Die Gründung des Erzbistums Gnesen und der "Akt von Gnesen"


Hausarbeit, 2015

25 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Entstehung und Überblick des Gnesener Aktes in Kürze

Quellenkritik: Die Chronik von Gallus Anonymus

Darstellung der Zusammenkunft in Gnesen bei Gallus Anonymus

Quellenkritik: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Die Darstellung der Gnesener Zusammenkunft bei Thietmar von Merseburg

Gallus Anonymus und Thietmar von Merseburgund im Vergleich

Eine Königskrönung im Jahre 1000?

Darstellung der Hildesheimer Annalen: Ein Erzbistum in Prag?

Die Bedeutung des Aktes von Gnesen

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Der Zug Kaiser Ottos III. nach Gnesen im Februar des Jahres 1000 ist eines der am heftigsten umstrittenen Ereignisse in der Geschichte der sächsischen Kaiser.“1

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Gründung des Erzbistums Gnesen und den damit verbundenen „Akt von Gnesen“. Die Bezeichnung „Akt von Gnesen“ kann auch als „Zusammenkunft von Gnesen“ bezeichnet werden.2

Die Auffassung um den „Akt von Gnesen“ gestaltete sich unter dem Einfluss zweier unterschiedlicher Traditionen. Auf der einen Seite aus der Polnischen Chronik „Polens Anfänge - Chronik der Taten der Herzöge und Fürsten von Polen“ des sog. Gallus Anonymus, welche der polnischen Historiographie näher ist und auf der anderen Seite aus der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg, welche mit der Deutschen Historiographie enger verbunden ist.3

Aus diesem Grund soll zunächst eine ausführliche Quellenkritik beider Chroniken durchgeführt werden. Dabei soll die Form, der Inhalt und die Pragmatik im Hinblick auf die Geschehnisse in Gnesen in beiden Chroniken skizziert werden. Im weiteren Verlauf wird ein Quellenvergleich über die Ereignisse in Gnesen durchgeführt. Dabei sollen insbesondere Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden. Ferner soll auch auf einige Kontroversen bezüglich des Gnesener Aktes eingegangen werden. Schließlich folgt eine zentrale Auslegung über die Bedeutsamkeit und Wichtigkeit des Aktes von Gnesen insbesondere für Polen und der damit verbundenen Gründung des Erzbistums Gnesen .

Zu Beginn soll jedoch zunächst ein kurzer Überblick über die Entstehung und den Verlauf des Gnesener Aktes erfolgen.

Entstehung und Überblick des Gnesener Aktes in Kürze

Erst im Laufe des 10. Jahrhunderts wurde das slawisch besiedelte Land Ziel einer nachhaltigen Christianisierung.4 Als Otto III. 996 zur Kaiserkrönung in Rom weilte, trat er mit Adalbert von Prag in freundschaftliche Beziehung. Adalbert, der von einer böhmischen Fürstenfamilie der Slavnikiden stammte, war bereits 983 Bischof von Prag. Jedoch hatten ihn Schwierigkeiten mit der böhmischen Bevölkerung dazu veranlasst, 989 sein geistiges Amt zu verlassen. In Folge dessen zog er sich als Mönch in ein römisches Benediktinerkloster zurück.5 Dennoch, so beschreibt Ursula Mende, sei der junge Kaiser Otto III. von der Frömmigkeit Adalberts beeindruckt gewesen. Daher habe der Kaiser zu Wiederaufnahme der geistlichen Pflichten Adalberts beschlossen, dass jener sich der Missionstätigkeit im Osten widmen solle. So ging Adalbert im Jahre 996 als Missionar zu den heidnischen Pruzzen, wo er schließlich 997 ermordet wurde und den Märtyrertod fand. Adalbert wurde 999 vom Papst Silvester II. heiliggesprochen.6 Der polnische Herzog Boleslaw Chrobry löste den Leichnam aus und ließ ihn in Gnesen beisetzen.7

In diesem Zusammenhang reiste Kaiser Otto III. im Jahr 1000 mit großem Gefolge zum Grabe des heiligen Adalbert.8

