Co-Abhängigkeit und Sucht. Auseinandersetzung mit "Wege in die Freiheit" von Shirley Smith


Hausarbeit, 2009

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Deskriptive Abhandlung
2.2 Analyse und Interpretation

3. Resümee

4. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

In der folgenden Arbeit sollen etwa 30 Seiten einer Monographie eigener Wahl bearbeitet werden. Während der Literatursuche stieß ich eher zufällig auf das Buch „Wege in die Freiheit – Durchbrechen Sie den Teufelkreis von Co-Abhängigkeit und Sucht“ von Shirley Smith.

Schon beim ersten Durchblättern erweckte es mein Interesse, da Shirley Smith die Krankheit der Co-Abhängigkeit auf sehr persönliche und anschauliche Art und Weise behandelt. Dies erreicht sie, da sie zum Einen eine Psychotherapeutin ist und zum Anderen selbst von dieser Krankheit betroffen war. Auch ihr Philosophie-Studium hilft ihr, die Dinge verständlicher zu erklären.

Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie etwas von dieser Krankheit gehört. Da sie jedoch so weit verbreitet ist und meist auch unerkannt – und somit auch unbehandelt – bleibt, wollte ich mich näher damit auseinandersetzen.

Ebenfalls bin ich der Meinung, dass sich jeder – teilweise auch auf erschreckende Weise – in diesem Buch und dessen Inhalt wieder finden kann. Dies macht die Bearbeitung für mich umso interessanter.

Da der Großteil des Buches aus praktischen Anleitungen zur Heilung der Krankheit besteht, entschied ich mich dafür, die ersten beiden Kapitel zu bearbeiten. Dort sind weniger Heilungskonzepte vorgestellt, als die Ursachen und Aspekte der Co-Abhängigkeit. Auch das Thema der persönlichen Freiheit wird ausführlich behandelt.

Der Gesamtumfang der beiden Kapitel beträgt 28 Seiten.

Jedoch musste ich während des Lesens einige Male - auf gut Deutsch - heftig schlucken. Smith beschreibt einige, in meinen Augen sehr gewagte, Thesen. Diese Thesen möchte ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit als Diskussionsgrundlage nutzen. Außerdem möchte ich überprüfen, ob diese Thesen eventuell nur in der Zeit des Entstehens des Buches (1990) galten, oder ob sie auch heute noch ihre Richtigkeit haben.

In der folgenden Arbeit werde ich zunächst die Aussagen von Shirley Smith wiedergeben und gegebenenfalls mit den entsprechenden Textstellen belegen. Die bereits erwähnten Thesen werde ich im zweiten Teil analysieren und diskutieren – auch mit Hilfe anderer Autoren.

2. Hauptteil

2.1 Deskriptive Abhandlung

Das erste Kapitel „Sind Sie wirklich frei?“ handelt ausschließlich von persönlicher Freiheit. „Vor Jahren erkannte ich, daß [!] man nur ‚frei von etwas’ sein kann, wenn man fähig ist, ‚darin frei zu sein’.“ (S. 21, Z. 1f). Smith ist der Meinung, dass Freiheit oft missverstanden wird. Viele verwechseln die Suche nach Freiheit mit einem Ausweichen und/oder Davonlaufen. Das belegt sie mit einigen Beispielen. Aussagen wie „Wenn ich nur eine andere Arbeit hätte.“ (S. 21, Z. 5) oder „Wäre es nicht herrlich, öfter Urlaub machen zu können?“ (S. 21, Z. 20f) hat wohl jeder schon einmal gesagt oder zumindest von Anderen gehört. Laut Smith verdeckt beispielsweise der Wunsch nach mehr Urlaub ein tiefer liegendes Bedürfnis – das Bedürfnis nach Freiheit. Die Menschen wollen das Gefühl haben können, dass sie in ihrer derzeitigen Situation frei sind. Auch diese Aussagen belegt sie mit einem Beispiel aus ihrer Praxis als Psychotherapeutin:

Joan wollte ihren Ehemann Tom verlassen, weil sie in der Ehe sehr unglücklich war. Sie verbrachten kaum Zeit miteinander und Tom ging oft in die Wirtschaft oder schaute Sportsendungen. Joan kam sich vor wie eine Sklavin und verließ schließlich ihren Mann. Zwei Jahre später heiratete sie wieder, jedoch stand auch diese Ehe einige Jahre später vor dem Aus. Joan hatte nicht gelernt, in einer Beziehung frei zu sein. Sie wagte es nicht, irgendetwas zu verlangen oder um Unterstützung zu bitten. Für sie wird es keine wahre Freiheit geben, solange sie aus einer Situation flieht, anstatt an ihrer Eigenständigkeit zu arbeiten.

