten zusammenschnüren, einengen’) oder auf afrz. estrece ‘Enge, Druck, Bedrückung’ (zu afrz. estrecier ‘enger machen, zusammenziehen’, dieses aus gleichbed. vlat. *strictiāre, abgeleitet von lat. strictus ‘dicht, straff, stramm, eng’, Part.adj. zu lat. stringere ‘schnüren, zusammenbinden, (ab)streifen’) zurück.“ (http://www.dwds.de/?qu=Stress)

Geht man den Begriff aus eher biologischer Perspektive an, landet man als erstes, wie auch schon im Zitat kurz erwähnt, bei der Definition des „Vaters“ der Stressforschung, Hans Selye. Dieser brachte den Begriff „Stress“ bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen seiner Forschung in Umlauf, bezeichnete damit aber zunächst nur eine körperliche Reaktion auf bestimmte (negative) Reize für die er zuvor umständlichere Umschreibungen wie „Allgemeines Krankheitssyndrom“ oder „Allgemeines Adaptationssyndrom“ verwendet hatte. Bei seiner Forschung, die ursprünglich den Zweck verfolgte ein neues Hormon zu entdecken, injizierte er Laborratten einen Extrakt aus Eierstöcken und überprüfte, welche Veränderungen dies bei den Tieren hervorrief. Ergebnis war eine Vergrößerung der Nebennieren, eine Verkleinerung des Thymus und blutende Magengeschwüre. Daraufhin führte er Kontrollexperimente durch, die ihn schnell zu der ernüchternden Erkenntnis kommen ließen, dass, egal welcher Organextrakt den Ratten injiziert wurde, die Reaktion darauf immer die gleiche war: Vergrößerung der Nebennieren, Schrumpfen des Thymus, blutende Magengeschwüre. Trotz der Ernüchterung führte er weiter eine systematische Analyse dieser Begebenheit durch die ergab, dass er es mit einer universellen körperlichen Reaktion auf eine Bedrohung des Organismus zu tun hatte. Im Rückschluss kam er also auf das Ergebnis, dass die „Stress-Reaktion“ ein Schutzmechanismus des Körpers gegenüber Bedrohungen der körperlichen Integrität mit immer derselben, universellen Reaktion sein muss (vgl. Bamberger, 2007).

Die Stressreaktion lässt sich (nach Selye, 1981) immer im gleichen Schema darstellen:

1. Alarmreaktion:

Eine Schockphase des Körpers die zu einer Störung des inneren Gleichgewichts führt. Diese Störung sorgt für das erste Auftreten charakteristischer, stressbedingt auftretender Veränderungen wie z.B. Blutdruckabfall, Unterzuckerung, erhöhte Herzfrequenz. Es folgt die Aktivierung des Sympathikus, was zur Erhöhung der Leistungsbereitschaft führt. Die Catecholamine Adrenalin und Noradrenalin werden ausgeschüttet.

2. Widerstandsphase:

Der Organismus versucht, das verlorene Gleichgewicht durch eine Aktivierung der Energiereserven wieder herzustellen. Adrenalin-, Noradrenalin- und Kortisolausschüttung ist weiterhin erhöht, was zu einem erhöhten Widerstandsniveau gegenüber dem Stressor führt.

3. Erschöpfungsstadium:

Die körpereigenen Energiereserven sind bei anhaltender Einwirkung des Stressors aufgebraucht und die Anpassung (Adaptation) misslingt. Es entsteht ein Erschöpfungszustand aus dem eine erhöhte Infektanfälligkeit, Herz- und Nierenerkrankungen bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen und depressiven Verstimmungen resultieren können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Allgemeines Adaptionssyndrom nach Selye (eigene Darstellung)

Kurzgefasst:

- Stress ist eine Reaktion auf eine Bedrohung und nicht die Bedrohung selbst.
- Stress ist immer von einer messbaren körperlichen Reaktion begleitet (nach Selye, 1981).

