Verwobene Prophezeiungen. Narratologische und intertextuelle Überlegungen zur Schlüsselszene aus "Saint Julien l'Hospitalier" von Gustave Flaubert


Hausarbeit, 2009

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Eine Geburt und zwei Prophezeiungen

Narratologische Feinanalyse

Julien, Jesus und Saulus

Julien, freier als gedacht

Verwobene Prophezeiungen – ein Blick ins Märchenbuch

Die Flucht vor der Prophezeiung als ihre Erfüllung

Welche Prophezeiung ist die entscheidende?

Literaturverzeichnis

Einleitung

„La nouvelle accouchée n'assista pas à ces fêtes. Elle se tenait dans son lit, tranquillement. Un soir, elle se réveilla, et elle aperçut, sous un rayon de la lune qui entrait par la fenêtre, comme une ombre mouvante. C'était un vieillard en froc de bure, avec un chapelet au côté, une besace sur l'épaule, toute l'apparence d'un ermite. Il s'approcha de son chevet et lui dit, sans desserrer les lèvres :- « Réjouis-toi, ô mère ! Ton fils sera un saint ! »Elle allait crier ; mais glissant sur le rais de la lune, il s'éleva dans l'air doucement, puis disparut. Les chants du banquet éclatèrent plus fort. Elle entendit les voix des anges ; et sa tête retomba sur l'oreiller, que dominait un os de martyr dans un cadre d'escarboucles.Le lendemain, tous les serviteurs interrogés déclarèrent qu'ils n'avaient pas vu d'ermite. Songe ou réalité, cela devait être une communication du ciel ; mais elle eut soin de n'en rien dire, ayant peur qu'on ne l'accusât d'orgueil.Les convives s'en allèrent au petit jour ; et le père de Julien se trouvait en dehors de la poterne, où il venait de reconduire le dernier, quand tout à coup un mendiant se dressa devant lui, dans le brouillard. C'était un Bohème à barbe tressée, avec des anneaux d'argent aux deux bras et les prunelles flamboyantes. Il bégaya d'un air inspiré ces mots sans suite :- « Ah ! Ah ! Ton fils !... Beaucoup de sang !... Beaucoup de gloire !... Toujours heureux ! La famille d'un empereur. »Et, se baissant pour ramasser son aumône, il se perdit dans l'herbe, s'évanouit.Le bon châtelain regarda de droite et de gauche, appela tant qu'il put. Personne ! Le vent sifflait, les brumes du matin s'envolaient.Il attribua cette vision à la fatigue de sa tête pour avoir trop peu dormi. « Si j'en parle, on se moquera de moi », se dit-il. Cependant les splendeurs destinées à son fils l'éblouissaient, bien que la promesse n'en fût pas claire et qu'il doutât même de l'avoir entendue.Les époux se cachèrent leur secret. Mais tous deux chérissaient l'enfant d'un pareil amour ; et, le respectant comme marqué de Dieu, ils eurent pour sa personne des égards infinis. Sa couchette était rembourrée du plus fin duvet ; une lampe en forme de colombe brûlait dessus, continuellement ; trois nourrices le berçaient ; et, bien serré dans ses langes, la mine rose et les yeux bleus, avec son manteau de brocart et son béguin chargé de perles, il ressemblait à un petit Jésus.“

Die hier zitierte Textstelle aus „ La Légende de Saint Julien l’Hospitalier[1] ist von zentraler Bedeu­tung für die Interpretation der gesamten Erzählung. Dass es sich um eine Schlüsselszene han­delt, wird sowohl durch die narratologischen Befunde, die intertextuellen Referenzen als auch die inhaltliche Logik des Textes deutlich. Erstens heben die narratologischen Verfahren diese Stelle aus dem übrigen Text heraus. Zwei­tens deutet der Vergleich mit einigen Referenztexten auf die besondere Bedeutung der hier be­schriebenen Prophezeiungen für die gesamte Erzäh­lung hin. Drittens wirft diese Stelle un­zäh­lige interessante Fragestellungen auf und enthält kom­plexe Ver­wei­se auf den weiteren Fortgang der Hand­lung: Die bei­den Prophezeiungen und der mit ihnen eng verwebte Fluch des Hir­schen stellen die Grund­struktur der Hand­lung dar.

Eine Geburt und zwei Prophezeiungen

Dieser Szene geht die ausführliche Beschreibung der Ausgangssituation voraus:[2] Die de­tail­rei­che Schilderung der Atmosphäre, der El­tern Ju­liens, vor allem aber der Örtlichkeiten und ih­rer präch­tigen Ausstattung – ein idyl­lisch ge­le­genes Schloss, Reichtum an allen Dingen, Frie­den[3]. Nachdem das Bitten der Köni­gin bei Gott Gehör gefunden hat, wird Julien gebo­ren und ein großes, mehr­tä­gi­ges Fest veranstaltet.

