Schizophrenie als Folge frühkindlicher traumatischer Erfahrungen

Gibt es einen Zusammenhang?


Hausarbeit, 2016

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


- Gliederung -

1. Einleitung

2. Trauma
2.1 Definition
2.2 Traumatische Zange
2.3 Hirnforschung
2.4 Auswirkungen/Symptomatik eines Traumas (gem. ICD-10)
2.4.1 Unmittelbar
2.4.2 Kurzfristig
2.4.3 Langfristig
2.5 Schutz- und Risikofaktoren
2.6 Begleitdiagnosen

3. Schizophrenie
3.1 Definition
3.2 Betroffene
3.3 Symptomatik
3.3.1 Störung der Denkabläufe
3.3.2 Wahn
3.3.3 Halluzination
3.3.4 Ich-Störung
3.3.5 Störung der Gefühlswelt / Affektstörung
3.3.6 Ambivalenz und Autismus
3.3.7 Störung der Bewegung und des Antriebs (katatone Symptome)
3.4 Negative und produktive Symptome
3.5 Diagnostik (gem. ICD-10)
3.6 Verlauf
3.7 Ursachenforschung
3.8 Hirnforschung

4. Fazit

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Aufgrund des folgenden Praxisfalls, welcher sich auf eine Klientin in der stationären Kinder- und Jugendhilfe bezieht, kam die folgende Frage auf: „Schizophrenie als Folge frühkindlicher traumatischer Erfahrungen – Gibt es einen Zusammenhang?“:

Anna (15; Name geändert) hat in der frühen Kindheit traumatische Erfahrungen durchlebt. Sie wurde damals von ihrem Vater seelisch schwer misshandelt.

Ihre Eltern haben sich aufgrund der Umstände früh getrennt, zum Vater besteht seit ca. ihrem 6. Lebensjahr kein Kontakt mehr. Anna wohnte, bis zur stationären Aufnahme vor einem halben Jahr, mit ihrer Mutter und deren neuen Lebensgefährten zusammen. Beide sind berufstätig. Das Verhältnis zwischen den Dreien ist gut. In der Schule wurde Anna gemobbt. Auch nach Schulwechseln verbesserte sich diese Situation nicht.

Ungefähr ein halbes Jahr bevor Anna ins „Kinderheim“ kam, fing sie plötzlich an, besonders in Konzentrationsphasen (z. B. in der Schule) und abends vor dem Einschlafen, regelmäßig Stimmen zu hören, welche Worte wiedergaben, die damals ihr Vater sagte. Sie bekam Albträume und Panikzustände. Da sie Angst hat, die Stimmen auch zu „sehen“, schläft sie nur noch mit Licht ein. Im Dunkeln geht sie seitdem ungern – und wenn nur in Begleitung – vor die Tür. Vor der Aufnahme wurde sie für einen mehrwöchigen Aufenthalt in die Psychiatrie eingewiesen. Dort wurde sie therapeutisch und medikamentös behandelt. Seit sie die Medikamente einnimmt, haben sich die Symptome teilweise verbessert.

Vor einigen Wochen versuchte ihr Vater wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen. Der Zustand verschlimmerte sich drastisch bis hin zu Suizidgedanken. Sie wurde noch einmal für einige Tage psychiatrisch aufgenommen, um die Medikation zu überprüfen bzw. zu ändern. Seit ihrer Rückkehr scheint sie psychisch wieder „stabil“ zu sein.

Anna ist anfangs sehr zurückhaltend, nach und nach taut sie jedoch auf und verhält sich ihrem Alter entsprechend und ruhig. Ihre derzeitige Schulklasse hat sie gut aufgenommen, die Noten sind gut.

Bei dem geführten Gespräch wirkte sie nervös, blickte nach unten und beschäftigte sich mit ihrem Haargummi. Sie erklärte von sich aus, dass sie dies oft in Situationen der Nervosität tut. Sie erzählte ruhig und klar die Vorgänge, schien jedoch zwischendurch fast wie „in Trance“, woraufhin das Gesprächsthema gewechselt wurde.

Da die Symptome, die Anna aufweist, auch diagnostisch in den Bereich der Schizophrenie einzuordnen sind und in ihrem Fall eindeutig auf die Erlebnisse ihrer Kindheit zurückzuführen sind, handelt es sich um einen interessanten Fall..

