Interventionen bei Mobbing unter Schülern. Die Vor- und Nachteile des No Blame Approaches


Examensarbeit, 2013

84 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 Mobbing: Definition und Begriffsklärungen
2.1.1 Cyber-Mobbing
2.1.2 Folgen von Mobbing
2.2 Intervention und Prävention
2.3 Systemisch denken und handeln in der Schule
2.3.1 Ressourcen- und Lösungsorientierung
2.3.2 Mobbing als Gruppenphänomen
2.4 Die Aufgaben des Lehrers bei Mobbing unter Schülern
2.5 Zusammenfassung

3 DER NO BLAME APPROACH
3.1 Die historischen Wurzeln des No Blame Approach
3.2 Forschungsstand
3.3 Die drei Schritte des NO BLAME APPROACH
3.3.1. Schritt 1: Gespräch mit den Mobbing-Betroffenen
3.3.2. Schritt 2: Die Unterstützergruppe bilden
3.3.3. Schritt 3: Nachgespräche
3.4 Weiteres Vorgehen nach der Intervention
3.5 Zusammenfassung

4 METHODISCHES VORGEHEN
4.1 Ziel und Zielgruppe der Untersuchung
4.2 Wahl und Begründung der Erhebungsmethode
4.3 Entwicklung des Online-Fragebogens
4.4 Die Entwicklung des Interview-Leitfadens
4.5 Die Durchführung der Interviews
4.6 Die inhaltsanalytische Auswertung

5 DATENAUSWERTUNG UND DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE
5.1 Daten der Online-Umfrage
5.2 Inhaltliche Darstellung des Interviewmaterials
5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse

6 EVALUATION DES FORSCHUNGSMETHODISCHEN VORGEHENS

7 SCHLUSSBETRACHTUNG

8 LITERATURVERZEICHNIS

9 ANHANG
9.1 Auswertungshilfe Schritt 1
9.2 Gesprächsleitfaden Schritt 1
9.3 Gesprächsleitfaden Schritt 2
9.4 Experteninterview 1
9.5 Experteninterview 2
9.6 Experteninterview 3

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Erfolgsquote NBA

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Rollenverteilung im Mobbing-System

Abbildung 2: Der systemische Beobachter

Abbildung 3: Online-Fragebogen, Frage 1

Abbildung 4: Online-Fragebogen, Frage 2

Abbildung 5: Online-Fragebogen, Frage 3

Abbildung 6: Online-Fragebogen, Frage 4

Abbildung 7: Rückmeldung zur Online-Umfrage

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Seit den 1990er Jahren hat sich der Begriff Mobbing in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion etabliert und erfährt kontinuierlich große Aufmerksamkeit. Dahinter verbirgt sich ein Phänomen, welches einerseits für populistische Zwecke häufig missbraucht wird (vgl. Meschkutat et al., 2002, S. 9), andererseits eine Form von Gewalt ist, die auf keinen Fall bagatellisiert werden darf (vgl. Jannan, 2010, S. 21-22). Durch Berichterstattungen zu dieser Thematik in den Medien wird die Öffentlichkeit auf die Problematik von Mobbing und Gewalt an Schulen aufmerksam. Nicht selten werden in den Medien besonders körperliche Übergriffe dargestellt, die drastische Ausmaße annehmen. Hierbei stehen zumeist emotional geladene Interviews der Schülerschaft im Mittelpunkt, die Täter und Opfer fokussieren und die Machtlosigkeit der Schulen thematisieren. Grundsätzlich kann in der Schule nicht nur Mobbing unter Schülern entstehen, sondern auch zwischen Schülern und Lehrern oder innerhalb des Lehrerkollegiums. Die hier vorliegende Examensarbeit konzentriert sich explizit auf die Mobbing-Problematik unter Schülern.

Der Begriff Mobbing ist heute international zu einem zentralen Forschungsgegenstand geworden, wie die Vielzahl an Publikationen zeigt, die selbst der Experte kaum mehr überschauen kann. Durch das öffentliche Interesse an dieser Problematik, stellen sich Wissenschaft und Schule die Frage, was man dagegen tun kann. Bei einer pädagogischen Reaktion auf Mobbing in der Schule ist zwischen Mobbingprävention und -intervention zu unterscheiden (vgl. Jannan, 2010, S. 45). In dieser Examensarbeit grenzt die Autorin die Begriffe Prävention und Intervention klar voneinander ab. Präventive Handlungskonzepte, die an Schulen vorbeugend eingesetzt werden, um Mobbing langfristig zu minimieren, werden nur am Rande erwähnt und stellen nicht den Schwerpunkt dieser Arbeit dar. Der Fokus dieser Examensarbeit liegt auf der Intervention bei Schülermobbing seitens der Pädagoginnen und Pädagogen: Wie können Pädagoginnen und Pädagogen intervenieren, um eine Mobbing- Situation zeitnah zu lösen? Warum ist Mobbing unter Schülerinnen und Schülern eine pädagogische Herausforderung?

Der No-Blame-Approach stellt für pädagogische Fachkräfte eine Interventionsmöglichkeit für jede Klassenstufe und Schulform dar, die sich im Gegensatz zu anderen Interventionsprogrammen im Wesentlichen darin unterscheidet, dass sie auf Schuldzuweisungen, Verurteilungen und Strafen verzichtet (engl. „no blame“ = keine Schuld).

Ziel dieser Examensarbeit ist es, die Vor- und Nachteile des Mobbing- Interventionsprogramms No Blame Approach aus der Sicht der Beteiligten darzustellen. Anhand der Pro- und Contra Bilanz soll die Praktikabilität des Programms im Alltag Schule untersucht werden. Am Ende der Untersuchung sollen folgende Fragen beantwortet werden:

1. Stellt der No Blame Approach ein erfolgreiches und zugleich praktikables Interventionsprogramm im Alltag Schule dar?
2. Welche Vor- und Nachteile hat das Interventionsprogramm?

Die bei dieser Untersuchung entstehende Datentransparenz ermöglicht einerseits weiterführende Denkanstöße zur Integration des No Blame Approach in Schulen und deckt andererseits mögliche Schwachstellen auf, um den Ansatz zu optimieren. Der Aufbau der Arbeit besteht aus einem theoretischen sowie einem praktischen Teil. Im Kapitel zwei erfolgt zunächst eine Begriffsklärung von Mobbing und Cybermobbing sowie deren Folgen. Im Anschluss daran werden die Begriffe Prävention und Intervention beschrieben. Im Hinblick auf die Idee des No Blame Approach wird im nächsten Schritt die systemische Perspektive auf Mobbing thematisiert. Dies beinhaltet die Vorstellung des systemischen Ansatzes sowie die Einflüsse und Ideen der Ressourcen- und lösungsorientierten Vorgehensweise auf den No Blame Approach. Weiterhin erfolgt die Betrachtung von Mobbing als Gruppenphänomen. Das Kapitel schließt mit der Darstellung der Aufgaben ab, die Pädagoginnen und Pädagogen bei Mobbing unter Schülern haben. Die Vorstellung der einzelnen Schritte des No Blame Approach erfolgt in Kapitel drei. Hier werden zu Beginn die historischen Wurzeln sowie die Entwicklung des Ansatzes in Deutschland dargestellt, ehe auf den aktuellen Forschungsstand zum No Blame Approach eingegangen wird. Im Anschluss daran erfolgt die Vorgehensweise des No Blame Approach. Die Darstellung basiert einerseits auf literarischer Grundlage des Werks der Autoren Detlef Beck und Heike Blum, andererseits auf den Seminarunterlagen und Seminarerfahrungen der Autorin, die in einem Qualifizierungs-Workshop die Arbeit mit dem No Blame Approach kennengelernt hat. Im Kapitel vier wird das methodische Vorgehen der Untersuchung erläutert. Zu Beginn werden das Ziel sowie die Zielgruppe der Erhebung aufgeführt. Im Anschluss daran geht die Autorin auf den Einsatz der Erhebungsmethoden ein. Das Kapitel schließt mit der Darstellung der Interviewdurchführung sowie der inhaltsanalytischen Auswertung ab. Das fünfte Kapitel beinhaltet die Darstellung der Ergebnisse. Das sechste Kapitel evaluiert das forschungsmethodische Vorgehen der Autorin.

