Interreligiöse Erziehung in der Kindertagesstätte als Beitrag zur Identitätsentwicklung bei Kindern mit Migrationshintergrund


Bachelorarbeit, 2011

72 Seiten

Anonym


Leseprobe


INHALT

Einleitung

1 terreligiöse Erziehung
1.1 Interkulturelle und interreligiöse Erziehung
1.2 Grundlagen interreligiöser Erziehung
1.3 Die wichtige Aufgabe der interreligiösen Erziehung
1.4 Fazit: Identitätsentwicklung als Kernaufgabe interreligiöser Erziehung

2 Identität/Identitätsentwicklung
2.1 Identität
2.2 Identitätsentwicklung nach Erik H. Erikson
2.3 Modifikation von Erikson: Identitätsentwicklung in der Migrantenfamilie
2.3.1 Keupp: Kulturelle Identität
2.3.2 Lebenssituation von Migranten
2.3.3 Lebensaufgabe: Zwischen Integration und Assimilation
2.4 Identitätsentwicklung nach Keupp als Herstellungsprozess
2.5 Fazit: Herstellung von Identität als Aufgabe für Migrantenkinder

3 Die Lebensgeschichte der Migrantenkinder
3.1 Lebenssituation von Migranten zwischen Integration und Assimilation – die eigene Geschichte
3.2 Migranten
3.3 Integration/Assimilation in der Geschichte
3.4 Meine Verknüpfungsarbeit in der Kindertagesstätte

4 Der Kindergarten – eine Herausforderung für Migrantenkinder

5 Migrantenkinder – eine Herausforderung für die Kindertagesstätten
5.1 Das Kennen der Lebensgeschichte der Migrantenkinder – eine Voraussetzung für interkulturelle/interreligiöse Erziehung
5.2 Die Sprache - der Schlüssel zur Integration
5.3 Ein Modellprojekt zur Sprachförderung

6 Fazit

Abstract:

Literatur

Einleitung

Die Auswahl der Thematik zur Bearbeitung in diesem Rahmen basiert auf dem Hintergrund meiner eigenen religiösen bzw. kulturellen Identität. Als Tochter einer Gastarbeiterfamilie habe ich immer meine eigene Identität hinterfragt und mich mit meiner und der Situation anderer Migranten in Deutschland auseinandergesetzt und verfolge somit persönliche Interessen.

In der vorliegenden Arbeit setze ich mich mit der komplexen Lebenssituation der Migrantenkinder auseinander, die damit konfrontiert sind, ihre Identität zwischen zwei Kulturen herauszubilden und untersuche dabei, inwieweit die interreligiöse Erziehung in den Kindertagesstätten hierfür einen Beitrag leisten kann.

Die Idee des Themas resultiert aus meinen persönlichen Lebenserfahrungen, die ich besonders als Kind mit Migrationshintergrund gemacht habe. Während meiner bisherigen Identitätsentwicklung hatte ich aufgrund meiner kulturell bedingten unterschiedlichen Eigenschaften viele Schwierigkeiten und wünsche, dass anderen Migrantenkindern diese erspart bleiben. Die Auseinandersetzung mit meinen verschiedenen Eigenschaften und insbesondere mit meiner herkünftigen religiösen Prägung hat mir geholfen klare Standpunkte zu entwickeln, die mir Halt im Leben gaben. Auf dieser Erfahrung basierend möchte ich mit dieser Bearbeitung meinen Beitrag zur interreligiösen/interkulturellen Erziehung der Migrantenkinder in Kindertagesstätten leisten. Ich versuche dabei einen Einblick in ihre komplexe Lebenssituation zu verschaffen und die Notwendigkeit der interreligiösen/interkulturellen Erziehung in Kindertagesstätten zu betonen, die eine wichtige Unterstützung bei der Identitätsentwicklung von Migrantenkinder sein kann. Zudem gehören interreligiöse/interkulturelle Begegnungen zum gesellschaftlichen Alltag in Deutschland. Daher ist eine interreligiöse/interkulturelle Erziehung schon in Kindertagesstätten unumgänglich.

Die folgende Arbeit ist in acht Kapiteln gegliedert. Das erste Kapitel, welches den Hauptteil darstellt, handelt von interreligiöser und interkultureller Erziehung. Zunächst beschreibe ich dessen Grundlagen, des Weiteren wende ich mich ihren Aufgaben zu. Im zweiten Kapitel geht es um Identität und deren Entwicklungsprozesse nach Erikson und Keupp. Diese Modelle betrachte ich in Bezug auf Anknüpfungspunkte aus den Lebensumständen von Migrantenfamilien. Hierfür wird von der kulturellen Identität nach Keupp Gebrauch gemacht. Ich versuche einen Einblick in die Komplexität der Lebenssituation von Migranten zu verschaffen, die ihr Leben zwischen Integration und Assimilation meistern müssen. Im Weiteren behandele ich ihre Identitätsentwicklung, welche als Herstellungsprozess dargestellt wird.

Daran schließt sich das dritte Kapitel an, in dem es um die Lebensgeschichte der Migrantenkinder geht. Sie beginnt mit einer autobiografischen Geschichte aus der Kindheit, die vor allem zu einem genaueren Einblick in die Lebensumstände von Migrantenkindern verhelfen soll. Im nächsten Kapitel geht es um die große Herausforderung, mit denen Migrantenkinder während ihres Eintritts in die Kindertagesstätten konfrontiert werden. Hiermit beginnt für sie ein Leben zwischen zwei Welten, welches pädagogische Unterstützung verlangt. Kenntlich wird hier, dass es sich um eine Herausforderung auf beiden Seiten handelt. Dem widme ich mich im letzten Teil. Abschließend folgt das Fazit.

