Theodor Fontanes realistisches und gesellschaftskritisches Literaturkonzept


Seminararbeit, 2016

24 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Fontanes Realismus

II. Fontanes literarische Gesellschaftskritik

III. Fontanes voremanzipatorische Gesellschaftskritik

Quellenverzeichnis

Einleitung

Theodor Fontane gilt zweifellos als der bedeutendste deutschsprachige Vertreter des Realismus, oder genauer, des poetischen Realismus, der mit seinen meist im Bildungsbürgertum spielenden Werken wohl die einzigen deutschsprachigen Werke des Realismus von Weltrang schuf. Keinem anderen deutschen Autor dieser literarischen Richtung ist es gelungen, eine derartige Weltgeltung durch vergleichsweise regionale Schauplätze, meist im brandenburgischen gelegen, zu erlangen. In den meisten seiner Werke vereinen sich Gesellschaftskritik in Form der z.B. Frauenproblematik mit literaturästhetischen Qualitäten, die mit ein Grund für den bleibenden und zeitgenössischen Erfolg seines Schaffens sind; dies gilt im besondernen für seine beiden späten Meisterwerke „Effi Briest“ und „Der Stechlin“.

Der literarische Realismus kann als Antwort auf zutage tretende, wissenschaftliche Erkenntnisse des 19. Jahrhunderts im Bereich der Medizin, Philosophie, Psychiatrie sowie ab der zweiten Hälfte der Soziologie verstanden werden, die enorme Auswirkungen auf das „Bild“ des Menschen hatten. Psychische Leiden wurden nicht mehr salopp als Wahn beschrieben und abgetan, sondern als ernstzunehmende psychische Störungen eines Individuums mit vielfältigen Ursachen gesehen. Mit der Auflösung des freien Willens durch Schopenhauer büßte der Mensch einen großen Teil sowohl seiner inneren als auch äußeren Freiheit ein und es galt nun, die Folgen dieser Auflösung zu untersuchen. An die Stelle des freien Willens tritt das psychologisch Unbewusste hervor. „Zu dem Zeitpunkt, als Fontane an seinen Gesellschaftsromanen arbeitete, war der Glaube an den selbstbestimmenden freien Willen des Individuums bereits dermaßen problematisch geworden, dass Fontane […] neue literarische Kunstgriffe ersinnen musste, um seinen Romanfiguren einen Rest an individueller Freiheit zu gewährleisten.“[1]

Diese Arbeit untersucht im ersten Teil Fontanes realistisches Literaturkonzept, welches vor allem durch eine eindeutige Abgrenzung von der romantischen Literatur gekennzeichnet ist. Die Literatur der Romantiker, so Fontanes Kritik, ginge auf die gesellschaftlichen Probleme seiner Ära nicht adäquat ein; an ihre Stelle müsse die realistische Literatur treten, die sich mit tatsächlichen Problemen der Zeit befasst. Im zweiten Teil wird Fontanes Gesellschaftskritik allgemein beleuchtet und schließlich wird im dritten Teil auf Fontanes Beschäftigung mit Frauenproblematiken eingegangen.

I. Fontanes Realismus

Fontanes Realismus ist in erster Linie ein Realismus weg von romantischer Innerlichkeit hin zu dem Versuch einer sachlichen, authentischen, an manchen Stellen gar dokumentarischen Widerspiegelung der Wirklichkeit. Er hat in seinem literarischen Werk den Versuch unternommen, eine Verschmelzung von Wirklichkeit und Fiktion herbeizuführen; und zwar letztendlich dergestalt, dass Leser zwischen dem tatsächlich erlebten und dem gelesenen keinen Unterschied mehr machen können.

Also noch einmal: darauf kommt es an, dass wir in den Stunden, die wir einem Buche widmen, das Gefühl haben, unser wirkliches Leben fortzusetzen, und dass zwischen dem erlebten und erdichteten Leben kein Unterschied ist, als der jener Intensität, Klarheit, Übersichtlichkeit und Abrundung und infolge davon jener Gefühlsintensität, die die verklärenden Aufgabe der Kunst ist.[2]

Mit dem angesprochenen Verlust des freien Willens ging für Fontane auch der Verlust des wissenschaftlichen Spekulierens einher, so „dass kein Zweifel bleibt: die Welt ist des Spekulierens müde und verlangt nach jener ‚frischen grünen Weide‘, die so nach liegt und doch so fern.“[3] Diese „frische grüne Weise“ ist der Realismus, die realistische Literatur.

Fontane hielt wenig von allem Romantischen, so dass er das Aufkommen des Realismus als „Wiedergenesung eines Kranken [von der Romantik; Anm.]“[4] bezeichnete. Er propagierte die Fortführung der realistischen literarischen Tradition Lessings[5] und ein Ende alles sentimental Romantischen. Für ihn waren selbst Goethe und Schiller „entschiedene Vertreter des Realismus, solange sie ‚ungekränkelt von der Blässe des Gedankens‘, lediglich aus einem vollen Dichterherzen heraus ihre Werke schufen“[6]. Er war damit, wie auch der alte Goethe, ein erklärter Gegner der Überschwänglichkeit der Romantiker. Er macht aber gleichzeitig klar, dass der Realismus sich nicht auf Schilderungen des Elends und der Schattenseiten des Daseins beschränken sollte, „dass man […] Misere mit Realismus verwechselte und bei Darstellung eines sterbenden Proletariers, den hungernde Kinder umstehen, oder gar bei Produktionen jener sogenannten Tendenzbilder (schlesische Weber, das Jagdrecht u. dgl. m.) sich einbildete, der Kunst eine glänzende Richtung vorgezeichnet zu haben“[7]. Damit grenzt er sich eindeutig vom Naturalismus ab und gibt dem Realismus als Motto den „Goetheschen Zuruf:

Greif nur hinein ins volle Menschenleben, Wo du es packst, da ist’s interessant, […].“[8]

Fontane, der sich intensiv mit den französischen Naturalisten, allen voran Zola, beschäftigte, missfiel das allzu wissenschaftliche und deterministische der naturalistischen Literatur, von dem er sich bewusst abgrenzte. So spielen seine Romane im Gegensatz zu jenen der Naturalisten in den höheren Gesellschaftsschichten, zum einen deshalb, da er seinen Charakteren ausgebildetere psychologische Selbstverständnisse zu weisen konnte, zum anderen konnte er damit den Dialogen, die in seinen Romanen eine zentrale Rolle einnehmen, einen logischen breiten Raum zuweisen, da höhere Gesellschaftsschichten sich, auch psychologisch, ausgefeilter artikulieren können.

