Adhärenz vs. Compliance aus der Perspektive der Sozialen Arbeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsdefinitionen
2.1 Compliance
2.2 Adhärenz

3. Compliance und Adhärenz aus Perspektive der Sozialen Arbeit
3.1 Kurzabriss Lebensweltorientierte Soziale Arbeit
3.2 Partizipation als sozialarbeiterische Schwester von Adhärenz
3.3 Empowerment als konsequente Weiterentwicklung von Partizipation und Adhärenz

4. Compliance versus Adhärenz anhand des Fallbeispiels von Herrn D.

5. Zusammenfassung / Fazit

Quellenangabe

1. Einleitung

Compliance und Adhärenz sind zentrale Begriffe in der Medizin. Bei beiden Modellen geht es um die Therapiemotivation des Patienten jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Während Compliance auf die „Befolgung“ eines ärztlich verordneten Therapieplans abzielt, beschreibt Adhärenz die Motivation hinsichtlich des gemeinsam von Patienten und Arzt entwickelten Therapiekonzeptes. Der Wandel vom Modell der Compliance zu Adhärenz in der Arzt-Patienten-Beziehung in der Medizin ist noch nicht abgeschlossen. Das Gedankenkonstrukt von Compliance findet sich weiterhin in vielen Fachpublikationen, auch in denen, die sich mit dem Begriff der Adhärenz schmücken ohne vom 'alten' monokausalen Denken Abschied zu nehmen. Diese Hausarbeit bemüht sich um eine klare Trennung der Begriffe.

Die zentrale Fragestellung dieser Hausarbeit zielt dabei auf die Unterscheidung zwischen den beiden Modellen von Compliance und Adhärenz und ob eine Übertragung dieser Modelle in die Soziale Arbeit möglich und sinnvoll ist. Gibt es eventuell parallele Entwicklungen in der Sozialen Arbeit zum Wandel in der Medizin? Außerdem stellt sich die Frage nach der Fallrelevanz dieser Gedankenkonstrukte. Gibt es also einen praktischen Wert für die Soziale Arbeit, wenn man die Begriffe der Medizin und der Sozialen Arbeit zusammenführt und deren Bedeutung für die eigene Haltung zur Selbstreflexion des sozialarbeiterischen Handelns nutzt? Zur Klärung dieser Fragestellungen ist es zunächst notwendig, eine klare Begriffsdefinition zu entwickeln. Anschließend kann auf dieser Grundlage die Übertragung auf die Soziale Arbeit erfolgen. Die Begriffe aus der Medizin werden so aus der sozialarbeiterischen Perspektive betrachtet und reflektiert. Danach können Parallelen zu Konzepten aus der Sozialen Arbeit gezogen werden und diese Konzepte mit dem medizinischen Modellen hinsichtlich Gemeinsamkeiten und Unterschiede verglichen werden. Die Praxisrelevanz wird durch eine Falldiskussion dargestellt, in der die bis dahin vorgestellten Modelle und Konzepte genutzt werden. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung und das Fazit.

Zur besseren Lesbarkeit wird ausschließlich die männliche Form von Begrifflichkeiten genutzt. Die symbolhafte Bezeichnung des Arztes als Protagonisten in der Medizin umfasst selbstverständlich ebenso Therapeuten, medizinisches Personal, etc. Selbiges gibt für Klienten als Begriff für jegliche Adressaten in der Sozialen Arbeit. Die Passgenauigkeit des Begriffs wird in dieser Hausarbeit nicht diskutiert.

Der Begriff der Therapie meint ebenso alle medizinischen (also physiologischen und psychologischen) Maßnahmen und wird der besseren Lesbarkeit halber als Sammelbegriff genutzt. Die Unterscheidung zwischen den Begriffen Krankheit und Störung inklusive deren Bedeutung für die Haltung von Fachkräften wird in dieser Hausarbeit ebenso nicht diskutiert.

An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die medizinischen Modelle und sozialarbeiterischen Konzepte lediglich in ihren Kerngedanken dargestellt werden. Auf eine nähere Beschreibung und eine tiefgehende Herleitung der theoretischen Hintergründe wird verzichtet, um dem Umfang der Hausarbeit Rechnung zu tragen.

2. Begriffsdefinitionen

„Ein Austausch von Begrifflichkeiten, der sich darin erschöpft, eine neue Sichtweise zu betonen, ist nicht hinreichend für eine Lösung der Problematik einer mangelnden Therapiebeteiligung des Patienten in der modernen Gesundheitsversorgung“ (Petermann, 1998, S. 10). Das Zitat zeigt, dass der Unterscheidung der Begriffe Compliance und Adhärenz teilweise lediglich 'Symbolcharakter' zugeschrieben wird oder gar synonym verwendet werden. Um die Unterscheidung beider Begriffe zu verdeutlichen und damit ihre Bedeutung darzustellen und sie aus der Perspektive der Sozialen Arbeit betrachten zu können, werden die Kerngedanken beider Modelle vergleichend dargestellt. Beide Begriffe entstammen der Medizin und beziehen sich auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient hinsichtlich einer Therapie.

2.1 Compliance

Der Begriff der Compliance stammt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich übersetzt „Zustimmung“, „Übereinstimmung“, „Befolgung“ oder „Einhaltung“. Im medizinischen Sinne beschreibt Compliance die Therapiemotivation eines Patienten. Die Therapie stützt sich auf die Empfehlungen des medizinischen Expertenwissens. Compliance beschreibt somit den Grad der Befolgung von ärztlichen Verordnungen, beispielsweise hinsichtlich der Einnahme eines bestimmten Medikaments oder eines veränderten Lebensstils.