1 terreligiöse Erziehung

1.1 Interkulturelle und interreligiöse Erziehung

Zunächst wird auf das allgemeine Verständnis der Begriffe, interkulturelle und interreligiöse Erziehung eingegangen und im Weiteren die Grundlagen interreligiöser Erziehung genauer erläutert. Hiernach folgt die Thematisierung über die wichtigen Aufgaben der interreligiösen Erziehung und es schließt sich das Fazit an, worin die Identitätsentwicklung als Kernaufgabe der interreligiösen Erziehung beschrieben wird.

Die postmoderne Zeit in der wir leben, bringt neben den positiven Entwicklungen in vielen Bereichen (z. B. Wissenschaft) auch viele Probleme mit sich. Die zunehmende Globalisierung, Migration, Terrorismus, Kriminalität, Subkulturen, die Vermischung der Kulturen, die religiöse Pluralität und der Streit zwischen diesen sind Zeichen einer Dringlichkeit einer interreligiösen/interkulturellen Erziehung schon in Kindertagesstätten. Menschen begegnen besonders den muslimischen Mitbürgern mit Angst und Abwehr, die durch die Medien verstärkt werden. Zudem bilden sich auch immer mehr Vorurteile. Respekt, Toleranz, Frieden und die Bereitschaft für ein wechselseitiges Lernen sind Eigenschaften, die den Menschen leider oft fehlen. Für ein gemeinsames, friedliches Leben sind diese Werte von großer Bedeutung und im Kern aller großen Weltreligionen vorhanden. Auf der Grundlage dieser Werte und der weiteren Gemeinsamkeiten der Religionen ist eine interreligiöse Erziehung möglich, wobei der Abbau der gegenseitigen Vorurteile die Voraussetzung hierfür bildet.

Da die Auslegungen von Religion und Kultur einander stark bedingt sind, ist auch die interreligiöse und interkulturelle Pädagogik stark miteinander verknüpft. Daher werden diese Begriffe in der weiteren Bearbeitung im Zusammenhang betrachtet. Unter anderem geht es in einer interreligiöse/interkulturellen Erziehung um einen verantwortungsbewussten Umgang mit Vielfältigkeit. Die Interreligiosität/Interkulturalität beginnt bei der eigenen Person und benötigt darüber eine eigene Haltung (vgl. Möller 2006, S.12). Die interreligiöse/interkulturelle Erziehung kann wiederum die Entwicklung einer eigenen Haltung unterstützen, wobei das Wissen über die eigene Überzeugung von großer Bedeutung ist. Die Anerkennung und Wertschätzung des Anderen und ein respektvoller Umgang mit diesem spielt hierbei eine wichtige Rolle. Eine eigene Bereitschaft und Haltung ist für eine interreligiöse/interkulturelle Erziehung elementar, denn die an einer interreligiösen/interkulturellen Erziehung beteiligten Personen benötigen diese, um hierzu einen Beitrag leisten zu können. Das Erlangen einer eigenen interreligiösen/interkulturellen Haltung benötigt eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Person, wobei es zunächst um das Bewusstwerden und Entwickeln der eigenen Position geht (vgl. Möller 2006, S.12). Die genannten Aspekte zeigen die Notwendigkeit einer interreligiösen/interkulturellen Bildung und Erziehung schon im Kindesalter. Sie ist eine Antwort der Pädagogik auf eine Gesellschaft, die viele Kulturen in sich trägt (vgl. Deiss-Niethammer 2006, S. 147). Nieke geht hierauf wie folgt ein:

„Interkulturelle Erziehung wird verstanden als die notwendige Antwort auf die entstandene und dauerhaft bestehend bleibende Gesellschaft mit Zuwanderern aus anderen Kulturen sowie mit daraus entstehenden oder schon vorher existierenden ethnischen Minoritäten, d.h. als Antwort auf eine als dauerhaft zu akzeptierende multiethnische oder multikulturelle Gesellschaft“ (Nieke 1995, S. 30).

Das Ziel der interkulturellen Erziehung ist es allen Kindern im Umgang mit kulturellen Differenzen Toleranz einzuüben und denen, die einen Migrationshintergrund haben, zwei- und mehrsprachige Handlungskompetenzen ihrer Lebensrealität entsprechend zu vermitteln. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist grundlegend für die interreligiöse/interkulturelle Erziehung und muss daher besonders gefördert werden. Die Zweisprachigkeit sollte hierbei nicht als Defizit, sondern als wichtiges Potential anerkannt und gefördert werden, woraus sich wichtige Chancen für ein gemeinsames Leben herauskristallisieren können (vgl. Fischer 2007, S.181). Das Aufwachsen mit mehreren Sprachen bietet günstige Voraussetzungen für die Entwicklung der Kinder. Die Primär-/Muttersprache, welche eine positive Rolle für die Emotionalität hat, bildet die Grundlage für das Erlernen weiterer Sprachen (vgl. Jockenhövel-Schiecke 2007, S. 497).