Kurz nach der Geburt, das Fest ist noch zugange, erscheint seiner Mutter im Mondlicht ein alter Mann, der ihr weissagt, Ju­lien wer­de ein Hei­liger sein, bevor er wieder auf zauber­haf­te Weise verschwindet. Nur sie scheint diesen Mann gesehen zu haben. Die Mutter hält seine Worte für eine Botschaft Got­tes, be­schließt aber, da­rüber Schweigen zu bewahren, da sie befürchtet, für hochmütig ge­hal­ten zu werden. Kurz darauf erlebt Juliens Vater etwas Ähnliches: Im Nebel des frühen Morgens tritt ihm ein Bett­ler gegenüber, der ihm bruchstückhaft prophezeit, Julien werde viel Ruhm ernten, er wer­de stets glücklich sein und der „ famille d’un empereur “ angehören. Er erwähnt zudem, dass „ beaucoup de sang “ fließen werde. Der Vater ist sich nicht sicher, ob er sich die­se Begegnung nur eingebildet hat, doch er ist beeindruckt von der hoff­nungsvoll klin­gen­den Zu­kunft seines Sohnes. Auch er behält das Erlebnis für sich.

Die Ehe­leute spre­chen nicht über das Vorgefallene, lieben Julien über alles, halten ihn für ei­nen von Gott Aus­er­wähl­ten und um­geben ihn mit jedem vorstellbaren Luxus. Im weiteren Verlauf der Geschichte wird das He­ranwachsen Juliens geschildert, das heißt, seine zunehmend sadistische Ent­wick­lung bis dahin, dass er ein Blutbad unter Tie­ren an­richtet und von einem sterbenden Hir­sch ver­flucht wird.[4]

Narratologische Feinanalyse

Mit der zu analysierenden Szene setzt die eigentliche Handlung ein, nachdem der voraus­geh­en­de Text der Beschreibung der Ausgangssituation und Einbettung der Handlung diente. Die­ser Übergang wird anhand der Untersuchung der narratologischen Verfahren deutlich. Wenn auch durchgehend heterodiegetisch erzählt wird, so ist doch ein Wechsel in der Dauer, im Grad der Distanz und in der Fokalisierung fest­zu­stel­len: Von iterativer Raffung zu annäh­ernd szenischer Darstellung, vom narrativen Modus zum drama­ti­schen Modus sowie von Null­fokalisierung zu interner Fokalisierung, nämlich zunächst zur Per­spektive der Mutter.[5] Der Übergang zur Schilderung der Prophezeiung an den Vater vollzieht sich inhaltlich und nar­ratologisch ab­­rupt – letzteres durch einen kleinen Zeitsprung zurück.[6] Zudem wech­selt die Per­spek­tive zum Vater,[7] Das Erzähltempo verlangsamt sich hier er­neut, es wird wie zu­vor an­näh­ernd sze­nisch-singulativ erzählt. Ge­gen Ende der Szene werden beide Stränge zusammengeführt und resümiert. Der Erzähler hat nun, nullfokalisierend, Einsicht in beide Figuren. Er entfernt sich zunehmend wieder vom Ge­schehen und das Erzähltempo nimmt deut­lich zu. Die unmittelbar auf die vorliegende Sze­ne folgenden Sätze verdeutlichen dies: „ Les dents lui poussèrent sans qu’il pleurât une seule fois. Quand il eut sept ans (…)“.[8]

Es zeigt sich also, dass diese Stelle sich vom vorhergehenden wie auf sie folgenden Text her­vor­hebt und eine besondere Stellung einnimmt. Tatsächlich taucht ein ähnlich lang­sames Er­zähl­tempo erst wieder auf, als Julien die Hirschen­familie tötet und verflucht wird.[9] Unter­stri­chen wird diese Feststellung dadurch, dass in der vor­lie­gen­den Sze­ne das erste Mal im Text di­rekte Rede verwendet wird – und danach erst wieder, als der Hirsch Julien verflucht. Das weist auf eine Verbindung zwischen diesen beiden Sze­nen hin. Au­ßerdem legt das Muster des Erzähltempos einen Parallelismus zwischen der Dar­stel­lung der Prophezeiung gegenüber der Mutter und jener der Prophezeiung gegenüber dem Vater nahe: Szene – Raf­fung (Mutter) gegenüber Szene – Raffung (Vater). Eine solche Parallelität ist sehr weit­geh­end zu beobachten.[10]

