Der Zusammenhang zwischen Computerspielen und Kriminalität sowie die Problematik der Computerspielsucht


Studienarbeit, 2010

38 Seiten, Note: 15 (gut)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Computerspiele
I. Jugendschutz
II. Charakter und wichtige Arten
III. Tatsächliche Nutzung
1. Ausgangsstudien
2. Nutzungsintensität
3. Bevorzugte Genres und Spiele
4. Umgang mit den Vorgaben des Jugendschutzes

C. Mögliche Problematiken für kriminologisch relevante Sachverhalte
I. Gewaltförderung durch Gewaltspiele
1. Korrelation zwischen Nutzung und Gewalt
a. Studien
b. Kritik
2. Der Bedingungszusammenhang
a. Theorien und Studien
b. Kritik
3. Die Wirkungsmechanismen
a. Theorien
b. Kritik
4. Ergebnis
II. Kriminalitätsfurcht durch Gewaltspiele
III. Verkehrskriminalität durch Rennspiele
IV. Schadsoftware und Datenschutz in Onlinespielen
V. Gefahr durch andere Spieler in Onlinespielen
VI. Raubkopien
VII. Computerspielsucht
1. Existenz und Prävalenz der Computerspielsucht
a. Forschungserkenntnisse
b. Kritik
2. Die Risikofaktoren der Computerspielsucht
a. Forschungsergebnisse
b. Kritik
3. Zusammenhang zwischen Computerspielsucht und Kriminalität
4. Ergebnis

D. Zusammenfassung und Stellungnahme zur aktuellen Diskussion

A. Einleitung

Computerspiele sind erneut in den Schlagzeilen. Nach dem Amoklauf von Winnenden stehen „Killerspiele“ im Verdacht, Jugendliche zu Gewaltverbrechern zu machen. Deshalb werden Stimmen nach einem generellen Verbot solcher Spiele laut. Außerdem sollen Onlinerollenspiele, gemäß einer aktuellen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Jugendliche in die Computerspielsucht treiben. Hier wird nach einer Freigabe „ab 18 Jahren“ verlangt.1

Sind Computerspiele wirklich gefährlich oder lediglich Opfer einer – maßgeblich auch durch andere Medien betriebenen – öffentlichen „Hexenjagd“?

Ziel meiner Studienarbeit ist es festzustellen, ob die Nutzung von Computerspielen in Zusammenhang mit Kriminalität steht. Ich beziehe mein Thema auf jugendliche Computerspieler, da der Einfluss auf gerade diese momentan diskutiert wird. Außerdem werden Computerspiele in der Freizeit überwiegend von Jugendlichen genutzt.

Als Ausgangspunkt meiner Studienarbeit stelle ich die relevanten Jugendschutzbestimmungen sowie den Charakter und wichtige Arten von Computerspielen dar. Schwerpunktmäßig wird zudem auf die tatsächliche Nutzung durch Jugendliche eingegangen. Im Hauptteil diskutiere ich die möglichen Problematiken der Nutzung von Computerspielen für kriminologisch relevante Sachverhalte. Vor allem werden Forschungsergebnisse zur „Gewaltförderung durch Gewaltspiele“ und „Computerspielsucht“ kritisch untersucht. Außerdem werden die Problematiken „Kriminalitätsfurcht durch Gewaltspiele“, „Verkehrskriminalität durch Rennspiele“, „Datenschutz und Schadsoftware in Onlinespielen“, „Gefahr durch andere Spieler in Onlinespielen“ und „Raubkopien“ behandelt. Abschließend fasse ich meine Erkenntnisse zusammen und beziehe Stellung zu geforderten Verboten.

Ich verwende in meiner Arbeit möglichst offizielle und wissenschaftliche Quellen. Sofern es die Spezialität oder Vollständigkeit des behandelten Themas erfordert, greife ich auch auf die Untersuchungen privater Unternehmen zurück. Nicht alle Studien umfassen die Altersspanne des gesetzlichen Jugendbegriffs. Ich achte jedoch darauf, dass sie sich zumindest im näheren Umfeld bewegen.

B. Computerspiele

Zu Beginn der Untersuchung werden die relevanten Jugendschutzbestimmungen, der mediale Charakter und wichtige Arten von Computerspielen, sowie die tatsächliche Nutzung durch Jugendliche dargestellt.

