Vorratsvermögen nach IFRS. Grundlagen, Bilanzierung und weitere Einzelfragen


Ausarbeitung, 2010

34 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Abkürzungsverzeichnis ... 2

II. Grundlagen ... 4

III. Bilanzierung dem Grunde nach ... 4

IV. Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung) ... 6
1. Erstbewertung ... 6
1.a Retrograde Methode zur Ermittlung der Anschaffungskosten ... 8
1.b Gemeinkostenbehandlung ... 10
1.c Fremdkapitalkosten (IAS 2 i. V. m. IAS 23) ... 15
2. Folgebewertung ... 16
2.a Nettoveräußerungswert ... 16
2.b Gängigkeitsabschlag ... 16

V. Weitere Einzelfragen ... 19
1. Behandlung von Leerkosten ... 19
2. Teilweises Aktivierungsverbot für Kosten der allgemeinen Verwaltung ... 23
3. Zulässigkeit von Verfahren der Bewertungsvereinfachung ... 23
3.a Bewertungsverfahren als Bewertungsvereinfachungen (IAS 2.21-22) ... 24
3.b Zuordnungsverfahren (IAS 2.23 – 27) ... 24
4. Latente Steuern ... 25
5. Relevanter Markt im Rahmen der Folgebewertung ... 25
6. Fertigungsaufträge ... 27
6.1 Zielsetzung und Einordnung von IAS 11, Verhältnis zu IAS 18
(Erträge) und IAS 2 ... 27
6.2 Bilanzausweis ... 28
6.3 GuV-Ausweis ... 28
7. weitere Spezialfragen zu den Anschaffungskosten ... 28
7.1 Fremdwährungsdifferenzen ... 28
7.2 Zinskomponenten ... 29

VI. Angaben im Anhang ... 29

VII. Schlussbemerkungen ... 30

Sachindex ... 32

Literaturverzeichnis ... 34

Abkürzungsverzeichnis:

Abb. - Abbildung
Abs. - Absatz
ADS - Adler, Düring, Schmalz
AK - Anschaffungskosten
AP - Absatzpreis
Aufl. - Auflage
BMF - Bundesminister der Finanzen
bspw. - beispielsweise
DB - Der Betrieb
BStBl. - Bundessteuerblatt
EP - Einstandspreis
ESt - Einkommensteuer
EStG - Einkommensteuergesetz
EStR - Einkommensteuer-Richtlinien
ff. - fortfolgende
Fifo - First in – first out
GAAP - General Accepted Accounting Principles
gem. - gemäß
ggf. - gegebenenfalls
GK - Gemeinkosten
GmbH - Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GoB - Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
GuV - Gewinn und Verlustrechnung
HB II - Handelsbilanz II
HFA - Hauptfachausschuss
HK - Herstellungskosten
HGB - Handelsgesetzbuch
h. M. - herrschende Meinung
IdW - Institut der Wirtschaftsprüfer
IAS - International Accounting Standard
IFRIC - International Financial Reporting Interpretations Comittee
IFRS - International Financial Reporting Standards
i. R. d. - im Rahmen der
i. d. R. - in der Regel
i. S. d. - im Sinne des
i. V. m - in Verbindung mit
KoR - Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung
KSt - Körperschaftsteuer
Lifo - Last in – first out
n. F. V. - nach Fassung vom
Nr. - Nummer
PG - Personengesellschaft
POC - Percentage of Completion
RHB - Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
RM - Raummeter
Rz. - Randziffer
SIC - Standing Interpretation Commitee
S. - Seite
s. - siehe
Tz. - Textziffer
US-GAAP - General Accepted Accounting Standards in den USA
u. a. - und anderen
usw. - und so weiter
u. U. - unter Umständen
v. - vom
vgl. - vergleiche
Wpg. - Wirtschaftsprüfung