Die Art des Perspektivwechsels sowie dieser parallele Aufbau verdeutlichen den Ge­gensatz, der zwischen den beiden Prophezeiungen be­steht: Julien soll sowohl weltlicher Erfolg (Ruhm, ho­her sozialer Stand) als auch zeitlich über­dau­ern­de, religiöse Bedeutung als Heiliger be­schie­den sein. Die Wi­dersprüchlichkeit auf der Bedeutungsebene wird un­terstrichen, indem sich die Darstellung in allen anderen Punkten stark ähnelt. Dies dient zum einen dem Span­nungs­auf­bau – wel­che Pro­phezeiung wird eintreten? Oder auf welche Art und Weise beide? Zum anderen ist die Am­bivalenz der Persönlichkeit Juliens und sei­ne spätere Entwicklung in dieser Szene an­ge­legt. In diesem Sinn könnte man die Tatsache, dass er das Bild eines „ petit Jésus “ evoziert, verstehen – das heißt, als Verweis auf sein Lebensende, wobei doch auf­fällt, wie schief dieser Vergleich an­mutet. Wur­de Jesus der Weih­nachts­geschichte zufolge nicht in bitterer Armut ge­bo­ren?

Julien, Jesus und Saulus

Es lohnt sich, die betreffende Textstelle genauer zu untersuchen. Zunächst wird die gro­ße Lie­be und Wertschätzung be­schrieben, die König und Königin ihrem Sohn ent­gegen­brin­gen. Direkt darauf folgt, geradezu kontrastierend mit der erwähnten „ amour “ und den „ égards in­fi­nis “, die ausführliche Auflistung des Reichtums, von dem das Kind um­geben ist. Elternliebe wird hier nicht mit besonderer Aufmerksamkeit oder ähnlichem be­legt, sondern mit Prunk und materieller Großzügigkeit in Verbindung gebracht. Diese feine Iro­nie stellt die Liebe der El­tern letztlich in Frage.[11] Die Stelle kulminiert nun in dem zweifelhaften Vergleich Juliens mit einem kleinen Jesus. Ju­lien ähnelt keineswegs dem sozusagen echten Jesuskind, sondern sei­ner spä­teren verklärten, ge­schönten Darstellung.[12] Ein Verweis auf das Lebensende Ju­­liens ist genau darin zu sehen – in dieser Geschichte zeigt sich Heiligkeit eben nicht in Prunk und Glanz, im Gegenteil, Gott tritt als Leprakranker auf.

Die angesprochene Spannung zwischen den beiden Prophezeiungen in dieser Szene lässt an die Entwicklung denken, die der biblische Saulus durchmacht, und in deren Verlauf er zu Pau­lus wird.[13] Saulus ist maßgeblich an der Hinrichtung des Stephanus beteiligt, wie auch an der Verfolgung der Anhänger Christi allgemein.[14] Im Gegensatz zu Julien ist er nicht ver­flucht, keine Prophezeiung zwingt ihn, so zu handeln. Dagegen wurde über Julien schon als Kind, näm­lich seinem Vater gegenüber, geweissagt, in seinem Leben werde „ beau­coup de sang “ fließen, und später zieht er, wenn auch aus ei­gener Schuld, einen Fluch auf sich.

Nachdem Jesus Paulus erschienen ist, wird dieser zum „ Werkzeu g“[15] Gottes. Predigend und mis­sio­nie­rend zieht er durch das Land, wobei er Misstrauen und Verfol­gung ertragen muss. Juliens zu­rück­ge­zo­genes, selbstloses Dasein nach der Ermordung seiner Eltern ähnelt dem des Pau­lus. Doch liegt seinem Wandel durchaus eigene Einsicht, vielleicht so­gar eine eigene Ent­schei­dung zu­grunde. Wenn er zum Werkzeug Gottes wird, so hat er da­ran zumindest Anteil.[16]

Julien, freier als gedacht

Der besondere Stellenwert der eingangs zitierten Textstelle und der in ihr erzählten Vorkommnisse zeigt sich auch darin, wie sie sich vom wohl am manifestesten in ihr verankerten Re­ferenztext ab­hebt, nämlich der Erzählung des Julien-Stoffes in der Legenda Aurea [17] des Jacobus de Vo­ra­gine.[18] Bei de Vo­ra­gine wird gleich zu Beginn unvermittelt vor­weg­genom­men, dass Julien seine Eltern um­brin­gen wird. Über seine Herkunft und Kind­heit er­fährt man ledig­lich, dass er adlig ist. Die Hand­lung setzt mit der Jagdszene ein. Die ersten beiden Prophezeiungen, denen in der Légende durch ver­schie­dene Ver­fahren eine be­deutende Stellung innerhalb der Erzählung ein­ge­räumt wird, fin­den sich in diesem Refe­renz­text nicht wieder. Das unterstreicht ihre Be­deutung noch zusätz­lich. Daher werden im Fol­gen­den als intertextuelle Bezüge vor allem Dar­stel­lungen von Prophe­zei­un­gen untersucht.