I. Jugendschutz

Die Vorgaben des Jugendschutzes bzgl. Prüfung und Distribution von Computerspielen auf Datenträgern (z.B. Discs, DVDs) sind in Deutschland relativ strikt. Werden Minderjährigen Computerspiele öffentlich zugänglich gemacht, so müssen sie nach den Maßgaben der §§ 12, 14 JuSchG für die jeweilige Altersklasse freigegeben sein. Seit 2003 muss ein Computerspiel nach den Vorgaben des Jugendschutzes genau geprüft und mit einer Alterseinstufung gekennzeichnet werden. Die Anforderungen an die Größe und Sichtbarkeit der Kennzeichnung sind seit 01.2008 festgelegt (§ 12 II JuSchG). Zuständig für die komplexe Prüfung von Computerspielen sind die Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) und die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK).2 § 14 II JuSchG gebietet eine Einteilung in fünf Alterskategorien (Freigabe ab 0, 6, 12, 16, 18 Jahren). Abgrenzungskriterium der Zuständigen ist die Beeinträchtigung der Entwicklung Minderjähriger durch die Spielinhalte.3 Hier liegt die Betonung auf der Brutalität und Realitätsnähe der dargestellten Gewalt und deren sozial- und persönlichkeitsschädigender Wirkung.4 Erst kürzlich, zum 06.2009, führte die USK neu designte Alterskennzeichnungen ein. Die Alterszahl ist auf den Logos nun schlagwortartig hervorgehoben und ersetzt die alten, weniger verständlichen, „juristischen Floskeln“.5

Neben der Alterskennzeichnung existiert im JuSchG die härtere Maßnahme der Indizierung gem. § 15 I, II JuSchG. Computerspiele, die Minderjährige in ihrer Entwicklung gefährden, setzt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPJM) auf die „Liste jugendgefährdender Medien“ gem. § 18 JuSchG. § 15 I JuSchG verbietet jegliche öffentliche Ausstellung, Bewerbung und Versand der Spiele auf der Liste. Vertrieben werden dürfen sie nur in ausschließlich für Erwachsene zugänglichen Bereichen.6 Auch ohne eine Aufnahme in die Liste des § 18 JuSchG tritt selbige Rechtsfolge im Falle der Indizierung nach § 15 II JuSchG ein. Das Computerspiel muss hierbei schwer jugendgefährdend gem. § 15 II Nr. 1-5 JuSchG sein. Seit 07.2008 hat der Gesetzgeber den Katalog des § 15 II JuSchG um „Killerspiele“ erweitert. § 15 II Nr. 3a JuSchG bezieht sich auf Spiele, welche „besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen“.7 Voraussetzung einer Indizierung ist, dass ein Spiel keine USK-Alterskennzeichnung hat. Dies ist z.B. bei ausländischen Spielen oder Raubkopien der Fall. Außerdem können die OLJB eine Alterskennzeichnung durch die USK verweigern, wenn die Indizierungskriterien als erfüllt erachtet werden.8

Computerspiele, die nicht auf Datenträgern veröffentlich werden, unterfallen als Telemedien dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV). Dazu zählen die ausschließlich über Internetseiten oder Downloads zugänglichen Computerspiele und Spiel-Ergänzungen. Hier erfolgt keine Alterskennzeichnung, die Möglichkeit einer Indizierung ist jedoch gegeben. Die Zentralaufsichtsstelle ist die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM).9

Die Distribution von Computerspielen ist außerdem verboten, sofern ihre Inhalte unter Verbote des StGB fallen. Beispielsweise dürfen nach § 131 StGB sehr grausame und die Menschenwürde verletzende Darstellungen von Gewalttätigkeiten weder an Erwachsene noch an Minderjährige verbreitet werden.10

II. Charakter und wichtige Arten

Im Gegensatz zu anderen Medien sind Computerspiele von einem interaktiven Charakter geprägt. Über die bloße Wahrnehmung hinaus kann der Spieler auf das Bildschirmgeschehen aktiv einwirken.11