Richtigerweise muss Fontanes Realismus als poetischer Realismus definiert werden, da bei ihm eine Restästhetik und –poetologie vorhanden ist, die „reine“ Realisten teils ganz negieren; denn der „Realismus sei überhaupt keine Ästhetik (oder Poetologie), weil Realismus keinen Begriff hat von den sprachlichen Grundlagen, erkenntnistheoretischen Komplikationen und sozialen, institutionellen und ökonomischen Bedingungen literarischer Kommunikation, sondern Literatur mit dem lebensweltlichen Wirklichkeitsverständnis, seinen Prämissen, Illusionen und Restriktionen kurzschließt“[9]. Es ist schwieriger als bei anderen Gattungen, den Realismusbegriff zu definieren, da er sich in einem eigenartigen Verhältnis zwischen fiktiven literarischen Text und außerliterarischer Wirklichkeit befindet. Soll sich der literarische Text außerliterarischer Strömungen und Einflüsse bedienen (mimetisch sein) oder eine Wirklichkeit aus sich heraus erschaffen? Unbestritten bleibt, dass sie möglichst wirklichkeitsnah sein soll, also sich an jener von Aristoteles propagierten Poetik anlehnen soll, dass Literatur das wiederzugeben habe, was sein könnte, sich aber stets an der Wahrheit zu orientieren habe. „Es ist gerade die Wirklichkeit des Möglichen, die den poetischen Realismus Fontanes interessiert.“[10] Ziel muss es letztendlich immer sein, dass der Leser sich erfreue, geheilt oder gar erhoben werde, ohne dass er dabei verwirrt wird. „Der Realismus wird dagegen trachten, Fälle gespaltener Psyche zu vermeiden und die komplexe psychische Organisation von Figuren zu homogenisieren. Der Schwerpunkt wird von Veränderung und Dynamik auf Ausgleich, Konstanz und Gleichgewicht verschoben. Die moralisierende Eindeutigkeit hat das letzte Wort, nicht die komplexe Psychologie.“[11] In Fontanes eigenen theoretischen Worten heißt es, der Realismus sei „die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst“. „Der Realismus will nicht die bloße Sinnenwelt und nichts als diese; er will am allerwenigsten das bloß Handgreifliche, aber er will das Wahre. Er schließt nichts aus als die Lüge, das Forcierte, das Nebelhafte, das Abgestorbene – vier Dinge von denen wir glauben, eine ganze Literaturepoche [i.e. die Romantik; Anm.] bezeichnet zu haben.“[12] Realismus ist bei ihm die Urform alles künstlerischen, ja „er ist die Kunst“[13] selbst und die „moderne Richtung ist nichts als eine Rückkehr auf den einzig richtigen Weg, die Wiedergenesung eines Kranken, die nicht ausbleiben konnte“[14]. Es war Fontane ein großes Anliegen, sich durch seine realistische Literatur gegen alles Romantische und Sentimentale zu wehren und gegen diese Strömungen literaturkritisch Stellung zu beziehen. Dieses war ein Bestreben der Deutschen Realisten im generellen, „which always represented an effort to control, to bridle, and to dismiss the romantic legacy of the beginning of the century, with its capacity for imagination an art, as well as in politics. Realism operated as the repression of the romantic past, designed explicitly to assert the order of nature and society after the suppression of the revolution of 1848.”[15]