Die erste Hälfte des Weges zur Freiheit ist ‚frei von etwas’ zu sein. Die andere Hälfte besteht daraus, ‚frei zu etwas’ zu sein. Dies bedeutet, dass man sich selbst die Erlaubnis geben kann, das zu tun, was man in Innersten will. Laut Smith scheitern viele Menschen an diesem Prozess: Sie verwechseln die freie Wahl mit einer unbewussten Reaktion auf eine Situation und/oder Person. Smith beobachtet immer wieder in den Therapiesitzungen mit ihren Patienten, dass diese einfach nicht wissen, was sie wirklich wollen. Sie wissen nur, dass ihr Leben nicht so ist, wie sie es sich wünschen.

Smith erläutert, dass alle Menschen frei geboren werden, jedoch sehr früh in „Gefangenschaft“ (S. 24, Z. 17) geraten. Gestörte Familiensysteme sowie Misshandlungen führen dazu, dass man sich schon im Kleinkindalter unbewusst an diese Umgebung anpasst, damit die eigenen Bedürfnisse erfüllt und befriedigt werden. „Wir versehen uns mit bestimmten Begrenzungen und legen damit den Grundstein zu lebenslanger Tyrannei. Als Erwachsene glauben wir dann, diese Begrenzungen um jeden Preis aufrechterhalten zu müssen.“ (S. 24, Z. 23ff). Diese unbewussten Grenzen sind selbst für die Betroffenen nicht ersichtlich. Deshalb sehen sie auch nicht, dass sie ihn ihrem Suchtverhalten gefangen sind. Sie vermeiden durch übermäßiges Essen, Rauchen oder Trinken zur Ruhe zu kommen. Denn dann müssten sie sich dem Schmerz der Wirklichkeit stellen – aber gleichzeitig bekommen sie die Chance, die Ursachen hierfür zu ergründen:

„In dieser Lage befand ich mich, als ich damals auf dem Sofa saß. Ich war gefangen und wußte [!] es nicht einmal. Gefangen in meinen eigenen Begrenzungen. Ich war ‚die gute Tochter’, die ‚liebevolle und verführerische Ehefrau’, die ‚hingebungsvolle Mutter’, die ‚erfolgreiche Karrierefrau’, ‚liebende Schwester’ und das ‚Unterhaltungkomitee’ für Mann und Kinder.

Ich betrachtete alle diese Selbstbilder und mir kam plötzlich zu Bewußtsein [!], daß [!] ich gar nicht wußte [!], wer ich wirklich war. Ich hatte Angst, diese Begrenzungen aufzugeben, denn vielleicht war ja gar nichts dahinter. Ich erlebte mit Schrecken, daß [!] sich meine Identität aufzulösen drohte. Ich mußte [!] mich also unter Kontrolle behalten, damit meine Selbstbilder mich weiterhin zusammenhielten.“ (S. 25, Z. 6ff).

Wenn man Angst hat, seine Begrenzungen loszulassen oder zu verändern, steht man sich selbst im Weg. Außerdem kann man nur dann frei sein, wenn jeder Aspekt des Lebens in Bewegung ist.

‚Müssen’ und ‚Sollen’ sind für viele Betroffenen die wichtigsten Worte. Sie richten ihr Leben nach Erwartungen Anderer – Eltern, Partner, Freunde, Kollegen etc. Diese Erwartungen entstehen bereits in der frühen Kindheit und setzen sich in der Gesellschaft fort. Die Stimmen von Autoritäten setzen sich im Kopf fest und beherrschen den Menschen jahrelang und engen ihn mehr oder minder ein.

