Kulturelle Vielfalt und Sozialkonstruktivismus. Wie konstruieren wir „soziale Probleme“ und wie gehen wir mit der Konstruktion der anderen um?


Hausarbeit, 2015

19 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition „Kultur“
2.1 Einführung in die „Vielfalt“ und wie die Gesellschaft damit operiert
2.2 Interkulturalität im Gesundheitswesen

3. Der Soziale Konstruktionismus
3.1 Das Konstruieren von sozialen Problemen
3.1.1 Konstruktion von „Gesundheit“
3.1.2 Konstruktion von Krankheit

4. Interkulturelle Kompetenzen

5. Schlussfolgerung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wie konstruieren wir Gesundheit und Krankheit? Und wie gehen wir mit den Konstrukten von Menschen, die aus anderen kulturellen Herkunftsländern kommen, um?

In dieser Arbeit wird aus Sicht des Sozialen Konstruktionismus die Konstruktion von Gesundheit und Krankheit beschrieben, sowie der Prozess des konstruierens von sozialen Problemen, der im Vorfeld stattfindet. Denn die sozialen Probleme sind in der heutigen Zeit hier in den europäischen westlichen Ländern nicht mehr weg zu denken und werden immer weiter ausgebaut, aufrechterhalten und neue werden hergestellt. Durch Sprache.

Es wird deutlich, welche Macht Sprache hat und welche Probleme wir erzeugen können, besonders im Kontext des Zusammentreffens mit Menschen aus anderen Herkunftsländern.

Der Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen ist in keinem Berufsfeld mehr wegzudenken, daher ist es relevant und ebenfalls wichtig den Teil der kulturellen Vielfalt mit zu berücksichtigen und zu beleuchten. Und weil die Vielfalt eine immer größere und entscheidendere Rolle in unserer Gesellschaft spielt, ist es unerlässlich zu betrachten, wie die Gesellschaft eigentlich operiert, beim Entstehen von Vielfalt und wie es derzeit aussieht mit der interkulturellen Kompetenz im Gesundheitswesen.

Die Literatur zum Thema der „Interkulturellen Kommunikation“ mit Methoden, Modellen und Bespielen ist vielfältig, daher wird sich diese Arbeit mehr der Metaebene widmen. Diese hört sich auf der einen Seite sehr abstrakt an, ermöglicht jedoch auf der anderen Seite neue und andere Perspektiven und Denkansätze. Leider sind diese Theorien bisher wenig integriert in das Gesundheitswesen. Vieles aber der bereits erhältlichen Literatur lässt sich auch auf diesen Kontext beziehen.

Mit dieser Hausarbeit sei ein weiterer Schritt getan, um das Gesundheitssystem ein Stück mehr mit diesen Theorien zu infizieren.

Es wird aufgezeigt, dass Krankheit nicht gleich Krankheit ist, dass es kein starrer Zustand ist und dass Ansatzpunkte für die Entwicklung und Reflexion von professioneller Beratung im Pflegebereich angeboten werden können, um einen offeneren und toleranteren Umgang mit Menschen mit Migrationshintergrund zu ermöglichen.

2. Definition „Kultur“

Die amerikanische Familientherapeutin Falicov beschreibt das Kulturkonzept wie folgt:

„Kultur ist ein für uns alle geltender Hintergrund von etablierten und über Generationen überlieferten Sichtweisen, Werten, Ansichten und Haltungen, welche einerseits unser ganzes Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen, die wir andererseits aber in individueller wie auch kollektiver Weise übernehmen, modifizieren und weiterentwickeln, und zwar in Abhängigkeit von unserer Teilhabe an unterschiedlichen Kontexten“

(Falicov zit. n. Hegemann und Oestereich 2009, S. 12).

Prof. Dr. Alexander THOMAS (1999) beschreibt Menschen die in Kultur leben,

„…dass sie ein gemeinsames, für alle verbindliches System von bedeutungshaltigen Zeichen entwickeln, das es ihnen erlaubt, die Welt und sich selbst in einer bestimmten Art und Weise wahrzunehmen, zu interpretieren und zu behandeln, und zwar in einer Art, wie es die eigene soziale Gemeinschaft akzeptiert und versteht. Sozialisation und Enkulturation als ein lebenslanger Prozess beinhaltet das Bemühen, die sozial (kulturell) relevanten Normen, Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen zu erlernen, die ein Leben in der Gemeinschaft ermöglichen, in die man hineingeboren worden ist. Wer hierin hohe Fähigkeiten erworben … hat, kann auch relativ konfliktfrei in dieser eigenen Gemeinschaft leben und produktiv mit ihr umgehen. Probleme entstehen für ihn erst dann, wenn er in eine fremde soziale Gemeinschaft (Nation, Kultur, aber auch Organisation und Gruppe) gerät, die andere, ihm nicht vertraute Symbole zur gegenseitigen Verständigung und Weltinterpretation nutzt oder die ihm durchaus vertrauten Symbole anders bewertet, ihnen also andere Bedeutungen zuweist oder sie in ihm unvertrauten Kontexten anwendet“

(Thomas 1999 zit. n. v. Schlippe, El Hachimi, Jürgens 2013, S. 28).

