Historischer Verlauf und aktueller Stand der Aphasieforschung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

22 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition von Aphasie
2.1. Definition aus funktionalistischer Sicht
2.2. Definition aus medizinischer Sicht
2.3. Definition aus sprachwissenschaftlicher Sicht

3. Epidemiologie

4. Pathologischer Befund
4.1. Sprache im Gehirn
4.1.1. Entstehung von Sprache im Gehirn
4.1.2. Lokalisation der Sprache im Gehirn
4.2. Klassifizierung und Symptome der Aphasie
4.2.1. Klassifizierung und Symptome nach dem Aachener Aphasie Test(AAT)
4.2.2. Weltweit gültige Klassifikation nach ICD-10 (WHO2011)
4.2.3. Mögliche Begleiterscheinungen

5. Behandlung von Aphasien
5.1. Gängige Therapieansätze
5.1.1. Sprach-Sprechtherapie
5.1.2. Musiktherapie
5.1.3. Therapie am PC mit Lernprogrammen
5.1.4. Therapeutische Tele-Therapie
5.1.5. Selbsthilfegruppen

6. Historische Wandlung des Aphasiebegriffes
6.1. Antike
6.2. Mittelalter und Renaissance
6.3. 19. Jahrhundert
6.4. 20. Jahrhundert bis zum zweiten Weltkrieg
6.5. Nachkriegszeit
6.6. Aktuelle Entwicklungen
6.6.1. Medizinische Aphasiologie
6.6.2. Die linguistische Aphasiologie
6.6.3. Neuropsychologische Aphasiologie
6.6.4. Pragmatische Aphasiologie

7. Bewertung und Ausblick

8. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Das Seminar „Neuropsychologische Grundlagen der Sprachheilpädagogik“ im Wintersemester 2010/2011 unter der Leitung von Prof. Dr. Franz J. Stachowiak hat sich unteranderem mit Aphasien, deren Definition, Erscheinungsbild, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten beschäftigt und neugierig gestimmt. Gesteigert wurde diese Neugierde im Gespräch mit dem Dozenten, sowie bei der Sichtung einer Studie über Aphasie anhand des Aachener Aphasie Tests (AAT). Im Zuge dieser Neugierde ist die vorliegende Hausarbeit entstanden, deren Ziel es ist, die historische Entwicklung des Aphasiebegriffes zu erschließen, sowie die Erkenntnisse aus dem Seminar zu vertiefen und gegebenenfalls zu ergänzen. Jedoch erhebt diese Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist darauf beschränkt, einen breiten Überblick zu den wesentlichen Entwicklungen, Hintergründen und Forschungserkenntnissen der Aphasie zu vermitteln.

Zunächst soll auf die Bedeutung von Aphasie aus verschiedenen Perspektiven eingegangen werden, da das Krankheitsbild der Aphasie kein rein sprachheilpädagogisches Problem ist, sondern auch Mediziner, Psychologen, sowie Sprach- und Sozialwissenschaftler beschäftigt. Die heutige Alltagsrelevanz des Themas wird in der Epidemiologie verdeutlich. Um ein Verständnis von Sprachschädigung und deren Hintergründe bei Aphasien zu vermitteln, werden die Funktion und Lokalisation von Sprache im Gehirn, sowie Symptomatik, Klassifikation und Behandlungsmöglichkeiten von Aphasie thematisiert. Anschließend wird die historische Wandlung des Begriffes erörtert, um den Forschungsverlauf zu verdeutlichen und tiefere Einblicke in die Aphasiologie zu gewähren. Abschließend folgt eine Bewertung der Thematik mit nachgeschaltetem Ausblick.

2. Definition von Aphasie

2.1. Definition aus funktionalistischer Sicht

Günter Wirth und Martin Ptok unterscheiden zwischen Aphasie und Dysphasie. „Völliger (Aphasie) oder teilweiser (Dysphasie) Verlust der schon vorhandenen Fähigkeit, sprachliche Informationen zu geben oder zu verstehen, trotz intakter Sprech- und Hörorgane, infolge eines hirnorganischen Prozesses“ (568). Weiterhin betonen Wirth und Ptok, dass es sich bei der Aphasie sowohl um ein neurologisches als auch ein psychologisches Problem, also ein neuropsychologisches Problem, handelt.

2.2. Definition aus medizinischer Sicht

In der Gale Encyclopedia of Medicine wird ergänzend erwähnt, dass dieser Verlust durch eine Hirnschädigung in Folge einer Mangelversorgung des Gehirns mit Sauerstoff durch einen Schlaganfall,durch ein Schädel-Hirntrauma in Folge eines Unfalles, durch die alzheimersche Krankheit, eine virale oder bakterielle Infektion wie Encephalitis oder auch einem Hirntumor hervorgerufen werden kann.Eine Aphasie kann temporär und permanent auftreten und schließt muskelbedingte Sprechstörungen aus. Um die Vorgänge der Aphasie verstehen zu können, ist es sinnvoll sich zunächst ein Bild von den Hirnvorgängen bei sprachlicher Aktivität zu machen (vgl. The Free Dictionary by Farlex 2008[1] ).