Aufbauend auf Selyes Forschung und als Ergebnis tiefergreifender Studien entwickelten sich im Laufe der Zeit verschiedenste Stress-Theorien und Modelle. Einige dieser Modelle sollen nun kurz beschrieben werden, um das Verständnis und die Sensibilität für das Thema Stress im Allgemeinen zu erhöhen.

3.2 Stressmodelle

3.2.1 Lazarus

Das Stresskonzept von Lazarus (1984) beschreibt, im Vergleich zu Selye, die Entstehung von Stress als Ergebnis innerpersönlicher Bewertungsprozesse und schließt kognitive Aspekte in den Stressbegriff mit ein. Es erweitert Selyes Modell um psychologische und psychosoziale Ansätze und weist außerdem auf die Wechselwirkungen zwischen Körper und Psyche (Transaktion und Interaktion) hin. Darunter versteht man, dass, um eine Stressreaktion hervorzurufen, zunächst die Belastung bzw. Beanspruchung von außen individuell als Stressauslöser wahrgenommen und bewertet werden muss. So kann ein und das gleiche Ereignis (z.B. Lärm) für eine Person als Stressauslöser wahrgenommen werden und daher eine Stressreaktion auslösen, für eine andere Person allerdings keinerlei Belastung oder Beanspruchung darstellen und dementsprechend ohne Stressreaktion verbleiben. Wie die Situation im einzelnen Fall bewertet und interpretiert wird hängt hier außerdem von den jeweilig zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Situationsbewältigung ab. Die Bewertung findet hierbei primär (positiv, negativ, herausfordernd, bedeutungslos o.Ä.) und sekundär (Bedingungen, Ressourcen und Fähigkeiten zur Bewältigung = hoch, unter Anstrengung möglich, gering/ nicht vorhanden) statt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Personale Bedingungen für die Bewältigung von Stress nach dem Transaktionsmodell von Lazarus (1966) (eigene Darstellung)

3.2.2 Salutogenetischer Ansatz

Beim Salutogenetischen Ansatz von Aaron Antonovsky, einem israelischen Medizinsoziologen, geht es nicht primär um die Frage, was „krank“ macht sondern um die Mechanismen die zur Gesunderhaltung dienen. So beschäftigt sich Antonovsky mit den generalisierten Widerstandsquellen (generalized resistance resources) gegen Stress bzw. Belastung und mit der Entwicklung des Kohärenzsinnes. Hierunter versteht er die Verbindung aus einem durchgehenden, anhaltenden und dennoch dynamischen Gefühl der Zuversicht,

- was die Strukturierbarkeit, Vorhersehbarkeit und Erklärbarkeit der eigenen inneren und äußeren Umwelt betrifft,
- was die Verfügbarkeit von Ressourcen zur Bewältigung der daraus entstehenden Anforderungen betrifft und,

- dass die Anforderungen als Herausforderungen zu verstehen sind, für die man sich engagieren und einsetzen sollte. (vgl. Antonovsky, 1987, S.19).

Kurz gefasst handelt es sich bei den drei Punkten also um die Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit von Einflüssen, Anforderungen und Herausforderungen.

Ist dieser Kohärenzsinn stark ausgeprägt kann man, laut Antonovsky, sagen, dass eine hohe Flexibilität in der Reaktion auf Anforderungen vorliegt, die angemessenen Ressourcen aktiviert werden können und somit der Einsatz verschiedener Coping Strategien (Verarbeitungsmuster) flexibel möglich ist. Reize, Stressoren und Anforderungen werden demnach von Menschen mit stärker ausgeprägtem Kohärenzsinn als weniger belastend und somit auch weniger stressauslösend empfunden als von Menschen mit eher schwächer ausgeprägtem Kohärenzsinn.

3.2.3 Das Flow-Konzept

Beim Flow-Konzept von Mihály Csikszentmihályi steht der Ausgleich zwischen den Anforderungen und den Fähigkeiten, diese zu bewältigen im Mittelpunkt.

Es werden Möglichkeiten der Anforderung (Überforderung und Unterforderung) betrachtet wobei Überforderungen zur Angst zu Versagen und somit zum „Burnout“ und Unterforderungen im selben Maße zu Langeweile und somit zu „Boreout“ führen.