Plattformen für Computerspiele sind PCs und Spielkonsolen. Ein genereller Trend geht zur Einbindung der Spiele in das Internet, was eine verstärkte Kommunikation zwischen Spielern ermöglicht.12 Diese Onlinespiele setzen normalerweise das Einrichten eines Benutzerkontos (Account) voraus, welches oft mit laufenden Kosten verbunden ist.13 In meiner Arbeit tauchen die – vielleicht weniger geläufigen – Genres „Shooter“ und „Rollenspiel“ auf. In Shootern geht es darum, die eigene Spielfigur zu schützen. Zu diesem Zweck wird auf feindliche Figuren geschossen. Beim Untergenre der „Ego-Shooter“ nimmt der Spieler die Sichtweise des gespielten Schützen ein. Shooter sind für Jugendliche, wenn überhaupt, von der USK erst ab 16 Jahren freigegeben. Rollenspiele enthalten mittelalterlich geprägte Fantasiewelten, wobei der Spieler in eine Heldenrolle schlüpft. Es werden Aufgaben gelöst, Feinde bekämpft etc. Speziell in Onlinerollenspielen spielen tausende Spieler miteinander. Hier werden Gruppierungen gebildet und Aufgaben gemeinsam gelöst. Außerdem verändert sich die virtuelle Welt der Onlinerollenspiele stetig. Generell sind Rollenspiele von der USK ab 12 Jahren freigegeben.14

III. Tatsächliche Nutzung

Hier wird die tatsächliche Nutzung von Computerspielen durch die deutschen Jugendlichen thematisiert.

1. Ausgangsstudien

Die empirischen Erkenntnisse für die folgende Einteilung werden vor allem aus der aktuellen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) gezogen. Dieses führt eine repräsentative Befragung deutscher Schüler durch. Mittels Stichprobe, unter Berücksichtigung räumlicher Merkmale, wird die Studienpopulation ermittelt (N = 44610, Durchschnittsalter: 15,3 Jahre, ca. 50% männlich, Zeitraum: 04.2007-10.2008). Bei den räumlichen Merkmalen werden sowohl alte als auch neue Bundesländer und unterschiedlich große Städte und Landkreise erfasst.15 Daneben führe ich zwei weitere befragungsbasierte Studien an. Die Electronic Arts GmbH (EA), die Jung von Matt AG und das GEE Magazin erstellen im Rahmen einer Marktforschungsstudie eine Computerspielertypologie der Deutschen mittels repräsentativer Stichprobe (N = 3000, Alter: ab 14 Jahre, Zeitpunkt: Sommer 2005).16 Die „JIM-Studie 2008“17 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (MPFS) erfasst, anhand einer repräsentativen Stichprobe, den Medienumgang deutscher Jugendlicher (N = 1208, Alter: 12-19, 50% männlich, Zeitraum: 05.2008-06.2008).18 Auswertungen der KFN-Schülerbefragung im Jahr 2005 zu Mediennutzung etc. Jugendlicher (N = 23000, 17000 Neuntklässler, 6000 Viertklässler)19 werden hier nicht primär berücksichtigt. Die Studie bezieht sich nur auf westdeutsche Regionen und kann damit nicht als repräsentativ für das Computerspielverhalten deutscher Jugendlicher angesehen werden.20

2. Nutzungsintensität

Um die Intensität des Computerspielens zu definieren, werden die Befragten vom KFN nach steigender Nutzung in „Nichtspieler, Gelegenheitsspieler, unterdurchschnittliche Spieler, überdurchschnittliche Spieler, Vielspieler und Exzessivspieler eingeteilt“21. Eine Orientierung über die detaillierte Einteilung bieten die „Eckpunkte“. „Nichtspieler“ ist ein Jugendlicher, der durchschnittlich null Stunden pro Tag spielt und im letzten Jahr keine Computerspiele genutzt hat. Der „Exzessivspieler“ spielt dagegen mindestens 4,5 Stunden täglich. Die genaue Mitte der Einteilung bildet die Spielzeit von einer Stunde pro Tag. Ins-gesamt spielen 12,5% der Jugendlichen nicht und 10% exzessiv. Diese beiden Gruppen sind am schwächsten. Die meisten Jugendlichen spielen überdurchschnittlich (24,4%) und unterdurchschnittlich (20,0%). Die Jungen sind zu 5,6% Nichtspieler und zu 15,8% Exzessivspieler. Zumeist sind sie überdurchschnittliche Spieler (29,8%) und Vielspieler (23,2%). Die wenigsten Jungen sind Nichtspieler. Die Mädchen sind zu 19,7% Nichtspielerinnen und zu 4,3% Exzessivspielerinnen. Zumeist sind sie unterdurchschnittliche Spielerinnen (25%) und Gelegenheitsspielerinnen (24,3%). Die wenigsten unter ihnen gehören der Gruppe der Exzessivspielerinnen an.22 Bei Jungen ist das Computerspielen die wichtigste Freizeitbeschäftigung nach dem Fernsehen. Bei Mädchen steht es an sechster Stelle. Die durchschnittliche Computerspielzeit der männlichen Jugendlichen beträgt 141 Minuten pro Tag, die der weiblichen 56 Minuten. Im Vergleich zur KFN-Schülerbefragung 05 ist ein deutlicher Anstieg der Nutzung zu verzeichnen.23