Migrantenkinder müssen sich in der Kindertagesstätte in ihren Sprachkompetenzen erweitern, da sie sonst in ihrem weiteren Bildungsverlauf enorme Schwierigkeiten haben können. Das Etablieren von Inhalten der interkulturellen Erziehung in das vorhandene Bildungssystem ist daher notwendig. Zudem gehört die interkulturelle Pädagogik in die Erzieherausbildung, da hierdurch Gemeinsamkeiten und Unterschiede ins Bewusstsein treten und auffordern können, eine eigene Haltung zu entwickeln und zu überprüfen (vgl. Möller 2006, S. 11). Bei der interkulturellen Erziehung ist es notwendig, dass die pädagogischen Fachkräfte ihre eigenen Einstellungen und Handlungen reflektieren, hinterfragen und wenn nötig neu definieren. Sie benötigen eine offene Haltung, welche bereit ist Unterschiede zuzulassen (vgl. Fischer 2007, S. 183).

„Für die Begegnung mit den Familien im interkulturellen Kontext benötigen die Erzieherinnen und Erzieher ein hohes Maß an Offenheit, Kenntnissen und Handlungskompetenzen, besonders auch in solchen Situationen, die nicht unbedingt mit den eigenen Werten und Verhaltensmustern übereinstimmen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, auf andere zu hören, sich auf ihre kulturellen und religiösen Hintergründe einzulassen und auf vorschnelle Bewertungen zu verzichten“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen 2004, S. 43).

Die interkulturelle Erziehung ist ein didaktisches Prinzip, welches die Untersuchung der Fächer auf Interkulturalität bewirkt. Es bestehen verschiedene Methoden zur Anwendung. Für die kommunikative Ebene kann die Mehrsprachigkeit zu einem Bestandteil der pädagogischen Ausbildung gemacht werden. Neben diesem ist auch ein Rollentausch eine wichtige Methode, bei der die pädagogischen Fachkräfte ihre Rollenflexibilität ausbilden können (vgl. Fischer 2007, S.183).

Die geschichtliche Entwicklung der interkulturellen Pädagogik schildert ein Übergang von der „Ausländerpädagogik“ zur interkulturellen Pädagogik (vgl. Fischer 2007, S. 181-183). Seit den 90er Jahren wird mit der interkulturellen Pädagogik beabsichtigt, an alle am pädagogischen Prozess Beteiligten Schlüsselqualifikationen zu vermitteln. Es geht hierbei um die Anerkennung der Verschiedenheit als Ressource, wodurch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verhindert werden soll. Die interkulturelle Erziehung hat das Ziel, zu einem konfliktarmen gesamtgesellschaftlichen Zusammenleben beizutragen, wobei alle voneinander profitieren können. Sie beabsichtigt Eigenschaften wie die Fähigkeit zur Empathie, Respekt, Anerkennung, Toleranz und Akzeptanz, Kommunikation und die Offenheit untereinander zu fördern. Dadurch soll erreicht werden, dass Vorurteile abgebaut und kulturelle Wiedersprüche ausgehalten werden. Zudem sollen die Kompetenzen wie Konfliktfähigkeit und Selbstreflexion durch interkulturelle Erziehung und Bildung angeeignet und die Pluralität der Gesellschaft anerkannt werden. Durch die interkulturelle Pädagogik soll interkulturelle Fähigkeiten, wie kulturelle Aufgeschlossenheit und Neugierde entwickelt und die Distanz abgebaut werden. Die Chancengleichheit und Verschiedenheiten als Bereicherung anzunehmen, steht bei der interkulturellen Erziehung im Vordergrund. Es bestehen pädagogische Ansätze, die für ein besseres Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft dienen sollen. Bildungseinrichtungen, wie Kindertagesstätten haben eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Bildungschancen der Migrantenkinder, wobei beachtet werden sollte, dass jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft die gleichen Rechte hat (vgl. Fischer 2007, S. 183).

Die interkulturelle Erziehung hilft zur Erweiterung des kulturellen und religiösen Horizontes, welcher in der heutigen globalen Welt von großer Bedeutung ist. Durch die interkulturelle Erziehung in Kindertagestätten werden Kinder mit interkulturellen Kompetenzen ausgestattet, die sie in ihrem weiteren Leben in vielen unterschiedlichen Bereichen benötigen. Diese Ausstattung wird sie ihr ganzes Leben lang begleiten und kann sie im interreligiösen/interkulturellen Dialog im Gemeinwesen, in der Politik und Wissenschaft unterstützen. Zudem können sie ein Bewusstsein für interreligiöses/interkulturelles Lernen entwickeln. Bei der interkulturellen Erziehung wird der Bereich von Religion immer als Basis zur interkulturellen Erziehung gesehen. Im Folgenden wird dieser Bereich unter der Perspektive der interreligiösen Erziehung genauer beschrieben.

1.2 Grundlagen interreligiöser Erziehung

Nach Schweitzer, ist kein Erziehungsangebot vollständig, wenn die religiöse Dimension nicht mit Einbezogen wird (vgl. Schweitzer 2005, S. 84). Da auch Kinder nach dem Sinn des Lebens fragen, kann Religion als Sinnangebot bei der pädagogischen Arbeit verstanden werden.

„Religion als Sinnangebot: Pädagogisch wünschenswert sind solche Antworten auf Sinnfragen von Kindern, die ihnen Gewissheit und Hoffnung geben können- eine Vergewisserung, dass die Welt nicht einfach sinnlos ist, sowie die Hoffnung darauf, dass das menschliche Leben und Handeln nicht in der Absurdität ende. Zugleich sollen Sinnangebote die Zukunft nicht totalitär verschließen, sondern sie offen und gestaltbar halten“ (Schweitzer 2005, S. 54).

