Der Ostseerat im Kontext des Ostseeraumes. Entstehung, Handlungsfelder und Relevanz des Bündnisses


Hausarbeit, 2015

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen

3. Die Europäische Union
3.1 Geschichte der Europäischen Union
3.2 Die Grundstruktur der Europäischen Union
3.3 Politik- und Handlungsfelder der Europäischen Union

4. Der Ostseerat als regionalspezifischer Akteur in der Ostseeregion
4.1 Geschichte und Struktur des Ostseerates
4.2 Handlungsfelder und Ziele des Ostseerates
4.3 Der Ostseerat als Gremium zur Bearbeitung „weicher Sicherheitsprobleme“

5. Bündnisse im Ostseeraum
5.1 Überblick
5.2 Akteursbezogene Verflechtung

6. Die Zukunftsfähigkeit des Ostseerates

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Der Ostseeraum stellt politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich eine der dynamischsten Regionen Europas dar.“[1]

Mit den Entwicklungen im Ostseeraum in den 1990er Jahren eröffnete sich für die Politikwissenschaft ein vielfältiges Handlungs- und Beobachtungsfeld. Die etablierten Demokratien des Nordens sowie die EU – Mitgliedsstaaten Dänemark und Deutschland trafen auf westlich orientierte Transformationsstaaten sowie dem hin- und hergerissenen Russland. Hierbei erschien der Ostseeraum als Experimentierfeld europäischer Integration. Nach der Aufnahme von Schweden und Finnland 1995 sowie der baltischen Länder und Polen 2004 in die Europäische Union (EU) entwickelte sich die Ostsee fast zu einem Binnenmeer der EU.[2] Nach der großen Osterweiterung 2004 verbleibt Russland als einziger Ostseeanrainer, der nicht der EU zugehörig ist.[3]

Dies stellt besondere Herausforderungen an das Bündnis, weil Russland hier mit der großen Ostseestadt St. Petersburg, die auch als Russlands Fenster nach Westen bezeichnet wird, und der Exklave Kaliningrad an seinen Grenzen mit dem Westen Europas verflochten ist.[4]

Seit dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs entstanden im Ostseeraum eine Reihe von Kooperationen, die verschiedene Charakteristiken aufweisen.

Ein Bündnis, indem auch Russland ein Teil der Gemeinschaft ist, ist der Ostseerat. Im Wesentlichen koordiniert der Rat seit 1992 die Bemühungen der Regierungen, die Zusammenarbeit im Ostseeraum voranzubringen. Mit der Heranführung von Staaten an die die EU hat der Ostseerat zur EU – Osterweiterung 2004 beigesteuert und damit zur Stabilisierung der Region beigetragen. In der Folge verlor der Rat jedoch an politischer Relevanz.[5]

In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden: Warum besteht der Ostseerat nach der EU-Osterweiterung 2004 noch? Um diese Frage zu beantworten ist diese Hausarbeit in folgende Kapitel unterteilt: Zunächst werden solche Begriffe definiert, die für die nachfolgenden Ausführungen relevant sind. Im folgenden Kapitel rückt die Europäische Union in den Fokus. Hier werden Grundzüge der Geschichte, die grundlegende Struktur sowie verschiedene Politik- und Handlungsfelder näher betrachtet. Um die Relevanz des Ostseerates gegenüber der Europäischen Union zu verdeutlichen, wird im Anschluss ein umfassenderer Überblick über dieses Bündnis gegeben. Dabei werden geschichtliche, strukturelle sowie handlungs- und sicherheitspolitische Aspekte thematisiert. Der darauffolgende Gliederungspunkt gibt eine Übersicht über verschiedene Bündnisse im Ostseeraum, um anschließend die Verflechtung des Ostseerates mit anderen Organisationen detailliert darzustellen. Dabei werden zunächst Bündnisse betrachtet, die sich im Wesentlichen unabhängig von der Europäischen Union entwickelt haben, bevor anschließend die „Nordische Dimension“ der Europäischen Union und die EU-Ostseestrategie in den Mittelpunkt rücken.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema erfolgt mittels Monografien, Sammelwerken, Zeitschriften und Internetquellen. Für das zweite Kapitel „Begriffsbestimmungen“ ist besonders das Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung von Schmitt-Egner relevant. Um die Europäische Union mit ihren verschiedenen Facetten näher zu betrachten, rücken die Monografie von Weidenfeld und Wessels (2014) sowie verschiedene Zeitschriften und Onlinedokumente in den Mittelpunkt. Für die Darstellung des Ostseerates und dessen Verflechtung in anderen Organisationen werden in dieser Arbeit eine Reihe von Quellen herangezogen. Zu nennen sind z.B. die Autoren Gänzle und Hubel (2002), Ezold (2012) sowie Schwarz (2011).