In der Bibel finden sich die Prophezeiungen an Maria, an Josef und an Zacharias.[19] Allen drei­en gemeinsam ist der Zeit­punkt der Prophezeiung, nämlich vor der Geburt des betreffenden Kin­­des. Darin liegt bereits ein erster Unterschied zu den Prophe­zei­ungen, die ge­genüber Ju­liens Eltern ausgesprochen werden. Die drei künftigen El­tern aus der Bi­bel er­fah­ren von ei­nem Engel[20] von der Ge­burt eines Kind von besonderer reli­giö­ser Be­deu­tung, was jeweils mit einer Hand­lungsanweisung verbunden ist: Den Neu­ge­bo­re­nen ist ein be­stimmter Namen zu ge­ben – es scheint ganz so, als habe der Name eine Bedeu­tung für die Er­füllung der Prophe­zei­ung. Julien dagegen trägt seinen Namen bereits, als die Weissagungen ge­genüber seinen Eltern ausgesprochen werden. Hier stellt sich die Frage, ob Ju­liens Leben des­halb in gerin­ge­rem Maße vorherbestimmt ist.

In der Bibel werden an­fängliche Zweifel der Rezipienten zerstreut (Ma­ria) bzw. zuerst be­straft und dann zer­streut (Zacharias). Juliens El­tern da­gegen erfahren zwar unter übersinnlich wir­kenden Um­stän­den von der Zukunft ihres Soh­nes, allerdings aus der Hand eines Grei­ses bzw. eines Bett­lers, nicht durch einen sich ein­deu­tig zu Erkennen geben­den Engel. Den­noch he­gen sie ge­ringere Zweifel, sie fragen nicht etwa wie Ma­ria und Zacha­ri­as nach, wie das denn von­stat­ten gehen solle – vielleicht deshalb nicht, weil ihnen die vorausgesagte Zukunft so gefällt? Alle drei Prophezeiungen der Bibel erfüllen sich, wenigstens ein As­pek­t der Vorhersagen an die Eltern Juliens hingegen nicht – ist er wirk­lich „ toujours heu­reux “? Zudem wird den Eltern nur ein Teil der Zu­kunft enthüllt und ih­nen da­bei sugge­riert, das Leben des eigenen Sohnes zu kennen.

Wie viel Freiheit verbleibt Julien also nach diesen beiden Prophezeiungen? Wie mächtig sind die­se? Welche Rolle spielt die – teils trügerische – Zuversicht, die Juliens Eltern aus ihnen zie­hen? Wie zuverlässig und eindeutig sind die Weissagungen?[21]

Verwobene Prophezeiungen – ein Blick ins Märchenbuch

Auch in vielen Märchen tauchen Prophezeiungen über die Zukunft eines Kindes auf, bei­spiels­weise in Sterntale r, in Das Feuerzeug und in Dorn­rös­chen.[22] In letzterem sprechen elf Feen gute Wünsche für das kleine Kind aus, doch eine böse Fee ver­flucht es, mit 15 Jahren zu sterben. Darauf reagiert eine weitere Fee mit dem Wunsch, dieser Tod möge sich in einen hundertjährigen Schlaf umwandeln. Es werden also prin­zi­piell eine gu­te und eine schlechte Pro­phe­zeiung gegen­über­ge­stellt. Die gute neu­tra­li­siert die schlechte.

Der Fluch des Hirschen in der Légende ist als eine unheilvolle Prophe­zei­ung aufzu­fassen. Ihm steht die Weissagung gegenüber, dass Julien ein Heiliger sein werde. Die gute Pro­phezeiung kann allerdings aus chronologischen Gründen nicht wie in Dorn­rös­chen eine Re­aktion auf die schlech­te sein. Ist möglicherweise die Prophezeiung des Hir­schen eine Folge der ersten bei­den? Stehen diese drei in irgendeinem ur­sächlichen oder in ei­nem anders­arti­gen Verhältnis zueinander? Einen Zu­sam­­men­hang zwischen den beiden Text­stel­len, die die drei Prophe­zei­ungen enthalten, legten schon die narrato­lo­gischen Verfahren dar.

Der letzte an Dornröschen ausgesprochene Wunsch enthält bereits den vorhergehenden Fluch. Be­inhaltet möglicherweise eine der Prophezeiungen über Juliens Leben die beiden an­de­ren? An­ders interpretiert wandelt die letzte Fee den Fluch ihrer Vorgängerin nicht ab, sondern sie wünscht, die Worte ihrer Vorgängerin mögen freier, poetischer ausgelegt wer­den – ‚Tod’ soll nicht ‚Tod’ bedeuten, sondern ‚hundertjähriger Schlaf’. Mit dieser Präzi­sie­rung, die die letzte Ge­legenheit darstellt, Dornröschens Zukunft in bestimmte Bah­nen zu lenken (denn jede Fee kann nur einen Wunsch aussprechen), fällt jeder Frei­raum für die Entwicklung der Handlung weg – keine unerwarteten Wendungen, keine über­raschende Art und Weise, in der sich die Pro­phezeiungen erfüllen, auch nicht, was ihre Rei­henfolge anbelangt.