Die Ausstattung mit Wissen über die eigene Überzeugung und der hieraus folgender Standpunkt ist notwendig, eine andere Religion/Kultur und dessen Interreligiösität/Interkulturalität betrachten und verstehen zu können.

„Erzieherisches Handeln ist immer wertbestimmt. Wer Kinder religiös prägen will, muss deutlich machen, woher das eigene Welt- und Menschenbild stammt und welches seine oder ihre letzten Werte sind – denn sie gehen immer in das erzieherische Handeln ein. Von Erzieherinnen und Erziehern darf daher erwartet werden, den eigenen Bezug zu Religion und Glaube zu klären“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen 2004, S. 29-30).

Ein interreligiöses Zusammenleben benötigt Konzepte und eine konstruktive Haltung, damit es nicht zu Irritationen kommt. Für eine religiöse Erziehung sind Konzepte nötig, wobei jeder ein eigenes hat und danach ihm handelt. Zum Vorschein kommt diese aber nicht, da es den Personen selbst nicht bewusst ist und daher nicht diskutiert werden kann. (vgl. Möller/Tschirch 2006, S. 111).

„Keine religiöse Erziehung ohne Achtung vor dem Kind!“ (Schweitzer 2005, S. 85). In Anbetracht einer interreligiösen Erziehung ist diese Erkenntnis elementar, da hierbei alle Kinder unabhängig von ihren herkünftlichen Wurzeln geachtet werden müssen. Religion ist von der pädagogischen Arbeit erwünscht, wenn sie als Begründung von Werten verstanden wird, wobei die Werteorientierung zur sozialen Verantwortung führen soll, ohne das die Persönlichkeit und Freiheit des Kindes preisgegeben wird (vgl. Schweitzer 2005, S. 53).

Die aktuellen Probleme wie Ausgrenzung, Benachteiligung und Isolation von Menschen bzw. Menschengruppen stellen eine große Herausforderung für die Religionspädagogik dar. Deiss-Niethammer stellt für die Religionspädagogik im multireligiösen Kontext ein Konzept dar, welches eine von den bestehenden Antworten auf die Frage, ist wie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Tradition in einer Gesellschaft zusammenleben können. Die Grundlagen für dieses Konzept leitet sie vom Alten Testament ab, wonach jeder das Recht hat, als Person geachtet und respektiert und darüber hinaus geliebt zu werden. Diesen Rechten soll mit der Bemühung für das Wohlergehen des Fremden und im Weiteren mit der Relativierung der Verschiedenheiten entgegengekommen werden. Das Konzept besteht aus drei grundlegenden Prinzipien.

1. Das erste Prinzip ist Akzeptanz und Wertschätzung, welche Folge der Akzeptanz der multikulturellen Gesellschaft ist. Bei der pädagogischen Anwendung dieses Prinzips geht es um eine akzeptierende und wertschätzende Grundhaltung der pädagogischen Fachkräfte, mit denen sie allen Kindern unabhängig von ihrer Nation, Religion oder Sprache entgegenkommen.
2. Das Prinzip der Repräsentanz, wobei die kulturelle/religiöse Vielfalt zum Vorschein kommt. In pädagogischen Einrichtungen sollen sich auch Kinder mit unterschiedlichem religiösem Hintergrund, z. B. in Geschichten wiederfinden können.
3. Das Prinzip des Biografiebezugs, stellt das einzelne Kind in den Mittelpunkt, wonach seine Lebensgeschichte neben seiner kulturellen und religiösen Zugehörigkeiten auch individuell anders sein kann. Daher können Probleme nicht nur den kulturellen Auslegungen zugeschrieben werden. Durch die religiöse Vielfalt haben Kinder auch andere Bedürfnisse, woraus sich folgende Thesen herausstellen:

Kinder sollen ihre religiöse Unterschiedlichkeit leben können, ohne dass diese als Störfaktor betrachtet wird (z.B. bei Speise- und Kleidungsvorschriften).

Kinder verschiedener religiöser Herkunft sollen Elemente ihrer religiösen Tradition in der Tageseinrichtung wiederfinden können. Das trägt dazu bei, dass sie sich als angenommen und dazugehörig empfinden. Eine Beschränkung auf die christliche Religion entspräche nicht dem interkulturellen Prinzip der Repräsentanz (vgl. Deiss-Niethammer 2006, S.147-148).

„Kinder sollen mit gelebter Religiosität in Berührung kommen und so ihre eigene religiöse Identität entwickeln können“ (Deiss-Niethammer 2006, S.148)

Bei einer interreligiösen Erziehung sollte den Kindern die Möglichkeit gegeben werden, einen offenen fröhlichen und ungezwungenen Umgang mit ihrem und dem Glauben Anderer entwickeln zu können. Sie erfahren dadurch Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Religionen. Da die pädagogischen Fachkräfte Modelle für sie sind, von denen sie lernen, ist die Umsetzung der Werte wie Annahme und Nächstenliebe auch zwischen ihnen wichtig. Alle Religionen sollten Raum bei Erzählungen haben, worin die Kinder sich äußern können. Dadurch können sie voneinander lernen, sich in ihren Verschiedenheiten wahrnehmen und akzeptieren. Die religiöse Erziehung gibt den Kindern eine grundlegende Kraft, sich der Herausforderungen der Gesellschaft und des Lebens zu stellen (vgl. Deiss-Niethammer 2006, S.148).