Sind Über- und Unterforderung im Gleichgewicht, also in einem optimalen Verhältnis zueinander, stellt sich das so genannte Flow-Gefühl ein.

Nach Bernhard und Wermuth (2011) bedarf es noch einiger Voraussetzungen, damit sich ein Flow-Zustand einstellen kann. Es müssen u.a. klare innere Ziele bestehen, Rückmeldungen sichergestellt sein, Konzentration auf die Arbeit gegeben sein, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anforderung und Fähigkeit bestehen, ein Gefühl von Kontrolle über die Aktivität und Mühelosigkeit vorherrschen und eine Verschmelzung von Handlung und Bewusstsein stattfinden (nach Bernhard & Wermuth, 2011).

3.3 Belastung vs. Beanspruchung

Im Hinblick auf die oben kurz beschriebenen Modelle sollte nun noch geklärt werden, was im Allgemeinen unter den Begriffen Belastung und Beanspruchung aus psychologischer Perspektive zu verstehen ist. Hierfür wurden als Referenz die jeweils in einer DIN-Norm festgelegten Beschreibungen herangezogen.

3.3.1 Belastung

„Psychische Belastung: Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“ (DIN EN ISO 10075 - Teil 1, 2001)

Laut dieser, in einer DIN Norm festgehaltenen Definition, ist Belastung alleine noch keine alleinige Ursache für das was man heute unter dem Begriff Stress versteht. Belastung alleine, also Einflüsse die von außen psychisch auf den Menschen einwirken, sind soweit umfasst, dass man bei jeder einzelnen Sinneswahrnehmung, sei es dem Sehen, dem Hören oder dem Riechen von etwas, von Stress reden müsste, wenn man die Begriffe fälschlich synonym verwendet.

3.3.2 Beanspruchung

Auch der Begriff der Beanspruchung liefert keine ausreichende Begründung von Stress zu sprechen.

„Psychische Beanspruchung: Die unmittelbar (nicht die langfristige) Auswirkung psychischer Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.“ (DIN EN ISO 10075 - Teil 1, 2001)

Hier kommen wir dem Stress allerdings schon näher. Worauf es bei der Reaktion auf psychische Beanspruchung laut dem oben kurz beschriebenen Transaktionsmodell von Lazarus ankommt ist in dieser Definition inkludiert: „individuelle Bewältigungsstrategien“ (Coping Strategien).

3.4 Stress am Arbeitsplatz

Wie die psychischen Beanspruchungen und Belastungen am Arbeitsplatz aussehen können und was häufig als Stressoren im Arbeitsumfeld gesehen werden kann zeigt folgende Tabelle.

Tab. 1: Stressfaktoren am Arbeitsplatz (adaptiert nach Allenspach)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Hinblick auf die Vielzahl der möglichen Stressoren stellt sich anschließend die entscheidende Frage, was die statistisch messbaren Auswirkungen sind, die aus der Belastung/den Stressoren in den verschiedenen Bereichen resultieren. Gerade auch im Zusammenhang mit dem gesteigerten öffentlichen, politischen und nicht zuletzt wissenschaftlichen Interesse an der Materie wurden viele Untersuchungen angestellt um die Wirkungszusammenhänge zwischen psychischen Störungen, psychosomatischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen zu untersuchen und darstellen zu können.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde hierzu der Stressreport Deutschland von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2012 herangezogen und weitere Daten von verschiedenen Krankenkassen eingeholt.

