Kultivierung durch das Fernsehen? Wie Arzt- und Krankenhausserien das Weltbild ihrer Rezipienten beeinflussen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

19 Seiten, Note: 1,0

Lara Küpper (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Grundlagen der Arzt- und Krankenhausserie
2.1.1 Definition der Arzt- und Krankenhausserie
2.1.2 Entwicklung der Arzt- und Krankenhausserie
2.1.3 Darstellung des Gesundheitswesens in Arzt- und Krankenhausserien
2.2 Die Kultivierungshypothese

3 Kultivierung durch Arzt- und Krankenhausserien

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Trotz der andauernden Diskussionen um das unterfinanzierte Gesundheitssystem, Krankenkassenbeiträge, den Ärztemangel und lange Wartezeiten genießt das deutsche Gesundheitssystem weiterhin ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. So fand das Institut für Demoskopie Allensbach heraus, dass der Arztberuf von 82% der Deutschen am meisten geschätzt wird (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011a: 2). Außerdem sind 72% der Bundesbürger mit der medizinischen Versorgung in Deutschland durchaus zufrieden (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2011b: 4). Sie schätzen die Leistungsfähigkeit und die Qualität des Gesundheitssystems sehr hoch ein, blicken allerdings der zukünftigen Entwicklung des Gesundheitssektors skeptisch entgegen(vgl. ebd.). Sie befürchtet geringere Leistungen, aber gleichzeitig höhere Kosten (vgl. ebd.: 13f.).

Zwar wird der Qualität der medizinischen Versorgung und der Kompetenz der Ärzte weitestgehend vertraut, aber im zwischenmenschlichen Bereich sehen die Patienten bereits heute große Defizite. Demzufolge kritisieren die Menschen, dass Ärzte sich zu wenig Zeit für einzelne Patienten nehmen und auf subjektive Bedürfnisse und individuelle Anliegen nur mangelhaft eingehen (vgl. Roßmann 2002: 38). Dabei erwartet die Bevölkerung von Ärzten außer ihrer fachlichen Kompetenz und Erfahrung vor allem Vertrauenswürdigkeit, Einfühlungsvermögen, Zugänglichkeit und eine individuelle Behandlung (vgl. Donsbach 2003: 174). Um derartige sozial- kommunikative Aspekte angemessen beherzigen zu können, müssen sich Ärzte allerdings viel Zeit für die Menschen nehmen. Jedoch ist die Versorgung des einzelnen Patienten scheinbar nicht mehr das Maß der Dinge. Denn das Sozialgesetzbuch schreibt vor, dass medizinische Leistungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein müssen und „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ dürfen (Bundesministerium für Justiz).

Hinzu kommt, dass Ärzte in Deutschland aufgrund des medizinischen Fortschritts und der daraus resultierenden Alterung der Gesellschaft ohnehin zunehmend überlastet sind und es ihnen an Zeit und finanziellem Budget mangelt (vgl. Roßmann 2003: 497). Offensichtlich sind es folglich vor allem die Patienten, die unter den beschriebenen Entwicklungen leiden müssen. Wieso ist also das nsehen der „Halbgötter in Weiß“ (Krüger-Brand 2003) nach wie vor ungebrochen? Constanze Roßmann erklärt sich dieses ungetrübt positive Image dadurch, dass das Bild des Arztes nicht nur durch eigene Erfahrungen (Primärerfahrungen), sondern in hohem Maße auch durch die Medien geprägt wird (vgl. Roßmann 2003: 497). Vor allem das Fernsehen mit seinem potenziell zwanghaften Charakter, seinem Stellenwert als Leitmedium und der hohen Genre- und Themen- Vielfalt muss hierbei beachtet werden (vgl. Witzel 2007: 15ff.). Denn schon längst gehört das Fernsehen zum Alltag der meisten Menschen und wird von drei Viertel der Deutschen täglich eingeschaltet(vgl. Statistisches Bundesamt 2006: 524). Wie Witzel feststellt, kann sich demgemäß kaum ein Patient mehr der medialen Erfahrung verschließen (vgl. Witzel 2007: 12). Primärerfahrungen werden zunehmend durch mediale Erfahrungen ersetzt und der Arztbesuch ist durch eine Fülle von Vorinformationen und vorgeprägten Erwartungen durch den Patienten gekennzeichnet (vgl. ebd.: 11ff.). Zwangsläufig messen diese nun die tatsächlich erfahrene Wirklichkeit an der in den Medien dargestellten Realität (vgl. ebd.: 12f.). Insbesondere fiktionale Fernsehsendungen, wie Arzt- und Krankenhausserien bieten den Zuschauern dabei die Möglichkeit, ihre eigenen Realitätserfahrungen mit denen der medial dargestellten Personen abzugleichen (vgl. ebd.: 31).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Fernsehen beim Rezipienten verzerrte Realitätsvorstellungen erzeugen kann und somit bei der Ausformung des Weltbildes der Zuschauer eine wichtige Rolle spielt. Im Kontext seiner Kultivierungshypothese fand der Medienwissenschaftler Gerbner dabei heraus, dass Menschen, die viel fernsehen, die Welt eher so sehen wie sie im Fernsehen vermittelt wird (vgl. Gerbner/Gross 1976).