Frei zu sein bedeutet, dass die eigene innere Stimme erkannt und ihr gefolgt wird. Die Stimme der Autoritäten muss dabei abgelehnt werden. Um das zu bekommen, was man möchte, muss man alles aufgeben, was dem im Weg steht. Nur so wird man wirklich frei. Shirley Smith nennt das den „persönlichen Frühjahrsputz“ (S. 26, Z. 6). Es muss alles hinausgeworfen werden, um Platz für Neues zu schaffen. Für diesen Prozess nutzt Smith das Bild eines Eimers, auf dessen Boden Schlamm ist. Der Rest ist mit klarem Wasser gefüllt. Der Schlamm steht für ungelöste Schmerzen, Scham, Schuldgefühle, Verwirrungen der Kindheit sowie negative Selbstbilder. Das Wasser dagegen stellt das wirkliche Selbst dar. Auf der Suche nach Freiheit werden neue Wahrheiten aufgenommen – es wird also neues Wasser in den Eimer gefüllt. Dadurch wird der Schlamm aufgewühlt; und das Leben scheint zunächst noch verwirrender. Aber nach und nach klärt sich das schlammige Wasser durch das Abfließen des aufgewühlten Schlamms.

Erst an diesem Punkt definiert Smith den Begriff der Freiheit. Für sie ist Freiheit eine persönliche, innere Erfahrung, die jedoch nur mit Hilfe der „Höheren Macht“[1] (S. 27, Z. 3) entdeckt werden kann. Der Zugang zur Freiheit liegt demzufolge in der Beziehung zu dieser Macht – so, wie man sie selbst versteht. Das Gefühl der Verbindung zur Höheren Macht hilft dabei, innere Stärke und Ruhe zu erlangen. Das wiederum gibt Kraft, Entscheidungen zu treffen und die Veränderungen vorzunehmen, die das Leben verbessern sollen. Die Höhere Macht gibt lediglich die nötigen Anstöße; und kümmert sich um die Art und den Zeitpunkt der Veränderung, wenn der Betroffene feste Absichten verfolgt. Um dies zu verdeutlichen, nutzt Smith ein Beispiel aus ihrer persönlichen Erfahrung:

Sie wollte schon zig Mal mit dem Rauchen aufhören und hatte es auch schon einmal für zwei Jahre geschafft. Dann jedoch begann sie wieder. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihr die Aussage „Nicht aufgeben, sondern übergeben.“ (S. 27, Z. 35f) zu Ohren kam. Sie bat ihre Höhere Macht um Hilfe. Nach einer Reihe von plötzlichen und unerwarteten Ereignissen und einem überraschenden Zeitpunkt gaben die Zigaretten sie auf – nicht sie die Zigaretten.

Fazit des ersten Kapitels ist, dass eine Befreiung von Abhängigkeit nur durch aktive Bereitschaft und die Hilfe einer Höheren Macht möglich ist.

Im zweiten Kapitel „Wissen Sie, wer Sie wirklich sind?“ behandelt Smith die Ursachen und Merkmale von Co-Abhängigkeit. Sie sagt, dass Co-Abhängigkeit eine weit verbreitete, jedoch häufig übersehene Krankheit ist. Der Zusammenhang zur persönlichen Freiheit liegt darin, dass die größte Blockade auf dem Weg zur Freiheit diese Krankheit darstellt.

Smith möchte das Kapitel nicht mit einer Lehrbuchdefinition von Co-Abhängigkeit beginnen. Sie befürchtet, dass die Leser – denen sie versuchen möchte zu helfen – diese als nicht für sich zutreffend ansehen könnten.

Die Co-Abhängigkeit wurde Mitte der 80er-Jahre von Ärzten, Therapeuten und Beratern für Drogen- und Alkoholabhängigkeit erkannt. Sie beobachteten, dass sich die Abhängigkeit auf alle Familienmitglieder auswirkt. Denn diese wiesen ebenso viele Verhaltensstörungen auf wie der eigentliche Patient. In jedem Fall ermöglichte die Familiendynamik die Sucht des Patienten mit.

Weiterhin erläutert Smith, dass die Co-Abhängigkeit der Ursprung vieler anderer Süchte ist. Beispiele hierfür sind Arbeitssucht, Essstörungen, Spiel- und Kaufsucht sowie Beziehungs- und Sexsucht. Außerdem ist die Co-Abhängigkeit in allen Gesellschaftsschichten zu finden, da ca. 96% der Bevölkerung in gestörten Familien aufwachsen. Sie erstreckt sich oft über Generationen, weil sie so oft unerkannt bleibt.