Interessant bzgl. Jugendlicher ist in der EA/JUNGv.Matt/GEE-Studie der Typ des „Intensivspieler[s]“24. Der Intensivspieler nutzt, von allen fünf erstellten Computerspielertypen, die Computerspiele am stärksten. Diesem Typ werden 5% der Studienpopulation zugeordnet. Er besteht zu ca. 80% aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen und bildet damit den „jüngsten“ der fünf Typen. Außerdem enthält er zu 80% männliche Individuen und weist damit auch den höchsten Männeranteil auf.25

Die „JIM-Studie“ zeigt, dass 948 der Befragten Computerspiele nutzen. Unter diesen spielen, je nach Wochentag, die Jungen zu 91-120 Minuten und die Mädchen zu 47-55 Minuten.26

3. Bevorzugte Genres und Spiele

Nach dem KFN widmen die männlichen Jugendlichen, von den obig genannten 141 Minuten, durchschnittlich 83 Minuten den Onlinespielen. Die weiblichen Jugendlichen spielen von ihren 56 Minuten 34 Minuten online. Die Jugendlichen werden nach ihren drei aktuellen Lieblingsspielen gefragt. Hieraus wird eine Top-Ten-Liste für die Jungen sowie Mädchen erstellt. In der Top-Ten der Jungen finden sich drei Shooter und zwar „Counterstrike“ (Platz 1, von 27% als eines der drei Lieblingsspiele genannt, USK-Freigabe, je nach Untertitel der Reihe: ab 16-18 Jahren), „Call of Duty“ (Platz 6, 7,8%, USK 18) und „Battlefield“ (Platz 7, 5,1 %, USK 16).27 Diese drei Shooter werden in der Ego-Perspektive gespielt.28 Mit „World of Warcraft“ (Platz 5, 9,8%, USK 12) und „Guild Wars“ (Platz 10, 2,7%, USK 12) sind in der Liste zwei Onlinerollenspiele vertreten. Ein Rennspiel, „Need for Speed“ (Platz 3, 11,4%, USK 0-12) sowie „Grand Theft Auto“ (Platz 4, 10,1%, USK 16-18), ein Genremix aus Action-, Shooter- und Rennspiel,29 stehen ebenfalls in der Top-Ten. Die Hitliste der Jungen ist insgesamt von zeitaufwändigen Spielen geprägt. Bei den Mädchen finden sich von obigen Genres nur die Spiele „Counterstrike“ (Platz 7, 2,4%), „World of Warcraft“ (Platz 10, 1,3%), „Need for Speed“ (Platz 3, 4,8%) und „Grand Theft Auto“ (Platz 6, 2,5%) in der Top-10. Insgesamt ist die Top-10 der Mädchen vor allem durch Spiele charakterisiert, die keinen großen Zeitaufwand verlangen.30

Die jugendlich-männlich geprägte Gruppe der „Intensivspieler“ in der EA/JUNGv.Matt/ GEE-Studie bevorzugt das Spielen im Multiplayermodus und online. Hier sind die Ego-Shooter das beliebteste Genre.31

Die „JIM-Studie“ fragt ebenfalls nach den drei Lieblingsspielen und erstellt aus den Antworten eine Genre-Top-8. Die männlichen Spieler bevorzugen das Genre der Shooter (46%). Rennspiele finden sich auf dem dritten Rang (26%) und Onlinerollenspiele auf dem sechsten Rang (14%). Bei den Mädchen sind diese Genres hinter Strategiespielen (42%) weit abgeschlagen.32

