„Heimat“ und die Heimatbewegung in den Jahren 1918 bis 1933


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Begriffsgeschichte im weiteren Sinn

Der Heimatbegriff
Heimatschutzvereine/Heimatpflege

Heimatbewegung
Wurzeln der Heimatbewegung - nach Ernst Rudorff
Heimat in der Schule

Heimatempfinden heute?

Literaturverzeichnis

Einleitung

ÄSo weit entfernt von der Heimat?“ wurde ich in Ägypten gefragt. ÄJa, ich komme aus Deutschland.“, könnte hier eine typische Antwort lauten. Bin ich in einem anderen Bundes- land, so ist Baden-Württemberg meine Heimat. Gesetzt den Fall, ich würde mich mit jeman- dem jenseits dieser Galaxie unterhalten, so wäre es die Erde. Werde ich allerdings gefragt, wo meine Heimat denn sei, wenn ich mich in der Stadt befinde, in der ich aufgewachsen bin, so beschränkt es sich auf die Straße, das Haus oder gar die Wohnung bzw. ein Zimmer. Die Lo- kalität im Heimatbegriff spielt eine zentrale Rolle. Heimat ist also kein spezifischer Raum, sondern eindeutig wandelbar. Der Begriff ÄHeimat“ bzw. vor allem die Bedeutung ist schon seit über einem Jahrhundert in Diskussion und hat sich mehrfach geändert. In dieser Arbeit soll die historische Entwicklung der Rolle des Heimatempfindens in Deutschland ab dem En- de des 19. Jahrhunderts näher untersucht werden.

Das zentrale Thema dabei ist die Heimatpflege, genauer: was ist Heimat in diesem Sinne? Warum muss die Heimat Ägepflegt“ werden? Dabei gilt es, die Heimatbewegung in sämtli- chen Ausdehnungen zu untersuchen. Eine sehr große Rolle spielt hier die Verbindung der drei Begriffe Heimat, Kultur und Natur in ihren semantischen Zusammenhängen. Grob gesagt - ich werde später noch genauer darauf eingehen - soll in der Heimat das Bedürfnis nach Kultur in der Verbindung mit der Natur gestillt werden. Durch die enge Verbindung von Heimat, Kultur und Natur ist dies zum Thema der Volkskunde bzw. heute auch der Soziologen und Ethnologen geworden. Heimat als Kulturgut, oder eher Kulturgut aus der Heimat?

Im Weiteren sollte die Frage geklärt werden, ob Heimat auch im Plural existiert. Können mehrere Heimaten Äangenommen werden“? Bleibt dabei stets eine die ÄHaupt-Heimat“? Heimatpflege und Heimatschutz - in diese Kategorie fällt auch der Denkmalschutz - stehen in enger Verbindung zum Heimatrecht, worüber ich mich allerdings relativ kurz halten werde. Anhand einer genauen Analyse der Entwicklung des Begriffes Heimat und vor allem dessen Bedeutung kann man eventuell einen Blick in die nahe Zukunft wagen. Wird der Begriff wei- terhin eine zentrale Rolle im sozialen Miteinander spielen? Oder gar eine noch größere? Sobald man sich mit Geschichte, mit deutscher Geschichte in diesem Zeitraum beschäftigt, so hat - auch bei diesem Thema - das Dritte Reich seine Finger im Spiel. Das Heimatsempfinden spricht sehr starke elementare Bedürfnisse des Menschen an, man könnte es als Wurzelgefühl bezeichnen. Da die Heimat einen Teil von: Äwer bin ich, und wo komme ich her?“ in sich trägt, beinhaltet der Umgang mit diesem Thema eine für Manipulation anfällige Seite. So wurde der Begriff schon stark instrumentalisiert und mündete in der Blut-und-Boden- Ideologie der Nationalsozialisten. Im Folgenden wird der Begriff ÄHeimat“ in seinen verschiedenen Ausdehnungen genauer betrachtet. Um für ein besseres Verständnis aus heutiger Sicht zu sorgen, sollte zuerst die Begriffsgeschichte beleuchtet werden.