I. Einleitung

Die Vorratsintensität als Anteil der Vorräte am Gesamtvermögen lag bei deutschen Unternehmen 2006 im Durchschnitt bei 12,6 % 1. Sie ist für viele Unternehmen ein ganz wesentlicher Punkt, da Kauf, Produktion, Verarbeitung und Verkauf der Vorräte einen erheblichen Einfluss auf die Bilanz und GuV haben. Diese Abhandlung beschäftigt sich mit Ansatz sowie Erst- und Folgebewertung von Vorräten nach IFRS, sowie ausgewählten Sonderfragen. Fertigungsaufträge (IAS 11) werden nur in Abgrenzung zu den Vorräten angeschnitten und nach eigenen Maßstäben bilanziert. Die Bereiche Immobilien (IAS 40), biologische Vermögenswerte in Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Tätigkeit zum Zeitpunkt der Ernte ( IAS 41 ) sowie Exploration und Evaluation von mineralischen Ressourcen ( IFRS 6 ) sollen hier ausgeblendet bleiben. Eine Darstellung von Finanzinstrumenten (IAS 39), die durch IAS 2.2b von der Vorratsbewertung ausgenommen worden ist, würde den Rahmen dieser Ausführung sprengen.

II. Grundlagen

Die Zielsetzung dieses Standards ist es, die Behandlung von Vorräten unter Beachtung des Anschaffungskostenprinzips zu regeln. IAS 2 gibt praktische Anleitungen für die Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Erstbewertung) und deren nachfolgende Erfassung als Aufwand einschließlich (in der Folgebewertung) etwaiger Abwertungen auf den Nettoveräußerungswert bis bei deren Abgang/Verbrauch die entsprechenden Erlöse realisiert sind. Er enthält außerdem Anleitungen hinsichtlich der Verfahren, nach denen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den Vorräten zugeordnet werden. IAS 2 wird derzeit durch keine Interpretationen des International Financial Reporting Interpretations Comittee (IFRIC) ergänzt.

III. Bilanzierung dem Grunde nach

Grundsätzlich ergeben sich im Bilanzansatz kaum Unterschiede zum HGB. Vorräte werden auch als eine eigenständige Position in der Bilanz aufgeführt (IAS 1.68) und in folgende Klassen gegliedert (IAS 2.8):

- Rohstoffe (raw materials) sowie Hilfs- und Betriebsstoffe (supplies),

- unfertige Erzeugnisse (work in progress),

- fertige Erzeugnisse (finished goods) und Handelswaren (merchandise), die vor allem für Handelsunternehmen zum Verkauf im normalen Geschäftsbetrieb bestimmt sind.

Damit gelten Vermögenswerte dann als Vorratsvermögen (IAS 2.6), wenn sie

- zum Weiterverkauf im normalen Geschäftsverkehr gehalten werden,
- sich in der Herstellung für einen solchen Verkauf befinden oder
- als Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe dazu bestimmt sind, bei der Herstellung oder Erbringung von Dienstleistungen verbraucht zu werden.

Im Unterschied zum HGB fallen geleistete Anzahlungen nach IFRS nicht unter den Bereich des Vorratsvermögens. Deren Ausweis erfolgt innerhalb der gesamten geleisteten Anzahlungen auch im Umlaufvermögen, jedoch außerhalb des Vorratsvermögens (IAS1.75 (c)) in einem gesonderten Posten.

Als Negativabgrenzung umfasst IAS 2 alle Vorräte außer:

- Unfertige Erzeugnisse im Rahmen von Fertigungsaufträgen einschließlich der damit unmittelbar zusammenhängender Dienstleistungserträge (IAS 11),
- Finanzinstrumente (IAS 39),
- Biologische Vermögenswerte, die mit landwirtschaftlicher Tätigkeit und landwirtschaftlicher Produktion zum Zeitpunkt der Ernte im Zusammenhang stehen (IAS 41),
- Vorräte von Warenmaklern/-Händlern, die ihre Vorräte mit dem Nettoveräußerungswert abzüglich der Vertriebsaufwendungen bewerten. Bei der Bewertung dieser Vorräte erfolgt die Erfassung der Wertänderung in der GuV in der Berichtsperiode der Änderung.