Zwei Merkmale sind nach Fontane für einen qualitätsvollen literarischen Realismus entscheidend: Einerseits die Stoffwahl und andererseits eine ihr angemessene Form. Betreffend der Form gilt es, alles Überschwängliche, also alles Romantische, zu vermeiden, „denn der Realismus ist der geschworene Feind alles Phrase und Überschwenglichkeit“[16] Die „Desillusionierung“ der geschilderten Welt soll thematisiert werden, eine „Desillusionierung“ von der inneren, subjektiven Illusion, die von den Romantikern noch so hochgehalten wurde. „Während die Romantik die Phantasie und die individuelle Subjektivität gelegentlich verherrlicht hatte, warnen die Realisten nicht seltener vor den gefährlichen Verführungen des subjektiven Wahns.“[17] Die Desillusionierung muss deshalb vonstattengehen, damit der realistische Held „die Möglichkeit gewinnt, revisionsbedürftige Meinungen und Vorstellungen zu korrigieren“, damit „die erlebten Enttäuschungen [als] Stationen in einem kontinuierlichen Prozess der Wahrheitsfindung“[18] dargestellt werden können. Diese Desillusionierung in der Literatur mag Paradox anmuten, da Literatur unweigerlich auch eine illusionistische Technik ist, mit der die (scheinbare) Realität durch textuelle Bezugnahmen abgebildet werden soll. Im Fontane – Kontext hat sich für die Desillusionierung der Begriff der literarischen „Verklärung“ durchgesetzt, wie sie unter anderem von Hugo Aust verwendet wird, der diesem Begriff eine komplette Fontane – Untersuchung gewidmet hat („Theodor Fontane – ‚Verklärung‘ – Eine Untersuchung zum Ideengehalt seiner Werke“). Mit „Verklärung“ ist keineswegs eine idealisierte Darstellung der Wirklichkeit gemeint, sondern eine deskriptive „Darstellungsform, die zunächst negativ, differentiell zu bestimmen wäre und die Freisetzung von sozialen und moralischen normativen Vorgaben, Befangenheiten und Interessen anstrebt“[19]. Diese Verklärung muss dem Leser nicht nur Wahrheit, sondern auch Schönheit vermitteln; diesen letzteren Punkt vermisst Fontane bei den Naturalisten, vornehmlich bei Zola, bei dem die literarische Darstellung der hässlichen Seiten des Lebens dominieren würden. Über Zola schreibt er: „Dies ist alles möglich Gute, nur nicht Realismus. Er gibt gelegentlich Hässlichkeiten, aber die Hässlichkeiten sind nicht Realismus. Realismus ist die künstlerische Wiedergabe (nicht das bloße Abschreiben) des Lebens. Also Echtheit, Wahrheit.“[20] „Fontane nennt den Vorgang, bei welchem sich im Kunstmedium neben dem augenfälligen Hässlichen das Schöne erschließen soll, Verklärung.[21] „Verklärung bedeutet ‚verklärte Wirklichkeit‘, in der die Frage nach dem Sinn von Existenz, Welt und Geschichte nicht nur gestellt, sondern auch konkret beantwortet wird.“[22] Fontane ortet bei denen Naturalisten eine zu starke Fokussierung auf der Darstellung der Schattenseiten des Lebens, etwas, was die Realisten unbedingt zu vermeiden haben. „Realismus solle zwar einerseits von der Wirklichkeit bedingt sein, dürfe aber andererseits nicht mit der nackten Wiedergabe des alltäglichen Lebens verwechselt werden.“[23] Die Verklärung kommt bei der Darstellung der Wirklichkeit dann ins Spiel, wenn sie poetisch - normativ kreiert wird und „für die Darstellung eigene Prinzipien der Auswahl und Modellierung, eigene, literarische Formen der Komposition und Stilisierung sucht“[24]. Kunst muss bei Fontane in einer immer wissenschaftlicheren Welt Kunst bleiben und durch die Verklärung als solche erkenntlich gemacht werden. „ Verklärte Wirklichkeit wurde von Fontane in der Theorie gefordert, damit die Kunst, die im Zeitalter wissenschaftlicher Wirklichkeitserforschung steht und dadurch selbst ihr zeitbildliches, ‚realistisches‘ Profil erhält, auch Kunst bleibt und nicht zum wissenschaftlichen Essay absinkt.“[25] Fontane war, mehr noch als andere Realisten, darin bestrebt, durch die Verklärung einen gewissen Schönheitskult zu bedienen, den er bei den prosaischen Realisten und Naturalisten misste. „Der ‚Realist‘ Fontane überschritt die poetologische Grenze des Realismus und offenbarte seine geheime Vorliebe für den Schönheitskult, Überfeinerung und subjektive Distanzierung vom bürgerlichen Alltagsleben.“[26] Seine Kritik an dem prosaischen Realismus, der für ihn lediglich ein Entwicklungsstadium zum endgültigen poetischen Realismus war, dass ihm die Verklärung fehlte („[…] es ist der nackte, prosaische Realismus, dem noch durchaus die poetische Verklärung fehlt“).[27]

Historische Ereignisse bildeten für Fontane wichtige Bezugspunkte für sein literarisches Schaffen, die ihn zu Stoffen, Charakteren und Handlungsabläufen inspirierten. „In der Tat bilden die historischen Ereignisse für Fontane nicht nur mehr oder minder mächtige Impulse, auf die er reagiert, sondern sie verwandeln sich in ein Material, über das er eigenwillig verfügt.“[28] Er war ein historisch und politisch interessierter Mensch, der aktuelle Zeitereignisse mit scharfen Augen beobachtete und in Reportagen und Essays schilderte und kritisierte. Für die meisten seiner Erzählungen und Romane bildeten „Skandale“ in den meist höheren Gesellschaftsschichten den geschichtlichen Hintergrund. Selbstverständlich verwertete er diese nicht 1:1, sondern er verarbeitete sie künstlerisch („verklärte Wirklichkeit“) und veränderte wichtige Details, ohne dabei die historische Vorlage unverkennbar zu machen. Fontanes gesamtes literarisches Schaffen spielt in der preußischen Gesellschaft, die sich in jener Zeit durch die misslungene Revolution von 1848 und seiner größten territorialen Ausdehnung ab 1866 (bis 1918) in einem Wandel befand. „Fontane nimmt die gesellschaftliche Entwicklung, die sich nach 1866 in Preußen abzeichnet, als vorbereiteter Gast wahr.“[29] Er versuchte in seinem Werk diesem Bewusstseinswandel Ausdruck zu verleihen, sowohl im Gehalt als auch in der Form seines literarischen Werkes. Die wichtigste gesellschaftliche Änderung seiner Zeit betraf die zunehmende Aufhebung der Schranken zwischen den jeweiligen gesellschaftlichen Schichten, mit dem Effekt, dass der Adel an reeller Macht und Einfluss büßte und dem Bürgertum dieser Macht- (und Geldverlust) zugutekam. Fontanes Sympathie liegt ganz auf der Seite des Bürgertums, dessen Vertreter er selbst war.