Begriffsgeschichte im weiteren Sinn

Der Begriff Heimat wurde bereits im Mittelalter benutzt. Bis zur frühen Neuzeit gilt es als juristischer Tatbestand, das Heimatrecht. Dieses Recht beinhaltete bereits die Verfügung über Grund und Boden und diente als soziale und wirtschaftliche Absicherung. Es handelt sich hierbei also stets um ein materielles Recht. Ab ca. 1867 kommt jedoch der Anspruch auf Auf- enthalt hinzu. Begleitet vom Anspruch auf Grunderwerb und dem ÄAnspruch auf Unterstüt- zung bei Bedürftigkeit“.1

Nach der Revolution im 19. Jahrhundert wurde damit begonnen, Heimat als subjektives Emp- finden wahrzunehmen. Dies wurde durch die bürgerlich geprägte Romantik initiiert. Man be- gann aus dem Moloch Großstadt zurück auf das Land zu Äfliehen“. So wurde aus dem ÄHei- mat als Recht über Grund und Boden“ ein nostalgisch geladener Ideologiebegriff. Nach der Gründung des Deutschen Reiches wurden die ersten anerkannten und staatlich unterstützten Heimatvereine gegründet. Das Hauptinteresse bestand darin, die Kultur und Natur in der nä- heren Umgebung zu erforschen, zu verstehen. Durch die Verbindung zur Kultur, bzw. der Erforschung von Kultur könnte man die ersten Heimatvereine durchaus als Vorreiter der Volkskunde ansehen. Bald darauf wurden die ersten kommunalen und staatlichen Verwal- tungseinrichtungen dazu bewegt, ihre Forschungen zu finanzieren. Dies ist der Grundstein für eine staatliche und landschaftliche Kulturpolitik, da die eigenen Kulturvorhaben stets im Inte- resse der Wissenschaft stehen. Nach der Machtergreifung und der Siedlungspolitik der Blut- und-Boden-Ideologie war der Heimatbegriff stark negativ belegt. Die Begriffe ÄHeimat“ und ÄVolkstum“ wurden weitgehend gleichgesetzt und somit sei eine Heimatliebe als ÄVorausset- zung und Teil zur Vaterlandsliebe“2 unabdingbar.

Der Heimatbegriff

Es existiert keine einheitliche Definition für Heimat. Nach Gerhard Handschuh besteht Hei- mat aus vier Dimensionen. Die erste und offensichtlichste Dimension ist die räumliche: der erlebte und gelebte Raum. Wie im obigen Beispiel beschrieben stellt Heimat, je nachdem wo man sich befindet, eine andere Lokalität dar, ist die räumliche Dimension stark im Vorder- grund. Meistens wird nur diese Ausprägung betrachtet, wenn es um die Heimat geht. Dabei wird die zweite Dimension außer Acht gelassen. Hier geht es um die erlebte und gelebte Zeit. Sie spielt eine genauso große Rolle wie die Raumdimension. Der Raum, der als Heimat gese- hen wird, ist meist stark abhängig von der dort verbrachten Zeit. In der Sozialisationsphase und der Identitätsbildung wirkt der Raum stark auf einen und wird meist später als Heimat empfunden. Verbringt man eine kurze Zeit an einem Ort, so wird dieser nur in sehr seltenen Fällen als Heimat wahrgenommen. Die kulturelle Dimension ist weniger offensichtlich. In der Enkulturation erfährt man die Kultur aus der Region. Die kulturelle Seite dieser Anschauung ist also stark an die Raumdimension gebunden, ebenso stark wie an die letzte Ausprägung. Handschuh bezeichnet diese als die soziale Dimension. Egal wo man heute seine Zeit ver- bringt, man ist unter Menschen - natürlich mit einigen Ausnahmen, hier ist der Normalfall gemeint. In seiner Heimat begegnet man anderen Individuen, die zum Beispiel auch die glei- che Heimat teilen. Alle von mir zu diesem Thema Befragten waren sich einig, dass die Ver- trautheit eine enorm große Rolle beim Heimatempfinden spielt. Diese Vertrautheit beschreibt die soziale Dimension in ihren Beziehungen zu anderen Individuen. Die Familie ist in vielen Fällen der Kern des Vertrauens, das bedeutet, dass für viele genau dort die Heimat ist, wo sich die Familie befindet. In diesem Falle überwiegt also die soziale Dimension.

