Ganztagsbildung. Eine geeignete Maßnahme zur Verhütung von Schulverweigerung bei Risikoschülern?


Hausarbeit, 2013

15 Seiten, Note: 2,7

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung ... 1

2. Hauptteil ... 2
2.1 Definitionen ... 3
2.1.1 Ganztagsbildung ... 3
2.1.2 Risikoschüler ... 4
2.1.3 Schulverweigerung ... 5
2.2. Empirische Befunde ... 5
2.3 Merkmale von Ganztagsschulen und deren Auswirkungen auf Risikoschüler ... 9

3. Fazit ... 11

4. Literaturverzeichnis ... 12

1. Einleitung

Die Begriffe „Ganztagsbildung“ und „Ganztagsschule“ finden seit Mitte der 90er Jahre gehäuft in der Jugendkriminalitätsforschung, sowie in der Heil- und Sonderpädagogik Verwendung. Verstärkte Diskussion erfahren die Begriffe insbesondere seit den mit den PISA-Studien einhergegangenen Reformbemühungen um das deutsche Bildungssystem seit Beginn des 21. Jahrhunderts bis heute. Denn gemäß PISA liegt das Leistungsniveau der deutschen Schülerinnen und Schüler1 im Jahr 2000 deutlich unter dem Durchschnitt der Industrieländer. Weiterhin belegt PISA, dass unser Bildungssystem hochgradig sozial ungerecht ist und in keinem anderen vergleichbaren Land die soziale Herkunft so sehr über den Bildungserfolg von Kindern entscheidet. Auch bei der Integration und Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund liegt Deutschland auf den letzten Plätzen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung).2

Aus PISA 2000 geht außerdem hervor, dass europäische Nachbarländer mit Ganztagsschulangeboten, wie Frankreich und Großbritannien, erheblich besser abschneiden. Ein Bildungsnotstand in Deutschland, der auf Entwicklungsprobleme des Schulsystems, der Schulen und des Unterrichts hinweist, wurde offensichtlich. Um die Qualität von Bildung, die Rahmenbedingungen an Schulen und damit die Zukunft der Kinder nachhaltig zu verbessern, strebt die Bundesregierung ab dem Jahr 2003 enorme Reformbemühungen. Durch eine Umstrukturierung der Schulen hin zu Ganztagsschulen, gefördert durch das Investitionsprogramm Zukunft Bildung und Betreuung ab 2003, verspricht sich die Bundesregierung unter Gerhard Schröder, das deutsche Bildungssystem auf einen Kurs europäischer Konkurrenzfähigkeit zu bringen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2004).3 Das Konzept der Ganztagsschule findet in Deutschland jedoch nicht erst seit 2003 Beachtung, sondern wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Reformpädagogen vertreten und führte 1904 schließlich zur Gründung der ersten Ganztagsschule in Deutschland, der Waldschule in Charlottenburg. Das Konzept Ganztagsschule strebt damals wie heute keine reine Stundenvermehrung an, sondern Inhalte wie Jugendpflege, Sozialpädagogik, Mittagessen und Mittagsruhe, Sport und Spiel, Werkstatt, Labor und Bibliothek sowie Förderung der Schülerinitiative und soll die Institution Schule zu einem Ort jugendgemäßen Lebens und Arbeitens machen (vgl. Augsburg, 2005).

Aber welches Klientel profitiert von den Rahmenbedingungen der Ganztagsschule? Vor PISA und den aktuellen Bildungsreformen wurden die Begrifflichkeiten Ganztagsschule und Ganztagsbildung im Kontext leistungsschwacher, unterrichtsmüder, delinquenter und schulschwänzender Schüler diskutiert. Seit PISA werden die Begrifflichkeiten zunehmend auf schulische Leistungsdefizite fokussiert und jene leistungsschwachen Schüler werden in diversen PISA Auswertungen als „Risikoschüler“ bezeichnet (vgl. ebd. und Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 2002, S.10). Das angespannte Verhältnis unterrichtsmüder und delinquenter Schüler sowie Schulabsentisten zur Institution Schule wirkt sich in der Regel negativ auf Lernleistungen und den Lernstand der Schüler aus, so dass diese auch aus PISA-Perspektive zu der Gruppe der Risikoschüler zählen, die vom Ganztagsschulkonzept profitieren sollen. Im Kontext des Wandels unserer Gesellschaft wachsen Kinder und Jugendliche heutzutage unter veränderten Lebensbedingungen und mitunter vernachlässigt auf. Das Wohnumfeld von Kindern und Jugendlichen verändert sich und bietet nur noch geringen Raum für Erfahrungen, die Berufstätigkeit von Frauen hat stark zugenommen, häufig sind beide Elternteile berufstätig und nicht selten wachsen Kinder mit nur einem Elternteil auf und sind größtenteils alleine zu Hause (Appel & Rutz, 2003, S.24ff). Dies sind Umstände, die der sozialen, emotionalen, aber auch geistigen Entwicklung von Schülern hemmend entgegenstehen und den Schulerfolg gefährden. Folglich zählen auch diese Kinder und Jugendlichen zur Gruppe der Risikoschüler. Die Klientel für den Besuch von Ganztagsschulen ist folglich mannigfaltig. Aber wie kann das Konzept Ganztagsschule diesen Schülern konkret helfen Entwicklungs- und Lernbarrieren zu überwinden? Diese Frage wird in den folgenden Kapiteln geklärt.