Kultur ist kein festumrissenes Gebilde, sondern vielmehr „ein komplexer, dynamischer Prozess, der in ständigem Wandel begriffen ist.“ (vgl. Hegemann und Oestereich 2009, S. 15).

HEGEMANN & OESTEREICH unterscheiden drei Elemente inhaltlich:

- Die generative Dimension – Wahrnehmen und Erlernen von Handeln in den verschiedenen Lebensaltern, also die Sozialisation, das bewusste und unbewusste, wie man etwas macht (z.B. Sprache, Berufe, das Lernen von Lernen …)
- Die interaktive Dimension – Veränderung der generativen habituellen Muster im sozialen Erleben. Erfahrungen bilden das Bindeglied zwischen der individuell-subjektiven und der sozialen Welt. Inwieweit Individuen habituelle Muster reproduzieren oder modifizieren, hängt von ihrer Erfahrung und dem Grad ihrer Bewusstheit ab. Im Kontakt mit anderen erleben wir manche kulturelle Haltungen als passend und pflegen sie weiter. Wir reflektieren und überprüfen.
- Die konstitutive Dimension – der Wandel habitueller kultureller Muster im Laufe der Zeit. Hierzu gehört z.B. die Gestaltung von Paarbeziehungen, der Umgang mit Hierarchien oder die Bedeutung von Disziplin und Anpassung auf der einen und der von Individualität und Kreativität auf der anderen Seite. Kulturwandel ergibt sich durch die Reproduktion.

(vgl. Hegemann und Oestereich 2009, S. 13ff.; H. i. O.)

2.1 Einführung in die „Vielfalt“ und wie die Gesellschaft damit operiert

Der Begriff „Vielfalt“ wird seit Jahren vor allem für öffentliche Diskussionen im Bereich „kultureller Vielfalt“ benutzt (vgl. Allemann-Ghionda und Bukow 2011, S.35).

Immer mehr wird er jedoch auch in anderen Zusammenhängen verwenden und dann häufig in der englischen Version diversity. Wenn man den Begriff diversity management hört, denkt man oft zuerst einmal an „komplexe betriebliche Vorgänge und meist daran, dass sich ein Betrieb unter den Bedingungen fortschreitender Globalisierung nach innen wie nach außen auf die vielfältigen kulturellen Besonderheiten ausrichten muss“ (ebd., S. 35; H. i. O.).

Wir können uns der zunehmenden Vielfalt nicht entziehen, jedoch ist es kontextabhängig wo die Vielfalt gelagert ist, aber die Phänomene bleiben letztlich ähnlich.

Prof. Dr. em. Wolf.-Dietrich BUKOW ist Soziologe und Gründer der Forschungsstelle für Interkulturelle Studien. In seinem Artikel des Buches beschreibt er, dass „…sich zur Zeit ein globaler gesellschaftlicher Wandel vollzieht, der auf Grund neue Mobilitäts- und Kommunikationsmöglichkeiten nicht nur das Bewusstsein für Vielfalt schärft, sondern auch selbst aktiv dazu beiträgt, dass die Welt vielfältiger wird…Vielfalt verdankt sich insofern einem Epochenwandel...“(vgl. Allemann-Ghionda und Bukow 2011, S. 36). „Erst mit dem Ende der Moderne, jetzt, wo das „Projekt der Moderne“ an seine Grenzen gestoßen ist und wir uns längst im Übergang zur Postmoderne oder zumindest im Übergang zu einem globalen digitalen Zeitalter (Sassen 2008 zit. n. Bukow

2011, S. 36) befinden, kann man kaum noch umhin, festzustellen, dass Vielfalt quantitativ wie qualitativ massiv zunimmt“ (ebd., S. 36).

BUKOWs Ausgangspunkte für eine weitere Debatte dieses Themas werden verkürzt zusammengefasst:

- Es ist eine zunehmende komplexere Vielfalt, immer mehr und immer unterschiedlichere Aspekte geraten ins Blickfeld.
- Sie basiert weniger auf einer inneren Ausdifferenzierung von dem, was schon immer da war, sondern vor allem auf den durch einen gesellschaftlichen Wandel eröffneten Möglichkeiten. Altes wird durch Neues abgerundet.
- Das Neue muss ernst genommen werden, um es zu arrangieren, es wird anerkannt und gleichgestellt.
- Es entsteht die Frage nach der Verträglichkeit solcher ungewohnten Arrangements, hat die Gesellschaft die Fähigkeit, solche Phänomene zu absorbieren.
- Es sieht so aus, als hätte all dies in Verbindung mit neuer Mobilität und neuen Medien ausgelösten Epochenwechsel zu tun.