Wel­chen Interpretationsspielraum belassen die Prophezeiungen in der Légende den Pro­ta­go­nis­ten? Wie wird er genutzt? Innerhalb welchen Rahmens bewegen sie sich?

Juliens Eltern liegen nur unvollständige Informationen vor, noch dazu scheinen sie da­von auszugehen, jeweils für sich die ganze Wahrheit zu kennen, was die Unvollständigkeit noch verstärkt. Entsprechend ihrem Erkenntnisstand erziehen sie Julien, und proji­zie­ren auf ihn ihre vermeintlich belegte Vorstellung darüber, wer er ist und sein wird. Sie hö­ren jeweils den Teil der Prophezeiung, der ihnen zusagt als Zukunftsvision des eigenen Soh­nes, und inter­pre­tieren diesen Teilaspekt nach ihren persönlichen Wünschen. Die weiter oben besprochene Textstelle legt nahe, dass die Eltern Juliens mehr in die schöne Vorstellung von ihrem Sohn verliebt sind, als sie diesem wirkliche Liebe entgegenbringen. Die Vorstellung der strahlenden Zukunft seines Sohnes zerstreut die Zweifel, die Juliens Vater zunächst hegt. Er meint zu er­kennen, dass Juliens Begabung in und Neigung zur Jagd auf eine ruhm­rei­che militärische Zu­kunft hindeute. Seine Mutter fühlt sich schon aus einem geringen Anlass – Julien spendet groß­zü­gig an Arme – an seine vermeintliche Zukunft als hoher Geistlicher erin­nert.[23] Womöglich über­sehen Juliens Eltern aus diesem Grund An­zeichen für gefährliche, sa­dis­tische Züge des Jungen. Wie geht Julien mit dem Fluch des Hirschen um?

Die Flucht vor der Prophezeiung als ihre Erfüllung

Viele Elemente der Handlung verweisen auf die Geschichte des Ödipus. Sopho­kles führt in Kö­nig Ödipus vor, wie ein Mensch sich aufgrund seines Hoffnungsdenkens vor der un­heil­vol­len Realität verschließt.[24] Die Protagonisten meinen, dunklen Prophezeiungen ent­geh­en zu kön­nen, und verweigern sich bis zuletzt der Einsicht in ihr Scheitern. Der Versuch, die Ora­kel um­zudeuten oder ihnen zu entgehen, führt sie geradewegs zur ungewollten Erfüllung der Weis­sagungen.[25]

Ju­liens Verhalten ähnelt dem des herangewachsenen Ödipus. Er meint, den unmissverständlichen Fluch abwenden zu können, indem er weit von zuhause weg geht und nicht jagt. Allerdings hat Ödipus den Fluch nicht durch sein eige­nes Fehlverhalten provoziert, sondern sein Vater trägt die Verant­wortung dafür. Julien wird für seine eigene Grausamkeit verflucht – auch wenn diese ihm vielleicht durch eine zweifelhafte Jagdtradition der Familie in die Wiege gelegt wurde. Die Erfüllung dieser drit­ten Prophezeiung stellt für ihn eine Art Läuterung dar, sie löst bei ihm einen Refle­xions­pro­zess aus, in dessen Verlauf er im­mer selbstloser und reuevoller handelt. Sophokles’ Ödipus da­gegen hat zwar an der Ver­flu­chung keine eigene Schuld, leugnet sie aber. Julien wehrt sich kaum gegen die Realität; er ver­­sucht zwar, irgendeine andere Er­klä­rung zu finden als die, dass es sich bei den Getöteten um seine Eltern handelt.[26] Doch noch am selben Tag trifft er Ent­schei­dungen, die der Einsicht in seine Schuld folgen, wodurch er, wie bereits in Hinblick auf die Referenz zu Saulus/Paulus dar­gelegt, Anteil an seiner Entwicklung zum Heiligen hat. Da­mit stellt die erfüllte Prophezeiung für Julien eine Art Lehre dar, wie es auch die Worte von Jean de La Fontaines „L’Oiseau blessé d’une flèche“ sind – keine Droh­ung, kein Fluch, sondern eine belehrende, weise Ankündigung: „ Souvent il vous arrive un sort comme le notre.[27]

Welche Prophezeiung ist die entscheidende?

Die Erfüllung des Fluches, der ausgeführte Elternmord scheint die Voraussetzung dafür zu sein, dass Julien den richtigen Weg findet. Insofern verweist die erste Prophezeiung – die, dass Julien ein Heiliger sein werde – unmittelbar auf die dritte, den Fluch des Hirschen. Auch die zweite Prophezeiung verweist auf sie, wenn sie besagt, dass „ beaucoup de sang “ flie­ßen wer­­de. Es fließt viel Blut, bevor die dritte Prophezeiung ausgesprochen wird – durch Juliens Grau­samkeit nämlich, welche wiederum zum Fluch führt. Es fließt auch nachher viel Blut, weil Julien auf der Flucht vor dem Fluch Karriere als Feldherr macht – womit sich wei­te­re As­pekte der zweiten Weissagung erfüllen – und seine Eltern tötet.[28] Hier schließt sich der Kreis, denn wie bereits er­wähnt, ist der Eltern­mord die Basis dafür, dass die erste Prophe­zei­ung zum Tragen kommt.

