Die Repräsentativitätsheuristik als Ursache für Fehlurteile bei der Personalwahl. Forschungsstand und Möglichkeiten der Reduzierung


Hausarbeit, 2015

27 Seiten, Note: 1.4

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

1. Heuristiken
1.1 Definition Heuristik
1.2 Definition Repräsentativitätsheuristik (representativeness heuristic)
2. Zentrale Erkenntnisse der Repräsentativitätsheuristik
2.1 Die Konjuktionstäuschung (conjuction fallacy)
2.2 Vernächlässigung der Basisrate (base rate fallacy)

3. Beispiel für Fehlurteile in der eignungsdiagnostischen Einschätzung aufgrund der Repräsentativitätsheuristik
3.1 Allgemeine Vorstellung und Vorauswahl
3.2 Die Bewerbungsgespräche und die Beurteilungsfehler
3.3 Erklärung zum Fehlverhalten

4. Handlungsempfehlungen für die Personalauswahl
4.1 Die Aufmerksamkeitslenkung
4.2 Anforderungsprofil erstellen
4.3 Das strukturierte Bewerbungsgespräch

5. Persönliche Stellungnahme und Einschätzung der Machbarkeit der vorgestellten Handlungsempfehlungen

6. Literaturverzeichnis

Thema

In der eignungsdiagnostischen Personalauswahl werden seitens des Unternehmens und seitens des Kandidaten weitreichende Entscheidungen getroffen. Als Grundlage einer Einschätzung durch den Unternehmensvertreter dient für diese bedeutsame Entscheidung meist eine überschaubare Masse von Informationen (z.B. Erkenntnisse aus einem persönlichem Gespräch oder den Bewerbungsunter­lagen). Allerdings sind eignungsdiagnostische Entscheidungen fehleranfällig. Eine Störgröße können sogenannte Heuristiken sein – Faustregeln, welche die Entscheidungskomplexität reduzieren und die Entscheidungsfindung erleichtern. Sie können zu systematischen Fehleinschätzungen des Kandidaten führen (vgl. SOPS 1/H). In dieser Hausarbeit soll beispielhaft anhand einer Heuristik ein Vorschlag erarbeitet werden, wie sich eignungsdiagnostische Fehleinschätzungen minimieren lassen.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 4.1.: Beziehung zwischen den Kategorialen Möbel, Stühlen und Küchenstühlen als Wahrscheinlichkeiten

Abb. 4.2: Auftretenswahrscheinlichkeit mehrerer Merkmale in einer Kategorie

Abb. 4.3.: Favorisierte Auswahlverfahren in Unternehmen

Einleitung

„Irren ist menschlich-managen auch“. Mit diesem Buchtitel beschreibt Vera F. Birkenbihl (2005) - auch Manager können irren. Für die menschliche Urteilsbildung scheint der Irrtum geradezu charakteristisch zu sein (Nisbett & Ross, 1980).

Doch was kann eine Fehleinschätzung in der Personalauswahl bewirken? Laut eines Artikels auf Spiegel.de haben in der Studie „Recruiting Trends 2014“ der Münchner Personalberatung Pape rund ein Drittel der 2800 befragten Geschäftsführer und Personalchefs zugegeben, dass Sie in den letzten sechs Monaten mindestens eine personelle Fehlentscheidung getroffen haben. Die Studie besagt weiter, dass jede Fehlentscheidung Kosten zwischen 30.000 und 100.000€ mit sich birgt. Vor allem gaben häufig mittelständische Unternehmen Fehler in der Personalauswahl zu (Endres, 2013).

Kosten können aufgrund von geringerer Produktivität oder als Folge von fehlerhafter Aufgabenerledigung entstehen. Zudem können Frustrationen verbunden mit Motivationsverlust zu einer Illoyalität der Mitarbeiter führen, was sich wiederum negativ auf das Betriebsklima und die Kundenbeziehungen auswirkt. Zahlen entgangener Aufträge oder verlorener Kundenbeziehungen können somit nur geschätzt werden. (Schuhmacher, 2014).