In der abschließenden Schlussbetrachtung, welches als Resümee der bis dahin dargestellten Ergebnisse gilt, werden weitere Denkanstöße seitens der Autorin vermittelt.

In dieser Arbeit wird zugunsten der besseren Lesbarkeit vorwiegend die männliche Bezeichnung von Personen benutzt. Gemeint sind immer beide Geschlechter. Es wird höflich um Akzeptanz gebeten.

2 Theoretische Grundlagen

Dieses Kapitel stellt den theoretischen Hintergrund dieser Examensarbeit dar. Zunächst erfolgt eine Klärung der Begriffe Mobbing, Bullying und Cyber-Mobbing. Weiterhin werden die Begriffe Intervention und Prävention erläutert. Im nächsten Schritt wird diskutiert, welche Erkenntnisse aus der systemischen Sichtweise auf Mobbing gewonnen werden. Die relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ansätze, die der No Blame Approach in seiner Herangehensweise nutzt, sind ebenfalls Gegenstand dieses Kapitels. Am Ende wird diskutiert, welche Aufgaben Pädagogen haben, wenn sie mit Mobbing-Fällen innerhalb der Schülerschaft konfrontiert werden.

2.1 Mobbing: Definition und Begriffsklärungen

Mobbing unter Schülern ist kein Phänomen der Gegenwart. Literarische Belege sind Romane wie beispielsweise Charles Dickens „Oliver Twist“ (1839), Robert Musils „Die Verwirrungen des Zögling Törleß“ (1906) oder William G. Goldings „Herr der Fliegen“ (1959). Da es sich bei dem Begriff Mobbing um einen facettenreich benutzten Begriff zu handeln scheint, muss geklärt werden, was genau darunter zu verstehen ist. Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der wissenschaftlichen Literatur taucht überwiegend der Begriff Mobbing auf. Das Wort Mobbing leitet sich aus dem englischen Wort „mob“ ab und bezeichnet, „a group of people to crowd around (someone) either because of interest or admiration, or in order to attack them.” (Dictionary of Contemporary English, 1987, S. 667). In der deutschen Übersetzung wird es mit „kriminelle Bande, organisiertes Verbrechertum“ (DUDEN, 1997, S. 524) beschrieben.

In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff Mobbing bereits von dem Verhaltensforscher und Zoologen Konrad Lorenz verwendet. Nach Lorenz handelt es sich um Mobbing, wenn sich eine Gruppe von Gänsen gegen einen Fuchs zusammenrottet und diesen mit gezielten Angriffen vertreibt (vgl. Kolodej, 1999, S. 19). In den 1960er Jahren etabliert sich der Begriff durch den schwedischen Mediziner Heinemann. Angelehnt an das Angriffsverhalten der Tiere beobachtet er ein ganz ähnliches Verhalten bei Schulkindern. Sein Werk mit dem Namen „Mobbing - Gruppengewalt unter Kindern und Erwachsenen“ sorgt dafür, dass der Begriff in skandinavischen Ländern in der Bevölkerung publik wird (vgl. Kolodej, 1999, S. 19). Wenig später, im Jahre 1973, veröffentlicht der schwedische Forscher Dan Olweus seine Forschungsergebnisse zum Mobbing-Begriff. Nachdem Ende 1982 in Nordnorwegen die ersten Selbstmordfälle von drei 10 bis 14-jährigen Jugendlichen, wahrscheinlich als Folge schwerer Gewalttätigkeit, in die Öffentlichkeit dringen, entstehen die ersten Entwicklungen in der Präventionsarbeit gegen Mobbing an norwegischen Schulen (vgl. Olweus, 2006, S. 15). Durch die Forschungsergebnisse des deutschstämmigen, in Schweden lebenden Arbeitspsychologen Heinz Leymann etabliert sich der Begriff Mobbing in deutschsprachigen Ländern seit den 1990er Jahren. Leymann (2006) bezieht sich in seiner Definition auf den Kontext Arbeitsleben (vgl. Gockel, 2004, S. 23). Im Rahmen dieser Examensarbeit ist es angebracht, die Definition des Mobbing-Begriffs nach Olweus zur Begriffsklärung anzuwenden. Dieser definiert Mobbing wie folgt: „Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer Schüler ausgesetzt ist.“ (Olweus, 2006, S. 22). Negative Handlungen sind für Olweus, „wenn jemand absichtlich einem anderen Verletzungen oder Unannehmlichkeiten zufügt“ (Olweus, 2006, S. 22), was im Prinzip der Definition des Aggressions- bzw. Gewaltbegriffs gleichkommt, bei dem die „absichtsvolle Schädigung von Menschen durch Menschen zentral“ (Schubarth, 2010, S. 16) ist. Die Angriffsformen von Gewalt können sowohl physisch als auch psychisch (verbal oder nonverbal) erfolgen (vgl. Schubarth, 2010, S. 16) und direkt oder indirekt ausgeübt werden in Anwesenheit (z. B. in der Schule) oder Abwesenheit des Angriffsopfers (z. B. mittels Einsatz elektronischer Kommunikationsmedien wie Internet und Handy) (vgl. Bödefeld, 2006, S. 14). Hurrelmann und Bründel betonen in diesem Zusammenhang die Beachtung der psychischen Komponente der Gewalt, die für Mobbing charakteristisch ist. Diese ist oft nicht sichtbar und wird daher auch von Lehrkräften zumeist nicht rechtzeitig erkannt (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 77). Psychische Gewalt beinhaltet nach Schubarth unter anderem Abwertung und Ablehnung der Persönlichkeit, Gerüchte streuen, ausgrenzen, ignorieren, „schlecht machen“, beschimpfen und beleidigen. Schubarth weist in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf hin, dass Mobbingphänomene häufig nicht als Gewalt wahrgenommen werden (vgl. Schubarth, 2010, S. 18-19). Um eine Differenzierung zwischen schwerer körperlicher Gewalt und Mobbing vorzunehmen, weist Jannan darauf hin, dass eine Prügelei auf dem Schulhof, bei der zwei Jungen einen Dritten zusammenschlagen, kein Mobbing ist, sondern als Körperverletzung einzustufen ist. Daher kommt er zu dem Schluss, dass nicht jede Gewalt Mobbing ist, aber Mobbing immer Gewalt (vgl. Jannan, 2010, S. 22).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Mobbing nicht deckungsgleich mit Aggression oder Gewalt ist, sondern eine Sonderform beider mit besonderen Merkmalen ist:

1. Mobbing meint eine zielgerichtete, absichtliche Schädigungshandlung, die sich einerseits verbal (z. B. Drohen, Hänseln, Spotten, Beschimpfen, Verbreiten von Gerüchten) oder nonverbal (z. B. schmutzige Gestik, aus der Gruppe ausschließen, Ignorieren), andererseits auch körperlich (z. B. Schlagen, Stoßen, Treten, Kneifen, Festhalten, sexuelle Belästigung) manifestieren kann (vgl. Olweus, 2006, S. 22-23; Schubarth, 2010, S. 17-18; Jannan, 2010, S. 13).
2. Der Mobbing-Vorgang findet wiederholt und über einen längeren Zeitraum statt (vgl. Olweus, 2006, S. 22-23; Schubarth, 2010, S. 17-18).
3. Mobbing kann durch einen einzelnen (Gewalttäter) oder durch eine Gruppe verübt werden (vgl. Olweus, 2006, S. 23).
4. Beim Mobbing handelt es sich um ein Ungleichgewicht der Kräfte. Das bedeutet, dass das Mobbingopfer alleine nicht in der Lage ist, sich aus der Situation zu befreien, bzw. das Opfer wenig Fluchtmöglichkeiten hat (vgl. Bödefeld, 2006, S. 17; Schubarth, 2010, S. 18).

Folgt man den o. g. Merkmalen, muss sich eine Mobbing-Handlung von einem Konflikt eindeutig abgrenzen. Verhaltensweisen wie beispielsweise Tobspiele (Kräftemessen in spielerischer Art), Neckereien (freundschaftliche gemeinte Interaktion), zeitweilige Ausgrenzung, einmalige unangenehme Attacken oder Streitereien sind noch kein Mobbing, werden aber gemeinhin mit Mobbing gleichgesetzt (vgl. Schubarth, 2010, S. 18; Blum & Beck, 2012, S. 21). Diese Angriffe können durchaus ernst gemeint sein. Pädagogen (und auch anderen Erwachsenen wie beispielsweise Eltern) werden diese Angriffe nicht selten als spielerische Kämpfe erklärt, um die Degradierung des Opfers kaschieren zu können. Die Problematik der Nichterkennung oder Falschdeutung von Mobbing wird in Kapitel 2.4 noch einmal ausgiebig erläutert.

In der wissenschaftlichen Literatur findet sich synonym zum Mobbingbegriff auch der Begriff „Bullying“ (Scheithauer et al. 2003; Schäfer et al. 2006; Bödefeld 2006; Riebel 2008). Um Klarheit zu schaffen, ob beide Termini identische oder unterschiedliche Bedeutungen besitzen, wird aufgezeigt, wie die beiden Begriffe in der wissenschaftlichen Literatur verwendet werden und welche Verwendung für diese Arbeit herangezogen wird. Der Terminus „Bullying“ stammt aus dem englischen Sprachgebrauch und wird von dem Begriff „Bully“ abgeleitet. Das Oxford Advanced Learner´s Dictionary (1995, S. 141)

definiert das Substantiv „bully“ wie folgt: „A person who uses her or his strength or power to frighten or hurt a weaker person.” Das Verb “to bully” bedeutet im Englischen “to force somebody to do something by frightening them” (ebd.). Die deutsche Übersetzung aus dem PONS Wörterbuch (2000, S. 60) lautet „einschüchtern“, „schikanieren“ oder „fertig machen“. Für Scheithauer et al. beschreibt der angelsächsische Begriff Bullying in angemessener Weise schädigende Handlungen auf der Basis eines ungleichen Machtverhältnisses (vgl. Scheithauer et al., 2003, S. 17). Die Merkmale, die Scheithauer et al. als Bullying konstituierend thematisieren (Scheithauer et al., 2003, S. 20), weisen keine signifikanten Unterschiede zu den beschriebenen Merkmalen von Mobbing auf. Die Begriffskontroverse, ob es sich bei Bullying um Angriffe von Einzelpersonen (Bully=brutaler Kerl) und bei Mobbing um Gruppenangriffe (Mob=Pöbel, Gruppe) handelt, die eher nichtkörperlich stattfinden, ist daher sekundär im Rahmen dieser Examensarbeit (vgl. Schubarth, 2010, S. 18). Die Autorin verwendet in dieser Arbeit durchgängig den Begriff Mobbing.

2.1.1 Cyber-Mobbing

Der Begriff „Cyber-Mobbing“ stellt eine spezielle Form von Mobbing dar, der in den letzten Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Hierbei werden Kommunikationsmittel wie Internet und Handy eingesetzt. Synonym für „Cyber-Mobbing“ werden häufig auch die Begriffe „Cyber-Bullying“, „Cyber-Stalking“ oder „Internet-Mobbing“ gebraucht (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 26; Jannan, 2010, S. 38). Sowohl im Internet (z. B. durch E-Mails, soziale Netzwerke wie facebook, oder Videoportale wie youtube) oder durch den Einsatz von Mobiltelefonen (z. B. durch SMS, MMS, störende Anrufe) kann Cyber-Mobbing stattfinden (vgl. Jannan, 2010, S. 39). Obwohl es viele Gemeinsamkeiten zum „normalen“ Mobbing aufweist, gibt es einige Besonderheiten, die im Folgenden aufgezeigt werden.

Cyber-Mobbing greift rund um die Uhr in das Privatleben der Betroffenen ein und endet nicht nach dem Schulbesuch. Lediglich im Falle der Nichtnutzung der neuen Medien schützt das häusliche Umfeld den Betroffenen. Weiterhin erreichen die neuen Medien schnell eine breite Öffentlichkeit im Netz. Letztlich ist eine weltweite Verbreitung möglich. Durch die zeitnahe Versendung von Nachrichten, Bildern oder Filmen, die online sind, sind theoretisch mit nur einem „Mausklick“ Rufmordkampagnen möglich. Ein weiteres, wesentliches Merkmal von Cyber-Mobbing ist, dass „Cyber-Täter“ anonym handeln können, da sie sich dem Betroffenen nicht direkt zeigen müssen, was einerseits Sicherheit und Durchhaltevermögen verleiht, andererseits keine direkte Auseinandersetzung mit dem Betroffenen verlangt (vgl. Jannan, 2010, S. 41; Blum & Beck, 2012, S. 26-27). Die Autorin stimmt mit der Aussage von Blum und Beck überein, dass Cyber-Mobbing kein vollkommen von der Schule abzugrenzendes Problem ist und ausschließlich in der Anonymität des Internets stattfindet. Vielmehr werden Mobbingübergriffe, die bereits in der Schule beginnen, im Internet weiter fortgesetzt und forciert. Dies belegt eine Untersuchung von Schäfer und Herpell (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 27).

Ein anderer Begriff, der in dieser Arbeit noch nicht genannt wird, aber kurz angerissen werden muss, ist das so bezeichnete „Happy Slapping“ (wörtlich übersetzt etwa: fröhliches Zuschlagen). Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Tatsache, dass mittels selbst aufgenommener Handyvideos Jugendliche andere Heranwachsende verprügeln und die Filme anschließend zeitnah verbreiten. Diese bislang noch nicht so intensiv erforschte Gewaltproblematik bei der Handynutzung erweitert sich um den Aspekt des Zusammenwirkens von realer und medialer Gewalt (vgl. Grimm & Rhein, 2007, S. 40).