Um den „Fall Anna“ chronologisch einzuhalten, wird zunächst das Trauma behandelt. Nach einer kurzen Definition folgen die Funktion der traumatischen Zange, welche den Ablauf eines solchen Ereignisses erklärt, und die Hirnforschung. Diese ist, gerade im Bereich der frühkindlichen Erfahrungen, von enormer Bedeutung. Die unmittelbaren, kurz- und langfristigen Auswirkungen und Symptome eines Traumas werden anhand des hier gängigen Klassifikationsmodells „ICD-10“ (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme; die Abkürzung ICD folgt aus dem Englischen „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”) erläutert. Nach den Risiko- und Schutzfaktoren, welche die Folgen eines Traumas negativ oder positiv beeinflussen können, werden noch einige Begleitdiagnosen zur traumatischen Belastungsstörung vorgestellt.

Auf die Definition der Schizophrenie folgt eine Eingrenzung der von der Krankheit Betroffenen. Die Symptomatik wird in die einzelnen Störungsbilder unterteilt, woraufhin eine kurze Erläuterung darüber geben wird, was in diesem Zusammenhang unter negativen bzw. produktiven Symptomen zu verstehen ist. Bei der Diagnostik und dem Verlauf der Krankheit wird wieder auf das Modell der „ICD-10“ zurückgegriffen. Diese Thematik wird mit einigen Angaben zur Ursachen- und Hirnforschung abgeschlossen, welche eventuelle Gründe für eine auftretende Schizophrenie aufzeigen.

Als letztes wird in einem Fazit geklärt, ob es einen Zusammenhang zwischen der Schizophrenie und frühkindlichen traumatischen Erfahrungen gibt, oder nicht.

2. Trauma

2.1 Definition

Der Begriff des Traumas stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt so viel wie „Wunde“ oder auch „Verletzung“. Man unterscheidet den Begriff nach medizinischer und psychologischer Sicht (o.V., 2015, o. S.). Medizinisch wird dem Trauma eine Verletzung des Körpers zugeschrieben, welche durch Gewalteinwirkung von außen entsteht. Psychologisch hingegen spricht man von einer Verletzung der „Seele“, welche als Folge hochbelastender Situationen resultiert. Dies kann ein- oder mehrmalige, sowie kurz- oder langanhaltende Ereignisse beinhalten, welche nicht mehr durch die angeborenen Anpassungsstrategien verarbeitet werden können. Es werden Hilflosigkeit, Angst und Kontrollverlust in einem extremen Maße empfunden. Das Gehirn wird sozusagen in eine Klemme gebracht und dazu gezwungen, „[…] auf besondere Weise mit diesem Ereignis umzugehen.“ (Huber 2009: 38).

2.2 Traumatische Zange

Zuletzt genannter Vorgang wird als „traumatische Zange“ bezeichnet. In einer Extremsituation wie beispielsweise einer sexuellen Misshandlung wird das Gehirn, laut Huber (2009: 40 – 44), mit aversiven Reizen überflutet. Es erkennt diese Situation als Lebensbe- bzw. Annihilationsdrohung. Die bildlich gesehene Zange wird nun deutlich, indem wir zwei Möglichkeiten haben, das Trauma bzw. die Situation doch noch abzuwenden oder zu mildern: Fight or Flight. Auf der einen Seite der Kampf (Fight) – bleiben wir beim Beispiel der sexuellen Misshandlung, versucht das Opfer vermutlich, die/den TäterIn abzuwehren, durch „um-sich-schlagen“, treten, etc. Auf der anderen Seite steht die Flucht (Flight) – hier wird das Opfer versuchen, wegzulaufen. Ist beides nicht möglich, „schnappt die Zange zu“. Was danach folgt, nennt sich „Freeze“ und „Fragment“: Freeze bedeutet wörtlich übersetzt „einfrieren“ und meint die psychische Lähmung. Massen an freigesetzten Endorphinen und Noradrenalinen führen zu einer „Blockierung“ – das Opfer erstarrt und entfremdet sich vom Geschehen. Fragment meint wiederum die Fragmentierung, d. h. die Zersplitterung, der Erfahrung. Das führt dazu, dass die erlebten Geschehnisse nicht mehr „[…] zusammenhängend wahrgenommen und erinnert werden […]“ können (Huber 2009: 43).

