Eignung und Umsetzbarkeit einer Devisentransaktionssteuer nach Tobin (Tobin-Steuer)


Zwischenprüfungsarbeit, 2002

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einführung und Abgrenzung
1.1 Einführung in die Problematik
1.2 Zielsetzung und thematische Abgrenzung.

2 Finanzwissenschaftliche Grundlagen.
2.1 Stabile und effiziente Devisenmärkte?
2.2 Hohe Handelsvolumen - Zeichen einer Abkopplung?.
2.3 Der Aufbau der Devisenmärkte
2.4 ‚Gute’ Spekulation - ‚schlechte’ Spekulation
2.5 Arbitragegeschäfte

3 Tobins Konzept einer Devisentransaktionssteuer.
3.1 James Tobins Konzept
3.2 Die Renaissance der Tobin-Steuer
3.3 Fiskalische Ziele einer Tobin-Steuer
3.4 Variationen des Steuersatzes.
3.5 Variationen der Bemessungsgrundlage
3.6 Ausnahmeregelungen

4 Kritische Würdigung des Konzeptes einer Devisentransaktionssteuer nach Tobin
4.1 Grundsätzliche Wirksamkeit der Tobin-Steuer
4.2 Wirksamkeit der Tobin-Steuer bei Währungskrisen
4.3 Umgang mit Ausweichreaktionen des Marktes.
4.4 Politische Durchsetzbarkeit und internationale Koordinierung

5 Zwei alternative Konzepte einer Devisentransaktionssteuer
5.1 Zweistufige Devisentransaktionssteuer nach Spahn.
5.2 Mindestreservepflicht nach dem chilenischen Vorbild

6 Fazit und Ausblick
6.1 Eignung und Umsetzbarkeit einer Devisentransaktionssteuer nach Tobin
6.2 Mögliche Alternativen
6.3 Ausblick

Anhang: Charakteristika wichtiger Varianten der Tobin-Steuer.

Literaturverzeichnis.

Abbildungsverzeichnis

Die vorliegende Arbeit ist im Internet unter

http://www.politikundwirtschaft.de/doc/suenderhaufdittus/tobin_0203 verfügbar.

Für Fragen und Anregungen kontaktieren Sie bitte den Autor unter bos@suenderhauf.net.

Eberhard-Karls-Universität Tübingen ˜ Institut für Politikwissenschaft ˜ März 2002

Bernd Oliver Sünderhauf und Sebastian Dittus: Eignung und Umsetzbarkeit einer Devisentransaktionssteuer nach Tobin

1 Einführung und Abgrenzung

1.1 Einführung in die Problematik

In den vergangenen beiden Jahrzehnten kam es in 125 Staaten mehrerer Weltregionen zu mindes- tens einer schwerwiegenden Währungs- und Finanzkrise3. Einiges spricht dafür, dass diese zuvor nicht gekannte Krisenhäufigkeit erst durch die weitgehende Liberalisierung der Finanzmärkte ermög- licht wurde. Hingegen divergieren die Meinungen, inwieweit es sich um eine systemimmanente Insta- bilität der liberalisierten Weltfinanzmärkte handelt. Das Spektrum reicht von Befürwortern einer grund- sätzlichen Beibehaltung des Status Quo bis hin zu Totalkritikern des kapitalistischen Systems.

Banken, institutionelle Anleger, Spekulanten, private Finanzmarktakteure oder die Regierungen der westlichen Industrieländer (G7) halten am System flexibler Wechselkurse fest. Als Verfechter freien Kapitalverkehrs sprechen sie sich darüber hinaus gegen jegliche Einmischung von staatlicher Seite aus, um die Effizienz der Märkte nicht zu beeinträchtigen.