Doch wie können solche Fehlentscheidungen entstehen? Laut Rosner (1996) hängt die Urteilsbildung über einen Bewerber immer von der subjektiven Informationsverarbeitung des Interviewers ab.

Bei der Beurteilung von Personen, Dingen oder Geschehnissen unterliegen wir Menschen oftmals mentaler Abkürzungen oder Faustregeln, den sogenannten Heuristiken, um etwas oder jemanden danach zu beurteilen, wie ähnlich oder repräsentativ es oder er für ein typisches Exemplar, dass seiner Vorstellung entspricht, ist (Tversky & Kahneman, zit. nach Jonas, Strobe & Hewstone, 2014).

In dieser Hausarbeit werden die Fehlurteile in eignungsdiagnostischen Entscheidungen aufgrund der Repräsentativitätsheuristik beleuchtet sowie Handlungsvorschläge erarbeitet um diese zu minimieren.

Im ersten Teil werden zunächst einmal die Begriffe Heuristik und Repräsentativitätsheuristik definiert und erklärt. Danach erfolgen zentrale Erkenntnisse zur Repräsentativitätsheuristik anhand von Studien mit anschließendem Beispiel zum Thema Fehlurteile in der Eignungsdiagnostik. Im Anschluss werden dann Handlungsempfehlungen für die Praxis ausgesprochen. Zu guter Letzt erfolgen eine persönliche Stellungnahme und eine Einschätzung der Machbarkeit für die Praxis.

1. Heuristiken

1.1 Definition Heuristik

Allgemein unter dem Begriff Heuristik versteht man „Faustregeln, die eine schnelle, sparsame und meist hinreichend genaue Urteilsbildung ermöglichen“ (Werth & Mayer, 2008, S.52).

Forschungsergebnisse von Nisbett und Ross (1980) zeigten, dass das menschliche Informationsverarbeitungssystem selten nach logischen Gesetzen, wie sie unter anderem Statistiker vorgeben, arbeitet.

Die menschliche Informationsverarbeitungskapazität ist begrenzt und wird heutzutage durch die Massenmedien zusätzlich stark belastet. Dadurch greifen wir häufiger bewusst oder unbewusst zu mentalen Abkürzungen, den Heuristiken (Werth & Mayer, 2008).

Laut Nisbett und Ross (1980) können wir mit Hilfe von Heuristiken Entscheidungen sehr schnell und sparsam treffen und liegen in den meisten Fällen damit sehr richtig. Nichts desto trotz können uns diese Heuristiken unter bestimmten Bedingungen auch zu systematischen Fehleinschätzungen (biases) führen (Werth & Meyer, 2008).

Da viele Heuristiken in der Entscheidungsfindung helfen sollen, werden diese auch Urteilsheuristiken genannt. Sie können sehr hilfreich sein bei der Orientierung und Entscheidungsfindung in einer komplexen Umgebung, da sie bei der Vereinfachung der Informationsverarbeitung helfen (Bless &Keller, 2006). Zu einer der wichtigsten Heuristiken zählt die Repräsentativitätsheuristik (representativeness heuristic).

1.2 Definition Repräsentativitätsheuristik (representativeness heuristic)

Unter der Repräsentativitätsheuristik verstehen wir eine von mehreren Urteilsheuristiken, die es uns ermöglicht, auf relativ leichte Art und Weise einer großen Menge von Informationen Sinn zu verleihen (Jonas, Stroebe& Hewstone ,2014).

Die Repräsentativitätsheuristik wurde in den 70er Jahren vor allem von den Wissenschaftlern Amos Tversky und Daniel Kahneman geprägt. Die Repräsentativität kennzeichneten Tversky und Kahneman 1972 (zit. nach Frey & Irle, 2002) wie folgt: Ein bestimmtes Exemplar z.B. der Tierart Vogel, das repräsentativ für eine Klasse (der Vögel) steht, ist eines, dass diese Klasse gut darstellt. Dieser beispielhafte Vogel ist typisch für die Klasse und er hat eine große Ähnlichkeit mit dem Prototyp. Für die Klasse Vogel wäre ein Spatz ein gutes Exemplar, ein Strauß hingegen nicht.