Zu Fontanes Lebenszeiten entstanden in den Großstädten erstmals in der Menschheitsgeschichte Massengesellschaften und damit einhergehend neu sich entwickelnde gesellschaftliche Dynamiken und Probleme, die reichlich literarischen Stoff boten. Den technischen Entwicklungen und der zunehmenden Industrialisierung, die Fontane in England und etwas später dann auch in Preußen vor Ort beobachten konnte, stand er einerseits kritisch und sorgenvoll gegenüber, andererseits war er von diesen fasziniert. In London, „für ihn der Inbegriff von Zivilisation und Fortschritt“[30], wo er mehrere Monate lebte, konnte er Englands Pionierleistungen auf dem Gebiet der Eisenbahntechnik und der Dampfschifffahrt verfolgen, mit denen grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft einhergingen. Oft beschreibt er in seinen Werken die Nervenschwäche seiner meist weiblichen Charaktere, deren Ursache er in der Modernisierung der Welt ortet. „Mit dem Begriff der Nervenschwäche versucht er einem Bündel von Beschwerden, die als Ausdruck dieses Unbehagens gedeutet werden, einen mittelbaren Sinn zu geben. Indem er die Nervenschwäche zu einer ‚Zeitkrankheit‘ stilisiert, die ‚an der Frucht des Culturlebens nagt und Lebensfreude und Lebensenergie unzähliger Menschen vergiftet‘, entwickelt er eine Gesamtdeutung der modernen Welt, die über die Darstellung persönlicher Schicksale hinaus zu einer umfassenden Zeitdiagnostik gelangt.“[31] Diese Nervenschwäche wurde im 19. Jahrhundert unter anderem als Zeichen des ‚Widerstandspotenzials‘ der Frauen gedeutet. „Im Zuge der im 19. Jahrhundert verstärkt auftretenden Erforschung psychischer Krankheitsbilder beobachteten Mediziner und Psychologen, dass Störungen wie Hysterie oder Magersucht häufig bei Frauen auftraten, die ein relativ ausgeprägtes Maß an ‚Widerstandspotenzial‘ aufwiesen.“[32] Lesen oder Briefe schreiben bilden dabei für Fontanes Figuren eine Möglichkeit, sich von dieser Nervenschwäche zu erholen: „‘Das hab ich gut getroffen‘, sagte Effi, während sie das Buch beiseite schob; ‚ich will mir die Nerven beruhigen, […].“[33]

Fontanes realistische Poetik kann also durchaus als Antwort auf die sich verändernden Gesellschaftsprozesse verstanden werden, mit der er diese aufzuarbeiten versucht. In einer immer komplizierteren und konfuseren Welt, die gleichzeitig zunehmend empirisch untersucht und beschrieben wird, hat die Literatur die Aufgabe, auf diese Entwicklungen zu reagieren, indem sie die Wirklichkeit wahrheitsgemäß und authentisch darzustellen versucht. Dabei müsse mit einer idealistischen Darstellung der Welt, wie sie zum Beispiel die Denker des Deutschen Idealismus forderten und die Romantiker verfolgten, gebrochen werden, die die Außenwelt als etwas vom Beobachter abhängiges und inhärentes Phänomen beschrieben. Nicht so die Realisten, die von einer empirisch erfahrbaren, jedoch beobachterunabhängigen Außenwelt ausgingen. Für Fontane und die Deutschen Vertreter des poetischen Realismus gilt aber, dass bei ihnen noch ein Rest von Ideal vorhanden ist, während die französischen Realisten und Naturalisten mit ihren „photographischen Romanen“ auch dieses Restideal verneinten[34].

Das Verhältnis von Ideal und schöner Kunst unterliegt dabei einer widersprüchlichen Zweck-Mittel-Hierarchie: Einerseits beschränke sich das Ideal auf seine Funktion als ‚einziges Mittel der Erkenntnis des Realen‘ und darauf, dass es reinigend und verbessernd ‚Ordnung in die Wirrnis der Erscheinungen‘ bringe und das ‚Zusammenhanglose‘ verbinde (Emil Homberger 1870, in: Plumpe 1985, S. 155). Andererseits sei es gerade der ‚Zweck der […] Dichtkunst […], Ideale aufzustellen‘ und ‚der Realismus‘ nur das ‚Mittel der Kunst‘, d.h. ‚eine der Natur abgelauschte Wahrheit, die uns überzeugt, so dass wir an die künstlerischen Ideale glauben‘. (Julian Schmidt 1860, in Plumpe 1985, S. 106).[35]

Fontane lehnt eine allzu photorealistische Darstellung der Wirklichkeit entschieden ab.

Einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von Fontanes Realismus und jener der deutschen Realisten allgemein hatte die in Deutschland gescheiterte Revolution von 1848 mit dessen weitreichenden historisch – politischen Folgen. Wenngleich er die Revolution als junger Mann begrüßt hat, äußerte er in späteren Jahren Zweifel über die Sinnhaftigkeit einer solchen Revolution, wie er es in seiner zwei Jahre vor seinem Tod erschienen Autobiographie „Von Zwanzig bis Dreißig“ beschreibt. „Dementsprechend hat auch mich die wiederaufgenommene Beschäftigung mit diesen alten, von mir selbst mit durchlebten Stoff zu der Ansicht geführt, dass es am achtzehnten März [1848; Anm] doch anders gelegen hat, als ich vermutete, und dass ich die Gesamtsituation am Abende jenes Tages falsch beurteilt habe.“[36] In seinen reiferen Jahren hatte er also eine objektivere und distanziertere Meinung über die Revolution. „Of greater importance for us are Fontane’s later views on this revolutionary movement, the significance of which he was able, at a maturer age, to survey more objectively. His intuitive ability realistically to size up a situation enabled him to look at this disorganized movement as a fiasco, and he was thoroughly ashamed of his part in it [...].”[37]

Mit zunehmenden Alter verabschiedete sich Fontane von seinen prorevolutionären, liberalen Ansichten und er „entwickelte“ sich in immer mehr zu einem strammen „Law and Order“ Bürger mit teils radikalen, antisemitischen Ansichten. „His innate feeling for law and order and his intuitive insight into deeper significance of the Revolution of 1848 soon enabled him more accurately than most men of his period to understand the mistakes in method and the deficiencies in organization of the movement which attempted to establish prematurely a new political order.“[38] “Man kann nicht sagen, dass die Revolution ihn zu einem Konservativen gemacht hätte, aber er erkannte jetzt die Schwächen und Widersprüche in den fortschrittlichen Bewegungen deutlicher […].”[39] Mit der Distanzierung von dem Liberalismus seiner jungen Jahre ging auch eine ästhetisch literarische Entwicklung einher, da je konservativer er wurde, er realistischer schrieb.