2.1.2 Folgen von Mobbing

Im deutschsprachigen Raum liegen aktuell eine Reihe empirischer Studien über die Häufigkeit von Mobbing in Schulklassen vor, deren Ergebnisse sich aufgrund unterschiedlicher Methoden und Fragestellungen nur schwer vergleichen lassen. Dass Mobbing an deutschen Schulen weiter verbreitet ist, als gemeinhin angenommen, findet die Psychologin Mechthild Schäfer heraus. Sie geht nach einer Langzeitstudie davon aus, dass in Deutschland wöchentlich 500.000 Kinder gemobbt werden. Andere Autoren gehen davon aus, dass jeder siebte Schüler schon einmal Erfahrungen mit Mobbing gemacht hat (vgl. Jannan, 2010, S. 22). Scheithauer et al. stellen die Ergebnisse aus vier Studien zusammen, die sich im Hinblick auf Alter, Größe und Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe unterscheiden. Gemeinsam ist diesen Studien das Mobbing-Verständnis von Olweus sowie das methodische Vorgehen (per Selbstnominierung) (vgl. Bödefeld, 2006, S. 23). Im Rahmen dieser Examensarbeit ist es nicht möglich, alle Studien im Detail vorzustellen. Einen Kurzüberblick aus unterschiedlichen Studien bieten Blum und Beck. Demnach tritt Mobbing über alle Schulformen hinweg auf, in städtischen Schulen und auch auf dem Land (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 25). Es werden sowohl Mädchen als auch Jungen gemobbt, wobei Jungen grundsätzlich häufiger Mobbing-Opfer sind als Mädchen. Weiterhin ergibt die Betrachtung von Mobbing in den verschiedenen Altersstufen eine Häufung von Mobbing in den Jahrgangsstufen zwei bis neun (vgl. Jannan, 2010, S. 24-25; Blum & Beck, 2012, S. 25).

Relevant ist vor allem die Tatsache, dass Mobbing bei betroffenen Schülern zu einer Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit führen kann, da ihre sozialen Kontakte eingeschränkt werden und eine Abwertung ihrer Person erfolgt. Die Folgen für die Gesundheit der Betroffenen können unter Umständen sehr gravierend sein (vgl. Gebauer, 2007, S. 31). Auch Schulphobie und Schulverweigerung können eine Folge von Mobbing sein (vgl. Schweitzer & Schlippe, 2006, S. 300-314).

Aufgrund der gravierenden Ausmaße stellen nicht nur Eltern, sondern die gesamte Gesellschaft die Forderung nach Handlungsbedarf.

2.2 Intervention und Prävention

Um Mobbing zu stoppen bzw. entgegen zu wirken kann präventiv oder intervenierend gehandelt werden. Im Folgenden werden die Begriffe Intervention und Prävention genauer definiert.

Jannan versteht unter Prävention Handlungskonzepte, die vorbeugend eingesetzt werden, um Gewalt langfristig zu minimieren. Dadurch wird versucht, mögliche Probleme in der Zukunft zu verhindern. Da es in der wissenschaftlichen Literatur nicht an Vielfalt solcher Programme mangelt, stehen Schulen vor dem Problem, eine maßgeschneiderte Lösung zu finden (vgl. Jannan, 2012, S. 22). Intervention hingegen meint die personenbezogene Reaktion auf einen Gewaltfall in der Schule, die zu einer zeitnahen Lösung des Problems führt (vgl. Jannan, 2012, S. 16). Bei jeder Intervention muss sich das jeweils eingesetzte Interventionsprogramm oder Handlungskonzept nach der jeweils vorliegenden Gewaltform richten. Im Mobbing-Fall können neben dem No Blame Approach andere Handlungskonzepte zum Einsatz kommen, wie beispielsweise die von Jannan entwickelte Kurzzeitintervention nach dem Gegen-Gewalt- Konzept (Jannan 2010), die Farsta-Methode (Ljungström; Taglieber 2005) sowie das Anti- Bullying-Konzept nach Olweus (Olweus 2006). Handelt es sich lediglich um einen Konflikt, der vom Mobbing trennscharf unterschieden werden muss, können Streitschlichterprogramme zum Einsatz kommen. In schwerwiegenden Fällen, wie beispielsweise Erpressung oder schwere Körperverletzung, muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit polizeiliche Hilfe notwendig ist bzw. strafrechtliche Schritte eingeleitet werden. Jannan weist darauf hin, dass der jeweiligen Gewaltform ein passgenaues Handlungskonzept gegenüber stehen muss (vgl. Jannan, 2012, S. 16).

Im Alltag von Schule werden die Begriffe Prävention und Intervention häufig synonym verwendet. Das ist insofern sinnvoll, da Prävention durchaus eine Intervention sein kann, wenn beispielsweise durch konkrete Probleme Handlungsbedarf für vorbeugende Maßnahmen besteht (vgl. Jannan, 2012, S. 14). Zum Thema Mobbing und Gewalt an Schulen liegen mittlerweile neben umfangreichen Studien zahlreiche Beschreibungen von Maßnahmekatalogen und Projekten zur Intervention und Prävention vor. Damit Präventionsarbeit jedoch langfristig Erfolg versprechen kann, und Präventionsmaßnahmen für Schüler nicht nur bloßen Appellcharakter haben, sind angemessene Interventionsmethoden sinnvoll. Jannan bringt es auf den Punkt: „Intervention wirkt auch ohne Prävention, Prävention jedoch nur mit Intervention“ (Jannan, 2012, S. 22).

Die Verantwortlichen für die Umsetzung einer Mobbing-Intervention sind zwangsläufig immer die Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter (falls vorhanden). Insbesondere das Einbinden der Schüler in einen Problemlöseprozess (in der Rolle als Unterstützer) hat einerseits präventiven Charakter im Hinblick auf zukünftige Gewaltfälle, anderseits erhöht die Mitarbeit der Schüler die Nachhaltigkeit der Interventionswirkung (vgl. Jannan, 2012, S. 16-17). Damit in einem Mobbing-Fall interveniert werden kann, muss es zunächst einmal als Solches erkannt sein, was keine leichte Aufgabe im Alltag von Lehrkräften darstellt. Mit dieser Problematik wird sich das Kapitel 2.4. beschäftigen.

Blum und Beck kritisieren, dass zahlreiche Interventionen im Kontext von Mobbing unter Schülern den Blick einseitig auf das „Mobbing-Opfer“ oder den „Mobbing-Täter“ zentrieren. Oftmals wird entschieden, entweder den Mobbing-Betroffenen oder aber den Mobbing- Akteur in eine andere Klasse zu versetzen oder als letze Lösung einen Schulwechsel einzelner Kinder und Jugendlichen anzubahnen. Sie plädieren dafür, dass im Fall von Mobbing das lineare, personenabhängige Erklärungsschema von „Schuldigen“ und „Nicht-Schuldigen“ verlassen werden muss (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 42). Anzustreben ist eine systemische Perspektive, die Mobbing als „Wechselspiel zwischen verschiedensten Faktoren und beteiligten Personen“ (Blum & Beck, 2012, S. 42) betrachtet. Dieser Perspektivenwechsel schärft einerseits den Blick für die Bedingungen, unter denen Mobbing entsteht, andererseits lässt er die komplexe Struktur und Dynamik des Mobbing-Prozesses erkennen (vgl. ebd., S. 42). Um diese Aussage verstehen zu können, werden im nächsten Kapitel die grundlegenden Prinzipien einer systemischen Sichtweise aufgezeigt.

