Das Recht des Untersuchungsausschusses Zeugen zu vereidigen


Hausarbeit, 2015

15 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis

I. Entwicklung der Rechtslage

II. Strafbarkeit der Falschaussage
1. Anwesenheits- und Zeugnispflicht
2. Zur eidlichen Vernehmung / Abnahme von Eiden zuständige Stelle
3. Falsche uneidliche Aussage, § 153 StGB
4. Meineid, § 154 StGB

III. Fazit

Literaturverzeichnis

Brocker, Lars – Uneidliche Falschaussage und Meineid vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in: JZ 2011, S. 716-722

Butz, Peters – Untersuchungsausschussrecht: Bund und Länder, München 2012

Fischer, Thomas – Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 62. Auflage, München 2015

Glauben, Paul J./ Brocker, Lars – Das Recht der Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern, Ein Handbuch, 2. Auflage, Ort 2011

Hamm, Rainer – Kein Vereidigungsrecht von Untersuchungsausschüssen, in: ZRP 2002, S. 11-14

Wiefelspütz, Dieter – Der Eid im Untersuchungsausschuss, in: ZRP 2002, S. 14-18

Die Diskussion über das Recht von Untersuchungsausschüssen der parlamentarischen Gesetzgebungsorgane des Bundes oder eines Landes Zeugen zu vereidigen hat in den letzten Jahren neuen Aufwind bekommen. Der Grund liegt in der Änderung des Strafgesetzbuches im Jahre 2008. Im Folgenden soll deshalb zunächst die Entwicklung der Gesetzeslage aufgezeigt werden, um sodann innerhalb einer zweckentsprechenden Prüfung die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit einer beeideten Falschaussage vor Untersuchungsausschüssen zu untersuchen.

I. Entwicklung der Rechtslage

Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages erlangen die Ermächtigung Zeugen und Sachverständige zu vereidigen grundsätzlich über die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, der die Vorschriften über den Strafprozess für die Beweiserhebung innerhalb des Untersuchungsverfahren für sinngemäß anwendbar erklärt. Bei Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG handelt es sich um eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung der Vorschriften der Strafprozessordnung.[1] Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Vorschriften §§ 59 ff. StPO, die sich mit der Vereidigung von Zeugen befassen.

Art. 44 GG bezieht sich nur auf Untersuchungsausschüsse des deutschen Bundestages. Dem Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG entsprechende Vorschriften haben jedoch fast alle Länder in ihre jeweiligen Landesverfassungen aufgenommen.[2]

Bis ins Jahr 2001 wurde die sinngemäße Anwendung der strafprozessualen Vorschriften konkretisiert durch die bereits 1968 erarbeiteten Regeln der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft (IPA-Regeln).[3] In diesen sehen insbesondere § 16 Abs. 2 und 4 ausdrücklich die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen vor.

§ 16 Abs. 4, 1. HS IPA-Regeln entspricht dabei im Wesentlichen dem heutigen § 59 Abs. 1 S. 1 StPO und sieht vor, dass Zeugen und Sachverständige nur vereidigt werden sollen, wenn der Untersuchungsausschuss es wegen der Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für erforderlich hält.

Die IPA-Regeln fanden ihre Anwendung in den Untersuchungsausschüssen dadurch, dass sie mit dem jeweiligen Einsetzungsbeschluss als Geschäftsordnung des Ausschusses festgelegt wurden.

Mit Wirkung vom 26.06.2001 trat das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages[4] vom 19.06.2001 (Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) in Kraft, das im Wesentlichen auf dem Entwurf von Konrad Porzner[5] basierte und nunmehr die sinngemäß anwendbaren strafprozessualen Vorschriften konkretisieren sollte.