Der Fluch des Hirschen nimmt noch eine weitere Funktion ein: Die angesprochene Spannung zwi­schen den beiden ersten Prophezeiungen wird erst durch ihn als verbindendes Element ge­löst. Was der Hirsch sagt, so grausam es sein mag, ermöglicht sowohl Juliens irdischen Erfolg als auch seine Wandlung zum Heiligen, es ermöglicht die Erfüllung der beiden ersten Prophe­zei­ungen trotz ihrer schein­baren Widersprüchlichkeit. Denn Julien wird erst dadurch zum er­folg­reichen, ruhm­reichen Mann, der die Tochter des Kaisers heiratet, dass er dem Fluch bzw. der Prophe­zei­ung zu entgehen versucht. Er ist so erfolgreich, weil er nicht sterben kann, ehe er nicht seine Eltern getötet hat und dafür Buße getan hat. Julien wird erst dadurch zum Hei­ligen, dass die Erfüllung des Elternmordes in ihm einen Reflexionsprozess anregt, der da­rin mündet, dass er für die Tat büßt. Die beiden ersten Prophezeiungen sind folglich für ihre Er­füllung darauf an­ge­wiesen, dass ihnen die dritte folgt – einerseits. Andererseits legen sie, oder die Art und Weise, wie die Protagonisten mit dem (Halb-)Wissen über sie verfahren, möglicherweise das Fundament, auf dem Juliens Grausamkeit überhaupt erst gedeiht.[29]

Oder stellt die Prophezeiung an die Mutter die allgemeinste, bedeutendste der drei dar? Sie steht am Anfang, und erfüllt sich als letzte. Insofern hat sie eine Rahmenfunktion innerhalb der Geschichte. Aus diesem Blickwinkel definieren die beiden folgenden Prophezeiungen le­dig­lich den Weg, den Julien einschlägt, um schließlich zum Heiligen zu werden und die ers­te zu erfüllen. Das hieße, die erste würde die zwei anderen Weissagungen in gewisser Weise schon ent­halten.

Welche Sichtweise man auch einnehmen will, es zeigt sich in jedem Fall, wie stark die Pro­phe­zeiungen – die beiden ersten der hier zu analysierenden Szene sowie die dritte, auf die be­reits verwiesen wird – die Handlung grundlegend strukturieren und bestimmen. Daran anschließend wirft die vorgelegte Szene grundlegende Fragen auf – nach der Deter­mi­nie­rung oder Freiheit Juliens, nach der direkten oder indirekten Wirkungsmacht der Weis­sa­gun­gen, nach ihrer Funktion, nach dem Interpretationsspielraum, der den Protago­nis­ten bleibt und damit nach deren Rolle und Verantwortlichkeit. Damit erweist sich die vorgelegte Szene als zentral für „ La Légende de Saint Julien l’Hos­pita­lier “.

Literaturverzeichnis

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DE LA FONTAINE, Jean, L’Oiseau blessé d’une flèche, in: Ders., Oeuvres complètes I. Fables Contes et Nouvelles, hg. v. Jean-Pierre Collinet, Bibliothèque de la Pléiade 10, Paris 1991, S.77.

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HAMP, Vinzenz, STENZEL, Meinrad, KÜRZINGER, Josef (Hgg.), Die Bibel, München 2007, S.1218-1220.

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OVID, Metamorphosen, hg. v. Niklas Holzberg, München 1990.

ZIMMERMANN, Bernhard (Hg.), Sophokles. König Ödipus. Studienausgabe, Düsseldorf, Zürich 1999.

[...]


[1] Gustave Flaubert, La Légende de Saint Julien l’Hospitalier, in: Ders., Oeuvres II, hg. v. Albert Thibaudet, René Dumesnil, Bibliotèque de la Pléiade 37, Paris 1952, S. 623-648. Im Folgenden wird diese Erzählung im Text als ‚ Légende ’ abgekürzt.

[2] Der Text setzt mit den Worten „ Le père et la mère de Julien “ ein. Das verweist möglicherweise bereits auf die Be­deutung der beiden für die spätere Handlung.

[3] Bond Johnson weist darauf hin, dass es sich nur scheinbar um eine Idylle handelt, da der materielle Reichtum auf Brutalität beruhe. Vgl. Bond Johnson, Flaubert’s Saint Julien: A Legend for Our Age, in: Ders., The Mode of Parody. An Essay at Definition and Six Studies, Frankfurt am Main u.a. 2000, S. 65-85, hier S. 71.