2. Begriffsbestimmungen

Schmitt-Egner definiert Region „als eine räumliche Teileinheit mittlerer Größenordnung und intermediären Charakters, deren materielles Substrat das Territorium bildet.“[6]

Zunächst wird bei dieser Definition ein Raumbezug deutlich, welcher aber nicht ausreicht um eine interdisziplinäre Brücke zu schließen. Da eine Region nicht einfach als geografisches Phänomen betrachtet werden kann, benötigt sie noch andere Bezugspunkte, um auch für die Kultur- und Sozialwissenschaften operationalisierbar zu werden. Diese Brücke wird über den intermediären Charakter als Funktionsbezug und dem Territorium als Sachbezug-/ Objektbezug geschlagen. Mit dem funktionalen Charakter wird deutlich, dass eine Region nicht nur ein passiv agierendes Gebilde darstellt, sondern ein Handlungsbezug zu berücksichtigen ist. Das Territorium, als Vollender des Brückenbaus, erschöpft sich nicht in seinem erdräumlichen Bezug, sondern ist Produkt politischer und sozialer Interaktionen. [7]

Der Begriff Region wird bei Schmitt-Egner als System aufgefasst, welches sich durch eine Systemumwelt, regionale Strukturen, regionale Akteure und bestimmte Zielsetzungen („regionale Programme“) auszeichnet.[8]

Internationale Region: Dieser Typus bezieht sich auf einen internationalen Handlungsraum von Nationalstaaten und ist durch intergouvernementale Interaktion gekennzeichnet.

Transnationale Region: Dieser Regionaltypus umfasst einen grenzübergreifenden Handlungsraum subnationaler Handlungseinheiten aus mindestens zwei Nationen.[9]

Supranational: Als supranational werden z.B. Organisationen bezeichnet, die in Bezug auf einzelne Mitglieder übergeordnet fungieren und deren Entscheidungen und Regelungen verbindlich sind. So trifft beispielsweise die Europäische Union bestimmte Entscheidungen, die für alle EU- Staaten und die gesamte EU-Bevölkerung bindend sind.[10]

Intergouvernemental: Bezeichnet die Zusammenarbeit zwischen Regierungen. Es muss ein Konsens aller teilnehmenden Länder hergestellt werden.[11]

Bei der Ostseeregion handelt es sich um eine internationale Region, da hier Staaten kooperieren (z.B. Ostseerat). Gleichzeitig ist diese Region aber auch eine transnationale Region, da hier subnationale Einheiten bzw. Akteure grenzübergreifend verbunden sind (z.B. Küstenregionen der Ostsee). Bezüglich Europa, als internationale Region, handelt es sich wiederum um eine subeuropäische Makroregion, in der die Europäische Union als supranationale Organisation mit Organisationsstruktur, kollektiven Akteuren und Programmen agiert.[12]