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen als Kritiker des Neoliberalismus einige weltweit operie- rende Nichtregierungsorganisationen wie Attac4 sowie Gewerkschaften und linke Parteien. Diese Gruppierungen sprechen sich in der Mehrzahl für die Einführung einer Devisentransaktionssteuer (im folgenden mit ‚DT-Steuer’ abgekürzt) nach James Tobin aus, um eine größere Stabilität der internati- onalen Finanzmärkten zu erreichen. Sie erhoffen sich von dieser Maßnahme außerdem die Begren- zung der Macht großer Finanzakteure und eine Stärkung der nationale Autonomie der Staaten5.

Aufgrund der zahlreichen schweren Währungs- und Finanzkrisen in der jüngeren Vergangenheit stellt sich dringender denn je die Frage nach konkretem Reformbedarf im internationalen Rahmen. Insbesondere die Finanzkrise der südostasiatischen Schwellenländer 1997 und der BeinaheZusammenbruch des Hedge-Fonds LTCM 19986 sorgten für die Sensibilisierung der Weltöffentlichkeit für eine „Neue Internationale Finanzarchitektur“. Vor diesem Hintergrund richteten die G7 Staaten 1999 unter Beteiligung des IWF und anderer internationaler Organisationen das Forum für Finanzmarktstabilität (FSF) ein, um die zahlreichen Handlungsoptionen zu prüfen und Vorschläge für eine Reform des internationalen Finanzsystem herauszuarbeiten.

1.2 Zielsetzung und thematische Abgrenzung

Während die sogenannte ‚Tobin-Steuer’ in den vergangenen Jahren das Interesse von NGOs, Medien und auch politischen Akteuren auf sich gezogen hat, erhielt sie im wissenschaftlichen Bereich relativ wenig Aufmerksamkeit7. Dabei polarisiert sie die Öffentlichkeit wie kaum ein anderer Reformvor- schlag.

Ziel unserer Arbeit ist es, die unterschiedlichen - nicht immer objektiven - Betrachtungsweisen der Tobin-Steuer näher zusammenzuführen und damit die ‚ideological gap’ zwischen Befürwortern und Kritikern zu überbrücken. Letztlich ist eine rationale und ausgewogene Auseinandersetzung mit die- sem Reformvorschlag notwendig, um ihn alternativen Konzepten gegenüberstellen zu können.

In unserer kritischen Beleuchtung der Tobin-Steuer untersuchen wir dieses Instrument im Hinblick auf seine Wirksamkeit und weitere Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Daher werden wir auch - soweit es für das tiefergehende Verständnis der Funktionsweise und Konsequenzen einer DT-Steuer unbedingt erforderlich ist - einige finanzwissenschaftliche Grundlagen darstellen.

Da die Einführung einer DT-Steuer unserer Überzeugung nach dem vorrangigen Ziel der Stabilisie- rung der Finanzmärkte dienen soll, gehen wir auf Aspekte der Verteilung des Steuerertrages nicht näher ein8.

Während zwei bedeutsame Varianten von Tobins ursprünglichem Vorschlag - insbesondere der Bei- trag von Paul Bernd Spahn - mit in die Untersuchung einbezogen werden, wird auf eine ausführliche Darstellung der Vielzahl anderer, sich vom Grundkonzept einer DT-Steuer grundsätzlich unterschei- dender Ansätze verzichtet. Um das Thema nicht zu sprengen, bleiben somit eine umfassende Synop- se aller möglichen Reformmaßnahmen und daraus abzuleitende Handlungsempfehlungen anderen Arbeiten überlassen9.

2 Finanzwissenschaftliche Grundlagen

2.1 Stabile und effiziente Devisenmärkte?

Nach dem Konzept der impossible trinity10 der Weltwährungsordnung besteht ein Konflikt zwischen den nicht vollständig vereinbaren Zielen