2.3 Hirnforschung

Um die inneren Vorgänge bei traumatischem Stress, vor allem auch den Stellenwert dessen in der frühen Kindheit, zu verstehen, ist es wichtig, die bisherigen neurologischen Forschungsergebnisse heranzuziehen, in denen laut Huber (2009: 44 – 51) die Hirntätigkeit mittels PET-Scans (Positronen-Emissions-Tomografie-Bilder), Kernspin (Magnet-Resonanz-Tomografie – MRT) und einigen weiteren Methoden während solch einer Belastung aufgezeichnet wurden. Zwar wurden diese Studien bisher nie in einer traumatischen Situation selbst durchgeführt, jedoch hat man ähnliche Situationen geschaffen oder die Trauma-PatientInnen während der Untersuchung zu vergangenen Erlebnissen befragt, was ähnliche Reize, in der Fachsprache „Flashbacks“ (plötzliche Erinnerungen die durch bestimmte Schlüsselreize/Trigger ausgelöst und psychisch wiederholt durchlebt werden) genannt, hervorrufen kann.

Zunächst hat man herausgefunden, dass das limbische System bei der „[…] Erstbewältigung und späteren Erinnerung extrem stressreicher Ereignisse […]“ (Huber 2009: 44) entscheidend beteiligt ist. Die beiden zentralen Partien stellen der Hippocampus und die Amygdala dar.

Der Hippocampus ist für Erinnerungen zuständig, sprich das Gedächtnis, und für Emotionen. Er befindet sich jeweils in beiden Hirnhälften. Ist einer der beiden Hippocampi beschädigt oder nicht existent, stellt das noch keine großartigen Probleme für den Menschen dar. Wurden jedoch beide Hippocampi beispielsweise entfernt, können Erinnerungen nicht mehr gespeichert werden – es kommt zur teilweisen oder sogar vollen Amnesie. Beim Hippocampus-System (auch „cool system“) werden die Reize im limbischen System zum Thalamus geleitet, von dort aus weiter über die Amygdala zum Hippocampus, über den Thalamus zurück zu beiden Hirnhälften und letztendlich zu den Sprachzentren und das Vorderhirn. Dieser Vorgang wiederholt sich ständig bei jedem Reiz, der uns erreicht – sei es in einem Gespräch, beim Fernsehen, Zeitunglesen, etc.

Die Amygdala ist entscheidend beteiligt an der Verarbeitung von externen Reizen, die Bewertung derer und die Reaktion darauf („Fight or Flight“). Auch die Amygdalae sind in beiden Hirnhälften existent und können bei Beschädigung/Entfernung etc. zum Verlust von affektivem Empfinden und Handeln führen. Beim Amygdala-System (auch „hot system“) ist der Vorgang etwas komplexer: Wie beim Hippocampus-System auch, wird der äußere Reiz zuerst vom Thalamus zur Amygdala geleitet. Auf diesem „Weg“ befindet sich eine winzige Nervenzelle, welche über den Reiz bzw. die Situation entscheidet – Ist diese mit Hochstress verbunden oder ist sie „unbedenklich“?. Wird ein sogenannter Hochstress festgestellt, wird eine Art „Feueralarm“ und die „Stresskaskade“, wie sie Hans Seyler in den 70er Jahren benannte, in der HPA-Achse (Verbindung zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde) ausgelöst. Es entsteht eine Kettenreaktion, begonnen bei der Amygdala, welche die neurochemische und neuroanatomische „Schaltung“ für Angst- und Verteidigungsreaktionen aktiviert, und schlussendlich mit der Freisetzung von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus der Nebennierenrinde endet. Das Adrenalin setzt hierbei Energiereserven frei – in lebensbedrohlichen Situationen werden überdurchschnittliche Kräfte freigesetzt, die sonst nicht vorliegen. Das Cortisol hingegen wirkt in dieser akuten Situation „beruhigend“ und als eine Art Stressbremse. Pauschal lässt sich sagen: Je höher der Stress, desto höher der Ausschuss der Hormone. Ist der Mensch dem Stress jedoch chronisch ausgesetzt, wird das Cortisol nicht mehr in solch hohen Dosen freigesetzt – die Stressschwelle sinkt und wird dadurch anfälliger. Auch kann der Stress nicht mehr in dem gleichen Maße abgewehrt werden.

