Das "Ameisenbüchlein" von Christian Gotthilf Salzmann und der 11-Punkte-Plan zur Erziehung der Erzieher


Zusammenfassung, 2015

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung: Das Leben Salzmanns und seine pädagogischen Schriften

II. Hauptteil
1. Das Symbolum und grundlegende Fehler der Erzieher
1.1. Das Symbolum - Salzmanns elementare Leitformel
1.2. Grundlegende Fehler in der Erziehung
1.2.1. Veränderungen am eigenen Zustand
1.2.2. Ermahnungen
1.2.3. Unverständnis für die Natur des Zöglings
1.3. Zwischenfazit
2. Plan zur Erziehung der Erzieher
2.1. Gesundheit
2.2. Heiterkeit
2.3. Umgang und Beschäftigung mit Kindern
2.4. Kennenlernen der Umwelt
2.5. Kontakt zu gesunden Kindern
2.6. Vorbildhaltung

III. Schluss: Salzmanns Pädagogik in der Gegenwart

Literaturverzeichnis

Christian Gotthilf Salzmanns Ameisenbüchlein

zur Erziehung der Erzieher

I. Einleitung: Das Leben Salzmanns und seine pädagogischen Schriften

Christian Gotthilf Salzmann wurde am 1. Juni 1744 als Sohn eines Diakons in Sömmerda in der Nähe von Erfurt geboren. Durch den Beruf seines Vaters, der später zum Pfarrer der Stadt befördert wurde, hatte Salzmann von Anfang an Kontakt zur evangelisch-lutherischen Konfession.

Nach seinem Schulabschluss fing er an der Universität Jena ein Theologiestudium an. Statt eines ausschweifenden Studentenlebens widmete er sich lieber dem Lernen und der Beobachtung der Natur, was die Grundlage für seine spätere Erziehungsanstalt in Schnepfenthal bildete.

Nach bestandenem Examen trat Salzmann seine erste Stelle als Pfarrer in Rohrborn an, wo er seine zukünftige Frau Sophie Schnell kennenlernte, mit der er später 15 Kinder hatte. Nach vier Jahren Amtszeit zog er mit seiner Familie aufgrund von finanziellen Problemen nach Erfurt, da Salzmann dort einen besseren Posten in der Kirchengemeinde gefunden hatte. Die dortige schwierige soziale Lage der Einwohner hob sich von der gewohnten ländlichen Idylle ab, was Salzmann erstmals bewog, seine Gedanken dazu in seinem Roman „Carl von Carlsberg oder über das menschliche Elend“ zu veröffentlichen.

Mit seinem nachfolgenden Werk „Über die wirksamsten Mittel, Kindern Religion beizubringen“ brachte er orthodoxe Kirchengelehrte gegen sich auf, welche seine Reform strikt ablehnten. Wegen diesem Konflikt und weil er durch seine Schriften auch außerhalb von Erfurt bekannt geworden war, sagte er der von Basedow angebotenen Arbeitsstelle als Religionslehrer am Philantropin in Dessau zu.

Nach einer Meinungsverschiedenheit mit Basedow, ausgelöst durch eine vorgeschlagene Änderung des Philantropin von Seiten Salzmanns, verließ dieser das Institut und beschäftigte sich mit seinem Plan, selbst eine Erziehungsanstalt nach eigenen Vorstellungen zu gründen. Nach Erwerb des Gut Schnepfenthals baute er dort eine Einrichtung auf, welche den Schwerpunkt auf „naturverbundene körperliche Erziehung und Entwicklung“ (Dräger, 2007, S. 20) legte, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1811 leitete. Als einzige philantrophische Schule existiert sie noch heute als ein Gymnasium mit sprachlichem Schwerpunkt.

Durch ihren Erfolg wurden Salzmanns Schriften mehrmals neu aufgelegt sowie in zahlreiche Sprachen übersetzt. Neben seinen bereits genannten Veröffentlichungen brachte er zudem das Krebsbüchlein und das Ameisenbüchlein heraus. Letzteres schaffte bisher über 50 Auflagen und wird auch heute noch sowohl in Einzelausgaben als auch in Sammelbänden pädagogischer Klassiker publiziert (Dräger, 2007, S.11-32).

Daraus ergibt sich nun die Frage, ob seine Thesen des „Ameisenbüchleins“ immer noch anwendbar sind und welche Kritikpunkte es darin gibt. Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst der Leitspruch Salzmanns und seine Vorstellung über die Erziehung des Erziehers näher betrachtet, um abschließend auf einzelne Aspekte des Plans zur Erziehung der Erzieher einzugehen.