Diese Abgrenzung gilt unabhängig von der Vertretbarkeit der Vermögenswerte, so dass auch an der Börse gehandelte vertretbare Vermögensgegenstände hierunter fallen, wenn sie von dieser Definition erfasst werden.2 Weiterhin können auch immaterielle Vermögensgegenstände wie Softwareprogramme sowie zum Weiterverkauf bestimmte Grundstücke und Gebäude hierunter fallen.

Keine Zurechnung zu den Vorräten erfolgt für Betriebsstoffe, welche keinen Bezug zur Fertigung aufweisen. Hierunter fallen Betriebstoffe für den üblichen betrieblichen Bereich wie Büromaterial, Werbematerial, nicht für die Fertigung benötigtes Heizmaterial, Treibstoffe für dem Vertriebsbereich zugeordnete Transportmittel oder auch Vorräte der Kantine. Soweit diese Vermögensgegenstände wesentlich sind, sind sie unter der Position „ Sonstige Vermögensgegenstände“ auszuweisen.3 Hier liegt der Hauptunterschied zum HGB, da dort Betriebsstoffe auch anderen Bereichen als der Fertigung dienen können (dort also kein sonstiges Vermögen darstellen) 4.

Für den Ansatz gilt weiterhin der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (economic substance over legal form): Vorräte sind auch dem Käufer zuzurechnen, wenn sie unter Eigentumsvorbehalt geliefert oder sicherheitsübereignet wurden. Unabhängig von der physischen Lieferung erfolgt eine Zurechenbarkeit zu dem Zeitpunkt, zu dem der Besitz dokumentiert wurde, bspw. durch Konnossement der Frachtbrief. Hierdurch sind auch bereits Unterwegswaren in der Bilanz anzusetzen.

Beispiel:

In China besteht ein Nachfrageboom nach Leucht-Jojos, von dem erwartet wird, dass er auf Deutschland überschlägt. Daher bestellt die Toys AG am 15.04.2010 500.000 Leucht-Jojos aus China. Diese werden per Schiff geliefert, Liefertermin ist der 20.05.2010. Das Konnossement trifft am 29.04.2010 bei der Toys AG ein. Allerdings hat der Verbraucherschutz zu diesem Zeitpunkt die Leucht-Jojos wegen verwendeter Weichmacher als gesundheitsgefährdend eingestuft, sodass die Nachfrage stark gesunken ist und der Absatz des Produktes nahezu unwahrscheinlich geworden ist.

Mit Erhalt des Konnossements am 29.04. liegt die wirtschaftliche Verfügungsmacht bei der Toys AG und ist ab diesem Zeitpunkt zu aktivieren. Dass diese noch veräußert werden können, ist hingegen unwahrscheinlich, so dass sie keinen zukünftigen Nutzen bringen und somit keinen Vermögenswert für den Käufer darstellen. Somit sind Kaufpreis nebst Nebenkosten ergebniswirksam als Aufwand zu erfassen und nicht als Aktivposten unter den Vorräten in der Bilanz auszuweisen.

IV. Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung)

1. Erstbewertung

Für von Dritten erworbene Vermögenswerte erfolgt die Bewertung zu Anschaffungskosten. Unter die Anschaffungskosten fallen (IAS 2.10) alle Kosten des Erwerbs sowie sonstige Kosten, die anfallen, um die Vorräte an ihrem derzeitigen Ort in den derzeitigen Zustand zu versetzen. Hierunter fallen neben dem Kaufpreis auch Einfuhrzölle und andere Steuern, sofern diese nicht später vom Unternehmen von den Steuerbehörden zurückverlangt werden können. Ertragsteuern (ESt, KSt) fallen nicht hierunter, da sie dem Abschluss nachgelagert ermittelt werden. Bezogen auf die Umsatzsteuer entspricht dieses der steuerrechtlichen Ansatzregelung des § 9b Abs. 1 EStG. Weiterhin angesetzt werden können Transport- und Abwicklungskosten, die dem Erwerb von Fertigungserzeugnissen, Materialien und Leistungen unmittelbar zugerechnet werden können (IAS 2.11). Anschaffungspreisminderungen (Skonti, Rabatte und andere vergleichbare Beträge) werden bei der Ermittlung der Kosten des Erwerbs abgezogen. Dieses Vorgehen entspricht auch dem Ansatz nach § 255 Abs. 1 HGB. Ein Ansatz eines über die historischen Kosten hinausgehenden fair value ist nach diesen Vorschriften nicht erlaubt. Im Gegensatz zum HGB gibt es keine abstrakte Definition des Begriffes der Anschaffungskosten, es erfolgt vielmehr eine exemplarische beispielhafte Aufführung konkreter Bestandteile im IAS 2.11.

