Das Ehrenamt im Sport – eine bedrohte Spezies? Bürgerschaftliches Engagement zwischen Krise und Transformationsprozess


Bachelorarbeit, 2014

33 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Problemabgrenzung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Die Dimensionen des Ehrenamts
2.2 Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenengagement - eine Definition

3 Das Ehrenamt im Sport
3.1 Forschungsstand zur ÄKrise“ und ÄTransformationsprozess“
3.2 Initiativen der Verbände zum Ehrenamt am Beispiel der Fußballsports

4 Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung und Problemabgrenzung

Mehr als jeder vierte Deutsche ist während seiner individuellen Freizeit in einer gemeinnützigen Organisation aktiv (Braun, 2011). In keinem anderen Bereich sind mehr Menschen ehrenamtlich und freiwillig engagiert als im Sport. Somit ist dieser Sektor der wichtigste und bedeutendste Träger bürgerlichen Engagements (Breuer, 2007).

Mit ca. 8,85 Millionen im Jahre 2012 im gesamten Bundesgebiet engagierten Menschen lässt sich im Vergleich zu den Jahren 2005/2006 mit 6,8 Millionen Menschen ein signifikanter Anstieg festhalten (Breuer 2007; Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB), 2013; DOSB, 2014). Der immense Arbeitsumfang wird aufopferungsvoll erledigt und die Zahl aller ehrenamtlichen Vereine hat sich in einem halben Jahrhundert Vereinsarbeit und gesellschaftlicher Reifung versiebenfacht (Sell, 2013). Ohne diese tagtägliche Arbeit neben dem Beruf ließe sich kaum eine strukturell gut aufgestellte Basis für den alternierenden oder anschließenden Spitzensport schaffen. Profisport und Amateursport weisen somit Interdependenzen, Beide Bereiche und wohl alle Sportarten den sich ständig entwickelnden Problemlagen der Gesellschaft und der Individualisierung der Freizeitgestaltung gegenübersehen.

Allein im Fußballsport sind über eine Million Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzende, Physiotherapeuten oder Übungsleiter1 aktiv. Sowohl der Deutsche Fussball Bund (DFB) im Allgemeinen als auch seine Landesverbände im Speziellen haben sich verpflichtet, das Ehrenamt aktiv und stetig zu fördern (DFB, 2014; Xer Fußball Verband (XFV), 2010). Dem Ehrenamt und besonders dem Sport geht es gut, so könnte man meinen.

Die Zahlen allerdings täuschen über eine besorgniserregende Entwicklung hinweg. Im Rahmen einer Sekundäranalyse dies zu thematisieren, ist das Ziel der Arbeit. Schwerpunktmäßig nutze ich hierfür die Auswertungen der sportbezogenen Freiwilligensurveys von Braun (2011), die Sportentwicklungsberichten von Breuer (2007; 2009; 2013; 2015) und die Publikation von Winkler (1988). Zudem findet neben diesen Werken weitere vielfältigste Literatur Verwendung, um einen differenzierten empirischen Diskurs zu gewährleisten.

Zunächst wird im anschließenden Kapitel die unterschiedlichen Dimensionen und die differenzierten definitorischen Herangehensweisen an den Begriff ÄEhrenamt“ im Allgemeinen nachgezeichnet. An diese theoretischen Grundlagen anknüpfend folgt der zentrale Teil dieser Arbeit. Hier wird sich mit der tatsächlichen Entwicklung des Ehrenamts im Sport auseinandergesetzt. Gibt es wirklich ein ÄDilemma“, sprich stagnierende und größtenteils sinkenden Aktivitäts- und Teilnehmerzahlen im Bereich des Sport-Ehrenamts oder befindet sich diese soziale Ressource in einem Transformationsprozess?Neben diesem zu erörternden Thema sollen weitere Fragestellungen behandelt werden, um einen Einblick in das größte zivilgesellschaftliche Wirken Deutschlands zu erhalten (Delschen, 2006):

- Wie stellt sich die demographische Struktur der ehrenamtlich Aktiven dar?
- In welcher Form sind die ehrenamtlichen Mitglieder aktiv?
- Inwiefern sind Personen mit Migrationshintergrund ehrenamtlich aktiv?