Charakteristisch für die Literatur des Realismus ist das politisch - ideologisch Untendenziöse, welches angestrebt wurde. „Fontanes Gesellschaftsromane dienen keiner bestimmten Klasse oder Gruppe, keiner politischen Tendenz und folgen keiner religiösen oder ideologischen Doktrin.“[40] Es sei nicht die Aufgabe der (schöngeistigen) Literatur, sich politisch vereinnahmen zu lassen oder bestimmte politische Ideen zu transportieren (wie es z. B. die Autoren des Vormärz oder Naturalisten taten). „However different the Poetic Realists are from each other, one single feature unites them: their distaste for a political […] depiction of life.“[41] Die kausalen politischen Zusammenhänge seien ohnehin zu kompliziert, um sie adäquat in einem Roman schildern und nachvollziehen zu können. Vielmehr muss sich die realistische Literatur, und dies gilt im Besonderen für das Schaffen Fontanes, in der Nachzeichnung der psychologischen Entwicklung seiner Protagonisten konzentrieren. „For Keller, for Storm, for Meyer and for Fontane a poetic – realistic narrative shows the psychological disposition or shaping of fictional characters.”[42] Überhaupt hat Politik in Fontanes Werk keinen allzu hohen Stellenwert, wie auch einer der Charaktere in „Frau Jenny Treibel“ meint: “‘Überhaupt, Kommerzienrat, warum verirren Sie sich in die Politik? Was ist die Folge? Sie verderben sich Ihren guten Charakter, Ihre guten Sitten und Ihre gute Gesellschaft.‘“[43] Dies heißt aber nicht, dass politische Fragen in seinem Werke gar nicht behandelt werden, sondern dass diese möglichst unparteiisch dargestellt werden sollen. Bei Fontane gilt ganz allgemein: Er mischt sich nie als Erzähler in die Konflikte seiner Charaktere, seien diese nun politischer, ideologischer oder gesellschaftlicher Art, ein. „Fontane war stets der Ansicht, es komme ihm, dem Erzähler, nicht zu, in den Konflikten, die er in seinen Romanen schildert, als Autor Stellung zu nehmen. Er lässt jeder seiner Gestalten nach ihrem eigenen Gesetz reden und handeln.“[44]

Allgemein gilt für Fontanes literarischem Schaffen, dass seine Ethik im Mittelpunkt steht und er als Erzähler von Weltrang immer mit seinen Charakteren, auch den unsympathischen, mitfühlt. Sein Anliegen ist es nicht, politische oder ideologische Überzeugungen zu vermitteln, sondern seine moralischen Ansichten dem Leser kundzutun, die stets von seinem unbeirrbaren Humanismus, der von einem bürgerlichen Wertekanon abgeleitet ist, bestimmt sind. In seinem letzten Roman „Der Stechlin“ heißt es von dem alten, namensgebenden Protagonisten: „Sein schönster Zug war eine tiefe, so recht aus dem Herzen kommende Humanität, und Dünkel und Überheblichkeit (während er sonst eine Neigung hatte, fünf gerade sein zu lassen) waren so ziemlich die einzigen Dinge, die ihn empörten.“[45]

II. Fontanes literarische Gesellschaftskritik

Während Fontanes Charaktere selten am politischen System Kritik ausüben, nimmt die Kritik am Gesellschaftssystem einen breiten Raum in seinem Schaffen ein, „denn ‚Gesellschaft als solche bleibt für Fontane der thematische Ort seiner Kunst‘“[46]. Bei Fontane kommen die verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, die jeweils ihre eigene Sicht der Dinge zum Ausdruck bringen möchten, zu Wort. Sie möchten gehört werden und hoffen auf eine Befriedigung ihrer Interessen. „In a crucial phrase, Fontane describes realism as ‚eine Interessenvertretung auf seine Art‘. Any material selected by the author from the reality available to him will contain various ‚interests’, that is to say social norms, cultural practices, belief systems, verbal peculiarities […].”[47] Fontanes „Verdienst“ ist es, dass er „weder am Adel noch am Bürgertum ein gutes Haar lässt“[48] ; deshalb wurde er ab den späten 50er Jahren gerne von marxistisch – sozialistischen Literaturtheoretikern (vor allem in der DDR) rezipiert (und vereinnahmt). Allerdings wurde Fontanes Gesellschaftskritik lange Zeit von der Literaturforschung unberücksichtigt gelassen, erst Georg Lukács ging 1950 in einem Essay unter dem Titel „Der alte Fontane“ (in Anlehnung an einem gleichnamigen Essay von Thomas Mann, der Fontane überaus schätzte[49], aus dem Jahr 1910) erstmals auf diese Problematik ein. Darin heißt es: „Es handelt sich hier einfach darum, dass Fontane eben ein bürgerlicher Schriftsteller war. Denn für den Schriftsteller dieser Epoche kommt es in der literarischen Praxis, wie Tschechow sagt, vor allem darauf an, die Fragen, die Probleme [der Gesellschaft; Anm.] tief auszugraben und adäquat zu gestalten.“[50] Fontane hat es sich als realistischer Schriftsteller zur Aufgabe gemacht, die gesellschaftliche Wirklichkeit, so wie sie tatsächlich darstellt, zu schildern und zu kritisieren.