Kernelement des Modells von Compliance ist jedoch weiterhin ein hierarchisches Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Der Arzt hat hierbei die Rolle des Experten, der weiß, welche Therapie angezeigt ist und welches Patientenverhalten adäquat wäre. Der Patient dagegen soll eine hohe Therapiemotivation entwickeln und den Empfehlungen des Arztes Folge leisten. Der Patient hat somit die gesamte Verantwortung für das Gelingen einer Therapie. Bei der so genannten 'Non-Compliance' gefährdet der Patient den Erfolg der Therapie und damit seine Gesundheit. Um dies zu verdeutlichen, werden im Folgenden die klassischen Kriterien von Compliance dargestellt:

- „Beginn einer Therapie und konsequente Teilnahme im Verlauf,
- Einhaltung von Behandlungs- und Nachsorgeterminen,
- korrekte Medikamenteneinnahme,
- aktive Lebensstiländerung (z.B. Diät, mehr Bewegung, Streßabbau),
- Übernahme und Realisierung von behandlungsbezogenen Hausaufgaben (z.B. Führen eines Tagebuches) und
- Abbau von Gesundheitsrisiken (z.B. Rauchen, Alkohol- und Drogenmiß­brauch)“ (Meichenbaum und Turk in Petermann, 1998, S. 12).

Diese Auflistung betont den Hierarchiecharakter des Compliance-Modells und spart individuelle Aspekte sowie alternative Therapiemöglichkeiten zur schulmedizinischen Perspektive sowie die gemeinsame Entwicklung von Therapiekonzepten mit den Patienten aus. In der Compliance-Forschung geht es in erster Linie um die Entwicklung von Parametern und Kriterien von Compliance bzw. Non-Compliance sowie um eine adäquate Kommunikation zwischen Arzt und Patienten, um eine hohe Therapiemotivation zu erreichen (Vgl. Petermann, 1998, S.12ff). Dabei wird beispielsweise von 'Determinanten' von Compliance gesprochen. Auch dieser Begriff betont eine Allgemeingültigkeit von Störung, Folgsamkeit des Patienten und Therapieerfolg als monokausalen Zusammenhang.

Mittlerweile wird nicht mehr davon ausgegangen, dass es sich bei den Therapieempfehlungen um unstrittige 'Fakten' handelt und dass eine kontinuierliche Therapiemotivation des Patienten durch Beteiligung am Prozess der Entwicklung einer geeigneten Therapie erreicht werden kann (vgl. Petermann, 1998, S.9). Im Verlauf der Modifikation des Begriffs von Compliance wurde auch von Medizinern wiederkehrend auf diese eindimensionale Perspektive hingewiesen.

Der tradierte Begriff wird einem „überkommenen System des hierarchisch gegliederten, paternalistischen Arzt-Patienten-Verhältnisses“ (Berger in Petermann, 1998, S.161) zugeordnet. Hierbei wird für eine individualisiertere Therapie geworben. Trotz dieser Modifikation bezieht sich die Messung des Grads an Compliance als Therapiemotivation des Patienten weiterhin auf die Befolgung von ärztlichen Empfehlungen, womit der grundsätzliche hierarchische Charakter des Modells bestehen bleibt. Gründe für Non-Compliance werden weiterhin in der mangelnden Kommunikationsfähigkeit des Arztes gesehen. Eine aktive Beteiligung des Patienten ist dabei weiterhin nicht vorgesehen (Vgl. Hasford u.a. in Petermann, 1998, S.22ff).

Der Psychologe Thomas Bock begreift „Non-Compliance als Chance“ (Bock, 2006, S.3) und stellt sich gegen die im Compliance-Modell verborgene Monokausalität von Krankheit, Therapie und Behandlungserfolg:

„Wir müssen mit Ungewissheiten leben. […] Wir müssen dem Sog der Vereinfachung widerstehen, müssen von medizinischen Konzepten abstrahieren, uns angreifbar machen und Beziehung riskieren, ohne reine Wahrheit auskommen und ohne letztes Wort, unsere Angebote aushandeln und dem Eigensinn mehr Raum geben“ (Bock, 2006, S.9.).

2.2 Adhärenz

Adhärenz wird wörtlich mit „Einhaltung“, „Festhaltung“ und „Wahrung“ übersetzt. Im medizinischen Sinne beschreibt er die Einhaltung der gemeinsam von Patienten und Arzt gesteckten Therapieziele mit einem gemeinsam entwickelten Therapieplan. Kernelemente von Adhärenz sind demnach eine umfassende Information des Patienten über die aufgestellte Diagnose sowie die Therapiemöglichkeiten inklusive entsprechender Alternativen, ein gemeinsam von Arzt und Patient entwickeltes Therapiekonzept und die Fokussierung der Arzt-Patienten-Beziehung.

Der Begriff beschreibt das Ausmaß, in dem das Verhalten des Patienten den akzeptierten Empfehlungen von Ärzten entspricht. „Das Abgrenzungsmerkmal zur Compliance besteht also in der Akzeptanz der Empfehlungen des Arztes“ (Hoefert, Klotter, 2011, S.192, Herv.i.O.) - im Sinne des so genannten 'informierten Patienten'. Der Patient muss demnach am Prozess der Diagnosefindung anhand subjektiv empfundener und messbarer Symptome sowie der Entwicklung eines Therapieplans inklusive Behandlungsalternativen beteiligt werden.

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Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Adhärenz vs. Compliance aus der Perspektive der Sozialen Arbeit
Hochschule
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
18
Katalognummer
V316631
ISBN (eBook)
9783668161481
ISBN (Buch)
9783668161498
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
adhärenz, compliance, perspektive, sozialen, arbeit
Arbeit zitieren
Tom Roehl (Autor:in), 2015, Adhärenz vs. Compliance aus der Perspektive der Sozialen Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316631

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