1.3 Die wichtige Aufgabe der interreligiösen Erziehung

Kinder mit Migrationshintergrund sind mit der komplexen Aufgabe konfrontiert, ihre Identität in einer Gesellschaft herauszubilden, die ihnen zunächst fremd ist. Bis zum Eintritt in die Kindertagesstätte ist ihnen meist die deutsche Kultur und Sprache fremd, da sie von der Herkunftskultur ihrer Eltern geprägt sind. Zu den Entwicklungsaufgaben gehört, dass sie sich in ihrer Identitätsentwicklung mit jeweils zwei Kulturen, der Herkunftskultur und der Aufnahmekultur, auseinandersetzen. Sie sind zum einen mit den Erwartungen der Herkunftsgesellschaft und zum anderen mit denen der Aufnahmegesellschaft konfrontiert. Da diese unterschiedlich sind, haben sie auch oft andere Anforderungen. Diese können sich wiedersprechen und Migrantenkinder in einen Zwiespalt führen, da diese von ihnen gleichzeitig erfüllt werden müssen. Sie haben die Aufgabe, eine Antwort auf die auftauchende Frage nach dem „Wer bin ich?“ zu finden. Dieses stellt für sie eine große Herausforderung dar. Dieser Verlauf ist sehr sensibel und kann erhebliche Folgen für ihre Persönlichkeitsentwicklung und für das gesamtgesellschaftliche Leben haben. Die Auseinandersetzung mit beiden gesellschaftlichen Aspekten und Anforderungen kann dazu führen, dass Migrantenkinder in Konflikt mit sich selbst geraten. Zudem müssen sie diese Aufgabe in einer Zeit der Globalisierung erfüllen, in der wir leben. Sie müssen ihren eigenen Weg zwischen Pluralisierung und Individualisierung finden und ihre Identität konstruieren. Sie wachsen mit bzw. in zwei Kulturen auf, fühlen sich jedoch weder vollkommen der Aufnahmegesellschaft angehörig, noch können sie ganz nach ihrer herkömmlichen Kultur leben.

Die interreligiöse Erziehung in Kindertagesstätten kann ihnen auf dem Weg ihrer Persönlichkeitsbildung eine große Unterstützung sein. Die Identitätsbildung ist ein Prozess der nie abschließbar ist, wobei die Kinder von Anfang an mit Religiosität in Berührung kommen sollen, um ihre eigenen Identitäten entwickeln zu können. Sie sollen im Prozess ihrer Identitätsbildung durch interreligiöse Erziehung sich ihrer selbst bewusst werden. Hierbei hat die interreligiöse Erziehung die Aufgabe, den Kindern beim Prozess der Sinnorientierung zu helfen (vgl. Deiss-Niethammer 2006, S. 148).

Die Stärkung zu einer bewussten Zugehörigkeit zu einer Religion und hierbei die Offenheit anderen gegenüber soll durch interreligiöse Erziehung unterstützt werden (vgl. Harz 2001). Dies wäre die interreligiöse Antwort auf die Frage, wie den Migrantenkindern auf dem Weg zu ihrer eigenen Identitätsbildung in dieser Gespaltenheit zu helfen ist. Interreligiöse Erziehung kann dazu beitragen, dass Migrantenkinder ein inneres Gleichgewicht zwischen der Außenwelt und ihrer Innenwelt finden. Sie und ihre Familien benötigen sozialen und politischen Beistand. Implizite Erfahrungen und Möglichkeiten in Kindertagesstätten können positiv dazu beitragen. Für eine interreligiöse Erziehung ist eine offene und innovativ eingestellte Position der Menschen und insbesondere der pädagogischen Fachkräfte von großer Bedeutung. Durch interreligiöse Erziehung in pädagogischen Einrichtungen können Migrantenkinder wichtige Kompetenzen erwerben, um den Forderungen der Herkunftsgesellschaft und der Aufnahmegesellschaft gerecht zu werden und in diesen handlungsfähig zu sein.

Der interreligiöse Dialog gewinnt in unserer multikulturellen Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Um Vorurteile abzubauen, uns offen und respektvoll zu begegnen, kennen zu lernen und gemeinsame Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, ist eine interreligiöse/interkulturelle Erziehung schon in Kindertagesstätten notwendig. Sie kann einen wichtigen Beitrag zu einer harmonischen Atmosphäre im gesamtgesellschaftlichen Leben leisten und demzufolge können Konflikte die im alltäglichen Leben entstehen, verhindert werden. Zudem ist es ein Ausdruck des Respektes dem Gegenüber und ein Wertschätzen aller anderen Religionen.

„Religion ist, wenn man so will, ein Bestandteil der Geschichte der Kindertagesstätte und gehört zu ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag immer dazu.“ (Möller 2006, S. 20). Die religiöse Erziehung ist demnach ein Bestandteil der Kindertagesstätte und sollte in jeder umgesetzt werden. In den Kindertagesstätten sollen Kinder von Anfang an mit Religiosität in Berührung kommen, um ihre eigenen religiösen Identitäten zu entwickeln. Im Prozess ihrer Identitätsbildung sollen sie durch interreligiöse Erziehung ihrer selbst bewusst werden. Die interreligiöse Erziehung hat hierbei die Aufgabe, den Kindern beim Prozess der Sinnorientierung zu helfen (vgl. Deiss-Niethammer 2006, S. 148).

Zudem sind alle Kinder in ihrem Alltag mit Religion konfrontiert, stellen Fragen darüber und tragen diese mit sich.