[4] Vgl. Flaubert, Saint Julien, S.631f.

[5] Da­mit geht eine sehr ausführliche, singulative Darstellung der Ge­scheh­nisse ein­her, zum Beispiel werden Sin­neseindrücke aus Sicht der Mutter geschildert („ Les chants du ban­quet éclatèrent plus fort. Elle en­ten­dit (…)“), bildliche Aus­drucks­weise he­ran­­gezogen („ comme une ombre mouvante “) und der Beschreibung des greisen Mannes gleich vier Zeilen ein­geräumt. Im sich anschließenden Abschnitt wird zwar wieder iterativ-gerafft erzählt, doch garantiert die Va­ri­a­tion zwischen erlebter Rede, Ge­sprächs­­be­richt und Bewusstseinsbericht eine be­son­dere Anschaulichkeit und Nä­he.

[6] Die Befragung der Die­ner durch die Mutter findet „ le lendemain “ statt, die Begegnung des Vaters mit dem ihm weis­sagen­den Bettler aber schon „ au petit jour “.

[7] Dies wird belegt durch die Dominanz an Personalpronomen zu seiner Bezeichnung so­wie durch die Dar­stel­lung seiner Gedanken als Bewusstseinsbericht, Gedan­ken­zitat und er­lebte Rede („ Per­sonne! “).

[8] Vgl. Flaubert, Saint Julien, S. 626.

[9] Vgl. Ebd., S. 631f.

[10] „La nouvelle accouchée“ bzw. „le père de Julien“ befindet sich „dans son lit“ bzw. „en de­hors de la poterne“, und zwar „un soir“ bzw. „au petit jour“. Die Lichtverhältnisse werden mit den Worten „un rayon de la lune“ bzw. „dans le brouillard“ geschildert. Ein „vieillard“ bzw. „un mendiant“ taucht auf rät­sel­hafte Weise auf, wird zu­nächst ausführlich be­schrie­ben, ehe er eine in direkter Rede wiedergegebene Prophezeiung aus­spricht und „dispa­r(ait)“ bzw. „s’evanouit“. Es folgt jeweils eine Beschreibung der Atmos­phäre und der Ein­drücke der Figuren, die in er­leb­ter Rede und Ge­dan­kenzitat über ihr Er­leb­nis nach­denken. Bei­de kommen zu dem Schluss, darüber Schweigen zu bewahren.

[11] Vgl. Johnson, A Legend, S.73f.

[12] Ebd.

[13] Vgl. Vinzenz Hamp, Meinrad Stenzel, Josef Kürzinger (Hgg.), Die Bibel, München 2007, hier S. 1218-1220. Dieser Referenztext steht in einer Similaritätsbeziehung zur vorliegenden Erzählung.

[14] Saulus ist „ ent­brannt von Wut und Mordlust gegen die Jünger des Herrn “, vgl. Ebd., S. 1219.

[15] Ebd., S.1220.

[16] Beispielsweise verfügt er selbst, nunmehr in Armut zu leben (vgl. Flaubert, Saint Julien, S. 642f.) und nennt da­rüber hinaus die Um­stän­de, die ihn den Mord begehen ließen, „ vo­lon­té de Dieu “ (Ebd., S. 643). Er selbst fer­tigt sich „ un cilice avec des pointes de fer “ (Ebd., S. 644) an. Inwiefern er für sei­ne Entscheidung, sein Leben in den Dienst seiner Mitmenschen zu stellen, verantwortlich ist, lässt sich hier nicht eindeutig entscheiden, da die For­mu­lierung „ l’idée lui vint “ (Ebd., S. 645) zu­min­dest gram­­ma­­tikalisch gesehen nahe legt, dass irgend eine an­de­re Instanz die Idee zu ihm hat kom­men las­sen, sie ihm also eingegeben hat.

[17] Jacobus de Voragine, Von Sanct Julianus, in: Ders.: Die Legenda Aurea, Gütersloh 1955, S. 131f.

[18] Die deutliche Bezugnahme zeigt sich bereits im Titel, aber auch u.a. in narrato­logi­schen Verfahren, die den Legendencharakter des Textes unterstreichen, so der re­la­tiv unbe­stimm­te, aber eindeutig spätere Zeitpunkt des Erzählens, der heterodiegetische Er­zäh­ler, das meist sin­gu­lative und chronologische Erzählen und der extra­die­getische Kom­mentar am En­de. Es handelt sich um den einzigen Referenztext der im Folgenden besprochenen, der in Kontiguitätsbeziehung zum Phänotext steht. Alle anderen Texte sind der Légende in einer Similari­täts­be­ziehung verbunden.

[19] Vgl. Hamp, Die Bibel, S. 1074 und S. 1137.