4. Umgang mit den Vorgaben des Jugendschutzes

Schon die obigen KFN-Top-10-Listen enthalten Spiele, die erst ab 16 bzw. 18 Jahren freigegeben sind. In der KFN-Studie wird erkannt, dass die Jungen sogar Spiele bevorzugen, die gemäß der USK nicht für ihre Altersklasse bestimmt sind. Der Großteil der Studienteilnehmer erreicht die USK-Altersgrenzen von 16 bzw. 18 Jahren nicht. Dennoch spielen 55,4% der befragten Jungen USK-16-Spiele regelmäßig. 48,3% nutzen zudem USK-18-Spiele öfter als einmal pro Monat. Bei den weiblichen Jugendlichen sind diesbezüglich nur 9,6% und 5,2% zu verzeichnen.33

Nach der „JIM-Studie“ haben 82% der männlichen Spieler die USK-Alterskennzeichen schon einmal umgangen. Bei den Spielerinnen liegt der Anteil bei 36%. Seit der vorherigen Studie des MPFS, im Jahr 2005, ist eine angestiegene Nichtbeachtung der Kennzeichnungen zu vermerken. Ca. 75% der Jungen sowie Mädchen meinen, dass sie leichten Zugang zu „verbotenen“ Spielen hätten. Nach den Angaben können die Spiele vor allem über Freunde (67% der Befragten meinen dies) und das Internet (44%) bezogen werden. Aber auch über den Handel (37%), die Mitschüler (33%) und die Eltern (25%), glauben die Jugendlichen, sich diese Spiele beschaffen zu können.34

Die Studien beziehen sich noch nicht auf die neuesten Alterskennzeichnungen der USK (s. B.I.). Ob diese eine stärkere Abschreckungsfunktion haben als die bisherigen muss sich zeigen. In Anbetracht der bereitwilligen Umgehung der bisherigen Kennzeichnungen ist aber wohl von keinem einschneidenden Effekt auszugehen.

C. Mögliche Problematiken für kriminologisch relevante Sachverhalte

Nachfolgend werden mögliche Bezüge zu kriminologisch relevanten Sachverhalten diskutiert. Schwerpunkte bilden dabei die „Gewaltförderung durch Gewaltspiele“ und die „Computerspielsucht“.

I. Gewaltförderung durch Gewaltspiele

In diesem Kapitel wird erörtert, inwieweit Computerspiele bei Jugendlichen Gewalt fördern. Hierbei soll, gemäß der aktuellen Diskussion (s. A.), die Rolle der Computerspiele mit Gewaltcharakter untersucht werden.

1. Korrelation zwischen Nutzung und Gewalt

Um die Wirkung zu erforschen soll zunächst festgestellt werden, ob die Nutzung von Gewaltspielen überhaupt mit der Ausübung von Gewalt und Aggressivität zusammenhängt.

a. Studien

In der KFN-Schülerbefragung 05 wurden ca. 17000 westdeutsche Neuntklässler zu ihrer Mediennutzung etc. befragt (s.B.III.1.). Mößle et al. konzentrieren sich hinsichtlich der Gewaltförderung durch Gewaltspiele auf männliche Schüler (N nicht genau angegeben). Gefragt wird nach der Akzeptanz von „Gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen (GLMN)“35, also sozialen Ansichten, die männliche Gewalt billigen. Gemäß einer Statistik der Autoren tendieren Jugendliche, die „GLMN“ verinnerlicht haben, auch zur Umsetzung dieser in tatsächliche Gewalt. Es zeigt sich eine positive Korrelation zwischen der Nutzungsintensität von Kampfspielen und der Akzeptanz der „GLMN“. 4,0% der Nichtnutzer akzeptieren „GLMN“, dagegen 19,0% der intensivsten Nutzer. Außerdem werden Jugendliche in sozialen und familiären Problemsituationen (5-10% der befragten Jungen) berücksichtigt. Es zeigt sich eine Korrelation zwischen der Nutzungsintensität von Gewaltspielen, hier differenziert nach Ego-Shootern und Kampfspielen, und Gewaltdelinquenz bzgl. des vorangegangenen Jahres. Diejenigen Jugendlichen, die angeben, Ego-Shooter bzw. Kampfspiele nie zu nutzen, begingen zu 16,0% bzw. 14,1% Gewaltdelikte. Bei den Jugendlichen mit der intensivsten Nutzung liegen diese Anteile bei 31,5% und 44,3 %. Insgesamt ist die Nutzung von Kampfspielen stärker korreliert mit Gewaltdelinquenz als die Nutzung von Ego-Shootern.36