1. Stabile Wechselkurse,
2. Freier (und globaler) Kapitalverkehr sowie
3. Geldpolitische Autonomie.

In diesem ‚Trilemma’ können allenfalls zwei der drei Ziele gleichzeitig erreicht werden11. Somit muss die stärkere Hinwendung zu einem der Ziele mit Abstrichen bei einem anderen erkauft werden. Stell- ten zu Zeiten des Bretton-Woods-Regimes Stabilität und Autonomie noch die entscheidenden Eckpfei- ler dar, so wurden nach dessen Auflösung die Devisenmärkte (wie auch andere Finanzmärkte) inner- halb weniger Jahrzehnte unter Verzicht auf eine maximale Stabilität weitgehend liberalisiert.12

Eigentliche Aufgabe freier Devisenmärkte ist es, der Realwirtschaft optimale Rahmenbedingungen zur Entwicklung zu bieten. Diese bestehen darin, dass Kapital in die Länder gelenkt wird, in denen es besonders benötigt wird und in denen daher ein vergleichsweise hoher Zins bei angemessenem Risi- ko gezahlt wird. Diese Aufgabe können stark regulierte oder Festkurssysteme wie Bretton Woods nicht hinreichend erfüllen13.

2.2 Hohe Handelsvolumen - Zeichen einer Abkopplung?

Wenngleich Finanzmärkte also keinen Selbstzweck darstellen, haben sie in den vergangenen Jahr- zehnten gewissermaßen ein Eigenleben entwickelt. Aus rein finanzwirtschaftlichen Kalkülen begrün- dete Kapitaltransaktionen überwiegen bei weitem die außenhandelsbedingten Transaktionen14. Grundsatzkritiker der herrschenden Finanzordnung sprechen von einer ‚Abkoppelung’ der Finanz- märkte von der Realwirtschaft. Deren überproportionales Wachstum störe die realwirtschaftliche Allo- kation durch „Krisen, steigende Volatilität und Preise, die nicht die ökonomischen Sachverhalte wider- spiegeln“15.

Demgegenüber stellt Bofinger (2001) dar, dass die „enorm hohen Handelsvolumina ... kein Indiz für eine ‚Überliquidität’, sondern lediglich Ausdruck einer ganz spezifischen Handelsorganisation“ sind. Der Devisenhandel beruhe auf bilateralen ‚Suchprozessen’ nach dem „heiße Kartoffel-Prinzip“, in de- nen Käufer und Verkäufer eben nur über Makler zusammenfinden, die die Devisen vom Verkäufer zeitweilig übernehmen, um sie an einen Käufer oder einen anderen Makler weiterzureichen.

In den letzten fünf Jahren wurden auf den Devisenmärkten täglich zwischen 1,2 und 1,5 Bio. US-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Welthandelsvolumen in traditionellen Devisengeschäften (1989 - 2001)

Dollar umgesetzt (vgl. Abb. 1). Davon entfielen ca. 20% auf realwirtschaftliche Transaktionen. Demnach wird jede Devisenposition durchschnittlich fünfmal weitergereicht, bis sie einen Käufer findet, der bereit ist, sie zu halten.16 Entscheidend sei dabei, „dass in der Statistik ... nicht nur die Ausgangstransaktion auftaucht, sondern alle Zwischenumsätze.“17

Abgesehen davon kann ‚Abkopplungskritikern’ entgegengehalten werden, dass die heutigen Finanz- märkte im allgemeinen über eine vergleichsweise gute Bewertungseffizienz verfügen18. Für Verzer- rungen wird häufig ein irrationales Verhalten der Marktteilnehmer verantwortlich gemacht, das bspw. durch die Konzepte des noise trading (Orientierung an im Grunde irrelevanten Daten anstatt von Fun- damentaldaten) und des Herdenverhaltens (spieltheoretischer Ansatz: Entscheidungen werden im Hinblick auf die erwarteten Entscheidungen anderer getroffen) veranschaulicht werden kann (siehe auch Abschnitt 2.2).