Folglich kann vermutet werden, dass auch die Rezeption von Arzt- und Krankenhausserien einen Kultivierungseffekt erzeugt und dass Menschen, die viele dieser Sendungen sehen, die medizinische Realität eher so wahrnehmen, wie sie im Fernsehen präsentiert wird. Inwieweit Arzt- und Krankenhausserien nun zur Kultivierung des Images von Ärzten und dem Gesundheitssystem beitragen, möchte ich in dieser Arbeit ausführen. Insbesondere möchte ich dabei darauf eingehen, welchen Einfluss diese Kultivierung auf die Erwartungen von Patienten und deren Zufriedenheit mit Dienstleistungen des Gesundheitssystems hat. Dafür werde ich zunächst die theoretischen Grundlagen erläutern und den Begriff der Serie bzw. der Arztserie genauer bestimmen. Anschließend werde ich die historische Entwicklung und die Darstellung des Gesundheitswesens in Arzt- und Krankenhausserien darlegen und daraufhin die Kultivierungshypothese tiefergehend beschreiben. Im Anschluss werde ich die wichtigsten Ergebnisse von bisherigen Forschungsprojekten bezüglich des Einflusses von Arzt- und Krankenhausserien auf die Einstellungen ihrer Rezipienten beschreiben und schließlich erläutern, welche Folgen diese Beeinflussung für die Gesellschaft hat.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Grundlagen der Arzt- und Krankenhausserie

2.1.1 Definition der Arzt- und Krankenhausserie

In der Literatur wird der Begriff der Serie sehr unterschiedlich verwendet. Hickethier meint mit der Fernsehserie „in erster Linie eine fiktionale Produktion, die auf Fortsetzung hin konzipiert und produziert wird, die aber zwischen ihren einzelnen Teilen verschiedene Verknüpfungsformen aufweist“ (Hickethier 1991: 8)͘ Er erkennt aber auch, dass dem Begriff der Serie je nach gesellschaftlichem Konsens verschiedene Bedeutungen zugewiesen werden und erklärt: „Serie ist, was als Serie verstanden wird͘“ (ebd.: 9).

Serien folgen dem Prinzip der Mehrteiligkeit und bilden Ketten von Einzelfolgen, indem sie in unterschiedlicher Weise Anknüpfungen an vorangegangene Folgen herstellen und Anknüpfungspunkte für nachfolgende Einheiten bieten (vgl. ebd.: 8f.). Dabei werden Serien mit abgeschlossenen Folgenhandlungen von solchen mit aufeinander aufbauenden Folgenhandlungen unterschieden (vgl. Boll 1994: 45). Letztere können eine weit verzweigte Geschichte entweder nach einiger Zeit zum Ende bringen oder sie steuern nie auf einen Abschluss hin und werden solange produziert, wie sie erfolgreich sind (vgl. ebd.).

Der Reiz von Fernsehserien liegt unter anderem darin, dass eine Serienfolge zeitlich begrenzt ist und dass sie regelmäßig zur gleichen Zeit ausgestrahlt wird (vgl. Hickethier 1991: 30). Insbesondere die kurze Dauer ermöglicht es den Zuschauern, eine Serie in den eigenen Alltag zu integrieren und erleichtert somit die Konsumierbarkeit (vgl. ebd.: 10).

Boll bezeichnet die Fernsehserie als Gattung und ihre verschiedenen Ausprägungen jeweils als Genre (vgl. Boll 1994: 48). Die Arztserie als Genre ordnet Boll der Gattung Familienserie zu (vgl. ebd.). Trotz vielfältiger unterschiedlicher Varianten weisen demzufolge alle Arztserien, hinsichtlich des räumlichen und zeitlichen Bezugs ihres Inhalts, gemeinsame Merkmale auf (vgl. Witzel 2007: 28). Arzt- und Krankenhausserien können allerdings immer auch Elemente eines anderen Genres aufweisen (vgl. ebd.: 30).