3. Die Europäische Union

3.1 Geschichte der Europäischen Union

Gemeinsame historische Erfahrungen und interessenorientierte Politik waren von Beginn an die Eckpfeiler der europäischen Integration. Insbesondere nach dem 2. Weltkrieg sahen sich die europäischen Staaten in einer geschichtlichen Sondersituation, gekennzeichnet durch den eigenen Niedergang und der Frontstellung der Sowjetunion. Aus dieser Ausgangslage heraus starteten die Europäer das Experiment der Integration, wobei sie besonders diese fünf Motive leiteten:

- Nach vielen nationalen Verwicklungen sollte eine neue Gemeinschaftserfahrung erlebt werden. Dabei sollte Europa als Alternative zur nationalistischen Herrschaft verstanden werden.
- Die einzelnen Nationalstaaten konnten den 2. Weltkrieg nicht verhindern und sehnten sich nach Schutz und Sicherheit. Ein geeintes Europa konnte auch in Hinblick auf die drohende kommunistische Expansion erfolgreicher agieren.
- Über viele Jahre hinweg waren Menschen nationalen Beschränkungen unterlegen. Es gab den Wunsch nach Freiheit und Mobilität.
- Ein vereintes Europa sollte die Menschen zu wirtschaftlichen Wohlstand und wirtschaftlicher Stabilität führen.
- Die Weltmächte USA und UdSSR waren als internationale Machtgrößen den kleinen europäischen Nationalstaaten weit überlegen.

Von Anfang an waren gemeinsame Verträge die Grundlage des Kooperierens. Am 18.4.1951 unterzeichneten die Staaten Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande den Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Damit sollte insbesondere die Kontrolle des kriegswichtigen Industriezweigs ermöglicht werden.[13] Verschiedene Integrationswerke haben auch in den darauffolgenden Jahrzehnten weiter an Bedeutung gewonnen.[14] Dänemark wurde 1973 Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft. Als weitere direkte Ostseeanrainer schlossen sich 1995 Finnland und Schweden dem gemeinsamen Bündnis an, bevor 2004 Polen, Litauen, Estland, und Lettland folgten.[15]

3.2 Die Grundstruktur der Europäischen Union

Über einen langen Zeitraum wurde die wissenschaftliche Debatte hinsichtlich der Völkerrechtspersönlichkeit der Europäischen Union geführt. Grundlage der Diskussion waren die vieldeutigen Bestimmungen des EU-Vertrags. Die Klärung der Frage nach der Völkerrechtspersönlichkeit der EU ergibt sich aus der Vertragsabschlusspraxis, die völkerrechtlich die Rechtssubjektivität der Union legitimiert. Bislang schloss die Europäische Union eine Reihe von Verträgen mit Drittstaaten ab. Hierbei trat die Union als eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten auf, ohne dass die Vertragspartner irgendwelche Einwände erhoben. Dementsprechend besitzt die Europäische Union eine eigene Völkerrechtspersönlichkeit.[16] „Als Rechtspersönlichkeit haftet die EU für die von ihr eingegangenen Verpflichtungen oder verursachten Schäden.“[17] Ein rechtlich geltender völkerrechtlicher Vertrag bedarf der Zustimmung aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Der Ratifizierung liegen die jeweiligen nationalen Verfassungen der Mitgliedsstaaten zugrunde. In der Bundesrepublik Deutschland heißt das, dass der Bundestag und der Bundesrat mit einer 2/3 Mehrheit zustimmen müssen.[18]

In Hinblick auf die Struktur des EU-Systems ist festzustellen, dass vier Organe die Angelegenheiten der Union regeln. Dies sind der Ministerrat, die Kommission, das Parlament und der europäische Gerichtshof.[19] Die institutionelle Grundstruktur der Europäischen Union ging mit einer komplizierten Verflechtung der einzelnen Organe untereinander und unklar abgegrenzten Aufgabenfeldern und Kompetenzbereichen einher.[20]

[...]


[1] Heimsoeth, Hans-Jürgen (2002): Die deutsche Ostseepräsidentschaft, in: Jahn, Detlef/Werz, Nikolaus (Hrsg.), Politische Systeme und Beziehungen im Ostseeraum. München: Olzog. S. 282.