2.3 Der Aufbau der Devisenmärkte

Devisenmärkte weisen - im Gegensatz beispielsweise zu Aktienbörsen - eine dezentrale Struktur auf. Da Devisengeschäfte bilateral abgeschlossen werden, besteht nur eine begrenzte Transparenz über Wech- selkurse und gehandelte Mengen. Devisenmärkte bestehen aus zwei Segmenten: Im Großhandelsmarkt handeln Devisenhändler (überwiegend Banken) untereinander mit sehr niedrigen Handelsspannen (hier werden auch Wechselkurse notiert), während sie im Einzelhandelsmarkt ihre Kunden bedienen. 2001 fanden etwa zwei Drittel der Transaktionen an den fünf größten Handelsplätzen - London (31%), New York (16%), Tokio (9%), Singapur (6%) und Frankfurt (5%)19 - statt. Von diesen unterscheidet man die Buchungsplätze (die Sitze der beteiligten Banken) sowie die Abwicklungsplätze (die beiden Länder, deren Währungen gegeneinander getauscht werden).20

2.4 ‚Gute’ Spekulation - ‚schlechte’ Spekulation

Häufig werden Spekulanten als das ‚Übel’ der freien Finanzmärkte gese- hen. Als regelrechter Staatsfeind muss- te der Fondsmanager George Soros herhalten, nachdem er 1992 mit Erfolg gegen das britische Pfund spekuliert hatte. Gewissermaßen über Nacht wurde das Pfund aus dem Europäi- schen Währungssystem (EWS) kata- pultiert, nachdem die DM-Reserven der britischen Notenbank aufgezehrt waren und diese den Pfundkurs nicht mehr in der vorgegebenen Bandbreite halten konnte. Das Pfund musste freigegeben werden und verlor ca. 20%. Hinter-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Stabilisierende Spekulation

Aufgrund besserer Information können Spekulanten die Preissteigerung von p1 auf p2 antizipieren. Durch Käufe stützen sie den Preis in der ersten Periode, durch Verkäufe reduzieren sie ihn in der zweiten. Als Nebeneffekt wurde der Preisan- stieg abgeschwächt und somit die Kursentwicklung verstetigt. grund war jedoch, dass die britische Währung jahrelang auf einem Kurs weit über dem Marktgleichgewicht gehalten wurde, und erst nach der erzwungenen Freigabe wieder zu diesem zurückkehren konnte. Soros hatte also nur eine ohnehin notwendige Marktkorrektur eingeleitet. Das Versagen des EWS bereitete darüber hinaus den Weg für die Europäische Währungsunion.

Aschinger definiert Spekulation als „jede durch Gewinnstreben motivierte Ausnutzung erwarteter zeitlicher Preisunterschiede eines Gutes auf einem bestimmten Markt.“21 In der Re- gel unterstellt man hierbei ein Enga- gement ohne längerfristige Motive oder Nutzungsabsichten. Spekulativen Ab- sichten können jedoch nicht allein durch die zeitliche Dauer des Engage- ments identifiziert werden, da bei- spielsweise auch Absicherungsstrate- gien kurzfristige Positionen beinhalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Destabilisierende Spekulation

Erneut sehen Spekulanten einen Preisanstieg vorher. Aufgrund eines Erwartungs- fehler oder irrationalen Verhaltens der Marktteilnehmer werden in Periode 1 zu viele Käufe getätigt, in Periode 2 zu viele Verkäufe. Die Kursbewegung verkehrt sich ins Gegenteil, die Volatilität ist durch die Spekulation angestiegen. können. Spekulation gibt es in allen Märkten, auch in Gütermärkten. Sie wird aber durch eine hohe Liquidität bei niedrigen Transaktionskosten erleichtert, und ist daher insbesondere an den Aktien-, Derivat- und eben Devisenmärkten zu beobachten.