Der Abschluss dieses Hauptteils bildet eine Auseinandersetzung mit durchgeführten Initiativen und Aktionen zur Stärkung des Ehrenamts, veranschaulicht und wiedergegeben am Beispiel des Fußballsports. Es wird anhand dieser Maßnahmen dargestellt, welche Unternehmung ein Verein leisten kann, um seine Mitglieder für ein Ehrenamt anzusprechen. Hierfür liegt im Anhang zusätzlich ein unveröffentlichtes Konzept der Verantwortlichen der Abteilung ÄFairplay & Ehrenamt“ des XFV vor, welches einen Einblick in die interne Arbeit des Verbandes gibt. Abschließend folgen eine Zusammenfassung der Arbeit und eine Auswertung der Hypothesen, welche wie folgt lauten:

Hypothesen:

These 1:

Das Ehrenamt im Sport befindet sich aktuell in einem Transformationsprozess, welcher sich in einem schleichenden Rückgang des traditionellen Äalten“ Ehrenamts hinzu einem Äneuen“ Ehrenamt widerspiegelt. Tendenzen hinzu einer ÄKrise des Ehrenamts“ sind zu verzeichnen.

These 2:

Hinsichtlich der Bereitschaftstendenzen ist ein steigendes Engagementpotenzial zu verzeichnen.

These 3:

Gründe für das ungenutzte Engagementpotenzial liegen im fehlenden Know-how der Vereine hinsichtlich Personalgewinnung und Personalbindung.

Bezieht sich die erste These noch auf die zentrale Forschungsfrage, gehen These 2 und 3 tiefer in einzelne Details und behandeln Aspekte, die mit dem Arbeitsthema in Verbindung gebracht werden müssen.

2 Theoretische Grundlagen

Beher, Liebig und Rauschenbach (1998, S. 103) führen aus: ÄEhrenamt ist ein problematischer Begriff, ein viel diskutiertes aber schwach konturiertes gesellschaftliches Problem und als Untersuchungsgegenstand schwer zu handhaben“. Nichtsdestotrotz bleibt es weniger eine Herausforderung der Forschung als mehr ein theoretischer Makel den es zu bearbeiten gilt, sofern man beispielsweise einen etwaigen Transformationsprozess dieser Handlungen außerhalb der Erwerbstätigkeit, ergründen will (Beher et al., 1998). Im Anschluss wird sich theoretisch nun zweierlei Aspekten gewidmet. Zum einen den verschiedenen Dimensionen des Ehrenamts, zum anderen wird auf die unterschiedlichen Definitionsansätze eingegangen.

2.1 Die Dimensionen des Ehrenamts

Um Ehrenamt aus differenzierten Blickwinkeln betrachten zu können, führt Winkler (1988) eine dimensionale Dreiteilung in eine individuelle, organisatorische und gesellschaftliche Dimension durch.

Betrachtet man Erstere, so wird betont, dass bei der Motivation der einzelnen Personen jenes Ehrenamt auszuüben, die Aspekte Kompensation sowie die Fokussierung auf Aufwandsentschädigungen und das Verwirklichen von individuellen Bedürfnissen, wenn überhaupt, nur peripher von Interesse sind.

Vielmehr geht es darum, soziale Motive als Untersuchungsgegenstand zu betrachten, sofern man Motive als ÄBedürfnisse als auch die gewünschten Konsequenzen der damit verbundenen Handlungen“ (Winkler, 1988, S. 26) versteht und soziale Motive den äußeren, sekundären Beweggründen zuordnet. Vorausgesetzt, dass unter Motivation die Bereitwilligkeit verstanden wird, gesellschaftlich aktiv zu sein und zu handeln, muss hinterfragt werden, warum ein bestimmter Personenkreis im Rahmen des öffentlichen Lebens dem nachkommt. Antwort darauf liefert Webers Protestantismus-These.2 Demnach führt eine bestimmte wesenseigene, spezifische Lebensart neben einer ÄIntensivierung der Arbeit […] auch zu einer Erhöhung ehrenamtlicher Aktivitäten für die Gemeinschaft“ (Winkler, 1988, S. 27). Nach Weber (1988) und bezugnehmend darauf ebenso Winkler (1988) ist diese Lebensart bspw. charakteristisch für die höhere gebildete Arbeiterschaft, Unternehmer und Kapitalbesitzer.

Hier findet sich eine Verknüpfung zwischen individueller und organisatorischer Dimension. Da Rekrutierungsprozesse von ehrenamtlichen Mitgliedern stark mit der Leistungserbringung und Leistungsfähigkeit der Sportvereine korrelieren (Thieme, 2012), gilt es für die Mobilisierung zuständigen Vereinsorgane zu wissen, wo in welchen sozialen Schichten und Berufsgruppen vermeintliches Personal geworben werden kann und welche Personen für die Ausübung eines Ehrenamts eine Affinität aufweisen (Winkler, 1988).