Eine weitere Studie stammt von Lynch et al. Schüler (N = 607, Durchschnittsalter: 14 Jahre, ca. 50% männlich) werden nach ihrem Computerspielverhalten befragt. U.a. wird die Exposition mit Gewalt in Computerspielen ­– errechnet aus den Genrepräferenzen, dem Grad an wahrgenommener Gewalt und der Spielhäufigkeit – erhoben. Auch wird gefragt, welchen Grad an Gewalt die Schüler in einem Computerspiel bevorzugen. Um die Nutzung mit Aggressivität in Verbindung zu bringen wird, nach einer speziell entwickelten Skala, die feindselige Einstellung der Schüler gegenüber Mitmenschen bestimmt. Außerdem wird gefragt, ob die Schüler innerhalb des letzten Jahres an einer Schlägerei beteiligt gewesen sind.37 Im Ergebnis zeigt sich, dass die Höhe der Exposition mit Computerspielgewalt positiv korreliert ist mit Feindseligkeit (r = .21, p < .001.). Selbiges gilt für die Höhe des Grades an bevorzugter Gewalt (r = .31, p < .001.). Auch nach Kontrolle der Interkorrelation zwischen Feindseligkeit und der Teilnahme an Schlägereien zeigt sich eine Korrelation zwischen der Exposition mit Computerspielgewalt und der Teilnahme an Schlägereien. So waren Schüler, die kaum eine Exposition angeben, nur zu 14% in Schlägereien verwickelt, diejenigen mit höchster Exposition dagegen zu 55%.38

Kutner/Olson führen eine Befragung an Schülern 8ter und 9ter Klassen (N = 1254, Alter: 12-14 Jahre) durch. Als Spiele mit Gewaltcharakter sehen die Autoren „M-rated-Games“, also Spiele, die in den USA für Jugendliche unter 17 Jahren nicht zugänglich sein sollen.39 Insgesamt spielten 68% der Jungen und 29% der Mädchen, gemäß deren Angaben, im vorherigen Halbjahr mindestens ein M-rated-Game intensiv. Dementsprechend werden die Jungen und Mädchen in „M-GAMERS“40 und „NON-M-GAMERS“41 eingeteilt.42 Aggressivität wird gemessen an der Teilnahme an Schlägereien und der Begehung von Körperverletzungen (Schlagen, Verprügeln) in den vorherigen 12 Monaten.43 Es zeigt sich eine positive Korrelation zwischen dem Spielen von M-rated-Games und aggressivem Verhalten. Die Jungen nahmen generell zu 44,4% an Schlägereien teil und begingen zu 53,2 % Körperverletzungen. Die „M-Spieler“ sind jeweils zu 51% und 60%, die „Nicht-M-Spieler“ zu 28% und 39% vertreten. Die weiblichen Befragten waren insgesamt zu 20,9% in Schlägereien verwickelt, und begingen zu 34,5 % Körperverletzungen. Bei den „M-Spielerinnen“ liegt der Anteil bei jeweils 40% und 49%, bei den „Nicht-M-Spielerinnen“ dagegen bei 14% und 29%.44

[...]


1 Vgl. z.B.: Heise Online 2009, Diskussion über Gewalt-Computerspiele nach Amoklauf von Winnenden; Heise Online 2009, Suchtgefährdende Computerspiele: Verbote für Jugendliche gefordert.