2.3. Definition aus sprachwissenschaftlicher Sicht

Huber, Poek und Weniger bezeichnen Aphasien als Sprachstörungen, die linguistisch als Beeinträchtigungen in den verschiedenen Komponenten des Sprachsystems, nämlich Phonologie, Lexikon, Syntax und Semantik, auftreten (vgl.

3. Epidemiologie

Als häufigste Ursache für eine Aphasie gilt ein Schlaganfall. Etwa jährlich 250.000 Menschen erleiden in Deutschland einen Schlaganfall. Im Jahr 2006 stellte das Statistische Bundesamt 65.133 Todesfälle durch Schlaganfälle fest. Dies entspricht einem Anteil von 7,9% aller Todesfälle. Somit gehört der Schlaganfall in Deutschland zu den häufigsten Erkrankungen und ist die dritthäufigste Todesursache. Darüber hinaus zählt der Schlaganfall zu den häufigsten Ursachen für eine dauerhafte Behinderung. Diese Fakten verdeutlichen die Alltagsrelevanz von Aphasien, sollen um weitere Fakten aus Deutschland erweitert werden und anschließend durch Zahlen aus den USA Validierung erfahren (vgl. SprachheilWiki 2009[2] ), (Schubert und Lalouschek 2006: 303ff).

Jährliche Häufigkeiten und Arten von Schlaganfällen in Deutschland:

- durch Minderdurchblutung primär ischämischer Hirninfarkte 160–240 Ereignisse pro 100.000 Einwohner (entspricht 0,16% bis 0,24% aller Einwohner Deutschlands)
- Hirnblutungen (24 pro 100.000 Einwohner)
- Einblutungen in den das Gehirn umgebenden Liquorraum->Subarachnoidalblutungen (6 pro 100.000 Einwohner)
- Schlaganfälle ungeklärter Ursache (8 pro 100.000 Einwohner)
- 30% der Schlaganfälle führen zu einer Aphasie
- Die Hälfte dieser Aphasiefälle verlaufen als langjährige Aphasie

(vgl. Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2005; Hartje & Poeck 2000: 85f).

Jährliche Häufigkeiten und Arten von Schlaganfällen in den USA:

- In den USA ereignen sich jährlich 500.000 Schlaganfälle, von denen 20% zu einer Aphasie führen.
- Die Hälfte dieser Aphasiker erleiden eine temporäre Aphasie und genesen vollständig innerhalb weniger Tage ( vgl. The Free Dictionary by Farlex 2008[3] ).

4. Pathologischer Befund

4.1. Sprache im Gehirn

4.1.1. Entstehung von Sprache im Gehirn

Nachdem erläutert wurde, dass eine Aphasie eine Störung der Sprache im Gehirn ist, kommen neue Fragen auf: Was ist Sprache? Wie und wo funktioniert Sprache in unserem Gehirn? -Sprache entsteht in Wechselwirkung verschiedener Hirnareale mit unterschiedlichenFunktionsbereichen (vgl. Martin 1998: 289f).

Sie greift beispielsweise durch Grammatik auf Logik, durch Assoziation von Gegenständen und Situationen auf Erinnerung und Kreativität in Form bildlichen Vorstellungsvermögens, als auch durch Rhythmik auf Wahrnehmung zu und bedient sich bekannter Begrifflichkeiten, Zusammenhänge und Sinnbilder aus dem Gedächtnis. Sprache entsteht also, indem verschiedene Gehirnareale miteinander kommunizieren. Bei einem Aphasie-Patienten ist dieses neuronale Netzwerk gestört. Ein Frosch würde zum Beispiel vielleicht als Frosch wahrgenommen werden, dessen Farbe könnte der Patient jedoch nicht benennen. Oder anders herum könnte er nicht das Tier, jedoch dessen Farbe benennen. Ein anderer Aphasie Patient würde einen lauten Donnerschlag nicht mit einem bevorstehenden Unwetter in Verbindung bringen. Wieder ein Anderer lässt beim Sprechen Konsonanten oder gar Laute aus, so dass er sich kaum verbal verständigen kann. Also ist, je nachdem welche Hirnareale geschädigt sind, d[4] ie Sprachfertigkeit eingeschränkt (vgl. ebd.), (vgl. SprachheilWiki 2009), (vgl. Bartha 2006: 385ff).