[2] vgl.: Ewert, Stefan (2012): Region Building im Ostseeraum. Zur Rolle der Hochschulen im Prozess der Regionalisierung im Nordosten der Europäischen Union. Wiesbaden: Springer VS. S. 29-30.

[3] vgl.: Werz, Nikolaus et al. (2005): Kooperation im Ostseeraum. Eine Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen und politischen Kooperation unter besonderer Berücksichtigung der neuen Bundesländer. Rostock: Rostocker Informationen zu Politik und Verwaltung Heft 24. S. iv.

[4] vgl.: Heimsoeth, Hans-Jürgen (2002): Die deutsche Ostseepräsidentschaft. S. 287-288.

[5] vgl.: Etzold, Tobias (2012): Deutsche Ostseepolitik im Zeichen der Schuldenkrise. Deutschland kann von einer engen Zusammenarbeit in der Ostseeregion profitieren. S. 1. Stiftung für Wissenschaft und Politik. Online unter: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2012A47_etz.pdf [Zugriff: 18.07.15]. ; Germanas, Nerris (2011): The Council of the Baltic Sea States (CBSS) and Other Forms of Cooperation in the Baltic Sea Region, in: Stratenschulte, Eckart D. (Hrsg.), Das europäische Meer: Die Ostsee als Handlungsraum. Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag. S. 21.

[6] Schmitt-Egner, Peter (2005): Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 56.

[7] ebd., S. 57-58.

[8] ebd., S. 56.

[9] ebd., S. 65-67.

[10] vgl.: Schubert, Klaus/Martina Klein (2001): Das Politiklexikon. Bonn: Dietz. S. 286.

[11] vgl.: Zandonella, Bruno (2007): Pocket Europa. EU-Begriffe und Länderdaten. Bonn: Bundeszentale für politische Bildung. S. 60.

[12] Schmitt-Egner, Peter (2005): Handbuch zur Europäischen Regionalismusforschung. S. 65-67.

[13] Weidenfeld, Werner/Wessels, Wolfgang (2014): Europa von A bis Z. Taschenbuch der europäischen Integration. 13. Auflage. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. S. 13-16.

[14] Für weitere Informationen vgl.: ebd., S. 16-48.

[15] vgl.: Hubel, Helmut (2002): Die Ostsee-Subregion. Laboratorium der künftigen Ordnung Europas. in: Zeitschrift für Internationale Politik 10. S. 33-40.

[16] vgl.: Thym, Daniel (2006): Die völkerrechtlichen Verträge der Europäischen Union. in: Zeitschrift für ausländisches Recht und Völkerrecht (66). S. 912.

[17] vgl.: Kühn, Maike (2012): Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Mehrebensystem. Heidelberg: Springer. S. 172.

[18] vgl.: Szech-Koundouro, Susanne (2004): Was bringt die EU-Verfassung? Übersicht über das Ergebnis der Regierungskonferenz zur europäischen Verfassung. S. 1. Konrad Adenauer Stiftung. Online unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_5113-544-1-30.pdf?040728174423 [ Zugriff: 07.09.15].

[19] vgl.: Tömmel, Ingeborg (2006): Das politische System der EU. 2. Auflage. München: Oldenbourg. S. 53.

[20] zu den Aufgaben und Kompetenzen der Organe in der Vergangenheit vgl.: ebd., S. 53-54.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Ostseerat im Kontext des Ostseeraumes. Entstehung, Handlungsfelder und Relevanz des Bündnisses
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
20
Katalognummer
V316435
ISBN (eBook)
9783668160040
ISBN (Buch)
9783668160057
Dateigröße
664 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EU-Osterweiterung, Ostseeraum, Ostseerat, Europäische Union, Bündnis, EU-Ostseestrategie
Arbeit zitieren
Sebastian Schäfer (Autor:in), 2015, Der Ostseerat im Kontext des Ostseeraumes. Entstehung, Handlungsfelder und Relevanz des Bündnisses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316435

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