Untenstehend dargestellt ist zunächst die Entwicklung der Arbeitsunfähigkeitsfälle und -tage durch psychische Erkrankungen die einen ganz klaren Aufwärtstrend erkennen lässt, was die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen anbelangt. Die Werte spiegeln die Zahlen des WIdO, dem wissenschaftlichen Institut der AOK wieder. Was dies für die Wirtschaft und die einzelnen Unternehmen bedeutet, ist in der zweiten Abbildung zu erkennen. Hier sind die direkten Kosten die durch psychische Erkrankungen in Deutschland entstehen aufgezeigt, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes. Auch hier zeichnet sich eine steigende Tendenz ab, allerdings muss von vorneherein dazu erwähnt werden, dass nicht jede in diesen Statistiken erfasste, psychische Krankheit ausschließlich durch Stress ausgelöst wird. Vielmehr soll durch diese Werte und Grafiken dargestellt werden, welche Bedeutung der Psyche in Bezug auf die Gesundheit mittlerweile zugeschrieben wird und dass die Tendenz in der Bemessung weiter steigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Entwicklung von Arbeitsunfähigkeitsfällen und -tagen aufgrund psychischer Erkrankungen in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2013 (Quelle: statista)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Direkte Kosten psychischer Erkrankungen in Deutschland nach Krankheitsart in den Jahren 2002 bis 2012 (in Milliarden Euro) (Quelle: statista)

3.5 Möglichkeiten zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz

Um diesen Entwicklungen in der Arbeitswelt entgegenzutreten sind immer mehr Unternehmen bereit, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter intern aktiv zu fördern oder zumindest bemüht den Gesundheitszustand nicht zu verschlechtern. Zusammengefasst werden solche Maßnahmen meist unter dem Mantel des Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) oder der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) und oftmals angelehnt an das Arbeitsschutzgesetzt (ArbSchG). Bundesweit wurde hierfür sogar eine auf Dauer angelegte konzentrierte Aktion, die Gemeinsame Arbeitsschutzstrategie (GDA) von Bund, Ländern und Unfallversicherungsträgern ins Leben gerufen.

3.5.1 Ursprung Betriebliches Gesundheitsmanagement

Die Ursprünge zum BGM finden sich jedoch nicht in Europa sondern gehen auf die erste Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung der Weltgesundheitsorganisation (engl. WHO: World Health Organisation) vom 17. - 21.11.1986 in der kanadischen Hauptstadt Ottawa zurück.

Hier wurde zum aktiven Handeln für das Ziel „Gesundheit für alle“ aufgerufen, das darauf abzielte „allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“ (Ottawa-Charta, 1986) Dieses politische Leitbild wird oftmals als „Startschuss“ zur Umorientierung eines „weg-von-Krankheit“-Gedankens zu einem „hin-zu-Gesundheit“- Gedankens bezeichnet, was in erster Linie neue Handlungsprioritäten erforderte.

Diese Handlungsprioritäten werden in drei fundamentalen Handlungsstrategien (advocate, enable, mediate) und fünf primären Handlungsfeldern beschrieben, die folgend kurz aufgezeigt werden:

Handlungsstrategien:

1. Engagement für Gesundheit (advocate)➔ politische, soziale, biologische Faktoren beeinflussen
2. Qualifizieren und Ermöglichen (enable)➔ Gesundheitskompetenz fördern, Unterschiede im Gesundheitszustand minimieren, größtmögliches Potenzial ausschöpfen und realisieren
3. Vernetzung und Vermittlung (mediate)➔ Netzwerke innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens bilden und Kooperationen eingehen

Handlungsfelder:

1. Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik
2. Gesundheitsfördernde Lebenswelten schaffen
3. Gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen
4. Persönliche Kompetenzen entwickeln
5. Gesundheitsdienste neu orientieren

3.5.2 BGM heute

Heute umfassen die Begriffe BGM oder BGF zahlreiche Maßnahmen zur Förderung, Erhaltung und Verbesserung des Gesundheitszustandes am Arbeitsplatz und werden auf viele verschiedene Arten und Wege umgesetzt und propagiert.

Es existieren zahlreiche Vereine, Institutionen und Verbände aber auch eigene Firmen und Einzelpersonen die sich intensiv mit der Förderung und Organisation von Gesundheit im Betrieb auseinandersetzen und konzeptuell oder standardisiert an das Thema herangehen.