4.1.2. Lokalisation der Sprache im Gehirn

Die Kommunikation der Gehirnareale wird über Sprachzentren koordiniert. Unterteilt wird inBroca-Areal (motorisches Sprachzentrum; zuständig für Wort- und Lautbildung, Syntax, Grammatik und Satzstruktur) und Wernicke Zentrum (sensorisches Sprachzentrum zuständig für Sprachverständnis/Hörverständnis, satzsemantische Verarbeitung und Arbeitsgedächtnis). Aktuelle, mit modernster Computertechnik erworbene Forschungsergebnisse belegen, dass auch Bereiche tief unter der Hirnrinde für die Sprachfähigkeit relevant sind. Die komplexe Vernetzung von Sprache im Gehirn verdeutlicht, wie weitläufig diese im Gehirn verteilt ist. Folglich gleichen Aphasien nicht einander, da auch die Hirnschädigungen nicht einander gleichen. Deshalb sind Aphasien nur schwer und mit einer gewissen Willkür, zum Beispiel nach dem Ort der Hirnschädigung, zu klassifizieren. Denn wie der Mediziner Franz Josef Gall bereits zu Beginn des 19.Jahrhunderts feststellte, ist der Ort der Hirnschädigung ausschlaggebend für die Art der Beeinträchtigung Tesak 2001: 47ff.), (vgl. Bartha 2006: 385ff).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bild 5.1.2) Lokation von Sprache im Gehirn (vgl. von Suchodolet 2001: 33).

4.2. Klassifizierung und Symptome der Aphasie

Es gibt weltweit eine Vielzahl an Klassifikationen von Aphasie. Ein einfacher Intelligenztest zur Klassifizierung ist kaum geeignet. Spezielle Tests sind also nötig. Im deutschsprachigen Raum ist die Klassifizierung nach dem Aachener Aphasie Test(AAT) am geläufigsten. Da sich diese Klassifikation auch an den Syndromen unter Einbezug der Symptome der Aphasie orientiert, ist sie gut geeignet, um einen knappen Überblick über die Symptomatik zu geben. Darauf folgt die weltweit gültige Klassifizierung ICD10 nach WHO2011, sowie ein Ausblick auf weitere mögliche Begleiterscheinungen einer Aphasie

(Poeck, K. et. al. (1973): In: Deutsche medizinische Wochenschrift, Heft 98. , Stuttgart: Thieme, 139-147)

4.2.1. Klassifizierung und Symptome nach dem Aachener Aphasie Test(AAT)

- Wernicke Aphasie

Der Wernicke Aphasie liegen phonematische und/oder semantische Paraphasien zu Grunde, die zum Teil grob vom Zielwort abweichen, als auch Neologismen, gut erhaltenen Sprachfluss, häufig überschießende Sprachproduktion, Paragrammatismus, erheblich gestörtes Sprachverständnis und stark eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit aufweisen.

- Broca Aphasie

Der Broca Aphasie liegen ein erheblich verlangsamter Sprachfluss mit großer Sprachanstrengung, eine schlechte Artikulation, stark gestörte Prosodie, reichlich phonematische Paraphasien, Agrammatismus, mäßig beeinträchtigtes Sprachverständnis und auf Grund der expressiven Sprachstörung stark eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit zu Grunde.

- Globale Aphasie

Der Globalen Aphasie liegen gleichermaßen eine reduzierte Sprachproduktion und Sprachverständnis, als auch stockender Sprachfluss mit erheblicher Sprechanstrengung, schlechte Artikulation und Prosodie, Vorherrschen von Sprachautomatismen und Stereotypen zu Grunde. Die sprachliche Kommunikation ist nahezu unmöglich.

- Amnestische Aphasie

Der Amnestischen Aphasie liegen Wortfindungsstörungen, ein gut erhaltener Sprachfluss, ein weitgehend intakter Satzbau, semantische Paraphasien mit geringer bedeutungsmäßiger Abweichung vom Zielwort, ein geringfügig gestörtes Sprachverständnis und gute Kommunikationsfähigkeit zu Grunde. (vgl. Tesak 2001: 199).

[...]


[1] http://medical-dictionary.thefreedictionary.com/aphasi (17.04.2011).

[2] http://sprachheilwiki.dgs-ev.de/wiki/doku.php?id=aphasie (17.04.2011).

[3] http://medical-dictionary.thefreedictionary.com/aphasi (17.04.2011).

[4] http://sprachheilwiki.dgs-ev.de/wiki/doku.php?id=aphasie

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Historischer Verlauf und aktueller Stand der Aphasieforschung
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Heil- und Sonderpädagogik)
Veranstaltung
SHP 1.3 - Blockseminar Neuropsychologische Grundlagen
Note
1,0
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V319171
ISBN (eBook)
9783668183322
ISBN (Buch)
9783668183339
Dateigröße
1066 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aphasie, Aphasieforschung
Arbeit zitieren
Anonym, 2011, Historischer Verlauf und aktueller Stand der Aphasieforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319171

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