Michael Borgolte beschreibt, der junge Kaiser Otto III. habe Adalbert verehrt, ihn wolle Otto besuchen, den jüngsten Märtyrer der Christenheit. Ottos Reise sei also eine Pilgerfahrt gewesen.9

Der polnische Herzog Boleslaw Chrobry empfing Otto bereits am Übergang seines Herrschaftsgebiets um ihn nach Gnesen zu geleiten. Des Weiteren wurden untereinander Geschenke ausgetauscht, so erhielt Otto eine Armreliquie des hl. Adalbert. Darüber hinaus gründete der römische Herrscher in Gnesen ein Erzbistum, welchem laut Borgolte zunächst drei Bistümer - Kolberg, Krakau und Breslau - unterstellt wurden. Gaudentius, der Bruder des hl. Adalbert, wurde in Gnesen als Erzbischof eingesetzt. Gaudentius war schon vorher von Papst Silvester geweiht worden.10

Nach Fried übernahm der Kaiser eine Taufpatenschaft und beschloss eine Verschwägerung der eigenen Familie mit jener des Herzogs. Zuletzt sei Boleslaw in neuer Weise mit dem Imperium verbunden worden.11

Jedoch betont Fried auch: „[...] der Historiker, der die Ergebnisse und Ereignisse dieser Pilgerfahrt genauer untersuchen möchte, betritt schwankenden Boden; ein Abgrund von Widersprüchen, zweifelhaften Verdrehungen öffnet sich vor ihm, ganz abgesehen von der Legion tief eingefahrener Forschungsmeinungen.“12

Quellenkritik: Die Chronik von Gallus Anonymus

Laut Josef Bujnoch sei die Chronik13 von Gallus Anonymus die älteste erzählende Geschichtsquelle, die auf polnischen Boden entstanden ist.14

Die erste überlieferte Chronik entstand zu Beginn des 12 Jahrhunderts. Allerdings ist die wahre Identität des sogenannten Gallus Anonymus unklar.15 Dies lässt sich auch an dem lateinischen Wort bzw. an dem lateinischen. Namen „Anonymus“ erkennen, was in diesem Sinne verdeutlicht, dass es sich um einen anonymen Verfasser handelt. Laut Bujnoch stehe nur fest, dass Gallus mit Sicherheit kein Pole und kein Tscheche war. Ferner habe man alle Möglichkeiten, welcher Nation Gallus angehört haben könne durchgespielt. Diese Fragen seien in zahlreichen Hypothesen mit entsprechenden Beweisgründen durchgespielt worden. Beispielsweise Gallus sei ein Deutscher, ein Ungar, ein Franzose. Am ehesten, so Bujnoch, sei Gallus als ein Romane anzusehen, der aus dem wallonischen Sprachraum stamme.16 Dennoch wird die Herkunft des Gallus von Gerad Labuda auf Südfrankreich eingeschränkt. Labuda zufolge war Gallus Anonymus ein Benediktinermönch, der ferner auch eine literarische Ausbildung in gelehrten Kreisen von Le Mans, Poiters und Orléans erhielt. Weiterhin sei er nach 1100 über Ungarn nach Polen gekommen und dort in die Kapelle Boleslaws III. aufgenommen worden. Dabei habe er seine „Cronica et gesta ducum sive principum Polonorum“ nach 1100 begonnen und 1114/15 als formal nicht abgeschlossenes Werk beendet.17

Auf die Frage warum die Quelle, also die Chronik von Gallus Anonymus erstellt wurde und welche Funktion sie erfüllt antwortet Alheydis Plassman. Dementsprechend sei der Zweck der Chronik hauptsächlich panegyrisch, also rühmend bzw. übertrieben lobend. In diesem Sinne sei das Lob auf Boleslaws III. und seiner Vorgänger die Absicht des Gallus Anonymus. Damit verbunden sei der Chronik ein panegyrisches Gedicht auf die wunderbare Geburt Boleslaw III: vorangestellt, welches die Absicht des Gallus zum Lob der polnischen Herzöge weiter verdeutlicht.18 Gallus Anonymus erklärt in einer Vorrede seiner Chronik selbst:

„Da in der gesamten Weite des Erdkreises von den meisten Königen und Herzögen denkwürdige Taten vollbracht werden, die von der aus Abneigung stammenden Vernachlässigungen der gelehrten Schriftsteller, vielleicht auch aus Unvermögen, mit Schweigen bedeckt werden, hielten wir es für der Mühe wert, um des einen ruhmvollen und siegreichen Herzogs namens Boleslaw willen einige Taten der polnischen Fürsten niederzuschreiben, […] hauptsächlich […] deshalb, weil Boleslaw durch Gnadengeschenk Gottes und auf die Fürbitten des heiligen Aegidus hin geboren ward, durch den er, wie wir glauben, von Glück wohlbedacht und immer siegreich war.“19

Ferner befinden sich in der Chronik des Gallus verschiedene Widmungen bzw. Widmungsbriefe. Dazu beschreibt Plassmann, Gallus führe in wortreichen Metaphern aus, dass er sich der Aufgabe eigentlich nicht gewachsen sehe und die Fürsprache der Bischöfe erbitte, offensichtlich, um für seine Mühe belohnt zu werden. Daher müsse man davon ausgehen, dass auch handfeste wirtschaftliche Interessen Gallus zur Abfassung des Werkes bewogen haben. Neben den Herrscherlob dürfe eine weitere Motivation für Gallus darin gelegen haben, mit seiner Chronik den Beweis dazu zu führen, dass die Polen ihren Platz in der westlichen Christenheit zu Recht innehatten, und sie darüber hinaus an die historiographische Tradition anzubinden. Schließlich dürften die Herzöge Polens das Bedürfnis gehabt haben, ähnlich wie die Herzöge der Normandie, eine Geschichtsschreibung aufzuweisen20

Dieser Hintergrund der Quelle zeigt, neben der Tatsache dass sich bei der Quelle von Gallus um eine Chronik handelt, dass Gallus sein Werk absichtlich der Nachwelt hinterlassen hat. Daher lässt sich die Quelle von Gallus Anonymus als Traditionsquelle kategorisieren.

Inhalt, Aufbau und Gliederung

Die Chronik des Gallus Anonymus ist formal in drei Bücher gegliedert. Dabei umfasst das erste Buch 31 Kapitel. Im zweiten Buch befinden sich insgesamt 50 Kapitel und im dritten und letztem Buch 26 Kapitel. Dabei beginnt jedes Buch zunächst mit einen Widmungsbrief an geistliche Größen, beispielsweise an wichtige polnische Bischöfe. Nach jedem Widmungsbrief folgt ein Epilog in Gedichtform. Im ersten Epilog beschreibt Gallus unter anderem die Geburt Boleslaw III. in Versen. Dazu macht Gerad Labuda deutlich, die Chronik sei mit Cursus und lateinischer Reimprosa geschrieben.21 Das erste Buch beginnt mit dem polnischen Herzog Popiel: „Es lebte nämlich in der Stadt Gnesen - im Slawischen bedeutet es Nest - ein Herzog namens Popiel.“22, und mit Piast, dem Stammvater der polnischen Piasten-Dynastie. Zentral berichtet das erste Buch über die wichtigsten Taten der Herrscher bis zum Geburtsjahr von Boleslaw III. im Jahr 1085. Das zweite Buch erzählt die Geschehnisse der Jahre von 1085 bis 1109 und umfasst hauptsächlich die gemeinsame Regierung von Boleslaw III. und dessen Stiefbruder Zbigniew bis zur Alleinherrschaft Boleslaws. Das letzte Buch berichtet von den Jahren 1109-1113 und handelt von dem Heereszug des Deutschen Königs Heinrich V. nach Schlesien, sowie von der Strafe der Blendung von Boleslaw an Zbigniew, weil Boleslaw ihn des Staatsverrats angeklagte - und schließlich von der Sühne Boleslaw in Gnesen im Jahr 1113.23