Formelhaft erfolgt die Ermittlung der Anschaffungskosten nach:

Anschaffungspreis + Anschaffungsnebenkosten - Anschaffungspreisminderungen + Fremdkapitalkosten (Wahlrecht)= Anschaffungskosten

Bei einem Kauf auf Ziel liegt ein längerfristiger zinsloser oder zinsbegünstigter Lieferantenkredit und somit eine Finanzierung vor. Durch IAS 2.18 ist das Barpreisäquivalent anzusetzen. Eine Abzinsung erfolgt jedoch nur, wenn ein längerfristiger Lieferantenkredit in Form eines zinslosen oder zinsbegünstigten Lieferantenkredites vorliegt. Der Begriff „längerfristig“ ist nicht genau definiert, er stellt lediglich auf eine beträchtliche Überschreitung der üblichen Zahlungsfrist ab. Unter dem Wesentlichkeitsgrundsatz ist eine Diskontierung zu unterlassen, soweit es sich nur um geringe Beträge handelt.5

Beispiel:

Die Kaufkraft AG kauft für 22 Mio. € Rohstoffe ein unter normalen Zahlungsbedingungen „20 Tage netto“. Das Cash-Management signalisiert einen vorübergehenden Liquiditätsengpass, so dass der Einkauf mit dem Lieferanten eine Stundung des Kaufpreises von 10 Monaten aushandelt. Die Kaufkraft AG geht davon aus, dass bei Zahlung innerhalb der regulären Zahlungsfrist ein zusätzlicher Preisnachlass seitens des Lieferanten gewährt worden wäre. Ein kurzfristiger Kredit wäre zu 12 % p.a. zur Verfügung gestanden.

Da eine Stundung über 10 Monate als „über das übliche Maß hinausgehend“ angesehen werden kann, ist eine Abzinsung angebracht, insbesondere wenn dieser Zinseffekt als wesentlich eingestuft wird. Die Erfassung der Rohstoffe erfolgt also zu

(22.000.000€ / 1,12) x (10 Monate / 12 Monate) = 16.369.047,60€

Der Unterschied ist als Zinsaufwand einzubuchen.

Bei Erwerb durch Tausch erfolgt der Ansatz des beizulegenden Zeitwertes des hingegebenen Vermögensgegenstandes (IAS 8.11 (a) i. V. m. IAS 16.24). Da dieser Fall in IAS 2 nicht geregelt ist, ist auf Standards zurückzugreifen, die ähnliche oder verwandte Fragen behandeln (IAS 8.11 (a)).

Anschaffungspreisminderungen sind entsprechend zu berücksichtigen. Sie können in Form von Rabatten, Skonti und Boni vorliegen.

Rabatte werden regelmäßig direkt vom Kaufpreis abgezogen.