Fontane, so rühmt man, habe die Gesellschaft der Zeit zum eigentlichen Gegenstand seiner bedeutenden Romane gemacht und in seinen Meisterwerken, frei von falschem Idealismus, beschränkten Nationalismus und faulem Ideologisieren, die deutsche adelige und bürgerliche Gesellschaft in ihrer problematischen Wirklichkeit und mit der unverkürzten und unverfälschten Fülle ihrer Lebenswelt dargestellt. […] In der Tat gibt es im neunzehnten Jahrhundert kaum einen deutschen Erzähler von Belang, der so entschieden wie Fontane seinen Blick auf das konkrete Leben und Zusammenleben seiner Zeit gerichtet hat […].[51]

Durch Fontanes Überzeugung, dass der Mensch ein in erster Linie durch soziale Determination bestimmtes Wesen ist, kreist sich sein Schaffen um ein großes Thema: Das des Konfliktes zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Dies ist analog zu Hegels ausgerufener Dialektik zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen (These – Antithese) zu verstehen und dem Widerstreit, den diese Dialektik unwiderruflich hervorruft. Bei Fontane ist es stets die Gesellschaft, die den Sieg über das Individuum erringt; die Ordnung des Ganzen bestimmt letztendlich das Schicksal des Einzelnen, dessen imaginäre Weltvorstellung nicht mit der realen Weltordnung übereinstimmt. Die Desillusionierung einer Illusion wird beschrieben (so werden einige Werke der Realisten als „Desillusionsromane“ bezeichnet, bei dem „die epische Darstellung des Wegs einer zentralen Figur durch Krisen und Konflikte zum Scheitern an inneren oder äußeren Widersprüchen“[52] beschrieben wird). In Hegels „Vorlesungen über die Ästhetik“ löst der bürgerliche Roman mit seiner Darstellung der bürgerlichen und öffentlichen Gesellschaft das Romantische ab. Der erfolgreiche Held (oder Ritter) der von der mittelalterlichen Epik inspirierten romantischen Werke hat sich im bürgerlichen Roman in einen Antihelden verwandelt, dessen Illusionen im Angesicht der Realität aufgelöst werden (müssen).

Die Zufälligkeit des äußerlichen Daseins [der Romantiker, Anm.] hat sich verwandelt in eine feste, sichere Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft und des Staats, so dass jetzt Polizei, Gerichte, das Heer, die Staatsregierung an die Stelle der chimärischen Zwecke treten, die der Ritter sich machte. Dadurch verändert sich auch die Ritterlichkeit der in neueren Romanen agierenden Helden. Sie stehen als Individuen mit ihren subjektiven Zwecken der Liebe, Ehre, Ehrsucht oder mit ihren Idealen der Weltverbesserung dieser bestehenden Ordnung und Prosa der Wirklichkeit gegenüber, die von ihnen von allen Seiten Schwierigkeiten in den Weg legt.[53]

Die bürgerliche Wirklichkeit ist bei Hegel durch den Konflikt zwischen dem Individuum und der Gesellschaft gekennzeichnet. Dieser Gedanke findet im Werk Fontanes seinen Niederschlag. In Hegels Dialektik (These – Antithese – Synthese) endet aber die Desillusionierung des Menschen oder (Anti)helden nicht in der Katastrophe, sondern in dem Bewusstsein, dass sich das Subjekt (Individuum) nicht im Widerstreit zum Allgemeinen (Gesellschaft) befindet und dass es selbstauferlegte Qualen sind, sich gegen die (bürgerliche) Gesellschaft aufzulehnen. Ziel (Synthese) des Menschen (oder Bürgers) muss es in Hegels Verständnis sein, sich in die Gesellschaft einzufügen und für eine bürgerliche Harmonie zu sorgen. Es ist ein Kampf zwischen dem poetisch - subjektiv – imaginären und dem prosaisch - real - allgemeinen, wie es Hegel in einer Theorie des Prosaischen ausführt.

Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem Roman, der modernen bürgerlichen Epopöe. […] Der Roman im modernen Sinne setzt eine bereits zur Prosa geordnete Wirklichkeit voraus, auf deren Boden er sodann in seinem Kreise – sowohl in Rücksicht auf die Lebendigkeit der Begebnisse als auch in betreff der Individuen und ihres Schicksals – der Poesie, soweit es bei dieser Voraussetzung möglich ist, ihr verlorenes Recht wieder erringt. Eines der gewöhnlichsten und für den Roman passendsten Kollisionen ist deshalb der Konflikt zwischen der Poesie des Herzens und der entgegenstehenden Prosa der Verhältnisse sowie dem Zufalle äußerer Umstände: ein Zwiespalt, der sich entweder tragisch und komisch löst oder seine Erledigung darin findet, dass einerseits die der gewöhnlichen Weltordnung zunächst widerstrebenden Charaktere das Echte und Substantielle in ihr anerkennen lernen, mit ihren Verhältnissen sich aussöhnen und wirksam in dieselben eintreten, […].[54]

Im Unterschied zu Hegels versöhnlicher Dialektik endet der Konflikt zwischen dem Individuum und der Gesellschaft bei Fontane allerdings meist in der Katastrophe; dies gilt vor allem für seine Frauencharaktere, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen möchten, deren Wunsch aber in einer patriarchalen Gesellschaft zunichte gemacht wird. Nervenschwach geworden durch den selbstauferlegten Zwist mit ihrer Umgebung endet ihr Fatum oft in einer, veraltet ausgesprochenen Hysterie oder im Tod. „Fruchtbarer erscheint es daher, die Nervenschwäche der Heldin als ein Leiden zu erklären, das sich aus einem tiefgreifenden, gesellschaftlich bedingten Identitätskonflikt ergibt.“[55] Die weitere Tragik ergibt sich bei Fontane dadurch, dass sich seine Charaktere nicht darin bewusst sind, dass sie durch ihr eigenes Handeln zu Opfern der Gesellschaft werden; dies gilt vor allem für die weiblichen Charaktere, die zu Opfern einer patriarchalen Gesellschaft werden. Fontane teilt also Hegels optimistisches Gesellschaftsbild nicht im Sinne einer positiven, gewissermaßen „verautomatisiert“ verlaufenden organischen Metamorphose im geschichtlichen Werden nicht. Einige seiner Charaktere wollen sich nicht der Gesellschaft unterordnen, diese Verweigerung endet aber ganz im Sinne Marx‘ fatal, da für den Philosophen diese Verweigerung der Unterordnung in die bürgerliche Gesellschaft als citoyen reine Selbstsucht ist. So kann auch Effis Tod als eine späte Versöhnung mit der Gesellschaft verstanden werden, da Effi, die sich durch ihr spielerisch kindliches Wesen immer etwas über die Gesellschaft erhob, nun durch ihren frühen Tod endgültig in die Gesellschaft eingebettet wird. Effi weiß im Angesicht ihres nahenden Todes, dass sie als Ehefrau versagt hat und damit dem gesellschaftlichen Allgemeinwohl kontrastierend entgegengestanden ist. „Das war Effis letzte Bitte gewesen: ‚Ich möchte auf meinem Stein meinen alten Namen wiederhaben; ich habe dem andern [i.e. Innstetten; Anm.] keine Ehre gemacht.‘ Und es war ihr versprochen worden.“[56]