Diese grobe Definition soll den Begriff beschreiben, wie er heute wahrgenommen wird. Der eigentliche Ursprung beschreibt vielmehr ein Besitz von Land und/oder Hof. So wurde an den ältesten Sohn früher die Heimat vererbt. Des Weiteren steht zur Diskussion, bzw. wird des Öfteren behauptet, dass es diesen Begriff Äso“ nur in Deutschland gäbe. Aus Linguistischer und kognitionswissenschaftlicher Sicht würde man hier demnach die Theorie verfolgen, dass unsere Wahrnehmung stark an die Sprache gebunden ist und somit die nur das wahrgenom- men werden kann, was man mit der Sprache zum Ausdruck bringen kann. Fehlt also in einer Sprache ein Begriff dafür, bedeutet das, dass man Heimat dort nicht so wahrnehmen kann. Diese Theorie ist allerdings nicht bestätigt. Wir sollten uns hier einig sein, dass ÄHeimat“ wie wir den Begriff heute verwenden, ein Gefühl ausdrückt. Ein Gefühl von Vertrautheit, von Geborgenheit, von Wohlfühlen und eine Art Wurzelempfinden - á la Äwo komme ich her?“ - darstellt. Demnach kommt wohl jeder irgendwo her und kann diesen Gedanken sehr gut nachvollziehen beziehungsweise kennt dieses Gefühl ebenfalls. In sehr vielen Fällen stellt der Ort der Geburt die Heimat dar. Geht man dieser Sache auf den Grund, so findet man viele Indizien die darauf hinweisen, dass man sich dort geborgener fühlt als irgendwo anders - ab- gesehen davon, dass man an genau diesem Ort das erste Mal diese Welt ‚erfahren‘ hat. Um die soziale Dimension abzudecken, so gibt es zu viele Richtungen, die hier erläutert werden müssten. Ein kleines Beispiel möchte ich dennoch erörtern. Ein kleiner Teil der Sympathie ist die Ebene der Gemeinsamkeit. Nun, davon ausgehend, dass andere in meinem Geburtsort ebenfalls dort geboren sind, habe ich schon eine Gemeinsamkeit. Demnach ist eine Grund- sympathie bereits vorhanden und ich fühle mich wohler - als irgendwo, bei denen diese Ge- meinsamkeit nicht zu Grunde liegt. Dieses kurze Exempel soll zeigen, wie stark eine genauere Analyse auf sozialer Ebene den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

Heimatschutzvereine/Heimatpflege

Heimatvereine beschränken sich Änicht [nur] darauf, Kultur- und Naturzeugnisse in ihrer iso- lierten Einzigartigkeit zu erhalten, sondern versuchten [vor allem], deren räumlichen Zusam- menhang zu bewahren. [ … ] Das Empfinden, einem gleichsam täglich sichtbaren Prozeß des Wandels der engeren Umgebung und damit dem Verlust von Traditionen, Geborgenheit und Gemütlichkeit ausgesetzt zu sein, führte Teile des Bürgertums dazu, der überlieferten Kultur und Natur mit Ehrfurcht zu begegnen, sie doppelt wertzuschätzen, zu bewahren und womög- lich wiederherzustellen.“3. Die Hauptintension der Heimatpflege besteht darin, die Alltagskul- tur zu pflegen. In den 1870er Jahren wurde man sich vor allem durch die erlittenen Verluste bewusst, wie wichtig eine Sicherung und Pflege der kulturellen Überlieferungen der Region sein wird beziehungsweise ist. Feste, die nach einiger Zeit in Vergessenheit geraten sind, aber dennoch einen Teil zur Entwicklung dieser Region beigetragen haben, sollten nicht in Verges- senheit geraten. Also sicherte man die Trachten oder fing gar an, sie wieder zu tragen.