Bei diesem Vorgang ist es so, dass bei Hochstress zwar die Amygdala-Funktion auf Hochtouren läuft, der Hippocampus jedoch teilweise Ausfälle verzeichnet. Das bedeutet, der Körper versucht den Stress abzuwehren oder davor zu flüchten; das Erinnerungsvermögen hingegen sinkt oder fällt aus. Das Erlebnis wird somit nur in Bruchstücken abgespeichert und eine „Entfremdung“ vom Erlebten geschieht.

Die Hirnforschung ist in diesem Kontext aus dem Grunde so wichtig, da die Entwicklung bestimmter Hirnregionen in der frühen Kindheit noch nicht abgeschlossen ist. Oben genannte Vorgänge funktionieren in der Form jedoch nur bei voll ausgebildeten Hirnarealen:

Die Amygdala, zum einen, ist von Geburt an ausgebildet und intakt. Ein Säugling ist so schon imstande, auf stressreiche Ereignisse z. B. in Form von Schreien zu reagieren. Der Hippocampus und somit das Erinnerungsvermögen setzt erst weit später ein – die Entwicklung beginnt zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr, die volle Funktionsfähigkeit ist sogar erst zwischen dem elften und dreizehnten Lebensjahr erreicht. Das bedeutet also, dass Säuglinge die erlebten Dinge später gar nicht, Kleinkinder und Kinder bis – je nach Entwicklungsstand - ca. zehn Jahre hingegen nur bruchstückmäßig, erinnern. Biografisch bedeutet das, dass das Erlebte zwar „irgendwie“ abgespeichert wird, jedoch oft ohne die fixen Zusammenhänge zu erinnern.

Leiden Neugeborene, Säuglinge oder Kleinkinder unter chronischem Dauerstress, gewöhnt sich das Gehirn sogar daran. Das Gehirn ist auf dauerhaften „Feueralarm“ eingestellt, was dazu führt, dass der Hippocampus ständig ausfällt. Das wiederum hemmt die Entwicklung und somit das Wachstum dieser Hirnregion und kann im weiteren Verlauf zu frühzeitigen Gedächtnisstörungen führen.

2.4 Auswirkungen/Symptomatik eines Traumas (gem. ICD-10)

2.4.1 Unmittelbar

Unmittelbar nach dem traumatischen Erlebnis kommt es laut Huber (2009: 68) zu sogenannten „psychischen Erstreaktionen“, welche auf den derzeitigen Ablauf im Hirn (vgl. Kapitel 2.3 Hirnforschung) zurückzuführen sind:

- Verstörung „[…] bis hin zum Verlust der Ich-Grenzen […]“ (Huber 2009: 68)
- Starke Schmerzen bis hin zum Nichts-mehr-Fühlen
- Emotionales Durcheinander bis hin zum Nichts-mehr-Spüren
- Überflutung mit Bildern, Geräuschen etc. bis hin zum Nichts-mehr-Wahrnehmen
- Verlust des Raum-Zeit-Gefühls bis hin zum Nichts-mehr-Wissen

2.4.2 Kurzfristig

Was auf die Erstreaktionen folgt, sind laut Huber (2009: 68 f.) die posttraumatischen Belastungsreaktionen. Diese Reaktionen wirken akut, das heißt kurzfristig, können jedoch bis zu mehreren Wochen anhalten. Unter anderem zählen dazu Angstzustände, Schlafstörungen, eine Art Empfindungslosigkeit gegenüber sich selbst und anderen und/oder Vermeidung möglichst aller Reize, die mit dem Trauma in Verbindung stehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Schizophrenie als Folge frühkindlicher traumatischer Erfahrungen
Untertitel
Gibt es einen Zusammenhang?
Hochschule
Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel
Veranstaltung
Normalität und abweichendes Verhalten
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
22
Katalognummer
V318771
ISBN (eBook)
9783668351714
ISBN (Buch)
9783668351721
Dateigröße
625 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schizophrenie, Schizophrenieursachen, Trauma, Hirnforschung, Normalität, Traumafolgen, Schizophrenieforschung, Traumaforschung, Zusammenhänge, Traumata, Traumaablauf, ICD10, Schizophreniesymptomatik, Symptomatik, frühkindlich, Traumafolgestörung
Arbeit zitieren
Christin Brune (Autor:in), 2016, Schizophrenie als Folge frühkindlicher traumatischer Erfahrungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318771

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