Spekulanten schaden dem Markt im Normalfall nicht, im Gegenteil: sie unterstützen die Marktkräfte, indem sie die Liquidität steigern und preisstabilisierend wirken (siehe Abb. 2) Diese Form der Spekulation (stabilisierende Spekulation) hat daher einen positiven Wohlfahrtseffekt und sollte nicht regulativ eingeschränkt werden.22

Durch Erwartungsfehler bzw. irrationales Verhalten seitens der Marktteilnehmer (insbes. Herdenver- halten) kann jedoch ein Effekt auftreten, den man als destabilisierende Spekulation bezeichnet (siehe Abb. 3). Überhöhte Nachfrage sorgt für eine Ablösung der Kursentwicklung von den Fundamentalda- ten, eine spekulative Blase entsteht. ‚Platzt’ diese dann wieder, geht die Nachfrage übermäßig zurück, der Kurs stürzt ab, zuweilen ins Bodenlose. Für die Gesamtheit der Spekulanten führt eine solche Marktanomalie23 zu empfindlichen Verlusten (wenngleich einzelne Teilnehmer davon durchaus profi- tieren können), auch werden während der verschiedenen Phasen falsche Investitionsanreize gege- ben, die Effizienz der realwirtschaftlichen Allokation leidet. Darüber hinaus sorgt die übermäßige und nicht durch die Informationslage von den Fundamentaldaten gestützte Volatilität24 für Investitionsunsi- cherheit. Langfristige, risikoaverse Investoren ziehen sich aus dem Engagement zurück, und überlas- sen das Anlageobjekt den Spekulanten.

2.5 Arbitragegeschäfte

Während Spekulation - gemäß der obigen Definition - die Ausnutzung intertemporaler Kursdifferenzen auf einem Markt ist, stellen Arbitragegeschäfte die Ausnutzung von Kursdifferenzen zur gleichen Zeit dar. Bei der Ausgleichsarbitrage werden Kursdifferenzen auf räumlich unterschiedlichen Märkten ausgenutzt. Bei der Dreiecksarbitrage hingegen wird ein Gewinn aus dem Umstand gezogen, dass eine Währung (z.B. USD) einen höheren Wert in der anderen Währung (z.B. EUR) besitzt, wenn der Umtausch über eine Drittwährung (z.B. JPY) erfolgt.

In der Theorie sind bei vollkommener Markteffizienz Arbitragegeschäfte nicht möglich, da die Kurse an allen Handelsplätzen den fundamental angemessenen Kursen entsprechen, und somit keine Kursdif- ferenzen bestehen. Da Märkte in der Realität jedoch keine vollkommene Effizienz und Transparenz aufweisen, können kurzzeitige Kursdifferenzen zwischen Märkten oder aber auch zwischen Wäh- rungsrelationen entstehen. Diese werden durch Arbitragegeschäfte weitgehend angeglichen. Somit führen diese zu einer Stabilisierung der Wechselkurse und haben einen grundsätzlich positiven ge- samtwirtschaftlichen Nutzen.25

3 Tobins Konzept einer Devisentransaktionssteuer

3.1 James Tobins Konzept

Das Konzept der sogenannten Tobin-Steuer geht auf den amerikanischen Professor der Yale University, James Tobin († 2002) zurück, der 1981 den Nobelpreis für Ökonomie erhielt.

Jeder Devisentausch sollte demnach mit einer Steuer in Höhe von 1%, sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf einer Währung, belegt werden. Eine derartige Praxis würde Devisentransaktionen, die auf eine geringfügige Kursdifferenz zielen, vor allem kurzfristige Spekulations- und Arbitragegeschäfte - für Tobin Hauptursache überhöhter Volatilität der Devisenmärkte -, unrentabel machen. Diese würden somit nach seiner Ansicht von den Marktteilnehmern nicht mehr durchgeführt, während renditestarke längerfristige Investitionen aufgrund der degressiven Struktur26 dieser Steuer nur in geringem Maße betroffen wären. Übermäßige Kursschwankungen würden wirkungsvoll eingedämmt, der Markt könnte sich aber weiterhin an veränderte Fundamentaldaten oder eine andere Informationslage über diese anpassen. Gleichzeitig würden die Zentralbanken von dem Interventionszwang bei Krisensituationen befreit und gewännen an Autonomie. Darin sei diese Maßnahme auch anderen Schutzmaßnahmen - z.B. Devisenkontrollen durch staatl. Aufsichten - überlegen27.