„In der Konstruktion der eigenen Welt stellen Kinder die Grundfragen ihrer Weltorientierung. Sie stellen beispielsweise die Frage nach Anfang und Ende der Welt und des individuellen Lebens; sie stellen die Frage nach der Transzendenz jenseits der Todesgrenze. Eine Gestaltung des Bildungsprozesses muss deshalb gerade auf der elementaren Ebene die religiöse Dimension wahrnehmen und mit einbeziehen“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen 2004, S. 19).

Hieraus wird deutlich, dass Kinder sich mit dem Sinn des Lebens beschäftigen. Diese Tatsache betont die Notwendigkeit der interreligiösen Erziehung in allen Kindertagesstätten.

„Kinder stellen wichtige Fragen. Sie fragen nach sich und ihrer Identität, sie fragen nach Leben und Tod, nach dem Sinn des Ganzen und nach Schutz und Geborgenheit für sich selbst, sie stellen ethische Fragen und möchten etwas wissen über die kulturellen und religiösen Unterschiede, die sie erleben. Kinder brauchen auch in der Kindertagesstätte Erwachsene, die sie in ihrer Suche nach Orientierung und ihren Fragen nach Gott und der Welt begleiten“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen 2004, S. 29).

ErzieherInnen werden oft mit den Fragen der Kinder konfrontiert und sollten die Fähigkeit besitzen mit diesen umzugehen.

„Kinder bringen Religion in die Kindertagesstätte mit: das Geben in der Familie, den Tod des Haustieres, den Besuch bei den muslimischen Nachbarn. Religion kommt in der Lebenswelt der Kinder und im Alltag einer Kindertagesstätte immer schon vor. Von Erzieherinnen und Erziehern muss daher erwartet werden, dass sie hiermit sprach- und gestaltungsfähig sowie begründet umgehen können“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen 2004, S. 29).

Bei der Beantwortung, sind die Kinderfragen ernst zu nehmen und altersgerecht zu beantworten. „Auf die philosophischen und theologischen Fragen des Kindes ist sach- und altersgerecht einzugehen und genau wie in anderen Bereichen sind verantwortete Anregungen für die Beantwortung dieser Fragen zu geben“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen 2004, S. 19).

1.4 Fazit: Identitätsentwicklung als Kernaufgabe interreligiöser Erziehung

„Die Begegnung der Religion lebt vom Verständnis des anderen; Verstehen ist eine Reise in das Land eines anderen“ (Der Auftrag evangelischer Kindertageseinrichtungen S. 42-43). Die interreligiöse Erziehung unterstützt Menschen mit Verschiedenheiten zu verstehen und bietet eine wichtige Basis für eine friedliche und gemeinsame Zukunft. Kinder können hierbei Verschiedenheit und Gemeinsamkeiten wahrnehmen, akzeptieren, anerkennen und damit umgehen lernen. Dieser Ansicht ist auch Möller:

„Für eine erfolgreiche Integration der Kinder mit verschiedener religiöser Herkunft, sollen diese ihre religiöse Unterschiedlichkeit leben können, ohne dass sie als Störfaktor betrachtet werden. Sie sollten Elemente ihrer Traditionen in der Tageseinrichtung wieder finden können. Das trägt dazu bei, dass sie sich als angenommen und dazugehörige empfinden“ (Möller 2006, S. 18).

Wie diese religiöse Identität sich entwickelt, wird in der Religionspädagogik immer wieder zum Überlegungsgegenstand. Die Identitätsentwicklung ist ein offener, zerbrechlicher und fragmentarischer Prozess, welcher nie abschließbar ist. In Anbetracht dieses Prozesses wird in der Religionspädagogik darauf aufmerksam gemacht, dass eine Beheimatungsvorstellung in einer bestimmten religiösen Tradition an ihre Grenzen stößt. Bei einer religionspädagogischen Arbeit werden Kinder in ihrer eigenen Identitätsbildung begleitet, wobei auf ihre Fragen und Suchbewegungen, ihre Erfahrungen und Antworten eingegangen wird. Hieran ist der Versuch gebunden die eigenen religiösen Lebensbereiche zu erfahren, unterschiedliche Lebenswelten miteinander zu vermitteln und diese von außen betrachten zu können. Die pädagogischen Einrichtungen müssen der herrschenden multireligiösen Situation entsprechend, die Eröffnung von Erfahrungsräumen erlauben, wobei mit dem Ziel die aktuelle multikulturelle/multireligiöse Situation anzuerkennen, ein Experimentieren der unterschiedlichen Möglichkeiten stattfindet (vgl. Deiss-Niethammer 2006, S. 148-149).

Kinder stellen von sich aus religiöse Fragen, auch wenn sie zu Hause nicht mit Religion in Berührung kommen. Die Kinderfragen, wie „Wo komme ich her? Wo war ich, bevor ich auf der Welt war?“, sind eigentlich grundlegende philosophische Sinnfragen, welche seit der Menschheitsgeschichte vorhanden sind. Diese Fragen nach dem Sinn haben religiöse Wurzeln. Die Sehnsucht nach dem Sinn wird als etwas zutiefst Menschliches verstanden (vgl. Möller 2006, S. 18).

„Damit ist nicht gesagt, dass alle Menschen in gleicher Weise religiös sind; wohl aber, dass jeder Mensch so etwas wie eine „religiöse Antenne“ hat. Ob sich diese religiöse Anlage weiterentwickelt oder verkümmert, ob das Kind also ein religiöser Mensch wird oder nicht, das hängt nun entscheidend von der Umwelt ab, also von der Familie und den pädagogischen Einrichtungen“ (Möller 2006, S. 19).