Wie nun dargestellt ist die Ressource Arbeit das zentrale Moment für die Aufrechterhaltung von freiwilligen Organisationen und somit auch für Sportvereine im Speziellen, welche sich aus dem adäquaten Personal ergibt. Vereine können durch dieses Personal an zusätzliche materielle Ressourcen, welche für den Verein zweckmäßig sind, gelangen, was wiederum die Rolle des aktiven Mitglieds nochmals an Bedeutung gewinnen lässt (ebd.). Aufgrund der Tatsache, dass die ehrenamtlich Tätigen ihre Aufgaben mit Hilfe der ihnen durch ihren Beruf oder sozialen Funktionssysteme verfügbaren Ressourcen bewältigen, kommt es zu einem Ressourcentransfer zwischen beiden Organisationssystemen. Personen die neben der angesprochenen Affinität Zugang zu diesen weiteren materiellen Ressourcen haben und darüber hinaus essentielles Know-how von der für die Vereine relevante Umwelt besitzen, rücken für Non-Profit-Organisationen in den Fokus (ebd.). Nachdem nun Ehrenamt auf individueller Ebene als gesellschaftliche Partizipation und auf organisatorischer Ebene der ehrenamtliche Tätige mit seiner Arbeit als Ressource zu bezeichnen ist, wird nun auf Basis der gesellschaftlichen Dimension thematisiert, wie das Ehrenamt als Relais wirkt (Schulze, 2004). Der Verein ist als freiwillige Organisation mit seinen ehrenamtlich Engagierten ein Bindeglied zwischen Gesellschaft und dem herrschenden politischen System. Zum Einen vertritt der Verein durch die Mitgliederversammlung als höchste Instanz die Vereinsinteressen und versucht gegenüber der Allgemeinheit diese durchzusetzen. Zum Anderen untersteht er u.a. dem Einfluss des politisch-ordnenden System, welches durch den Verein politische Interesse proklamieren und implementieren kann (Winkler, 1988). Auch Beher et al. (1998) unterscheiden in mehrere, insgesamt zehn, Dimensionen, wobei diese sich ausschließlich auf die Begriffsbestimmung beschränken (Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die Dimensionen des Phänomens "Ehrenamt" (Quelle: Beher et al., 1998, S. 108)

2.2 Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenengagement - eine Definition

Grundvoraussetzung für das Bestehen und Wirken eines Vereins im Allgemeinen und des Sportvereins im Speziellen ist das Engagement ihrer Mitglieder (Hansen, 2008). Dieses Engagement wird in der empirischen Auseinandersetzung vor allem seit dem Ende des 20. Jahrhunderts differenziert definiert und deklariert (Delschen, 2006). So finden sich Begriffe wie ÄFreiwilligenarbeit“, ÄEhrenamt“ oder Äbürgerschaftliches und zivilrechtliches Engagement“ (Baur & Braun, 2000).

Unter zusätzlicher Berücksichtigung des außersportlichen Bereichs geht die Entstehung des Begriffs ÄEhrenamt“ auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Solch personifizierte Bezeichnung erhielten alle Personen, die im westfälischen Raum das Amt des Gemeindevorstehers ausübten. Bereits hier finden sich mit der damals alternierenden Verabschiedung des ÄGesetzes der Landgemeindeordnung“ Hinweise auf das Ehrenamt als gewähltes Amt mit fehlender Besoldung (Winkler, 1988).

Noch etwas weiter zurückliegend sehen Hansen (2008) und Zimmer (2005) die Entstehung des Ehrenamts und sprechen von Bürgern als ÄEhrenmänner“, denen in Zeiten der postnapoleonischen Herrschaft vielfältigste Aufgaben der Verwaltung übertragen wurden. Diese Ausübung geschah ebenfalls unentgeltlich, wobei als Honoration gesellschaftliches Ansehen und Ehrbarkeit galten.