Der „Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement“ (BBGM) beispielsweise hat sich die Stärkung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern und Führungskräften als Basis gesetzt und arbeitet an der Entwicklung und Verbreitung eines einheitlichen BGM-Grundverständnisses. Zur Erreichung dieser Vorgaben setzt der Verband auf die Vernetzung von Fachkräften, Betrieben und Unternehmen und zeigt somit die nutzbaren Ressourcen auf, erbringt allerding keine Beratungsleistungen zur Einführung von BGM-Maßnahmen.

Ein weiteres Mitglied auf der Liste der BGM-Anbieter ist Hansefit. Hansefit ist ein Verbund von Fitness-, Gesundheits- und Freizeitanbietern der den Mitarbeitern von Unternehmen ermöglicht, unbegrenzt bei allen Partnern des Verbundes für einen kleinen finanziellen Eigenanteil trainieren zu können. Hier stehen die aktive Freizeitgestaltung durch Sport, Wellness und vor allem die Firmenfitness im Vordergrund. Außerdem wird den Unternehmen mit Hilfe eines Onlinetools und einer eigenen Hansefitkarte ermöglicht, die allgemeine Nutzung (vollständig anonymisiert) der angebotenen Maßnahmen zu überprüfen und somit eine gewisse kalkulatorische Sicherheit zu haben, ob das Programm angenommen wird und sich somit rechnet oder nicht, da ein Teil der Kosten vom Unternehmen selbst getragen wird.

Gezieltes Stressmanagement, mit Fokus auf die psychischen Faktoren und der gezielten Stressbewältigung zieht, im Gegensatz zum allgemeineren Begriff „BGM“ keine derart großen Verbände mit sich. Auch hier existieren einzelne Plattformen, die aber vermehrt auf die Vermittlung von Seminaren abzielen. Häufig sind es Einzelpersonen oder kleinere Institutionen und Unternehmen dich sich speziell mit diesem einen Zweig des BGM, dem Stressmanagement und der Stressbewältigung beschäftigen und Hilfe bzw. Konzepte und Programme anbieten, wobei in vielen Fällen „Stress“ mit psychischer Überlastung assoziiert wird und der erste Gedanke zur Stressbewältigung in Richtung Autogenes Training, Yoga, Pilates, Atementspannung und weiteren Methoden des palliativ-regenerativen Stressmanagements in den Vordergrund gelangen. Die Multimodalität des Begriffs wohnt nur einigen wenigen Programmen inne, von denen eines folgend kurz beschrieben wird.

3.5.3 Multimodales Stressmanagementprogramm „Gelassen bei der Arbeit“

Das Programm „Gelassen bei der Arbeit“ aus dem Forschungsprojekt „Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt“ (Wiegard et al, 2000) zielte in erster Linie auf die Stressbewältigung ab, bezog aber auch die Vorbeugung von Alkoholmissbrauch als Bewältigungsstrategie mit in den Kontext ein. So sollten gratifikationskritische Situationen in der Arbeitswelt gemindert, problematische Bewältigungsstrategien reduziert und die positiven Wirkungserwartungen an den Alkoholkonsum in Frage gestellt werden. Es bestand aus insgesamt 12 Sitzungen in denen verschiedene Themen zur Ansprache kamen, die nachstehend kurz aufgelistet sind:

- Arbeitsbelastungen,
- Auswirkungen von Stress,
- Bewältigungsstrategien,
- Suchtverhalten erkennen,
- Suchtverhalten ändern,
- Ärger,
- Selbstbehauptung/Kritik,
- Kontrollbestrebungen
- Perfektionismus
- Wirkungserwartungen an psychotrope Substanzen
- Bilanzieren von Veränderungen durch das Training, Ausblick zu weiteren Veränderungswünschen

All diese Themen wurden in Gruppengesprächen und Übungen behandelt die unter anderem Muskelentspannungsübungen (z.B. PMR), Selbstreflexionsübungen und mentale Entspannung beinhalteten. Durchgeführt wurde das Training in Rostock, Mannheim und Münster mit Mitarbeitern aus Betrieben mit industrieller Fertigung, einer Verwaltung und einer medizinischen Einrichtung. Die Teilnehmer wurden per Zufallsgenerator in zwei Gruppen, eine Trainings- und eine Kontrollgruppe, eingeteilt und anschließend die Maßnahmen durchgeführt.