Demzufolge ist es bei einer ganzheitlichen pädagogischen Arbeit notwendig, alle Dimensionen des Menschseins zu fördern. Hierzu gehört auch die religiöse Dimension. Aus diesem Grund gehört die religiöse Erziehung in die pädagogische Arbeit aller pädagogischen Einrichtungen unabhängig davon, ob sie eine kirchliche Einrichtung sind oder nicht Die Grundlage für Religion bildet die erste Beziehungserfahrung des Menschen, auf der religiöse Erfahrungen gemacht werden (vgl. Schweitzer 2005, S. 84).

2 Identität/Identitätsentwicklung

2.1 Identität

Um Identität näher zu erläutern, wird zunächst auf die allgemeine Definition des Identitätsbegriffs eingegangen.

Für den Begriff Identität bestehen mehrere Definitionen, wobei es auf den Kontext ankommt, in dem er genutzt wird. Das Wort Identität hat ihre Wurzeln in der Antike und stammt aus dem lateinischen Wort „idem“ = dasselbe. Ursprünglich bedeutet das Wort auf wesensgleiche Übereinstimmung, Gleichheit oder Artgleichheit (vgl. Walkenhorst 1999). Im Allgemeinen kann unter Identität ein umfassender Begriff für persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten, Ressourcen, und Besonderheiten verstanden werden. Zudem ist Identität die Gleichheit mit sich selbst, welche mit der ursprünglichen Begriffsdefinition übereinstimmt (vgl. Der Brockhaus 2002, S. 401). Da jeder Mensch einzigartig ist, sind seine Merkmale individuell verschieden und dienen zu seiner Identifizierung bzw. Unterscheidung. Zur Wortbedeutung von Identität gehören auch Begriffe wie Identifizieren und Identifikation, die als Synonym für Wiedererkennung und Übereinstimmung verwendet werden.

Zu den genannten Begriffen, welche kennzeichnend für die individuelle Persönlichkeit sind, wird Identität in der Entwicklungspsychologie wie folgt definiert: „Identität unterscheidet zwischen objektiv vorhandenen Merkmalen und dem subjektiven Bewusstsein dieser Merkmale.“ (Krenz 2007, S. 25). Schulte sieht diesbezüglich Ähnlichkeiten in der Identität und Kultur. „In ähnlicher Weise wie Kultur ist auch Identität als ein historisch- gesellschaftliches Phänomen und als ein dynamischer, in vielfältiger Weise bedingter, aber auch beeinflussbarer Prozess zu begreifen“ (Schulte 1990, S. 23).

Im Weiteren wird die Identität nach Erikson dargestellt und in Bezug auf das Arbeitsthema erläutert.

2.2 Identitätsentwicklung nach Erik H. Erikson

Es bestehen einige Ansätze zur Identitätsentwicklung, wovon der Ansatz Eriksons der Bekannteste ist. Erik Homburger Erikson wurde in der Nähe von Frankfurt im Jahr 1902 geboren, war Psychoanalytiker und Vertreter der Ich-Psychologie aus der Psychoanalyse. Er wird auch als „Neufreudianer“ bezeichnet, da er das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung von Freud weiterentwickelte. Er wurde unter anderem durch das Modell bekannt, in dem er die Entwicklung des Menschen von seiner Geburt bis zum Tod in acht Phasen gliederte. Hierbei beschreibt er entwicklungsspezifische Krisen, die ein Mensch in diesen acht Phasen durchläuft. Die Auseinandersetzung dieser Krisen prägt demnach den weiteren Entwicklungsverlauf (vgl. Bamler, Werner, Wustmann 2010, S. 42). Das Individuum befindet sich in einer ständigen Wechselwirkung mit sich und seiner Umgebung, wobei Interaktionen sowie Beziehungen eine elementare Rolle spielen.

„Das bewusste Gefühl, eine persönliche Identität zu besitzen, beruht auf zwei gleichzeitigen Beobachtungen: der unmittelbaren Wahrnehmung der eigenen Gleichheit und Kontinuität in der Zeit, und der damit verbundenen Wahrnehmung, dass auch andere diese Gleichheit und Kontinuität erkennen“ (Erikson 1991, S. 18).

Im Folgenden werden die Phasen nach Erikson genannt und die für diese Arbeit relevanten Phasen aufgeführt. Das Stufenmodell von Erikson basiert auf Freuds Dreiphasentheorie. Im Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung ist die menschliche Entwicklung in acht Phasen gegliedert:

1. Phase (1. Lebensjahr) – Urvertrauen vs. Urmissvertrauen
2. Phase (2 bis 3 Jahre) – Autonomie vs. Scham und Zweifel
3. Phase (4 bis 5 Jahre) – Initiative vs. Schuldgefühl
4. Phase (6 bis 13 Jahre) – Werksinn vs. Minderwertigkeit
5. Phase (13 bis 18 Jahre) – Identität vs. Identitätsdiffusion
6. Phase (19 bis 25 Jahre) – Intimität vs. Isolierung
7. Phase (26 bis 40 Jahre) – Generativität vs. Stagnation
8. Phase (ab 41 Jahre) – Integrität vs. Verzweiflung und Lebensekel (vgl. Erikson 1991)