2.3 Systemisch denken und handeln in der Schule

Im vorigen Kapitel taucht der Begriff des linearen Erklärungsschemas auf. Das bedeutet, dass eine lineare und binäre Denkweise davon ausgeht, dass die Wirklichkeit objektiv erfassbar ist und abgebildet werden kann. Problemen oder Ereignissen liegen demzufolge monokausale Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zugrunde (vgl. Poser, 2005, S. 13). Diese Art und Weise zu denken stellt das klassische Erklärungsmodell im Alltag dar. Es sucht mit Fragen wie beispielsweise „Wer hat Schuld?“, „Was hat wer wann und wieso getan?“ oder „Wer ist der Täter?“ nach den Ursachen der Probleme und versucht, das Problem erklären zu können (vgl. König, 2005, S. 11; Blum & Beck, 2012, S. 60; Renolder et al., 2007, S. 19). Die Beantwortung dieser Fragen hilft zwar zunächst, mittels Problemdiagnose Einsicht über die Geschehnisse zu erhalten, doch wie eine gute Lösung aussieht, kann nicht beantwortet werden. König und Volmer, die sich in ihren Ausführungen auf die Erwachsenenbildung und Organisationsberatung beziehen, beschreiben in diesem Zusammenhang, dass bereits seit den 1940er Jahren Zweifel an der Leistungsfähigkeit dieses Ursache-Wirkungs-Denkens deutlich werden, da sich in komplexen Situationen offenbar nicht die Ursache herausfinden lässt, weil verschiedenen Faktoren für bestimmte Verhaltensweisen aufeinander wirken. Diese Erkenntnis führt seit Mitte des 20. Jahrhunderts dazu, andere Erklärungsmodelle für komplexe Prozesse zu suchen, womit die Forschung den Grundstein für die Entstehung der Systemtheorie legt (vgl. König, 2005, S.11). Das Systemdenken geht von der Annahme aus, dass sämtliche Einflussfaktoren auf ein Problem sowohl Ursache als auch Wirkung sein können, und dass, wie eingangs erwähnt, keine monokausalen Ursache- Wirkungszusammenhänge vorliegen. Um die Frage zu klären, welchen Beitrag die Allgemeine Systemtheorie für die Erklärung und Steuerung sozialer Systeme leistet, wird seit den 1970er Jahren dieser Ansatz auch in den Sozialwissenschaften aufgegriffen und weiterentwickelt (vgl. Poser, 2005, S. 32; König, 2005, S. 11-12). Bei der Erklärung menschlichen Zusammenlebens findet die systemische Sichtweise im Laufe der letzen Jahre breite Anwendung in der Pädagogik, Psychologie und Medizin. Nach Schlippe und Schweitzer wird die Systemtheorie für die Erklärung von problematischem menschlichen Verhalten in Familien (meistens zwischen Eltern und Kindern) herangezogen. Demnach werden nicht die auffälligen Personen als Ursache von Problemen angesehen, sondern sind Symptom für verdeckte und mehrere oder alle Personen der Familie betreffende Beziehungsstörungen (vgl. Schlippe & Schweitzer, 1999, S. 49; Gockel, 2004, S. 80).

Obschon sich das systemische Denken und die systemischen Theorien ständig und schnell verändern, muss an dieser Stelle das Systemkonzept von Gregory Bateson genannt werden, das wichtige Erkenntnisse liefert, jedoch im Rahmen dieser Arbeit lediglich angerissen werden kann. Bateson definiert das soziale System aus einer personenbezogenen Perspektive. Das bedeutet, wenn beispielsweise eine Gruppe als soziales System untersucht wird, sind die einzelnen Gruppenmitglieder diejenigen Elemente, die zueinander in Beziehung stehen. Weiterhin besteht die Besonderheit dieses Ansatzes darin, dass auch die subjektiven Wahrnehmungen, Deutungen der Wahrnehmungen und Handlungen gemäß dieser Deutungen der einzelnen Personen mit einbezogen werden (vgl. Poser, 2005, S. 36; vgl. Gockel, 2004, S. 83). Nach Bateson reagieren Menschen nicht wie Maschinen „reiz-reaktionsgesteuert“ und „auf Knopfdruck“, sie können selbstständig denken und handeln. Aus diesem Grund kann menschliches Verhalten weder durch andere Personen, die Beziehungen zu diesen Personen noch durch die Umwelt oder andere äußere Einflüsse ausreichend erklärt werden (vgl. Gockel, 2004, S. 83). Für Bateson besteht ein soziales System aus Elementen, die als teilnehmende Individuen bezeichnet werden (vgl. König, 2005, S. 23). Diesen Ansatz weitet Bateson auf menschliche Kommunikation aus, was von Watzlawick, Jackson und Beavin weitergeführt und systematisiert wird (vgl. Poser, 2005, S. 38). Insbesondere die kommunikationstheoretischen Axiome nach Paul Watzlawick (1985) bilden die Grundlage zur Beschreibung menschlichen Handelns in sozialen Systemen (vgl. König, 2005, S. 24-25; Gockel, 2004, S. 84).

Bisher ist festzuhalten, dass eine systemische Sichtweise auf Probleme keine Ursachenzuschreibung vornimmt. Weiterhin unterscheidet sich systemisches Denken vom linearen Denken insofern, als dass der systemische Ansatz nicht die Einzelperson in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, sondern sich vor allem auf Interaktion und Kommunikation zwischen Personen und Gruppen konzentriert.

Was bedeutet nun aber systemisch denken und handeln in der Schule? Für Hubrig und Herrmann bedeutet dies vor allem, „das Denken und Verhalten - auch problematisches Verhalten - eines Kindes, Jugendlichen oder Heranwachsenden in Wechselwirkung mit dem Denken und Verhalten der Personen in seinen relevanten sozialen Systemen (Familie, Klasse, Lehrer, Peergroup) zu sehen“ (Hubrig & Herrmann, 2005, S. 11). Im Mobbing-Fall in der Schule lässt sich somit die systemische Perspektive auf Mobbing von König und Volmer aus der Organisationsberatung nutzen, denn auch im Mobbing-Fall in der Schule „[…] geht es nicht darum, einen Schuldigen zu suchen oder die Ursachen herauszufinden […], sondern es geht darum, das gesamte System im Blick daraufhin zu analysieren, welche Faktoren das Problem hervorbringen oder verstärken“ (König & Volmer, 1999, zit. nach Gockel, 2004, S. 85). Hubrig und Hermann vertreten in ihrem Werk „Lösungen in der Schule“ zudem die Auffassung, dass die Orientierung an der systemischen Perspektive problematische Muster relativ leicht auflösen lassen, wenn man die vorhandenen Lösungskompetenzen der Beteiligten mit hinzuzieht, so dass sie diese bewusst oder intuitiv für zielorientierte Veränderungen einsetzten können (vgl. Hubrig & Herrmann, 2005, S. 11). Der No Blame Approach folgt in seiner Arbeitsweise, wie bereits erwähnt, neben dem systemischen Ansatz auch der lösungs- und ressourcenorientierten Handlungsweise, die im nächsten Kapitel thematisiert wird.