Diese begrifflichen Diskurse spiegeln die historische Zugangsweise wider (Hansen, 2008), Äwährend im Rahmen einer normativ-politischen Zugangsweise eine Kontroverse um die Begriffe bürgerliches und freiwilliges Engagement existiert“ (Hansen, 2008, S.24). Bezüglich der Kontroverse weist Hansen (2008) darauf hin, dass beide Begrifflichkeiten die Freiwilligkeit und Staatsbürgerlichkeit des Ausübenden herausheben. Unterschieden werden muss bei der Frage nach der Gemeinwohlorientierung. Handelt es bei dem Anreiz für die Ausführung der entsprechenden Tätigkeiten um Letzteres, sprechen Autoren von bürgerlichem Engagement, wogegen für den Fall, dass das Individuum neben der Gemeinwohlorientierung auch durch die Suche nach Sinnhaftigkeit, Integrität in soziale Gruppen oder Eigennützigkeit motiviert ist, von freiwilligem Engagement gesprochen wird (ebd.).

Auch Bezug auf die Gemeinwohlorientierung nimmt Nobis (2007). Hier sieht man das freiwillige Engagement als übergeordnete Begrifflichkeit und das ehrenamtliche Engagement als untergeordnete Teilleistung. Ersteres umfasst die regelmäßige Partizipation in unterschiedlichen Vereinsbereichen, wie zum Beispiel die Tätigkeit als Zeugwart oder die Wartung der Internetpräsenz des Vereins, die Übernahme von Arbeitsfeldern sowie der Fokussierung auf das Gemeinwohl. Ehrenamtliches Engagement spiegelt demnach lediglich alle getätigten Arbeitsleistungen im Rahmen eines öffentlichkeitswirksamen gewählten Amtes wider, in jenes man gewählt wird. Zusätzlich anzumerken ist die im Rahmen der Diskussion über Sozialkapital bestehenden Auffassung, dass bereits eine Vereinsmitgliedschaft an sich Indiz für die Existenz von Sozialkapital ist, gleichwohl aber diese Meinung nicht allerorts vertreten wird (ebd., 2007).

Die Summe von Arbeitsleistungen einer Person, die in einem Sportverein freiwillig, ohne ein Amt zu bekleiden und unentgeltlich getätigt wird, nennt Schulze (2004) Freiwilligenarbeit bzw. freiwilliges Engagement. Diese Arbeit ist von eminenter Bedeutung (Dierkes, 1989).

Wie eingangs erläutert, werden verschiedenartige Erscheinungsformen des getätigten Engagements vertreten. Zusammenfassend haben alle Begrifflichkeiten folgende Merkmale gemein (Delschen, 2006):

- die Mitarbeit der Person ist freiwillig, ohne jeglichen ausgeübten Zwang Dritter,
- die Tätigkeit erfolgt unentgeltlich,
- es wird eine Leistung erbracht und
- die Leistung erfolgt zum Nutzen einer Vereinigung bzw. dem Zweck dem die Vereinigung dient.

Da sich, wie eingangs angesprochen, diese Arbeit stark auf die Freiwilligensurveys von Braun (2011) stützt, muss auch seine Sichtweise hinlänglich der Definition verschiedener Begrifflichkeiten Verwendung finden, zumal diese ebenfalls diskutabel scheint. So wird unter anderem von Ehrlinghagen, Rinne und Schwarze (1997) kritisiert, dass Brauns bevorzugter Begriff Äfreiwilliges Engagement“ zu stark mit dem im anglo-amerikanischen Raum gern verwendeten Ävolunteer work“ korreliere und persönliche Aspekte wie innere und äußere Motivation für ein Engagement kaum Beachtung finden.

Zwar sind nach Meinung Brauns (2011, S.17) ÄVerklärungen […] allerdings unangebracht“. Nach seinem Standpunkt werden unter ehrenamtlich und freiwillig Engagierten solche Personen definiert, die freiwillig, unentgeltlich und außerhalb ihres persönlichen sozialen ÄNahraums“ (ebd., S. 16) als Mitglied eine Leistung für andere Mitglieder oder Dritte erbringen. Diese Leistungserbringung geschieht in dem eingebundenen Kontext einer Non-Profit-Organisation. Die ausübende Person füllt dabei ein gewähltes Amt des Vereins aus oder ist informell freiwillig engagiert (Braun, 2002; Braun, 2011).