Eine Vereidigungskompetenz wurde in das PUAG aber nicht aufgenommen. Vielmehr sollte nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen in Untersuchungsausschüssen verzichtet werden.[6]

Um die Strafbarkeit der falschen uneidlichen Aussage gem. § 153 StGB vor Untersuchungsausschüssen zu erhalten, sah es der Gesetzgeber als notwendig an, gleichzeitig dem § 153 StGB (falsche uneidliche Aussage) einen Abs. 2 hinzuzufügen, wonach „einer der in Absatz 1 genannten Stellen () ein Untersuchungsausschuss eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes gleich“ stand.[7]

Auch aufgrund einer fehlenden entsprechenden Vorschrift im § 154 StGB, der die Strafbarkeit des Meineids regelt, entbrannte hierauf die Diskussion, ob das Recht der Untersuchungsausschüsse des Bundestages, aber auch der Landtage zur Eidesabnahme von Zeugen und Sachverständigen erloschen sei.

Im Jahre 2008 wurde diese Diskussion noch verschärft, als der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 31.10.2008 zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung von Kindern und der Jugendpornographie mit Wirkung vom 05.11.2008 den erst kürzlich eingeführten § 153 Abs. 2 StGB strich und, so die Gesetzesbegründung, den gleichen Regelungsgehalt mit lediglich sprachlicher Anpassung im neuen Abs. 2 des § 162 StGB einführte.[8] Der auch heute geltende § 162 Abs. 2 StGB lautet: „Die §§ 153 und 157 bis 160, soweit sie sich auf falsche uneidliche Aussagen beziehen, sind auch auf falsche Angaben vor einem Untersuchungsausschuss eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes anzuwenden.“ Durch die Aussparung des § 154 StGB in der Aufzählung ergeben sich straf- und parlamentsrechtliche Konsequenzen grundlegender Art, die im Folgenden aufgezeigt werden sollen.

II. Strafbarkeit der Falschaussage

1. Anwesenheits- und Zeugnispflicht

Die Besonderheit des Untersuchungsverfahrens und dessen Effektivität ergeben sich aus dem Umstand, dass mit Einsetzung des jeweiligen Untersuchungsausschuss dieser ein Recht auf Selbstinformation erlangt. Das heißt, dass der Untersuchungsausschuss eine eigene Tatsachenermittlung betreibt, unabhängig von anderen staatlichen Stellen, insbesondere der Regierung. Innerhalb dieser Tatsachenermittlung spielt die Beweiserhebung eine wesentliche Rolle und gehört zum schärfsten parlamentarischen Kontrollmittel.[9] Für Untersuchungsausschüsse des Bundestages ergeben sich die einzelnen Beweismittel über den Verweis des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG aus der sinngemäßen Anwendung der strafprozessualen Vorschriften, konkretisiert durch das PUAG.[10] Dabei spielt insbesondere der Zeugenbeweis eine grundlegende Rolle. Er stellt ein zentrales Beweismittel zur Erschließung primärer Erkenntnisquellen dar, indem er dem Untersuchungsausschuss grundsätzlich ungefilterte Informationen zur Verfügung stellt. Die Anwesenheits- und Zeugnispflicht des Aussagenden wird dabei unmittelbar durch Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, und somit verfassungsrechtlich begründet.[11] Die Zeugnispflicht des Einzelnen ist untrennbar verbunden mit der Wahrheitspflicht des Zeugen, ohne die das Beweismittel ohne Bedeutung wäre. Die Wahrheitspflicht des Zeugen wird wiederrum abgesichert durch die Strafandrohung einer ggf. beeideten Falschaussage i.S.d. §§ 153 ff. StGB. Die Strafbewehrung einer Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss sichert somit die Effektivität der parlamentarischen Kontrolle.[12]