2. Hauptteil

Die Termini schulische Ganztagsbildung, Risiko- und Problemschüler sowie Schulverweigerung ziehen sich durch diese Hausarbeit, weshalb deren Bedeutung im Kontext der Fördermöglichkeiten von Risikoschülern durch das Ganztagsangebot definiert wird. Anschließend wird die Relevanz der Förderung von Risikoschülern empirisch untersucht. Zudem werden durch empirische Untersuchungen Trends bezüglich der Abnahme an Risikoschülern aufgezeigt und der Beitrag der Ganztagsschule hierzu empirisch gestützt. Anschließend wird exemplarisch dargelegt, wie Risikoschüler vom Ganztagsschulkonzept profitieren.

2.1 Definitionen

Um die Fragestellung nach der Präventivwirkung von Ganztagsschulmodellen bezüglich Schulverweigerung klären zu können, sollen zunächst wesentliche Begrifflichkeiten erläutert werden.

2.1.1 Ganztagsbildung

Ein Konzept für Ganztagsbildung wurde in Deutschland bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Reformpädagogen vertreten. Damals wie heute strebt man keine reine Stundenvermehrung an, sondern Inhalte wie Jugendpflege, Sozialpädagogik, Mittagessen und Mittagsruhe, Sport und Spiel, Werkstatt, Labor und Bibliothek, Förderung der Schülerinitiative, mit dem Ziel die Institution Schule zu einem Ort jugendgemäßen Lebens und Arbeitens zu gestalten. Doch durch den zweiten Weltkrieg geriet dieser Bildungsschatz in Vergessenheit. Im Zuge der reformpädagogischen Bewegung der 50er Jahre wurde die Idee der Ganztagsbildung wiederentdeckt und der Ganztagsschulverband in Frankfurt am Main gegründet. Bis zur PISA-Studie aus dem Jahr 2000 gab es nur vereinzelt Ganztagsschulen. Im Jahr 2003 wird das Ganztagsschulkonzept bundesweit von der Bundesregierung unterstützt und bis heute vorangetrieben, um dessen Chancen zur Behebung von Lernstandsdefiziten und deren Ursprüngen zu nutzen (vgl. Augsburg, 2005).

Bildungspolitisch wurde der Ganztagsschulbegriff durch die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) im Oktober 2003 neu definiert. Danach sind Ganztagsschulen Schulen im Primar- oder Sekundarbereich I, die wöchentlich an mindestens drei Tagen ein ganztägiges Angebot offerieren, welches täglich mindestens sieben Zeitstunden umfasst. Formen der Ganztagsschule in voll gebundener, teilweise gebundener, halboffener oder offener Form haben gemeinsam, dass an allen Tagen des Ganztagsbetriebs ein Mittagessen bereitgestellt wird und dass die Organisation aller Angebote durch die Schule oder in enger Kooperation mit der Schule erfolgt (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2008, S.4f).

Ganztagsschulen werden unterschieden in offene Ganztagsschulen und gebundene Ganztagsschulen. Merkmale von offenen Ganztagsschulen sind eine freiwillige Teilnahme am Ganztagsangebot, verbunden mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot in der Schule an mindestens drei Wochentagen im Umfang von täglich mindestens sieben Zeitstunden. In voll gebundenen Ganztagsschulen sind alle Schülerinnen und Schüler verpflichtet, an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen (vgl. ebd., S.5). Offene Ganztagsschulen finden in Hessen höhere Verbreitung als geschlossene Ganztagsschulen (vgl. Bertelsmann Stiftung (Hrsg), 2012, S.29ff). Offene Ganztagsschulen bieten üblicherweise Kursangebote an, in die sich Schüler verschiedener Klassenstufen einwählen können, während gebundene Ganztagsschulen üblicherweise im geschlossenen Klassenverbund unterrichten und das Ganztagsangebot von der Lehrkraft bestimmt wird (vgl. Wrohlich, 2008, S. 90–97). Die offenen Ganztagsschulen berücksichtigen durch die Freiwilligkeit der Teilnahme am Ganztagesprogramm und durch die Wählbarkeit der Ganztagesangebote stark individuelle Schülerbedürfnisse.