Ein Skontoabzug ist nach HGB und Steuerrecht erst zu berücksichtigen, wenn die Zahlung innerhalb der Zahlungsfrist erfolgt, da es sich um eine nachträgliche Kürzung des Anschaffungspreises für Vorräte handelt. Diese Regelung kommt im IFRS-Regelwerk nicht zur Anwendung! Ein Lieferantenkredit auf Skontobasis bedeutet, dass im Rechnungsbetrag automatisch Kreditzinsen seitens des Lieferanten einkalkuliert sind. 6 Durch Skonti werden in der Regel Leistungen abgegolten, die für eine Finanzierung typisch sind und vermeidbare Finanzierungskosten darstellen. Somit sind nicht ausgenutzte Skonti keineswegs Bestandteile der Anschaffungskosten, sondern als Finanzierungsaufwand zu erfassen.7

Für gewährte Boni besteht eine Zuordnungsproblematik. Ein gewährter Bonus steht erst zum Ende des Geschäftsjahres fest, da er sich auf alle bereits getätigten Geschäfte im Verlauf des Geschäftsjahres bezieht; Boni werden somit also genauso auf die bereits verbrauchten Vorräte verrechnet, wie auf die Vorräte, die sich noch im Lager befinden. Dementsprechend ist der Bonusbetrag umsatz- oder mengenmäßig aufzuteilen, sodass die Anschaffungskosten des noch vorhandenen Vorratsbestandes entsprechend anteilsmäßig gekürzt und der Rest ergebniswirksam vereinnahmt wird. Erfolgen allerdings bewusst zum Jahresende Einkäufe, um einen (höheren) Bonus zu erhalten, so ist der Bonus auf den neuen Kaufpreis wie ein Rabatt abzuziehen.

Beispiel:

Die Kaufrausch GmbH erhält zum Jahresende einen Lieferantenbonus in Höhe von 10.000 €, bei einem Gesamtumsatz von 500.000 €. Es sind Ende des Geschäftsjahres noch 20 % der zugekauften Einkaufsteile im Bestand. Der Bonus führt zum einen zu einer Reduktion des Materialaufwandes in Höhe von 8.000 € (10.000 € * 0,8) sowie einer Reduktion des korrespondierenden Lagerbestandes in Höhe der verbleibenden 2.000 € (10.000 * 0,2).

Hier ergeben sich bilanzpolitische Spielräume, da Boni regelmäßig nicht für eine bestimmte Lieferung gewährt wird. Die Art der Zuordnung der Boni auf die verschiedenen Vorratsgüter kann zu einer gezielten Ergebnisbeeinflussung führen, soweit die gewählte Verteilung plausibel begründet wird. Soll ergebnismindernd bewertet werden, so erfolgt die Zuteilung der Boni in höchstmöglicher Form auf die zu aktivierenden Vorräte. Dieses ist damit begründbar, dass das Unternehmen erst durch die zuletzt getätigten Einkäufe vom Lieferanten Boni erhalten hat oder dass hierdurch zusätzliche Bonuserträge im Falle einer Bonusstaffelung gewährt worden sind.

1.a Retrograde Methode zur Ermittlung der Anschaffungskosten

Die Ermittlung von individuellen Anschaffungskosten von bei Inventuren mengenmäßig aufgenommenen Waren (bspw. im Einzelhandel) gestaltet sich mitunter schwierig. Da sich kaum feststellen lässt, aus welchen Lieferungen sich der Endbestand zusammensetzt, lässt IAS 2.22 ein vereinfachtes Verfahren zu.

Die Voraussetzungen hierzu sind:

- Alternative Verfahren zur Bestimmung der Anschaffungskosten sind ungeeignet,
- es handelt sich um eine große Anzahl rasch wechselnder Vorratsposten,
- Vorliegen einer vergleichbaren Bruttogewinnspanne.

Ermittlung:

Verkaufspreis - prozentuale Bruttogewinnspanne (gross profit margin) =Anschaffungskosten (retrograde Methode)

Die Bruttogewinnspanne wird häufig auch als Handelsspanne bezeichnet. Es würde der Zwecksetzung der Vereinfachung widersprechen, wenn hierbei für jeden Artikel eine Handelsspanne verwendet werden würde, so dass eine durchschnittliche Bruttogewinnmarge pro Warengruppe angewandt werden kann, soweit die Margen in etwa gleich sind.

Änderungen des Verkaufspreises bspw. aufgrund eines Sonderverkaufes aber auch Preiszuschläge sind bei der Ermittlung der Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Gewöhnlicher Schwund ist in der Preisgestaltung des Unternehmens bereits berücksichtigt, so dass nur Aufwände für ungewöhnlichen Schwund mit zu berücksichtigen sind.