2. Zur eidlichen Vernehmung / Abnahme von Eiden zuständige Stelle

Die Notwendigkeit auch Untersuchungsausschüsse eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes als zuständige Stelle i.S.d. §§ 153 ff. StGB zu qualifizieren, ergibt sich aus dem Schutz bestimmter Rechtsgüter. Im Zuge eines Untersuchungsverfahrens werden durch die §§ 153 ff. StGB zum einen die Wahrheitsfindung durch dieses Organ und die Sicherung von dessen Arbeitsfähigkeit geschützt, zum anderen aber auch die Erreichung des Untersuchungszwecks insgesamt gesichert. Unstrittig ist ein Untersuchungsausschuss, gleich ob ein solcher des Bundestages oder eines Landtages, zuständige Stelle i.S.d. § 153 StGB, also der falschen uneidlichen Aussage. Dies galt sowohl vor Einführung des § 153 Abs. 2 StGB, als auch unter dessen Geltung und auch unter Geltung des jetzigen § 162 Abs. 2 StGB, der dies ausdrücklich bestimmt. Allein strittig bleibt, ob ein Untersuchungsausschuss auch zuständige Stelle i.S.d. § 154 StGB ist, also im Falle der beeideten Falschaussage.

a) Vereidigungsrecht der Untersuchungsausschüsse

Maßgeblich für eine Vereidigungskompetenz der Untersuchungsausschüsse ohne spezialgesetzliche Ermächtigung ist die Frage, ob man über die sinngemäße Anwendung der StPO-Vorschriften aus Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auch die Vereidigungsvorschriften, §§ 59 ff. StPO, für das Untersuchungsverfahren für anwendbar erachtet. Sowohl Rechtsprechung als auch Literatur haben dies aus überzeugenden Gründen getan. Besonders hervorgehoben wird dabei das Verfassungsgebot der Effektivität der parlamentarischen Kontrolle, wie es das Bundesverfassungsgericht im sog. Flick-Urteil herausgestellt hat.[13]

Die Vereidigung in Untersuchungsausschüssen dient danach dem legitimen und anerkannten Zweck die Glaubhaftigkeit einer Aussage zu steigern.

Gegen ein solches Vereidigungsrecht der Untersuchungsausschüsse wendete sich insbesondere Herr Dr. Hamm, der im Rahmen des 1. Untersuchungsausschusses „Parteispendenaffäre“ der 14. Wahlperiode des Bundestages vom damaligen Hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch beauftragt wurde, ein Gutachten über die Vereidigungskompetenz des Untersuchungsausschusses zu erstellen.

Er kam zu dem Ergebnis, dass den Untersuchungsausschüssen kein Vereidigungsrecht zustünde, insbesondere weil nicht alle Mitglieder des jeweiligen Ausschusses die Befähigung zum Richteramt besäßen. Auch sei eine Vereidigung aus politischen Motiven unzulässig, insbesondere weil es im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nicht um die Richtigkeit einer Zeugenaussage, sondern regelmäßig nur um dessen politische Bewertung ginge. Darüber hinaus vertrat er die Ansicht, dass eine Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen gar gänzlich Organen der Judikative vorbehalten sei.[14]

[...]


[1] BVerfGE 76, 363/387.

[2] Vgl. beispielhaft: Art. 91 Abs. 4 der Verfassung für Rheinland-Pfalz; Art. 64 Abs. 3 S. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen.

[3] Bundestag Drucksache 05/4209.

[4] BGBl. I, S. 1142.

[5] Bundestag Drucksache 11/8085.

[6] Bundestag Drucksache 14/5790, S. 19.

[7] Vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, BGBl. I, S. 1142.

[8] BGBl. I, S. 2149; Bundestag Drucksache 16/3439, S. 8.

[9] Vgl. VG Saarlouis LKRZ 2010, 314 (315).

[10] Entsprechendes für die Länder, vgl. Fn. 2.

[11] Glauben /Brocker, Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, § 19 Rn. 1.

[12] Vgl. Brocker, JZ 2011, 716 (717).

[13] BVerfGE 67, 100 (131) = NJW 1984, 2271.

[14] Vgl. Hamm, ZRP 2002, 11 (12).

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Details

Titel
Das Recht des Untersuchungsausschusses Zeugen zu vereidigen
Jahr
2015
Seiten
15
Katalognummer
V319111
ISBN (eBook)
9783668182820
ISBN (Buch)
9783668182837
Dateigröße
730 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
recht, untersuchungsausschusses, zeugen
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Das Recht des Untersuchungsausschusses Zeugen zu vereidigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319111

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