Erik H. Erikson war der Überzeugung, dass der Mensch damit konfrontiert sei, zu jeder Entwicklungsphase, welche er durchläuft, eine bestimmte psychosoziale Krise zu bewältigen. Diese zentralen Krisen kommen in bestimmten Entwicklungsphasen zum Vorschein, welche jeweils nacheinander gelöst werden müssen, da sie sonst Folgen für die nächste haben. Zunächst geht es um die Entwicklung von körperlichen Eigenschaften von Kindern. Parallel dazu entwickelt sich auch das offene Verhalten zu anderen. Ihr Selbstkonzept verändert sich mit dem Alter. Im Gegensatz zu Älteren, können kleine Kinder ihre Fähigkeiten noch nicht einschätzen. Sie überschätzen diese Fähigkeiten aufgrund ihres positiven Selbstbildes. Durch ihre allgemeinen Fähigkeitsniveaus können ältere Kinder ihre Stärken und Schwächen realistischer einschätzen. Je älter die Kinder werden, umso komplexer, kontextabhängiger und abstrakter werden ihre Vorstellungen über sich selbst, wobei sie die Wahrnehmung von anderen erst mit der Zeit miteinbeziehen. Erst ab der späteren Adoleszenz und dem nachfolgenden frühen Erwachsenenalter, etablieren sich Selbstkonzepte bedeutender. Im mittleren Jugendalter setzen sie sich mit sich selbst auseinander und beschäftigen sich mit den quälenden Fragen „Wer bin ich“ und „was halten andere von mir?“. Erikson betont besonders die Phase der Adoleszenz, welche zwischen Identität und Rollendiffusion stattfindet. Dieser Prozess ist kreativ, wobei Jugendliche unterschiedliche Identitäten ausprobieren, um dadurch eigene Standpunkte in verschiedenen Bereichen wie Beruf, Sexualität und Ideologie zu entwickeln und sich mit ihren eigenen Fähigkeiten und den Erwartungen der Gesellschaft auseinandersetzen, um so eine eigene Ich-Identität zu erlangen. Dies macht einen Menschen in seinem weiteren Leben handlungsfähig, wobei die Art und Weise einer Identitätskonstruktion neben den Aspekten wie Familie und Kultur, von vielen weiteren Faktoren beeinflusst wird. Um die Phase der psychosozialen Krise zu überwältigen, benötigt das Individuum eine beidseitige Anerkennung von Gesellschaft und Individuum, wobei sich das Individuum als ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft wahrnimmt (vgl. Siegler, DeLoache, Eisenberg 2005, S. 618).

Bei einem Nicht-Lösen dieser elementaren Aufgabe, kommt es nach Erikson zu einer Identitätsdiffusion, wodurch das Lösen der anstehenden Phasen in Gefahr treten. Ein eigenes Identitätsgefühl bekommt das Kind, wenn es feststellt, dass es ein Individuum ist, der sich mit eigenen Gedanken und Erinnerungen von seiner Umwelt unterscheidet (vgl. Erikson 1991).

1. Ur-Vertrauen gegen Ur-Misstrauen (erstes Lebensjahr)

Jede Phase hat eine bestimmte Entwicklungsaufgabe. Bei dieser ersten Phase geht es um das Entwickeln eines Urvertrauens, welches mit der freudschen oralen Phase gleichzustellen ist und etwa das erste Lebensjahr umfasst. Das Urvertrauen ist elementar für eine gesunde Persönlichkeit und entwickelt sich durch das Sicherheitsgefühl des Kindes. Es muss sich auf die Mutter (Bezugsperson) verlassen können und sich in Sicherheit fühlen. Muss das Kind auf diese elementare Sicherheit verzichten, wird das Vertrauen verletzt und es entwickelt ein Ur-Misstrauen. Hieraus können Ängste wie verlassen zu werden, entstehen. Diese Entwicklungsphase wurde nach der Körperstelle ernannt, die den stärksten Bedarf nach physischer Befriedigung hat, die „orale Phase“ (vgl. Siegler, DeLoache, Eisenberg 2005, S. 476-477).

Diese erste Phase kann die Grundlage für religiöse Erziehung bilden. Das Urvertrauen, welches für die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit und das Sicherheitsgefühl des Kindes elementar ist, bildet sich durch die Wärme, Liebe, Nähe und den Schutz der Mutter (Bindungsperson) heraus. Dieses Ur-Vertrauen kann auch die Grundlage zur Bindung zu Gott sein. „Mit den Begriffen Grundvertrauen und Identität hat Erikson das psychologische und (religions-) pädagogische Denken nachhaltig beeinflusst“ (Schweitzer 2010, S. 60). Eine gesunde Bindung zu Gott kann das Gefühl geben, durch seinen Schutz überall in Sicherheit zu sein. „Gibt es in dieser Welt eine Liebe, auf die ich mich letztlich verlassen kann, oder gibt es sie nicht?“ (Schweitzer 2005, S. 15). Nach Schweitzer stellt sich das Kind diese Frage, worauf es durch die religiöse Erziehung die Gottesliebe, als Antwort erfahren kann.

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Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Interreligiöse Erziehung in der Kindertagesstätte als Beitrag zur Identitätsentwicklung bei Kindern mit Migrationshintergrund
Jahr
2011
Seiten
72
Katalognummer
V319353
ISBN (eBook)
9783668185883
ISBN (Buch)
9783668185890
Dateigröße
592 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
interreligiöse, erziehung, kindertagesstätte, beitrag, identitätsentwicklung, kindern, migrationshintergrund
Arbeit zitieren
Anonym, 2011, Interreligiöse Erziehung in der Kindertagesstätte als Beitrag zur Identitätsentwicklung bei Kindern mit Migrationshintergrund, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319353

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