Unter den Heimatschutz fällt auch der Denkmalschutz. Denkmale gehören zu dem kulturellen Erbe einer Gesellschaft. Demnach müssen sie erhalten werden, dürfen nicht beschädigt oder gar zerstört werden. Auch darum muss sich jemand kümmern. Es geht um die dauerhafte Si- cherung von Kulturgütern. Denkmale besitzen zu dem eine sakrale Dimension, die geschützt werden muss. Jedes Denkmal steht für ein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Person, die für diese Region in ihrer Zeit nicht wegzudenken gewesen wäre. Man könnte sagen, auf sakraler Ebene umgeben diese Denkmale eine Aura, die jene stärkt, die wissen, was Ähier“ mal geschehen ist. Diejenigen Maßnahmen, die zur Unterhaltung oder auch Erhaltung von Kulturdenkmalen notwendig sind, werden als Denkmalpflege bezeichnet.

Wurzeln der Heimatbewegung - nach Ernst Rudorff

Einen sehr guten Einblick in die Anfänge der Heimatbewegung liefert Ernst Rudorff. Die Wurzeln sind in der Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts anzusiedeln. ÄEs gibt Augen- blicke in unserem Leben, wo wir der Natur ( … ) sowie der menschlichen Natur in Kindern, in den Sitten des Landvolks und der Urwelt, ( … ) bloß weil sie Natur ist, eine Art von Liebe und von rührender Achtung widmen. Jeder feinere Mensch, dem es nicht ganz und gar an Empfindung fehlt, erfährt dieses, wenn er im Freien wandelt, wenn er auf dem Lande lebt ( … ), wenn er in künstlichen Verhältnissen und Situationen mit dem Anblick einer einfältigen Natur überrascht wird ( … ). Es sind nicht diese Gegenstände, es ist eine durch sie dargestellte Idee, was wir in ihnen lieben. Wir lieben in ihnen das stille schaffende Leben, das ruhige Wirken aus sich selbst, ( … ) die ewige Einheit mit sich selbst. Sie sind, was wir waren; sie sind, was wir wieder werden sollen. Wir waren Natur, wie sie, und unsere Kultur soll uns auf dem Wege der Vernunft und der Freiheit zur Natur zurückführen.“4 Schiller beschreibt hier sehr schön ein allgemein aufkommendes Gefühl von einer verloren gegangenen Verbunden- heit zwischen Mensch und Natur. Dieser Gedanke stellt den Kern der Überzeugung des Hei- matschutzes dar. Es wird nach einer Kultur verlangt, die zur Natur zurückführt, und diese nicht weiterhin zerstört, dank Industrialisierung. Dabei gilt es, den Menschen wieder mit der Natur in Einklang zu bringen beziehungsweise zu versöhnen. ÄIn dem innigen und tiefen Ge- fühl für die Natur liegen recht eigentlich die Wurzeln des germanischen Wesens. Was unsere Urväter in Wodans heilige Eichenhaine bannte, was in den Sagen des Mittelalters, in den Ge- stalten der Melusine, des Dornröschens lebt, was in den Liedern Walthers von der Vogelwei- de anklingt, um dann in neuer ungeahnter Fülle in Goethes oder Eichendorffs Lyrik, endlich in der eigenartigsten Offenbarung des deutschen Genius, in unserer herrlichen Musik wieder hervorzubrechen: immer ist es derselbe Grundton, derselbe tiefe Zug der Seele zu den wun- dervollen und unergründlichen Geheimnissen der Natur, der aus diesen Äußerungen des Volksgemüths spricht.“5.

[...]


1 Siehe L. Brintzinger, S. 15[1]

2 Siehe Karl Ditt, Heimat: Analysen, Themen, Perspektiven S. 136[2]

3 Siehe Karl Ditt, Heimat: Analysen, Themen, Perspektiven S. 135[2]

4 Siehe Andreas Knaut, S. 26 nach Schiller[3]

5 Ebd., nach Rudorff, in: Über das Verhältnis des modernen Lebens zur Natur, S. 276[3]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
„Heimat“ und die Heimatbewegung in den Jahren 1918 bis 1933
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Volkskunde)
Veranstaltung
Seminar aus dem Bereich Heimat und Identität: Aspekte räumlicher Verbundenheit - Zur Bedeutung und Ideologie von "Heimat" in der Spätmoderne
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V316797
ISBN (eBook)
9783668159259
ISBN (Buch)
9783668159266
Dateigröße
875 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
heimat, heimatbewegung, jahren
Arbeit zitieren
Daniel Armbrüster (Autor:in), 2012, „Heimat“ und die Heimatbewegung in den Jahren 1918 bis 1933, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316797

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