Die Ermittlung des Wareneinsatzes berechnet sich nach der retrograden Methode nach:

Anfangsbestand + Zugänge – Endbestand = Wareneinsatz

Für die Bewertung sind die gültigen Preise am Bilanzstichtag anzusetzen, so dass der Endbestand mit den Preisen zu Periodenende bewertet wird. Somit hat dieses Verfahren Ähnlichkeiten mit der Fifo-Methode.

Beispiel:8

Die Kaufhaus AG hat einen Anfangsbestand von Handelswaren der Warengruppe A in Höhe von 98.000 € bei einem Verkaufswert in Höhe von 140.000 €. In der Berichtsperiode werden Waren im Wert von 588.000 € zugekauft (Verkaufswert 840.000 €). Die Umsatzerlöse der abgelaufenen Periode betrugen 780.000 €. & &

Anfangsbestand und Zukäufe weisen einen Bezugswert von 686.000 € auf, denen ein Verkaufswert von 980.000 € gegenübersteht. Die Bruttogewinnmarge der Warengruppe A beträgt also 30 % ([980.000 € – 686.000 €]/980.000 €).

Der Bilanzansatz ermittelt sich somit wie folgt:

[Tabellen werden in dieser Leseprobe nicht dargestellt.]

Abwandlung:

Durch diverse Sonderaktionen wurden im Preisnachlässe in Höhe von 60.000 € gewährt. Die gesamten Umsatzerlöse steigen in dieser Periode durch die Sonderaktionen auf 740.000 €.

Der Verkaufsbestand weist nun einen Wert von 920.000 € (980.000 € - 60.000 €) für die weiterhin Anschaffungskosten in Höhe von 686.000 angefallen sind. Durch die Sonderverkäufe vermindert sich die Bruttogewinnmarge auf 25,43 % ([920.000 € – 686.000 €]/920.000 €). Der Endbestand der Vorräte zu Verkaufspreisen beläuft sich nun auf 180.000 € (920.000 € - 740.000 €) und ist um 25,43 % zu reduzieren. Der Endbestand der Warengruppe A beträgt nach der retrograden Methode 134.226 €.

[…]


1 Einzelfragen der Vorratsbewertung nach IFRS, Prof. D. Reiner Quick, Der Betrieb vom 10.10.2008, Heft 41, Seite 2206
2 Vgl. Jacobs, in: Baetge, Rechnungslegung nach IAS, 2. Aufl. 2003, IAS 2 Tz. 6
3 Vgl. Petersen/Bansbach/Dornbach, IFRS-Handbuch, 3. Aufl., S. 232
4 Bsp.: nicht ausgegebenes Büromaterial, Werbemittel, Vorräte der Werksküche
5 Kümpel, TH., Vorratsbewertung und Auftragsfertigung nach IFRS, 2005, S. 10
6 Das IFRIC hat in ihrer Sitzung im November 2004 klargestellt, dass Skonti als Anschaffungspreisminderungen und nicht als Zinserträge zu erfassen sind.
7 Kümpel, Vorratsbewertung und Auftragsfertigung nach IFRS, 2005, S. 20
8 Vgl. Kümpel, Vorratsbewertung und Auftragsfertigung nach IFRS, 2005, S. 25

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Vorratsvermögen nach IFRS. Grundlagen, Bilanzierung und weitere Einzelfragen
Veranstaltung
13. November 2010: Präsentation im Rahmen des Arbeitskreis Internationale Rechnungslegung des BVBC
Autor
Jahr
2010
Seiten
34
Katalognummer
V316421
ISBN (eBook)
9783668162365
ISBN (Buch)
9783668162372
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vorratsvermögen, IFRS
Arbeit zitieren
Marcus Lotz (Autor:in), 2010, Vorratsvermögen nach IFRS. Grundlagen, Bilanzierung und weitere Einzelfragen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/316421

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