Tobin stellte seine Vorstellungen „... to throw some sand in the wheels of our excessively efficient money markets“28 erstmals 1972 im Rahmen einer Vorlesungsreihe an der Princeton University vor, zu einer Zeit, als das Bretton-Woods-System fester Wechselkurse in seinem Zusammenbruch begriffen war. Dabei übertrug er eine Idee von Keynes aus dem Jahr 1936, spekulative Finanztransaktionen zu besteuern29, auf die Devisenmärkte30.

3.2 Die Renaissance der Tobin-Steuer

Von der Wirtschaftswissenschaft zunächst belächelt und dann lange Zeit ignoriert, genießt Tobins Konzept vor dem Hintergrund der schweren Finanzkrisen in der jüngsten Vergangenheit nun in der wirtschaftspolitischen Diskussion recht große Beachtung.

Doch wie gelang es diesem Vorschlag, nach so vielen Jahren wieder Aufmerksamkeit zu erregen? Bereits Ende 1994 gründeten jedoch mehrere kanadische NGOs die ‚Halifax Initiative’, um Forderungen nach einer grundlegenden Reform der internationalen Finanzinstitutionen auf dem G7-Treffen 1995 in Halifax schlagkräftig vorbringen zu können.

Ebenfalls 1995 beschritt der Frankfurter Ökonom Paul Bernd Spahn mit seinem vielbeachteten IWF- Arbeitspapier31 neue Wege zur Umsetzung einer Variation von Tobins DT-Steuer (siehe hierzu die Darstellung in Abschnitt 5.1). Und auch das UN Development Program (UNDP) griff die Idee Tobins auf. Das Thema Tobin-Steuer breitete sich wie ein Lauffeuer in der Welt aus, angefeuert durch Krisen, die dem Konzept einer Wechselkursschwankungen ausgleichenden Maßnahme zusätzliche Brisanz gaben.

Seitdem setzen sich NGO`s, Parlamentarier verschiedener Länder, Kirchen, Gewerkschaften und einzelne Intellektuelle zunehmend für eine Steuer auf Devisentransaktionen ein. Nach Huffschmid sind wirkliche Reformen auf dem Weg zu einer ‚Neuen internationalen Finanzarchitektur’ - wie eine Tobin-Steuer - nur durch gesellschaftliches Engagement und Druck von unten realisierbar, das hie- ße, dass sich Gruppierungen wie Attac, Oxfam, War on Want oder die Halifax Initiative zu gesellschaftlich bedeutsamen Größen entwickeln müssten, um sich auch im internationalen Vergleich Gehör zu verschaffen. Insbesondere Attac hat sich als der entschiedenste Verfechter der Tobin- Steuer profilieren können.

In den letzten Jahren beschäftigten sich auch internationale Institutionen wie die G7 (im Rahmen des FSF), der IWF, die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) oder das Europäische Parlament

(EP) mit Tobins Vorschlag. Auch von Regierungsseite gab es in jüngster Vergangenheit Vorstöße, so z.B. in Frankreich und Deutschland.

[...]


1 S. Donges (1981, S.8

2 vgl. bspw. Gandolfo (1998

3 vgl. Hopkinson 2000, 129.

4 frz. kurz für: ‚Association pour une Taxation des Transactions financières pour l'Aide aux Citoyens’

5 zu den erhofften Auswirkungen einer Tobin-Steuer siehe Chesnais 2001, 69.

6 siehe hierzu EP (2001, 10.

7 Tobin selbst bemerkte hierzu, die „Idee sei wie ein Stein in einen tiefen Brunnen gefallen“, zitiert durch Spahn (1995.

8 Wir verweisen hierfür insbesondere auf die Arbeit von Kaul/Langmore (1996.

9 siehe hierzu u.a. Frenkel/Menkhoff (2000, 113 ff.