[20] Bei Maria und Zacharias ist er als En­gel Gabriel explizit benannt. Vgl. Ebd.

[21] Im Vergleich zur Prophezeiung des weisen Tiresias an die Mutter des Narziss in Ovids Meta­mor­phosen er­schei­nen sie deutlich, wenn auch nicht unbedingt eindeutig. Narziss’ Mutter wen­­det sich mit der Frage an den Weissager, ob ihr Sohn ein hohes Al­ter erreichen werde. Er ant­wortet ihr: „ Wird sich selbst er nicht schauen!“. Die Mutter ist chan­cenlos, diese Aussage rich­tig zu interpretieren. Selbst wenn man die Geschichte kennt, kann man sich fragen, ob das hei­ßen soll: ‚Ja, wenn er den Blick in den Spiegel (bzw. die sich spie­gelnde Wasser­ober­flä­che) vermeidet’? Oder: ‚Nein, denn er wird sich selbst nicht er­ken­nen (und an der unerfüll­ba­ren Liebe zu sich selbst zugrunde gehen)’? Vgl. Ovid, Metamorphosen, hg. v. Niklas Holzberg, München 1990, hier S. 88.

[22] Vgl. Hans Christian Andersen, Das Feuerzeug, in: Ders., Märchen, hg. v. Lisbeth Zwerger, Zürich u.a. 1996, S.45-54.; Jakob Ludwig Karl Grimm, Wilhelm Karl Grimm, Sterntaler. Märchen der Gebrüder Grimm, hg. v. Le­sebuch­aus­schuss der Gesell­schaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens zu Ham­burg, Braunschweig 1963; Jakob Ludwig Karl Grimm, Wilhelm Karl Grimm, Dornröschen, in: Dies., Grimms Märchen, hg. v. Arnica Esterl, Esslingen, Wien 1996, S. 31-38.

[23] Vgl. Flaubert, Saint Julien, S. 626.

[24] Vgl. Bernhard Zimmermann (Hg.), Sophokles. König Ödipus. Studienausgabe, Düsseldorf, Zürich 1999, hier S. 122-125.

[25] Laios lässt seinen Sohn aussetzen, nachdem ihm geweissagt wurde, sollte er einen Sohn zeugen, werde dieser ihn töten. Der von einem anderen Königspaar adoptierte Ödipus flieht vom Hof seiner vermeintlichen Eltern, um seinem Schicksal zu entgehen. Dabei gelangt er in das Land seiner echten Eltern, er­schlägt seinen Vater und hei­ratet die Königin, sei­ne Mutter. Im Folgen­den erwehrt er sich der Wahrheit so lange es irgendwie geht. Vgl. Ebd.

[26] Vgl. Flaubert, Saint Julien, S. 642: „ en se disant, en vou­lant croire, que cela n’était pas possible, qu’il s’était trompé, qu’il y a parfois des ressem­blances inexplicables.“

[27] Jean de La Fontaine, L’Oiseau blessé d’une flèche, in: Ders., Oeuvres complètes I. Fables Contes et Nouvelles, hg. v. Jean-Pierre Collinet, Bibliothèque de la Pléiade 10, Paris 1991, S. 77.

[28] Der Er­folg, der ihm bei sei­ner militärischen Karriere beschieden ist, be­ruht nun auf „ la faveur di­vine “ (S. 46) – aber ist es denn eine Gnade für Julien, nicht zu ster­ben? Er stirbt nicht, weil er nicht sterben soll, bevor er nicht die dritte Pro­phe­­zeiung erfüllt hat.

[29] Es ist auch möglich, im Fluch des Hirschen die eigentliche Prophezeiung über das Le­ben Ju­liens zu sehen. Die Mutter erfährt nur einen Teil davon, nämlich die Folge daraus – dass er zum Heiligen wird. Der Vater erfährt nur einen Teil davon – die Fol­ge, dass Julien auf der Flucht vor der Erfüllung dieser Prophezeiung ein erfolg­rei­cher Krie­ger sein wird. Diese Sicht­wei­se muss allerdings den möglichen Einfluß vernachlässigen, den die Eltern durch ihr Halb­wis­sen ausüben.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Verwobene Prophezeiungen. Narratologische und intertextuelle Überlegungen zur Schlüsselszene aus "Saint Julien l'Hospitalier" von Gustave Flaubert
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Romanische Philologie)
Veranstaltung
Französische Literaturwissenschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
12
Katalognummer
V316764
ISBN (eBook)
9783668156203
ISBN (Buch)
9783668156210
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gustave Flaubert, Saint Julien l'Hospitalier, Prophezeiung
Arbeit zitieren
Sophie Friedl (Autor:in), 2009, Verwobene Prophezeiungen. Narratologische und intertextuelle Überlegungen zur Schlüsselszene aus "Saint Julien l'Hospitalier" von Gustave Flaubert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316764

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