2.3.1 Ressourcen- und Lösungsorientierung

„Wir sehen immer nur einen Ausschnitt aus dem Leben der uns anvertrauten Menschen. Werden diese dann überwiegend über ihre Defizite wahrgenommen und definiert, bleibt zusätzlich ein wesentlicher Aspekt im Dunkeln: die vielen Fähigkeiten und Fertigkeiten, sprich die Ressourcen.“ (Scheichenberger, 2009, S.17).

Scheichenberger verwendet hier den Begriff der Ressource, der im Gesundheitswesen dafür benutzt wird, um Kräfte, Fähigkeiten und Möglichkeiten zu beschreiben, die dem Patienten zur Verfügung stehen. Dabei lassen sich persönliche und soziale Ressourcen unterscheiden. Persönliche Ressourcen sind Persönlichkeitsmerkmale, die dem Einzelnen zur Verfügung stehen und ihm helfen, schwierige Situationen zu bestehen. Dazu gehören beispielsweise ein gesundes Selbstwertgefühl oder Eigenschaften und Haltungen, die eine lebensfördernde Wirkung haben, wie Mut, Glaube, Kreativität und Flexibilität. Mit sozialen Ressourcen sind einerseits positive Beziehungen zu Mitmenschen gemeint, das Eingebettet-sein in eine soziale Umgebung, andererseits auch materielle und ideelle Unterstützungsmöglichkeiten, die durch andere Menschen oder durch soziale Institutionen gewährleistet werden (vgl. Kellnhauser et al., 2000, S. 129). Ressourcen sind demnach alle jene Erfahrungen, Fähigkeiten und individuelle Gewohnheiten, die den Problemlösungsprozess günstig beeinflussen können (vgl. Mötzing & Wurlitzer, 1998, S.76). Für De Shazer besteht der Problemlöseprozess darin, „Lösungen zu konstruieren, anstatt Probleme zu lösen“ (De Shazer, 1992, zit. nach Hesse, 1997, S. 11). Dahingehend erfolgt eine Loslösung der problematisierenden Sichtweise bis hin zu der Sichtweise, auf diejenigen Dinge zu schauen, die im Alltagskontext des Patienten gut funktionieren. Von da aus werden weitere Lösungswege und Bewältigungsperspektiven entwickelt (vgl. Hesse, 1997, S. 11). Aus therapeutischer Sicht bedeutet Ressourcenorientierung eine Sichtweise, die lösungsorientierte Therapieansätze umfasst:

- den Blick sowohl auf Lösungen als auch auf Probleme richten, die respektiert und als Ressource betrachtet und genutzt werden;
- Loslösung der Problemsicht und Ausrichtung auf Zielperspektiven und Lösungsvisionen;
- Probleme als Fähigkeiten betrachten (vgl. Hesse, 1997, S. 11).

Die Ideen dieser lösungsorientierten Kurztherapie, die Mitte der 1970er Jahre von dem Therapeutenehepaar Steve de Shazer und Insoo Berg entwickelt wird, greift der No Blame Approach auf. Shazer und Berg gehen nicht von der Allmachtsituation aus, dass es für alles perfekte Lösungen gibt, vielmehr geht es um die Entwicklung von kleinen, alltagsbezogenen Lösungswegen (vgl. Hesse, 1999, S. 57). Sie gehen weiterhin davon aus, dass es für die Lösung von Problemen nicht nötig ist, ihre Entstehung und alle relevanten Bezüge des Problemzusammenhangs zu verstehen. Entscheidend ist, dass das Problemmuster nicht spezifisch erfasst werden muss, da letztlich entscheidend ist, dass der Fokus der Aufmerksamkeit auf diejenigen Bereiche gelenkt werden soll, die einen Unterschied zum Problem in Richtung Lösung enthalten. Weiterhin werden die Lösungsvorstellungen der Klienten sehr ernst genommen, so dass die Autorität über die anzustrebenden Lösungen weitestgehend bei ihnen angesiedelt wird. Die Lösungsressourcen sind bei den Klienten meist schon vorhanden, man muss sich nur darauf konzentrieren (vgl. de Shazer, 1989, S. 231-233). Bis hierhin wird deutlich, dass der lösungsorientierte Ansatz der Problemanalyse einen deutlich geringeren Raum lässt, als dem Weg der Lösungsfindung. Probleme, Konflikte oder Störungen werden nicht vertieft, vielmehr werden die vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen genutzt, um möglichst direkt zu einer Problemlösung zu kommen. Wie diese Erkenntnis im No Blame Approach angewendet wird, ist Inhalt des Kapitels 3.

2.3.2 Mobbing als Gruppenphänomen

Bei Mobbing handelt sich um ein Wechselspiel zwischen verschiedenen Faktoren und beteiligten Personen (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 42). Ähnlich wie Blum und Beck argumentiert Schubarth. Für ihn handelt es sich bei Mobbing um einen „zirkulären Gruppenprozess, um eine Mobbingspirale oder eine Art 'Teufelskreis' " (Schubarth, 2010, S. 82). Neuere Studien (Scheithauer et al., 2003; Schubarth, 2010; Bödefeld, 2006; Blum & Beck, 2012; Jannan, 2010; Gebauer 2007) kommen alle zu dem Ergebnis, dass es abgesehen von den Mobbing-Betroffenen und den Mobbing-Tätern andere Beteiligte gibt, die spezifische Funktionen aufweisen, die Mobbing unterstützen oder verhindern können (vgl. Scheithauer et al., 2003, S. 34). Im Gegensatz zu älteren, Individuum-orientierten Forschungen, die nach Entstehungsfaktoren für das Verhalten des Einzelnen fragen, konzentriert sich die neuere Mobbing-Forschung verstärkt auf die Interaktionen innerhalb einer Gruppe. Dieser vorrangig auf das Interaktionsgefüge ausgerichtete Forschungsansatz ist maßgeblich auf die Arbeiten der finnischen Psychologin Salmivalli zurückzuführen. Der von ihr entwickelte Participant Role Approach geht davon aus, dass im Mobbing-Fall nicht nur Täter und Opfer beteiligt sind, sondern alle Gruppenmitglieder, in jeweils unterschiedlichen Rollen (vgl. Bödefeld, 2006, S.29). Angelehnt an Salmivalli beschreibt Olweus differenziert die Verhaltensmodi der einzelnen Rollen im Mobbing-Fall (vgl. ebd., S. 37). Andere Autoren wie Scheithauer et al., Jannan sowie Blum und Beck beschreiben ebenfalls diese Rollenverteilungen, die von Mitgliedern einer Klasse eingenommen werden. Die Rollenbeschreibungen in diesen Darstellungen stimmen im Wesentlichen überein. Die Verhaltensmodi der einzelnen Rollen soll das folgende Schaubild verdeutlichen. In diesem Schaubild wird im Gegensatz zu anderen Darstellungen die gesamte Lerngruppe als „System“ beleuchtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Rollenverteilung im Mobbing-System

(eigene Darstellung in Anlehnung an Bödefeld, Jannan, Schubarth, Blum & Beck)

Der Mobbing-Betroffene:

Hurrelmann und Bründel beschreiben das typische Mobbing-Opfer als Person, „die sich durch eine Behinderung, Sprachauffälligkeit, äußere körperliche, mimische und gestische Eigenarten und nicht eine im Modetrend liegende („nicht coole“) Kleidung von der Mehrheit der Klassenkameraden abheben“ (Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 77-78). Nach Ansicht der Autoren zeigen sie entweder auch Unsicherheiten im Verhalten oder sie sind Personen, die sich durch besondere Leistungsstärke („Streber“) auszeichnen (vgl. ebd. S. 78). Im Gegensatz dazu konstatiert Bödefeld, dass nach gegenwärtigem Forschungsstand das Opfer nicht zwangsläufig äußere Auffälligkeiten aufweist. Auch gibt es keine Rückschlüsse auf den mentalen und psychischen Zustand des Opfers vor Beginn der Übergriffe. Das Opfer kann lediglich Anreiz zu weiteren Übergriffen bieten (vgl. Bödefeld, 2006, S. 35). Jannan unterscheidet zwischen dem passiven und provozierendem Opfertyp. Passive Opfer sind u.a. eher schwächer als der Durchschnitt, in der Klasse oft still und haben ein schwaches Selbstwertgefühl. Das provozierende Opfer verhält sich insgesamt auffälliger und bietet Tätern genügend Angriffsfläche, indem es u.a. hyperaktiv wirkt, sich häufig in den Vordergrund spielt oder leicht reizbar ist. Jannan betont, dass dies nicht bedeutet, dass jeder Schüler mit diesen Merkmalen automatisch Opfer wird, sondern dies nur Risikofaktoren darstellen. Er kritisiert die Meinung derjenigen Autoren, die Äußerlichkeiten als Auslöser für Mobbing ansehen und kommt zu dem Schluss, dass jeder von Mobbing betroffen sein kann. Ob ein Schüler im Laufe seiner Schullaufbahn Opfer bleibt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie früh interveniert wird. Eine frühe Intervention der Pädagogen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Opferverhalten abgelegt wird (vgl. Jannan, 2010, S. 36-37).

Der Mobbing-Täter:

Die meisten Autoren kommen hinsichtlich der Merkmale der Täter übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es sich zum überwiegenden Teil um Jungen handelt, was bei der Umsetzung präventiver und interventiver Maßnahmen beachtet werden muss (vgl. Jannan, 2010, S. 33). Nach Olweus zeigt der Täter ein aggressives Reaktionsmuster, körperliche Stärke, Impulsivität und Dominanz (vgl. Bödefeld, 2006, S. 32). Mobbing-Täter zeichnen sich dadurch aus, dass sie potenzielle Schwächen beim Opfer leicht erkennen können, aber wenig Empathie ihm gegenüber zeigen, was allerdings nicht bedeutet, dass es ihnen an sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten mangelt (vgl. Scheithauer et al., 2003, S. 78). Jannans Untersuchungen weisen darauf hin, dass häufig geringes Selbstwertgefühl (ähnlich wie beim Opfer) sowie ein eingeschränktes Repertoire an Konfliktlösestrategien charakteristisch sind (vgl. Jannan, 2010, S. 33). Als mögliche Ursachen für dieses Verhalten benennt Jannan machtbetonte Erziehungsmethoden im Elternhaus, das Vorleben von Gewalt oder auch übertolerantes Verhalten im Elternhaus, positiv bewertete aggressive Vorbilder sowie Einfluss der Medien (vgl. ebd., S. 35).

Übereinstimmend zeigen die meisten neueren Darstellungen, dass sich um den Täter herum meist Gruppen von Mitläufern bilden, die sich dem Täter anpassen und unterwerfen und immer wieder verstärkend als Assistenten oder Mitläufer am Mobbing-Geschehen beteiligt sind (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 79), die im Folgenden erklärt werden.

Die Assistenten:

Als Assistenten bezeichnen Blum und Beck diejenigen Schüler, die die Mobbing-Akteure tatkräftig unterstützen, indem sie ihre Ideen einbringen (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 45), unmittelbar am Geschehen beteiligt sind, aber niemals mit dem Mobbing anfangen (vgl. Bödefeld, 2006, S. 37).

Die Verstärker:

Die Verstärker versuchen zwar, sich aus den einzelnen Aktionen gegen den Mobbing- Betroffenen herauszuhalten, signalisieren aber beispielsweise durch Beifall und Gesten, auf wessen Seite sie stehen und beteiligen sich somit indirekt (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 45). Sie fungieren als unterstützende Verstärker, die nicht unmittelbar aktiv sind (vgl. Bödefeld, 2006, S. 37).

Passive Unterstützer

Passive Unterstützer finden Gefallen am Mobbing und zeigen keine Unterstützung gegenüber dem Opfer (vgl. Bödefeld, 2006, S. 37).

Die Verteidiger

Schüler, die als Verteidiger fungieren, lehnen Mobbing zwar ab und denken, dass sie einschreiten sollten, ziehen sich jedoch zurück (zumeist aus Selbstschutz) und bleiben passiv (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 45, vgl. Bödefeld, 2006, S. 37).

Die restliche Lerngruppe

Der Großteil der Lerngruppe bleibt primär unbeteiligt. Jannan beschreibt vier Reaktionen, die in dieser Gruppe denkbar sind:

- in dieser Lerngruppe befinden sich Schüler, die „sensationslüstern“ auf Mobbing schauen
- es kann sich um ängstliche Schüler handeln, die fürchten, selbst Opfer zu werden
- Schüler können die Mobbing-Situation vom Konflikt nicht trennscharf unterscheiden  sie versuchen, als sozial kompetente Schüler das Geschehen positiv zu beeinflussen (vgl. Jannan, 2010, S. 31).

Aus der beschriebenen Rollenverteilung entsteht zusammengefasst folgendes Bild über die zahlenmäßige Konstellation innerhalb einer Lerngruppe:

Das Opfer ist zumeist eine Einzelperson. Der Schüler kann sich diesem Rahmen nicht entziehen. Daneben gibt es einen oder mehrere Täter, die zu impulsiven, aggressiven Verhaltensmustern tendieren. Die Gruppen der Assistenten und Verstärker stehen dem Täter zur Seite und unterstützen ihn auf unterschiedliche Weise. Die Verteidiger stellen zahlenmäßig eine deutlich kleinere Gruppe dar. Die zahlenmäßig größte Gruppe stellt die restliche Lerngruppe dar (vgl. Bödefeld, 2006, S. 38).

In diesem Kapitel ist deutlich geworden, dass Mobbing ein interaktiver Prozess mit vielen Beteiligten darstellt. Um alle Beteiligten aus diesem Prozess „befreien“ zu können bedarf es einer Intervention von außen, die das Interaktionsgefüge mit seinen spezifischen Handlungsmustern aufbrechen kann (vgl. Bödefeld, 2006, S. 42). Welche Aufgabe der Lehrer im Mobbing-Prozess übernimmt, ist Inhalt des nächsten Kapitels.