3 Das Ehrenamt im Sport

Nach der Darlegung der unterschiedlichen Interpretationsansätze hinsichtlich der Begrifflichkeiten und der ehrenamtlichen Dimensionen folgt nun zunächst eine sekundäranalytische Auseinandersetzung mit der vermeintlichen Krise bzw. dem Transformationsprozess des Ehrenamts im Sport. Zunächst werden gesellschaftliche und sportliche Faktoren genannt und erläutert, die eine Amtsübernahme beeinflussen und die Debatte ÄKrise“ und ÄTransformationsprozess“ im historischen Kontext, das heißt wissenschaftliche Ansichten der letzten 40 Jahre, wiedergegeben. Dies ist insofern relevant, als das vor allem sowohl die Braun’sche (2011) Auswertung der Freiwilligensurveys als auch die Sportentwicklungsberichte (2013; 2015) darauf Bezug nehmen und Ergebnisse mit früheren Studien verglichen werden. Darauf folgend werden am Beispiel des Fußballsports Initiativen der Verbände erläutert, die zur Stärkung des Ehrenamts beitragen sollen.

3.1 Forschungsstand zur „Krise“ und „Transformationsprozess“

Eine einheitliche Meinung darüber, dass sich das Ehrenamt einer Krise gegenüber sieht, tat sich sowohl in Verbänden als auch in der Politik gleichermaßen und damit auf breiter Basis, zu Beginn der 1990er Jahre auf (Jütting & van Bentem, 2007), wogegen sich die Wissenschaft bereits seit den frühen 1970er Jahren mit Strukturanalysen hinsichtlich der ehrenamtlichen Betätigungsfelder im Sport befasst (Bach; Vorwort in Braun, 2011). Zu diesem Zeitpunkt registrierte Lenk (1972) und schon vorher Wurzbacher (1962) ein Abklingen der Vereinsverbundenheit, verknüpft mit der Bereitschaft ein Ehrenamt zu bekleiden. Opaschowski (1989, zit. nach Friedrich & Puxi, 1994, S. 51) sieht es im Rahmen einer Ende der 1980er Jahre publizierten Untersuchung des BAT-Freizeitforschungsinstituts so: ÄDie deutsche Vereinsmeierei stirbt langsam und ‚leise‘ - durch Flucht in Passivität und innere Kündigung“. Diese These basiert jedoch damals lediglich auf diesem einen einzelnen empirischen Befund.

Mehreren zurückliegenden Studien zufolge ist das Problem der Rekrutierung und Einbindung, geschweige denn Motivation von ehrenamtlich Engagierte konstitutiv (Heinemann & Schubert, 1994; Jütting, 1994; Friedrich & Puxi 1994; Baur et al., 1995). Im wissenschaftlichen Diskurs der vergangenen 25 Jahre werden mehrere Faktoren, sowohl auf gesellschaftlicher als auch sportlicher Ebene diagnostiziert, die Einfluss darauf haben, dass eine Person ein (traditionelles) Ehrenamt übernimmt oder diesbezüglich kontraproduktiv wirken (Delschen, 2006).

Gründe für die Annahme Opaschowskis finden sich nach Friedrich und Puxi (1994) in einem allgemein stark veränderten Freizeitverhalten und einem Wertewandel sowie Konsumdenken im Sportbereich, was schlussendlich auch zur Stagnation der ehrenamtlichen Mitarbeit führt. Schubert (1998, zitiert nach Delschen, 2006, S.59) sieht Ägesellschaftliche Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse die Rahmenbedingungen der Ehrenamtlichkeit“ verändern. Lebensumstände können sich schneller ändern, die Ausdifferenzierung der Lebensziele nimmt zu (Delschen, 2006) und das Arbeitsleben fordert einen steigenden Anteil an Mobilität und flexiblen Einsatzzeiten, wobei Letzteres sich in Bezug auf die Ehrenamtsausübung aufgrund der seit mitunter 50 Jahren stetig sinkenden Arbeitszeiten weniger prägend zeigt (Friedrich und Puxi, 1994).

Heinemann und Schubert (1992, S. 30) sprechen von einem ÄZeitallokationsproblem“ als beeinflussenden Faktor.

[...]


1 Anmerkung: Zur Vereinfachung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auf feminine Substantive verzichtet, sofern beide Geschlechter angesprochen werden.

2 ausführlich dazu Weber (1988)

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Das Ehrenamt im Sport – eine bedrohte Spezies? Bürgerschaftliches Engagement zwischen Krise und Transformationsprozess
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sportwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
33
Katalognummer
V318721
ISBN (eBook)
9783668286078
ISBN (Buch)
9783668286085
Dateigröße
1563 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Ehrenamt, Sport
Arbeit zitieren
Max Köhler (Autor:in), 2014, Das Ehrenamt im Sport – eine bedrohte Spezies? Bürgerschaftliches Engagement zwischen Krise und Transformationsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318721

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