Die Evaluation zur Feststellung der Wirksamkeit des Programms wurde in die Prozessevaluation, bei der die Teilnehmer und Trainer nach jeder Gruppensitzung eine Beurteilung abgeben sollten und die Ergebnisevaluation unterteilt. Bei der Ergebnisevaluation sollte die Qualität und der Einfluss der bereits durchgeführten Programme festgestellt werden.

Insgesamt betrachtet lässt sich sagen, dass die Überprüfung der Wirksamkeit parallel zur Komplexität des Interventionsprogramms an Schwierigkeit zunimmt. Das Ergebnis der Intervention zeigt jedenfalls einen deutlich positiven Effekt auf die Stressbelastung und ebenfalls auf das Verhalten in Bezug auf den Konsum von Alkohol zur Stressbewältigung. Genaue Effektstärke und detaillierte Daten konnten leider nur Prozess- nicht aber zur Ergebnisevaluation gefunden werden.

3.5.4 Einzelverfahren Progressive-Muskelrelaxation (PMR)

Ein Bestandteil eines multimodalen Stressmanagementprogramms wie oben beschrieben ist häufig die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, welche bis ins Jahr 1929 zurückgeht. Hierbei ist Jacobson davon ausgegangen, dass ein Ruhe- und Entspannungszustand am besten und zuverlässigsten an einer Reduzierung des neuromuskulären Tonus, der Muskelspannung, sichtbar gemacht werden kann. Im Umkehrschluss ging er davon aus, dass durch Reduktion der muskulären Verspannungen die Aktivität des Zentralen Nervensystems herabgesetzt werden könne (vgl. Jacobson, 1938). Auf Basis dieser Grundannahme ist das Ziel der Entspannungsmethode die willentliche, kontinuierliche Reduktion der Kontraktion einzelner Muskelgruppen. Das methodische Grundprinzip lässt sich somit recht simpel zusammenfassen:

- Auf eine kurze Anspannungsphase eines Muskels oder einer Muskelgruppe folgt eine längere Entspannungsphase.

Aufgrund der zunächst durchgeführten Kontraktion eines Muskels findet eine intensivere Aktivierung und Wahrnehmung des Spannungszustandes statt. Durch das darauffolgende längere Lösen der Spannung kann der Entspannung nachgespürt werden, wodurch diese gedanklich vertieft wird. Demnach wird Entspannung intensiver wahrgenommen und verinnerlicht, wenn zuvor der Spannungszustand bewusst gemacht wird. Mit zunehmender Übungsdauer und zunehmender Trainingshäufigkeit wird so außerdem eine immer sensiblere Differenzierung zwischen Anspannung und Entspannung erreicht. Insgesamt soll es besser gelingen,

- Alle Muskeln im Körper zu entspannen,
- Einzelne Muskeln oder Muskelgruppen differenziert zu entspannen (u.a. Schmerzpunkte),
- Sich auf den eigenen Körper zu konzentrieren,
- Sich psychisch zu entspannen und einen positiven inneren Zustand zu erreichen,
- Vegetative Vorgänge zu optimieren/harmonisieren um schneller auf Erholung umschalten zu können,
- Spannungen im Körper aufspüren zu können um diese besser zu beeinflussen,
- Psychische und physische Spannungen im Alltag zu regulieren,
- Sich schneller zu erholen (psychisch und physisch)

[...]

Ende der Leseprobe aus 71 Seiten

Details

Titel
Konzeption eines Stressmanagementprogramms im betrieblichen Kontext
Hochschule
Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement GmbH
Veranstaltung
Stressmanagement
Note
2
Autor
Jahr
2015
Seiten
71
Katalognummer
V319973
ISBN (eBook)
9783668186767
ISBN (Buch)
9783668186774
Dateigröße
1444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
konzeption, stressmanagementprogramms, kontext
Arbeit zitieren
Philipp Thielebein (Autor:in), 2015, Konzeption eines Stressmanagementprogramms im betrieblichen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319973

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