Roßmann definiert die Arztserie „als Oberbegriff für solche Serien in denen einer oder mehrere der Hauptprotagonisten dem Berufsstand der Ärzte oder des Pflegepersonals zuzuordnen sind, deren dominanter räumlicher Handlungsrahmen eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus ist, und die in der Regel die folgenden Handlungsschwerpunkte aufweisen: Im Vordergrund steht der Arbeitsalltag einer Praxis oder eines Krankenhauses, die Krankheiten der Patienten und Konflikte des Personals, deren Heilung und Lösung. Private Probleme von Patienten spielen dabei eine ebenso große Rolle wie die persönlichen Probleme des medizinischen Personals.“ (Roßmann 2002: 14).

Dabei ist es üblich, dass mehrere Ereignisse abwechselnd aneinandergereiht werden und somit mehrere Erzählungen parallel stattfinden. Dadurch werden die einzelnen Ereignisse in Beziehung zueinander gesetzt und es entsteht der Eindruck der Gleichzeitigkeit (vgl. Boll 1994: 76).

2.1.2 Entwicklung der Arzt- und Krankenhausserie

Als wichtigster Wegbereiter für die Arztserie gilt der Arztroman, der in Illustrierten abgedruckt und am Kiosk verkauft wurde und der, trotz Kritik, noch immer als Begleitliteratur zusätzlich zum Fernsehprogramm angeboten wird. (vgl. Rosenstein zit. nach Roßmann 2002: 14). Zu Beginn der Geschichte der Arztserien im deutschen Fernsehen wurden fast ausschließlich amerikanische Serien importiert. Dr. Kildare war die erste Arztserie, die in Deutschland ausgestrahlt wurde. Sie startete 1964 und wurde in den USA produziert (vgl. Roßmann 2002: 15). Die erste in Deutschland produzierte Arztserie startete 1967. Landarzt Dr. Brock orientierte sich dabei weniger an amerikanischen Vorbildern, sondern vielmehr am deutschen Heimatfilm. Die Serie vereinigte Heimat, Familie und Arzt und gilt deswegen noch immer als Prototyp der deutschen Arztserie (vgl. ebd.: 15f.). Ein Jahr später folgte dann die erste deutsche Krankenhausserie Hafenkrankenhaus. Beide Sendungen ließen jedoch die realistische Darstellung medizinischer Probleme vermissen und zeigten eine deutliche „Heile-Welt-Tendenz“ (ebd.: 16). In den folgenden Jahren wurde also immer mehr versucht, mehr Realitätsnähe und Sozialkritik in die Arztserien einzubringen. Trotzdem sollte aber nicht auf die Heimatfilm-Idylle verzichtet werden. Die Serien sollten nach dem Motto „so viel Wirklichkeit wie nötig, soviel Traumwelt wie möglich“ (Schradi 1986: 56) gestaltet werden. Diesen Forderungen wurde ab Oktober 1985 in der Serie Die Schwarzwaldklinik nachgegangen, die infolgedessen zum Quotenhit wurde und zu den erfolgreichsten Unterhaltungsserien Deutschlands zählt (vgl. Ruf 2010).

Mit der Einführung des dualen Rundfunksystems im Jahr 1984 stieg die Anzahl der Fernsehprogramme rapide an und auch das Angebot an Arzt- und Krankenhausserien wurde enorm vervielfacht (vgl. Roßmann 2002: 17). Während die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hauptsächlich eigens produzierte Serien ausstrahlten, importierten die privaten Sender zunächst aus anderen Ländern. Erst am Anfang der 90er Jahre wurden auch im Privatfernsehen Eigenproduktionen, wie Der Bergdoktor ausgestrahlt (vgl. Witzel 2007: 34). Dabei wurden unter anderem auch einige amerikanische Serien, wie Emergency Room oder Chicago Hope nachgeahmt, um den Forderungen nach Realitätsnähe und Authentizität gerecht zu werden (vgl. Roßmann 2002: 17f.).

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kultivierung durch das Fernsehen? Wie Arzt- und Krankenhausserien das Weltbild ihrer Rezipienten beeinflussen
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V319267
ISBN (eBook)
9783668184251
ISBN (Buch)
9783668184268
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kultivierung, fernsehen, arzt-, krankenhausserien, weltbild, rezipienten
Arbeit zitieren
Lara Küpper (Autor:in), 2012, Kultivierung durch das Fernsehen? Wie Arzt- und Krankenhausserien das Weltbild ihrer Rezipienten beeinflussen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319267

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