Wenngleich Fontane in der marxistischen Literaturtheorie gerne als Arbeiterschriftsteller oder gar vormarxistischer Schriftsteller bezeichnet wurde, galt sein Interesse ganz der Schilderung der Gesellschaftsschichten des Adels und des Bürgertums, mit all den Konflikten, die diese Stände im 19. Jahrhundert untereinander hatten. „Was der Mensch ist und soll, was er kann und nicht kann, das studiert er an Bürgern und Feudalen, nicht an Arbeitern und Bauern. Die bleiben am Rande, abstrakt, meist idyllisiert. Mag er ihnen sympathisch verbunden sein, mag er Zukunft bei ihnen sehen – für das, was ihn umtreibt, was ihn fasziniert, kommen sie kaum in Betracht.“[57] Fontane beschreibt in seinem Werk die schrittweise Aufhebung der Stände, die sich im 19. Jahrhundert vollzog. Als distanzierter, beobachtender Erzähler schildert er das Hereingeraten seiner Charaktere in gesellschaftliche Konflikte. Sie werden, ob sie wollen oder nicht, zwangsweisen von den herrschenden gesellschaftlichen Werten geformt und dies geht bei Fontane nicht selten mit ihrem Untergang einher. Ein Rückzug ins Private oder in die Einsamkeit ist nicht möglich, wie Innstetten, Gatte der Effi Briest, erklärt.

Ich habe mir’s hin und her überlegt. Man ist nicht bloß ein einzelner Mensch, man gehört einem Ganzen an, und auf das Ganze haben wir beständig Rücksicht zu nehmen, wir sind durchaus abhängig von ihm. Ging‘ es, in Einsamkeit zu leben, so könnt ich es gehen lassen: […]. Man braucht nicht glücklich zu sein, am allerwenigsten hat man einen Anspruch darauf, und den, der einem das Glück genommen hat, den braucht man nicht notwendig aus der Welt zu schaffen. Man kann ihn, wenn man weltabgewandt existieren will, auch laufen lassen. Aber im Zusammenleben mit den Menschen hat sich Etwas ausgebildet, das nun mal da ist und nach dessen Paragraphen wir uns gewöhnt haben, aller zu beurteilen, die andern und uns selbst. Und dagegen zu verstoßen, geht nicht; die Gesellschaft verachtet uns, und zuletzt tun wir es selbst und können es nicht aushalten und jagen uns die Kugel durch den Kopf.[58]

[...]


[1] Lehrer, Mark: „Intellektuelle Aporie und literarische Originalität. Wissenschaftliche Studien zum deutschen Realismus: Keller, Raabe und Fontane“. Peter Lang. New York. 1991. S. 101.

[2] Fontane, Theodor: „Sämtliche Werke. Aufsätze, Kritiken, Erinnerungen“. Band 1: Aufsätze und Aufzeichnungen. Keitel, Walter (Hg.). Hanser Verlag. München. 1969. S. 568ff.

[3] Fontane, Theodor: „Literarische Essays und Studien. Erster Teil“. Schreinert, Kurt (Hg.). Nymphenburger Verlagshandlung. München. 1963. S. 8.

[4] Ebd. S. 9.

[5] Vgl. ebd. S. 9.

[6] Ebd. S. 10.

[7] Ebd. S. 12.

[8] Ebd. S. 12.

[9] Helmstetter, Rudolf: „Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes“. Wilhelm Fink Verlag. München. 1998. S. 236.

[10] Ebd. S. 272.

[11] Begemann, Christian (Hg.): „Realismus: Epoche – Autoren – Werke“. Wissenschaftliche Buchgemeinschaft. Darmstadt. 2007. S. 34.

[12] Fontane: „Literarische Essays und Studien. Erster Teil“. S. 13.

[13] Ebd. S. 9.

[14] Ebd. S. 9.

[15] Bermann, Russel A.: „Effi Briest and the End of Realism”. In: “A Companion to German Realism. 1848 – 1900”. Kontje Todd (Hg.). Camden House. Rochester. 2002. S. 339.

[16] Fontane: „Literarische Essay und Studien. Erster Teil“. S. 11.

[17] Lehrer: „Intellektuelle Aporie und literarische Originalität“. S. 2.

[18] Ebd. S. 3

[19] Helmstetter: „Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes“. S. 242.

[20] Fontane: „Sämtliche Werke“. Band. 1. S. 540.

[21] Aust, Hugo: „Theodor Fontane: ‚Verklärung‘. Eine Untersuchung zum Ideengehalt seiner Werke“. Bouvier Verlag. Bonn. 1974. S. 16.

[22] Ebd. S. 17.

[23] Tanzer, Harald: „Theodor Fontanes Berliner Doppelroman: ‚Die Poggenpuhls‘ und ‚Mathilde Möhring“. Igel Verlag. Paderborn. 1997. S. 25.

[24] Helmstetter: „Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes“. S. 242.