10 Eine ausführliche Darstellung dieses Konzeptes findet sich in Frenkel/Menkhoff (2000, 11-18.

11 Buch et al. (2001, 19.

12 vgl. hierzu Frenkel/Menkhoff (2000, 16 ff.

13 Zur Problematik eines Systems fester Wechselkurse (wie Bretton-Woods siehe Eichengreen/Wyplosz (1996, 16 f.

14 vgl. Frenkel/Menkhoff (2000, 16

15 aus ebd., 3 f

16 nach Aschinger (1998, 7.

17 Bofinger (2000 weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass die Zunahme der Bedeutung elektronischer Handelssysteme in den letzten Jahren bereits zu einem massiven Einbruch der Devisenumsätze geführt hat. Dies ist jedoch nur als einer von mehreren Faktoren für den Umsatzrückgang zu sehen, wie Spahn (2002 bemerkt.

18 vgl. ebd., 5

19 aus: BIZ (2002, 10.

20 dieser Abschnitt nach Aschinger (1998, 7-9.

21 aus: Aschinger (1998, 3.

22 Eine knappe und anschauliche Erklärung der beiden Spekulationstypen findet sich bei Aschinger (1998, 3-8.

23 Wanke (2001 definiert eine Anomalie als „solche (MarktPhänomene, die bei rationalem Verhalten der Wirtschaftssubjekte nicht erklärbar sind. Dabei sei rationales Verhalten definiert als solches Verhalten, das zur Maximierung einer wohldefinierten, stabilen Nutzenfunktion führt.“

24 Volatilität ist das Ausmaß der Kursschwankungen pro Zeiteinheit.

25 vgl. Wanke (2001, 3 ff.

26 vgl. Wahl/Waldow (2001, 4

27 siehe Spahn (2001, 1 und Spahn (1996, 24.

28 Zitat aus Tobin (1978, 154. Der Ausdruck „effizient“ ist ausschließlich in einem mechanischen Sinn gemeint (S. 157.

29 Keynes (1936 propagiert - spekulative Geschäfte mit dem Casinospiel vergleichend - den Gedanken, Spekulation unzugänglich und teuer zu machen: „The introduction of substantial Government transfer tax on all transactions might prove the most serviceable reform available, with a view to mitigating the predominance of speculation over enterprise.“

30 siehe hierzu Spahn (2002, 2.

31 Spahn (1995, siehe dazu auch Spahn (1996.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Eignung und Umsetzbarkeit einer Devisentransaktionssteuer nach Tobin (Tobin-Steuer)
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Politische Wirtschaftslehre
Note
1,0
Autoren
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V3175
ISBN (eBook)
9783638119252
Dateigröße
650 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Während die sogenannte Tobin-Steuer in den vergangenen Jahren das Interesse von NGOs, Medien und auch politischen Akteuren auf sich gezogen hat, erhielt sie im wissenschaftlichen Bereich relativ wenig Aufmerksamkeit. Ziel der Arbeit ist es, die unterschiedlichen Betrachtungsweisen zusammenzuführen und die Devisentransaktionssteuer im Hinblick auf ihre Eignung und Umsetzbarkeit kritisch zu untersuchen. In die Untersuchung wurden einschlägige Varianten sowie zwei Alternativkonzepte mit einbezogen. Neben der Berücksichtigung aktuellster Literatur und Statistiken vervollständigen rund 100 überwiegend ausführlich kommentierte Fußnoten, 8 Abbildungen, eine tabellarische Gegenüberstellung im Anhang sowie das ausführliche Literaturverzeichnis (mit zahlreichen Internetquellen, geeignet als Startpunkt für eine weitere Recherche) diese Arbeit.
Arbeit zitieren
Bernd Oliver Sünderhauf (Autor:in)Sebastian Dittus (Autor:in), 2002, Eignung und Umsetzbarkeit einer Devisentransaktionssteuer nach Tobin (Tobin-Steuer), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3175

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