Als Ursachen nennt Smith dysfunktionale Familien und Kindesmissbrauch. Beides wird im Folgenden näher beschrieben:

Smith sieht Familien als eine Art System. Dieses System besteht aus mehreren Elementen, die miteinander in Beziehung stehen. „Ein Grundsatz aller Systeme ist, daß [!] das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile.“ (S. 30, Z. 10f). Zur Verdeutlichung dieser Aussage wird das Bild eines Mobiles benutzt. Die einzelnen Teile stehen miteinander im Gleichgewicht, obwohl jedes Teil seine eigene Größe, Form und Schönheit hat – so wie einzelne Familienmitglieder. Jedes Teil ist seine eigene Einheit, die durch Fäden mit allen anderen Teilen verbunden ist. Wenn ein Teil in Bewegung kommt, wirkt sich das auf alle Anderen aus. Stoppt die Bewegung, kehren alle wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück.

Des Weiteren sagt Smith, dass die Beziehung zwischen Mutter und Vater der wichtigste Bestandteil des Familiensystems ist. Die Beziehung wird dadurch bestimmt, in welcher Beziehung die Eltern jeweils zu sich selbst stehen. Ist die Beziehung der Eltern nicht ausgeglichen – also gestört – versuchen die Kinder die dadurch entstandenen Lücken zu füllen, um das System auszubalancieren. „Deshalb sind Geschwister oft so extrem verschieden.“ (S. 32, Z. 11). Jeder übernimmt eine andere Rolle, um das Gleichgewicht des Systems sicherzustellen. Dabei wird meist das eigene Selbst aufgegeben. Eine typische Rolle ist die des „Helden“. Er hat gute Noten in der Schule oder ist hervorragend beim Sport. Als Erwachsender ist er meist erfolgreich. Doch er hat Schuldgefühle gegenüber denen, die nicht so erfolgreich sind. Der Held ist zumeist arbeitssüchtig und perfektionistisch – und dadurch auch sehr einsam. Eine weitere Rolle ist die des „stillen Kindes“. Es macht nie Schwierigkeiten und kann sich mit sich alleine beschäftigen. Oft entfliehen stille Kinder in eine Phantasiewelt, da sie besonders empfänglich für Spannungen in der Familie sind. Des Weiteren werden die Rollen des „Zuhelfers“ (oberstes Ziel: Vermeidung von Konflikten), des „Clowns“ (unfähig, wahre Gefühle von Schmerz auszudrücken) und des „schwarzen Schafes“ (Überdruckventil der Familie) genannt.

All diese verschiedenen Rollen können von Kindern in unterschiedlichen Lebensphasen eingenommen werden, wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät. Dies wird von der Aussage „In einem gesunden Familiensystem sorgen die Eltern für die Erfüllung der Bedürfnisse ihrer Kinder. In einem gestörten Familiensystem haben die Kinder die Aufgabe, die Bedürfnisse der Eltern zu befriedigen.“ (S. 35, Z. 11ff) unterstrichen.

[...]


[1] Smith beschreibt die Höhere Macht im späteren Verlauf ihres Buches als kein spezifisches Konzept. Jeder muss für sich selbst herausfinden, wer oder was für ihn eine Höhere Macht darstellt. Sei es Gott, Buddha oder Jesus, sei es die Natur oder die Kraft der Liebe. Es ist unwichtig für den Genesungsprozess, wie das Konzept der Höheren Macht aussieht. Viel wichtiger ist der Glaube an die Existenz dieser Macht, die größer ist als man selbst (vgl. Smith, S. 157).

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Co-Abhängigkeit und Sucht. Auseinandersetzung mit "Wege in die Freiheit" von Shirley Smith
Hochschule
Universität Kassel  (Humanwissenschaften)
Veranstaltung
Wissenschaftlich Arbeiten I
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V319507
ISBN (eBook)
9783668188082
ISBN (Buch)
9783668188099
Dateigröße
383 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
co-anhängigkeit, sucht, auseinandersetzung, wege, freiheit, shirley, smith
Arbeit zitieren
Josephine Rost (Autor:in), 2009, Co-Abhängigkeit und Sucht. Auseinandersetzung mit "Wege in die Freiheit" von Shirley Smith, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319507

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