[25] Aust: „Theodor Fontane: ‚Verklärung‘. S. 20.

[26] Uvanovic, Zeljko: „Theodor Fontanes Schwanken zwischen Realismus und Moderne. Eine Poetologische Analyse anhand von Effi Briest und Der Stechlin“. In: Zagreb Studies of German Pholology. Vol. 19. 2010. S. 14.

[27] Fontane: „Literarische Essays und Studien. Erster Teil“. S. 8.

[28] Aust, Hugo (Hg.): „Fontane aus heutiger Sicht. Analysen und Interpretationen seines Werkes“. Nymphenburger Verlagshandlung. München. 1980. S. 7.

[29] Haberer, Anja: „Zeitbilder. Krankheit und Gesellschaft in Theodor Fontanes Romanen ‚Cécile‘ und ‚Effi Briest‘“. Königshausen & Neumann. Würzburg. 2012. S. 14.

[30] Ebd. S. 15.

[31] Ebd. S. 2.

[32] Tresnak, Elena: „Theodor Fontane: ‚Wegbereiter‘ für weibliche Emanzipation um 1900?“. Literatur & Wissenschaft. Hamburg. 2011. S. 198.

[33] Fontane, Theodor: „Effi Briest“. Reclam. Stuttgart. 2002. S. 77.

[34] Es gab einige Denker, die sich für einen Kompromiss zwischen dem Idealen und Realen stark machten. So z. B. Friedrich Theodor Vischer, der in seiner Schrift „Aesthetik oder die Wissenschaft des Schönen“ davon ausging, dass der wahrhaft kreative Genius stets das Ideale mit dem Realen verbindet; er spricht hierbei von einem „Realidealismus“ oder „Idealrealismus“.

[35] Begemann: „Realismus: Epoche – Autoren – Werke“. S. 20.

[36] Fontane, Theodor: „Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches“. Aufbau Verlag. Berlin. 1997. S. 380.

[37] Davis, Arthur L.: “Fontane and the German Revolution of 1948”. In: Modern Language Notes. Vol. 50, No. 1. 1935. S. 5.

[38] Ebd. S. 8.

[39] Paret, Peter: „Kunst als Geschichte. Kultur und Politik von Menzel bis Fontane“. C. H. Beck. München. 1990. S. 186.

[40] Lübbe, Hermann: „Fontane und die Gesellschaft“. In: „Theodor Fontane“. Preisendanz, Wolfgang (Hg.). Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. 1973. S. 359.

[41] Hertling, G. H.: “Reflections on the ‘Poetic Real’: The Transcendent in Nineteenth-Century German Realism”. In: Pacific Coast Philology. Vol. 31. No. 2. 1996. S. 139.

[42] Ebd. S. 142.

[43] Fontane, Theodor: „Frau Jenny Treibel“. Nymphenburger Verlagshandlung. München. 1959. S. 28.

[44] Sagave, Pierre-Paul: „‘Schach von Wuthenow‘ als politischer Roman“. In: „Fontanes Realismus“. Akademie Verlag. Berlin. 1972. S. 92.

[45] Fontane, Theodor: „Der Stechlin“. Aufbau Verlag. Berlin. 2001. S. 8.

[46] Jolles, Charlotte. „Theodor Fontane“. J. B. Metzler. Stuttgart. 1993. S. 118.

[47] Bowman, Peter James: „Fontane and the Programmatic Realists: Contrasting Theories of the Novel. In. “The Modern Language Review. Vol. 103. No. 1. 2008. S. 131.

[48] Brinkmann, Richard: „Theodor Fontane. Über die Verbindlichkeit des Unverbindlichen“. R. Piper & Co. Verlag. München. 1967. S. 28.

[49] Manns Schätzung für Fontanes Werk kommt in diesen Zeilen zum Ausdruck: „Es ist etwas unbedingt Zauberhaftes um seinen Stil und namentlich um den seiner alten Tage […]. Mir persönlich wenigstens sei das Bekenntnis erlaubt, dass kein Schriftsteller der Vergangenheit oder Gegenwart mir die Sympathie und Dankbarkeit, dies unmittelbare und instinktmäßige Entzücken, die unmittelbare Erheiterung, Erwärmung, Befriedigung erweckt, die ich bei jedem Vers, jeder Briefzeile, jedem Dialogfetzchen von ihm empfinde.“ (Mann: Der alte Fontane. In:

[50] Lukács, Georg: „Der alte Fontane“. In: „Theodor Fontane“. Preisendanz, Wolfgang (Hg.). Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Darmstadt. S. 43.

[51] Brinkmann: „Theodor Fontane“. S. 11.

[52] Weimar, Klaus (Hg.): „Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft“. Band 1. Walter de Gruyter. Berlin. 1997. S. 230.

[53] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: „Vorlesungen über die Ästhetik. II.“. Suhrkamp. Frankfurt am Main. 1970. S. 219.

[54] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: „Vorlesungen über die Ästhetik. III.“. Suhrkamp. Frankfurt am Main. 1970. S. 392.

[55] Haberer: „Zeitbilder“. S. 146.

[56] Fontane: „Effi Briest“. S. 332.

[57] Brinkmann: „Theodor Fontane“. S. 19.

[58] Fontane: „Effi Briest“. S. 264ff.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Theodor Fontanes realistisches und gesellschaftskritisches Literaturkonzept
Hochschule
Universität Wien  (Vergleichende Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Literatur und Gesellschaft
Note
2
Autor
Jahr
2016
Seiten
24
Katalognummer
V317291
ISBN (eBook)
9783668163201
ISBN (Buch)
9783668163218
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theodor Fontane, Realismus, Emanzipation, Gesellschaftskritik, Wirklichkeit, Gesellschaft, Deutsche Literatur
Arbeit zitieren
Siawasch Aeenechi (Autor:in), 2016, Theodor Fontanes realistisches und gesellschaftskritisches Literaturkonzept, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317291

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