2 USK 2009, Kinder und Jugendliche schützen, S. 4 ff.; Fechner 2009, Medienrecht, S. 153 f.

3 USK 2009, Kinder und Jugendliche schützen, S. 7, 11 ff., 34; Spielbar.de (ohne Datum), Jugendschutz.

4 USK 2009, Kinder und Jugendliche schützen, S. 2, 11 ff.

5 USK 2009, Pressemitteilung 13.05.2009.

6 USK 2009, Kinder und Jugendliche schützen, S. 33 f.; Fechner 2009, Medienrecht, S. 154 f.

7 Fechner 2009, Medienrecht, S. 155.

8 USK 2009, Kinder und Jugendliche schützen, S. 30, 33f.

9 Spielbar.de (ohne Datum), Jugendschutz.

10 Spielbar.de (ohne Datum), Jugendschutz; USK 2009, Kinder und Jugendliche schützen, S. 35.

11 Spielbar.de (ohne Datum), Faszination & Erlebnis.

12 BSI (ohne Datum), Wie alles begann…: Computerspiele – eine Erfolgsstory.

13 Spielbar.de (ohne Datum), Genres & Spielweisen.

14 USK (ohne Datum), Die Genres der USK; Spielbar.de (ohne Datum), Genres & Spielweisen.

15 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 15.

16 EA, JUNGv.Matt, GEE 2006, Spielplatz Deutschland, S. 8.

17 MPFS 2008, JIM 2008, Jugend, Information, (Multi-)Media, S. 3.

18 MPFS 2008, JIM 2008, Jugend, Information, (Multi-)Media, S. 3 f.

19 Mößle et al. 2006, Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen, S. 1.

20 Vgl. Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 16.

21 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 19.

22 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 19 f.

23 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 15 f.

24 EA, JUNGv.Matt, GEE 2006, Spielplatz Deutschland, S. 12.

25 EA, JUNGv.Matt, GEE 2006, Spielplatz Deutschland, S. 12, 24 f.

26 MPFS 2008, JIM 2008, Jugend, Information, (Multi-)Media, S. 39.

27 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 15 ff.

28 Wikipedia 2009, Kategorie: Ego-Shooter.

29 Wikipedia 2009, Grand Theft Auto.

30 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 17 f.

31 EA, JUNGv.Matt, GEE 2006, Spielplatz Deutschland, S. 24 f.

32 MPFS 2008, JIM 2008, Jugend, Information, (Multi-)Media, S. 39 f.

33 Rehbein, Kleimann, Mößle 2009, Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter, S. 17 f.

34 MPFS 2008, JIM 2008, Jugend, Information, (Multi-)Media, S. 42 f.

35 Mößle et al. 2006, Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen, S. 16.

36 Mößle et al. 2006, Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen, S. 16 f.

37 Lynch et al. 2001, The Effects of Violent Video Game Habits on Adolescent Aggressive Attitudes and Behaviours, S. 4 ff.

38 Lynch et al. 2001, The Effects of Violent Video Game Habits on Adolescent Aggressive Attitudes and Behaviours, S. 6 ff., 12.

39 Kutner, Olson 2008, Grand Theft Childhood, S. 86 f.

40 Kutner, Olson 2008, Grand Theft Childhood, S. 97 f.

41 Kutner, Olson 2008, Grand Theft Childhood, S. 97 f.

42 Kutner, Olson 2008, Grand Theft Childhood, S. 92, 96 ff.

43 Kutner, Olson 2008, Grand Theft Childhood, S. 88, 96 f.

44 Kutner, Olson 2008, Grand Theft Childhood, S. 97 ff.

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang zwischen Computerspielen und Kriminalität sowie die Problematik der Computerspielsucht
Hochschule
Universität Regensburg  (Juristische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar "Kriminologie des Informationszeitalters"
Note
15 (gut)
Autor
Jahr
2010
Seiten
38
Katalognummer
V318457
ISBN (eBook)
9783668179165
ISBN (Buch)
9783668179172
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um eine Arbeit aus dem Fach Kriminologie im Rahmen des Schwerpunkts "Strafrecht in der modernen Gesellschaft" an der Universität Regensburg. Das Thema enthält zwei Teile: Den Hauptteil bildet der Zusammenhang zwischen Computerspielen und Kriminalität. Hierbei wird nicht nur die "klassische" Verbindung zur Gewaltkriminalität, sondern auch weitere kriminologisch relevante Sachverhalte behandelt. Der Teil der Computerspielsucht nimmt weniger Raum ein. Die beiden Teile werden abschließend miteinander in Verbindung gebracht.
Schlagworte
Computerspiel, Killerspiel, Amok, Spielsucht, Ego-Shooter
Arbeit zitieren
Dominik Birner (Autor:in), 2010, Der Zusammenhang zwischen Computerspielen und Kriminalität sowie die Problematik der Computerspielsucht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318457

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