(ebd., S. 36ff.; H. i. O.)

„Vielfalt ist das Produkt einer gesellschaftlichen Operation. Wenn man Beiträge zum Thema Vielfalt sammelt und sichtet, dann sieht man…, wie wenig die so erzeugte kulturelle, religiöse, künstlerische, soziale, sprachliche, bildungsspezifische oder städtebauliche Vielfalt gemeinsam haben. Ist damit der Begriff „Vielfalt“ nicht untauglich?“ (vgl. Allemann-Ghionda und Bukow 2011, S. 37). BUKOW weist darauf hin, dass nicht länger von einer fest umrissenen inhaltlichen Vorstellung von Vielfalt ausgegangen werden darf. Der Wandel macht es möglich, auf den unterschiedlichsten Ebenen und in verschiedenen Kontexten „…Altes durch Neues, das Eigene durch Fremdes zu arrondieren.“ (vgl. Allemann-Ghionda und Bukow 2011, S. 38).

Der Wandel fördert zudem Operationen „bei denen, das eine wie das andere“ zu Alltags-Ressourcen gemacht wird und auf gleicher Augenhöhe ins Blickfeld gerückt wird.“ (ebd. S.38). Es ist keine einfache Operation, wenn „das eine wie das andere“ gleich gestellt wird, sondern es ist ein komplexes Verfahren. Denn das, was als neu in das Blickfeld gerückt wird mit dieser Operation „…, ist per se weder neu noch wertfrei“ (ebd., S. 38).

„Es muss dazu aus einer bestimmten Perspektive gemacht werden und muss als neu und disponibel gewürdigt werden“ (ebd., S.38). Vielfalt basiert, so wie es heutzutage bezeichnet wird, also intrinsisch betrachtet von sich aus auf keinerlei Gemeinsamkeiten, sie werden vielmehr erst operativ gezielt erzeugt, wenn „das eine wie das andere“ von seinem mitgebrachten Kontext freigestellt und in einen neuen gemeinsamen Kontext als etwas Neues gerückt wird (ebd., S. 38; H .i. O).

Für BUKOW gibt es als erste Folgerungen somit drei Verfahrensdimensionen:

- Verständigung – Frage nach dem Aufbau des operativen Verfahrens, wie wird etwas Neues zu etwas Relevantem und Gleichrangigem erklärt. Ein Verständigungsprozess, bei dem Vertrautes mit Nicht-Vertrautem in Beziehung gesetzt wird.
- Ortspolitik – nach den Bedingungen und Hintergründen ist zu fragen, unter denen diese Verständigung erzielt wird. Die Ortspolitik ermöglicht, das „eine wie das andere“ 1. seiner innewohnenden Werte zu entkleiden, 2. in einen gemeinsamen Kontext zu rücken und 3. neu zu arrangieren.
- Gesellschaftliche Bedeutung – zu prüfen ist, welcher sinnhaft-soziale Beitrag damit beispielsweise für das urbane Zusammenleben geleistet wird und was aus der so hervorgebrachten Vielfalt für das Zusammenleben gesellschaftstheoretisch gefolgert werden kann
(ebd., S.38ff.; H. i. O.).

2.2 Interkulturalität im Gesundheitswesen

Prof. Dr. Cristina ALLEMANN-GHIONDA ist Erziehungswissenschaftlerin und ebenfalls in der Forschung tätig mit den Schwerpunkten: Strukturelle Behandlung von Differenzen, Theorien der Interkulturalität und Diversität, Interkulturelle Kompetenzen, etc.

Zusammen mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Houda Hallal hat sie einen Artikel zu dem Thema Interkulturalität im Gesundheitswesen verfasst. Der Artikel beschäftigt sich unter anderem mit der Notwendigkeit von mehr Aus- und Weiterbildung der interkulturellen Kompetenzen in medizinischen Berufen, da es erhebliche Defizite in Deutschland gibt, was die interkulturelle Aus- und Weiterbildung des Medizinstudiums als auch Institutionen des Gesundheitssystems angeht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kulturelle Vielfalt und Sozialkonstruktivismus. Wie konstruieren wir „soziale Probleme“ und wie gehen wir mit der Konstruktion der anderen um?
Hochschule
Fliedner Fachhochschule Düsseldorf
Note
1,7
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V317397
ISBN (eBook)
9783668163515
ISBN (Buch)
9783668163522
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesundheitswesen, Migrationshintergrund, kulturelle Vielfalt
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Kulturelle Vielfalt und Sozialkonstruktivismus. Wie konstruieren wir „soziale Probleme“ und wie gehen wir mit der Konstruktion der anderen um?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317397

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