Pragmatik

Günther Stökl macht deutlich, der Chronist Gallus schreibe zum Nutzen und zur Ehre des Vaterlandes Polen. In diesem Sinne grenze Gallus das Vaterland sehr deutlich gegen Nachbarn ab, beispielsweise „gegen das Barbarentum der Pommern und Preußen, die vom Heidentum nicht ablassen wollen, gegen die verachtenswerte Primitivität der Russen, gegen die Hinterlist der Böhmen und gegen die Überheblichkeit der Deutschen.“24. Weiterhin präge Geschichtsbewusstsein und Nationalbewusstsein das Werk des ersten Geschichtsschreibers in Polen.25

In diesem Zusammenhang beschreibt Josef Bujnoch, Gallus preise voller Bewunderung und von starken Patriotismus beseelt, die Herrscher Polens.26

Im ersten Buch der Galluschronik erfährt die Begegnung Ottos III.

[...]


1 Görich, Knut: Ein Erzbistum in Prag oder in Gnesen?. In: Zeitschrift für Ostforschung Jg. 40, H. 1 (1991), S. 10.

2 Vgl. Labuda, Gerad: Der „Akt von Gnesen“ vom Jahre 1000. Bericht über die Forschungsvorhaben und- ergebnisse. Wojciech Falkowski (Hrsg.): Quaestiones medii aevi novae Warszawa. 2000, S. 186.

3 Ders. S, 146.

4 Vgl. Fraesdorff, David: Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, Thietmar von Merseburg, Adam von Bremen und Helmold von Bosau. Berlin 2005, S. 228.

5 Vgl. Mende, Ursula: Die Bronzetüren des Mittelalters. 800-1200. München 1983, S.85.

6 Ebd.

7 Vgl. Alexander, Manfred: .Kleine Geschichte Polens. Ditzingen 2008, S. 25-28.

8 Vgl. Fried, Johannes: Otto III. und Boleslaw Chrobry. Das Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der "Akt von Gnesen" und das frühe polnische und ungarische Königtum. Stuttgart 2001, S. 87.

9 Vgl. Borgolte, Michael: Einleitung. In: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung über den „Akt von Gnesen“, hrsg. v. Michael Borgolte, Europa im Mittelalter, Bd. 5, Berlin 2002, S. 11-12.

10 Vgl. Borgolte S. 12-13.

11 Vgl. Fried S.87

12 Ebd.

13 Gallus Anonymus: Polens Anfänge. Chronik und Taten der Herzöge und Fürsten von Polen. Übersetzt, eingeleitet und erklärt v. Josef Bujnoch, hrsg. v. Günther Stökl. (=Slavische Geschichtsschreiber. 10). Graz u.a. 1978.

14 Vgl. Bujnoch, Josef. (Einleitung zur o.g. Chronik des. Gallus Anonymus) S. 10.

15 Vgl. Plassmann, Alheydis: Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen. Berlin 2006, S. 292.

16 Ders. S.12

17 Labuda, Gerad: [Art.] Gallus Anonymus. In: Lexikon des Mittelalters. Bd.4. Stuttgart 2000, Sp. 1099.

18 Vgl. Plassmann, S.292-293.

19 Gallus Anonymus: (Vorrede), S. 47.

20 Vgl. Plassmann, S. 293-294.

21 Vgl. Labuda.(LexMA). Sp. 1099

22 Gallus Anonymus I, 1.

23 Vgl. Gallus I, 1-III, 26.

24 Stökl, Günther: Gallus Anonymus: (Vorwort des Herausgebers ), S. 7.

25 Vgl. Ders. S.7-8.

26 Vgl. Bujnoch, S. 10.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Gründung des Erzbistums Gnesen und der "Akt von Gnesen"
Hochschule
Universität Paderborn
Note
2,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
25
Katalognummer
V315289
ISBN (eBook)
9783668141094
ISBN (Buch)
9783668141100
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gnesen, Otto III., Thietmar vom Merseburg, Gallus Anonymus, Boleslaw Chrobry, Akt von Gnesen, Erzbistum Gnesen
Arbeit zitieren
Florian Kißler (Autor:in), 2015, Die Gründung des Erzbistums Gnesen und der "Akt von Gnesen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315289

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