II. Hauptteil

1. Das Symbolum und grundlegende Fehler der Erzieher

1.1. Das Symbolum - Salzmanns elementare Leitformel

Gleich nach dem Vorbericht des „Ameisenbüchleins“ führt Salzmann seine Leitformel für seine Art der Erziehung ein, die wie folgt lautet:

„Von allen Fehlern und Untugenden seiner Zöglinge muß der Erzieher den Grund in sich selbst suchen.“ (Dräger, 2007, S. 14)

Dies bedeutet, dass jeder Fehler, den ein Kind macht, von seinen Erziehern (Eltern, Lehrer, Betreuer, etc.) herrührt und es deren Aufgabe ist, bei sich selbst herauszufinden, warum dies so ist. Salzmann dementiert anschließend gleich, dass die Erzieher immer die Verantwortung für inkorrektes Verhalten haben, sondern lediglich lernen sollen, Fehler in sich zu suchen, um „ein guter Erzieher zu werden“ (Dräger, 2007, S. 15).

Die Schuld für Fehlbetragen nicht den Kindern selbst zu zuschieben, sondern sein eigenes Tun und Handeln als Erzieher zu reflektieren, war ein völlig neuer Ansatz in der Pädagogik des 18. Jahrhunderts.

Im Laufe dieses Kapitels weißt Salzmann auf drei Fehler, die Erzieher machen, hin, auf die nun einzeln näher eingegangen wird.

1.2. Grundlegende Fehler in der Erziehung

1.2.1. Veränderungen am eigenen Zustand

Zentral ist hier die Erfassung von Veränderungen, die den Erzieher betreffen. Das schließt sowohl physische, „Unverdaulichkeit“ und „durch Erkältung den Schnupfen“ (Dräger, 2007, S. 16), als auch psychische Aspekte („Seele verstimmt“ (Dräger, 2007, S. 16)) ein, wobei keine hierarchische Ordnung erfolgt. Es sind Veränderungen, die auf das Handeln des Erziehers Einfluss nehmen und somit auch auf die Zöglinge einwirken.

Das ist richtig, da Kinder feine Antennen für den Gemütszustand von Erwachsenen haben, sich nicht unbedingt positiv zu diesem verhalten und dies möglicherweise sogar ausnutzen. Fraglich ist jedoch, ob sich jede Abwandlung der normalen Leistungsfähigkeit auf die Erziehenden auswirkt und auch bemerkt wird. Man sollte hier von kleineren, kurz andauernden und größeren, lang andauernden Beschwerden und Problemen differenzieren. Ersteres wären beispielsweise Kopfschmerzen, durch die ein Lehrer gegenüber seinen Schülern etwas reizbarer als sonst erscheint, die aber den normalen Unterrichtsablauf nur gering beeinträchtigen und am kommenden Tag wieder verschwunden sind. Dagegen liegt bei Letzterem zum Beispiel ein länger währender Konflikt wie etwa psychische Probleme oder die Trennung des Partners zu Grunde. Dies ist der Kategorie zugeordnet, wozu sich Salzmann folgendermaßen äußert: „Deine Seele ist trüb, dein Blick finster und zurückstoßend, deine Erinnerungen sind herb, jeder jugendliche Mutwille reizt dich zum Zorn.“ (Dräger, 2007, S. 17). Hier ist die Problematik dauerhaft vorhanden und für die Zöglinge erkennbar, wodurch der Erzieher zum Beispiel im Sinne von Gruppendynamiken, die den Unterricht stören, angreifbar ist.

1.2.2. Ermahnungen

Salzmann merkt an, dass „der Ton, aus dem man mit jungen Leuten spricht, (...) von großer Wichtigkeit [ist]“ (Dräger, 2007, S. 18). Er fordert eine angemessene, aber strenge Sprache sowie eine dem Inhalt angepasste Mimik und Gestik (Dräger, 2007, S.19). Das ist bestimmt für die bereits genannten kurzweiligen Angelegenheiten passend, aber bei fortdauernden Problemen wäre sicherlich ein offener Umgang in Form eines Gespräch mit den Erziehenden in Kombination mit der von Salzmann dargelegten Empfehlung erfolgversprechender, da Kinder durchaus in der Lage sind, sich in andere Personen hineinzuversetzen und sich dann zu Gunsten ihrer Betreuer verhalten.

Man stößt an dieser Stelle zudem auf die Forderung Salzmanns, auf mehr Individualität in der Erziehung zu setzen. So schreibt er (Dräger, 2007, S. 28) von „eigenen Charakter und (...) eigenen Talente[n]“ und steht für eine individuell zugeschnittene Behandlung jedes einzelnen Kindes ein. Charakterisiert wird dies mit einem Beispiel über öffentliches Kritisieren von falschen Verhaltensweisen (welches Salzmann grundsätzlich ablehnt) bei einem ehrgeizigen Jungen, der mit Rückzug und Trotz reagiert und einem Knaben, dem es an Selbstbewusstsein mangelt, welcher als Reaktion Weinen und Furcht vor weiteren Fehlverhalten zeigt. Wie man aber richtig vorgehen sollte, zeigt Salzmann nicht auf. Eine mögliche richtige Handlung könnte bei dem zweiten Jungen etwa sein, sich als Erzieher einen ruhigen Moment zu suchen, in dem man das falsche Verhalten anspricht und mit Vorsicht sowie Geduld ihm das Fehlverhalten darlegt.