2.1.2 Risikoschüler

Eine allgemeine Definition des Begriffs Risikoschüler ist sehr schwierig. In der diagnostischen Pädagogik sind Risikoschüler die Lernenden, die eine Teilleistungsstörung aufweisen, also mit zwei Standardabweichungen unter dem Durchschnitt in einem Teilleistungsbereich abschneiden. Das Verständnis von Risikoschülern in den PISA-Studien beruht ebenfalls auf unterdurchschnittlichen Leistungen in einem Teilleistungsbereich (vgl. Rösner, 2007, S.128ff). Die Gefahr der Begrifflichkeit liegt jedoch darin, dass sie Lernende mit Defiziten in einem einzigen Teilleistungsbereich zu Risikoschülern stigmatisiert.

Nimmt man an, dass die von Olga Graumann definierten Problemkinder die gleiche Gruppe von Schülern darstellen, so ist es dennoch nicht möglich eine einzige Definition zu finden. Dies liegt an der Tatsache, dass die Definition von vielen individuellen und subjektiven Aspekten und Sichtweisen abhängig ist. Um dennoch zu klären, was Problemkinder oder Risikoschüler sind, muss man sich gemäß Olga Graumann folgende Fragen stellen: „Wer hat das Problem, wie schwerwiegend ist das Problem? Wo und wann zeigt sich das Problem, wodurch wird das Problem ausgelöst, welche Ursachen kommen in Frage, welche Lösungen bzw. Interventionen sind denkbar bzw. durchführbar?“ (Olga Graumann, S.13ff). Die Vielzahl der Fragemöglichkeiten lässt erahnen, wie groß die Vielzahl der Schülerprobleme ist und welche verschiedenen Problemkinder es gibt. Man kann festhalten, dass Problemkind nicht gleich Problemkind ist und dass das eigentliche Problem nicht zwingend im Kind, sondern im System Schule begründet sein kann. In diesem Kontext birgt die Begrifflichkeit Problemschüler eine stigmatisierende Komponente. Denn unabhängig davon, ob Probleme in der Institution Schule oder dem Schüler begründet sind, schreibt der Begriff Problemschüler dem Schüler das Problem zu.

Im Kontext dieser Hausarbeit zählen alle Schüler, die mit dem System Schule anecken, zu der Gruppe der Problemschüler. Allerdings muss die Begrifflichkeit gemäß Olga Graumann differenziert verstanden werden auf der Basis eines analysierenden anstatt eines stigmatisierenden Problemschülerbegriffs. Der Fokus hierbei muss auf dem Ergründen und Beheben von Problemen liegen und nicht auf Schuldzuweisungen oder -abweisungen.

2.1.3 Schulverweigerung

Ricking unterscheidet bezüglich schulverweigernden Verhaltens zwischen Schulabsentismus, Unterrichtsverweigerung und Zurückhaltung. Schulangst und Schulphobie werden als weitere Formen von Schulverweigerung genannt. Bei Schulabsentismus äußert sich das schulaversive Verhalten durch physische Absenz von Schule und Unterricht aus einem gesetzlich nicht vorgegebenen Grund. Bei Unterrichtsverweigerung äußert sich schulaversives Verhalten beim Individuum durch Unaufmerksamkeit, häufige Unterrichtsstörrungen und gezielte Provokationen von Lehrkräften und anderen Schülern. Bei Zürückhaltung des Individuums äußert sich das schulaversive Verhalten durch ausbleibende Teilnahme am Unterrichtsgeschehen, insbesondere durch mangelnde mündliche Mitarbeit (vgl. Ricking, 2006, S.28). Schulabsentisten fallen Kriminologen durch delinquentes Verhalten auf, wobei ein direkter Zusammenhang zwischen schulabsentem und kriminellem Verhalten belegt ist. Dies bedeutet, dass Schulschwänzerkarrieren für viele Schüler in kriminelle Karrieren münden (vgl. Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein (Hrsg.), 2011, S.20f).

[...]


[1] Der Einfachheit halber wird im folgenden Text die Schreibweise „Schüler“ verwendet

[2] http://www.bmbf.de/de/1076.php (Stand: 09. 11.2013.)

[3] Von der Einführung ganztägiger Betreuungssysteme erhofft man sich eine bessere Bildung der Schüler und Schülerinnen. Sie soll die Möglichkeit einer individuelleren Förderung jedes einzelnen bieten sowie für eine sinnvollere Freizeitbeschäftigung der Schüler und Schülerinnen sorgen (Appel & Rutz, 2003, S.22ff).

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Ganztagsbildung. Eine geeignete Maßnahme zur Verhütung von Schulverweigerung bei Risikoschülern?
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Schulverweigerung: Zum Verhältnis von Jugend und Schule
Note
2,7
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V319213
ISBN (eBook)
9783668183360
ISBN (Buch)
9783668183377
Dateigröße
741 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ganztagsbildung, eine, maßnahme, verhütung, schulverweigerung, risikoschülern
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Ganztagsbildung. Eine geeignete Maßnahme zur Verhütung von Schulverweigerung bei Risikoschülern?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319213

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