2.4 Die Aufgaben des Lehrers bei Mobbing unter Schülern

Jeder Lehramtsstudent hat wohl im Laufe seines Universitätsstudiums und in den dazu gehörigen Praxisphasen an Schulen festgestellt, dass Lehrer vielfältigen Erwartungen ausgesetzt sind und häufig Aufgaben zu erfüllen haben, die nicht immer alle einfach miteinander zu vereinbaren, geschweige denn auch zu erfüllen sind. Laut Kultusministerkonferenz und von einigen Lehrerverbänden im Dezember 2000 verabschiedete Aufgaben eines Lehrers sind:

- Unterrichten
- Erziehen
- Beurteilen
- Beraten
- Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen
- Weiterentwicklung der eigenen Schule (Rothland & Terhart, 2007, S. 17-18).

Neben der klassischen Aufgabe der Wissensvermittlung gehört es zur Aufgabe des Lehrers gesellschaftliche Verantwortung für zukünftige Generationen zu übernehmen. Weiterhin müssen sie Forderung erfüllen, Erziehungsziele zu erreichen (vgl. Thies, 2002, S. 24). Um den Schülern einen optimalen Start in den Prozess des lebenslangen Lernens in einer sich schnell verändernden Gesellschaft zu ermöglichen, bedarf es der Vermittlung von Schlüsselkompetenzen seitens der Lehrer (ebd., S. 69). Dabei müssen Pädagogen berücksichtigen, dass die Schule kein freiwilliger Ort für Heranwachsende ist. Bei der Zusammensetzung einer Schulklasse handelt es sich um eine Art der unfreiwilligen Gruppierung, der Schüler nicht einfach fernbleiben können, wenn ihnen die Zusammensetzung nicht gefällt. Innerhalb der Schulklasse müssen sie sich mit anderen arrangieren und mit ihnen auskommen. Während dies in einigen Klassen gut funktionieren kann, können in anderen Klassen Mobbing-Fälle oder auch schwere körperliche Gewalt auftreten (vgl. Ulich, 2001, S. 50-51). Unterrichts- und Disziplinstörungen in der Schulklasse stellen für Lehrer das größte Hindernis auf dem Weg zu einem erfolgreichen Unterricht dar, da sie schwer zu objektivieren sind, weil sie immer auch mit dem subjektiven Störungsempfinden der jeweiligen Lehrperson zusammenhängen (vgl. Hurrelmann & Bründel, 2007, S. 81). Laut den Ausführungen von Hurrelmann und Bründel, die sich mit den Belastungen im Lehrerberuf befassen, ist die psychische Belastung von Lehrern weniger durch die notwendigen Unterrichtsvorbereitungen, Korrekturen oder die Darbietung des Lehrstoffs hervorgerufen, sondern durch permanente Störungen im Unterricht und den ständigen Kampf mit störenden Schülern (vgl. ebd., S. 82). Mobbing stellt zwar in diesem Falle keine „direkte“ Unterrichtsstörung dar, für Gebauer stellt es jedoch eine Auffälligkeit im Sozialverhalten dar, der nur mit ausreichender emotionaler Kompetenz der Lehrkraft begegnet werden kann (vgl. Gebauer, 2005, S. 114-115). Lehrkräfte müssen also einerseits die in Kapitel 2.3.2. beschriebene Gruppendynamik des Mobbing-Prozesses verstehen, andererseits benötigen sie eine klare Vorstellung davon, was sich bei Mobbingprozessen nicht nur auf der Handlungsebene im Klassenzimmer oder auf dem Schulhof abspielt, sondern auch, welche Emotionen im Innersten der Schüler, als Teil des „Systems Schulklasse“ ablaufen. Das bedeutet, dass die Lehrkraft die emotionale Dynamik der Klasse verstehen muss (vgl. Gebauer, 2005, S. 123). Systemisch betrachtet, bringen Renolder et al. auf den Punkt, welche Position der Lehrer in der Klasse einnimmt: „Als Pädagogin bin ich nicht außenstehende Beobachterin, sondern ein Teil des Systems, des lebendigen Mobiles.“ (Renolder et al., 2007, S. 29).

Um Mobbing als solches zu erkennen weisen Blum und Beck auf die folgenden Schwierigkeiten dabei hin:

- Mobbing-Handlungen werden in der Regel verdeckt durchgeführt (insbesondere Cyber-Mobbing).
- Es herrscht Unklarheit über die Konfliktlage. Ist es Mobbing oder nur ein Konflikt?
- Verhaltens- und körpersprachliche Veränderungen werden nicht wahrgenommen oder falsch interpretiert: Mobbing wird nicht erkannt (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 29).

Dieser Problematik wollen Blum und Beck entgegenwirken, indem sie Lehrern empfehlen, sich eine „Mobbing-Brille“ (ebd., S. 31) aufzusetzen, die für die Mobbing -Problematik sensibilisieren soll. Die Autorin verwendet anstelle des Begriffs „Mobbing-Brille“ den Begriff des systemischen Beobachters. Mit diesem bezeichnet die Autorin eine Lehrkraft, die einerseits nicht die Augen davor verschließt, falls sie die Vermutung hat, dass ein Schüler gemobbt wird, andererseits sich selbst als Mitglied des Systems Schule sieht.

Die folgende Abbildung zeigt, welche Handlungen die Lehrkraft erkennen muss:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Der systemische Beobachter (eigene Darstellung)

Neben seiner Funktion als Lernbegleiter muss der Lehrer Mobbingsignale erkennen. Nach Blum und Beck sind das: Verhaltensveränderungen bei Schülern, möglicher Leistungsabfall, Rückzug, häufige Fehlzeiten bis hin zur Schulverweigerung sowie körperliche und psychische Veränderungen (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 35-37). Weiterhin gilt seine Aufmerksamkeit der Wahrnehmung der Mobbing-Handlungen, wie körperlichen Attacken, psychischen oder nonverbalen Angriffen. Als zusätzliche Informationsquellen kann er neben seinen eigenen Beobachtungen auch andere Personen im schulischen System mit ins Boot holen (z. B. Schulsozialarbeiter, andere Kollegen, insbesondere Sportlehrer, Eltern oder auch Schulsekretärin und Hausmeister) (vgl. Blum & Beck, 2012, S. 38-39).

Hubrig und Herrmann bringen auf den Punkt, welche Denkweise jeder Lehrer nach Abschluss seines Studiums, spätestens nach dem Referendariat entwickelt haben sollte, besonders im Hinblick auf die Mobbing-Wahrnehmung und die darauf folgende mögliche Intervention:

„Blicke ich als Lehrer auf die Ressourcen und Fähigkeiten eines Schülers oder einer Lerngruppe statt auf die Defizite und Mängel, dann nehme ich sie nicht nur anders wahr, sondern ermögliche Lernprozesse und Ergebnisse, die mit dem anderen Fokus nicht denkbar gewesen wären.“ (Hubrig & Herrmann, 2010, S. 18).

[...]

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Interventionen bei Mobbing unter Schülern. Die Vor- und Nachteile des No Blame Approaches
Hochschule
Universität Paderborn  (Fakultät für Kulturwissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
84
Katalognummer
V316834
ISBN (eBook)
9783668165137
ISBN (Buch)
9783668165144
Dateigröße
2097 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
No Blame Approach, Mobbing, Interventionen bei Mobbing, Cyber-Mobbing, Gewalt und Mobbing Schule
Arbeit zitieren
Martina Kampmann (Autor:in), 2013, Interventionen bei Mobbing unter Schülern. Die Vor- und Nachteile des No Blame Approaches, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316834

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