1.2.3. Unverständnis für die Natur des Zöglings

Als letztes bringt Salzmann den Punkt an, „der Erzieher macht sich (…) auch der Fehler und Untugenden seiner Zöglinge schuldig, daß er ihnen dieselben andichtet.“ (Dräger, 2007, S. 22). Damit ist gemeint, dass Kinder Dinge vorrangig nicht aus bösen Willen oder Absicht machen, ihnen dies aber von ihren Erziehern unterstellt wird. Das vorherige Menschenbild, Kindern wären kleine Erwachsene, findet Ablösung, da Salzmann davon ausgeht, Kinder hätten ihre eigene Natur, welche die Grundlage für ihr Verhalten ist (Dräger, 2007, S. 23). Aus diesem Grund hat es keinen Sinn, Kinder für ihr Verhalten zu bestrafen, sondern ihren natürlichen Trieben nachgehen zu lassen wie es etwa im Gespräch zwischen Herrn Corydon und dessen Freund Mentor ersichtlich ist. Darin regt sich Herr Corydon auf, seine Zöglinge würden draußen „Hüpfen, Springen und Laufen“ (Dräger, 2007, S.23) anstatt im normalen Tempo zu gehen. Mentor versucht seinen Freund zu beschwichtigen, indem er ein diszipliniertes Verhalten der Kinder in dieser Situation als „nicht natürlich“ (Dräger, 2007, S. 24) bezeichnet. In diesem Fall ist das korrekt, denn Kinder brauchen auch Freiräume, um sich auszutoben und Kind zu sein. Jedoch gibt es Situationen, in denen Zöglinge für einen gewissen Zeitraum gegen ihre Natur leben müssen. Das ist zum Beispiel in der Schule der Fall, weil dort ca. 30 Kinder in einer Klasse sitzen und der Lehrer sich nicht auf jedes Kind einzeln konzentrieren kann, sondern nur kollektiv auf die Klasse eingeht. In dieser Situation ist es unerlässlich, dass die Kinder ruhig sind und nur reden, wenn der Lehrer es ihnen erlaubt. Sofern die bereits erwähnten Freiräume - in der Schule wären das die Pausen - ermöglicht werden, stellt dies kein Problem dar.

1.3. Zwischenfazit

Insgesamt berücksichtigt Salzmann den Einfluss zwischen Gleichaltrigen, der sogenannten Peer-Group, nur oberflächlich. Lediglich am Beispiel des Herrn Corydon (Dräger, 2007, S. 24 ff.), der, getroffen von einem Schneeball durch seine Schützlinge, entzürnt war, wird gezeigt, dass Kinder untereinander zusammenhalten. Die Beeinflussung ist aber immer gegeben und besonders in einer Erziehungsanstalt zu finden, da die Bewohner den kompletten Alltag gemeinsam erleben und zusammen wohnen. Salzmann gibt zwar kein konkretes Alter an, in dem sich seine Zöglinge befinden, jedoch sind diese ungefähr im schulpflichtigen Alter, weil sie bereits Unterricht erteilt bekommen, also ab sechs Jahren. Im frühen Schulalter ist der Einfluss der Gleichaltrigen nicht so groß, es werden die Erzieher als Vorbild gesehen, was sich dann aber mit Beginn der Adoleszenz ändert. Bezogen auf das Symbolum kann man in dieser Entwicklungsstufe nicht mehr ganz davon ausgehen, dass die Erzieher schuld am fehlerhaften Handeln ihrer Schutzbefohlenen sind und daher auch die Verantwortungssuche bei sich selbst nicht mehr zielführend ist. Heranwachsende orientieren sich an den Altersgenossen, verbringen viel Zeit mit ihnen und machen durch Gruppendruck bei Aktivitäten mit, die sie möglicherweise nicht wollen oder schädlich sind. Erzieher sind diesem Verhalten zwar nicht bedingungslos ausgeliefert, aber es ist in dieser Alterspanne schwieriger, Gehör zu finden, weswegen der Erzieher seine Verantwortung nicht abgibt, aber der Einfluss geringer wird und er in einem nicht mehr so großen Ausmaß „den Fehler bei sich selbst suchen muss“ (Dräger, 2007, S. 14).

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das "Ameisenbüchlein" von Christian Gotthilf Salzmann und der 11-Punkte-Plan zur Erziehung der Erzieher
Autor
Jahr
2015
Seiten
13
Katalognummer
V316726
ISBN (eBook)
9783668161672
ISBN (Buch)
9783668161689
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pädagogik, Geschichte, Analyse
Arbeit zitieren
Julia Drafz (Autor:in), 2015, Das "Ameisenbüchlein" von Christian Gotthilf Salzmann und der 11-Punkte-Plan zur Erziehung der Erzieher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316726

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