Unter einem Prototyp versteht man die „Repräsentation der mit der Kategorie assoziierten Merkmale des typischsten Vertreters einer gegebenen Kategorie (vs exemplar based representation)“ (Werth & Meyer, 2008, S. 22). So würde man beispielsweise bei dem Prototypen (typischster Vertreter) eines Geschäftsmannes immer erwarten, dass er einen Anzug trägt und bei allen Männern, die einen Anzug tragen, auf einen Geschäftsmann (Kategorie) schließen (Werth & Knoll, 2013).

Somit lässt sich sagen, dass bei der Repräsentativitätsheuristik das menschliche Urteilen und Entscheiden von wahrgenommen Ähnlichkeiten zu einem Prototypen beeinflusst werden kann. Dadurch kann ein Objekt einer Kategorie zugeschrieben werden, wenn es Merkmale aufweist, die typisch für diese Kategorie sind (Fischer &Asal & Krueger, 2013).

Ist das menschliche Wissen um bestimmte Klassen sehr genau, können Urteile auf Basis der Repräsentativität von einzelnen Exemplaren in vielen Fällen ein richtiges Urteil liefern (Strack & Deutsch, 2002).

Dennoch kann auch die Repräsentativitätsheuristik ebenso wie andere Heuristiken zu Fehlurteilen führen. Konzentrieren Individuen sich primär auf die Repräsentativität werden andere Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses beeinflussen nicht berücksichtig oder wichtige Grundsätze der Wahrscheinlichkeitslehre missachtet (Strack & Deutsch, 2002).

2. Zentrale Erkenntnisse der Repräsentativitätsheuristik

2.1 Die Konjuktionstäuschung (conjuction fallacy)

Eines der berühmtesten Experimente von Tversky und Kahneman (Kahneman, 2011) ist das „Linda-Problem“. Die Probanden erhielten immer folgende Personenbeschreibung:

„Linda ist 31 Jahre alt, Single, freimütig und sehr intelligent. Sie hat Philosophie im Hauptfach studiert. Als Studentin interessierte sie sich sehr für Themen wie Diskriminierung und soziale Gerechtigkeit, und sie nahm auch an Anti-Atomkraft-Protesten teil.“ (Kahneman, 2011, S. 195)

Danach mussten Probanden auf einem Fragebogen entscheiden, welche der Aussagen wahrscheinlicher sei:

- Linda ist Bankkassiererin
- Linda ist Bankkassiererin und in der feministischen Bewegung aktiv

Tversky und Kahneman (1983) varrierten ihre Experimente.

In den ersten Versuchen erhielten die Probanden sieben verschiedene Antwortmöglichkeiten, worunter willkürlich auch die zwei Antwortmöglichkeiten waren, danach erhielten die Probanden die sieben Antworten, wobei die beiden Antworten die letzten zwei Möglichkeiten waren. Ebenfalls wurden Doktoranden getestet, um zu erforschen, ob sie ihre guten Statistikkenntnisse anwendeten und schließlich erhielten die Probanden nur noch die zwei Antwortmöglichkeiten. In allen Studien wählten 80 Prozent die zweite Antwort mit der feministischen Aktivität. Somit hatte die Repräsentativität gegenüber der Logik gewonnen (Kahneman, 2011).

Daraus fomulierten Tversky und Kahneman den Begriff des Konjuktionsfehlschlusses (conjuction fallacy), bei dem Menschen das Auftreten zweier Ereignisse (Bankkassiererin und Feministin) im direkten Vergleich für wahrscheinlicher halten, als eines der Ereignisse (Bankkassierin) alleine (Kahneman, 2011).

Somit wird das Extensionalalitätsprinzip der Wahrscheinlichkeitslehre missachtet, welches besagt, dass ein Ereignis A, was ein Ereignis B inkludiert, nicht wahrscheinlicher sein kann als A alleine (Strack & Deutsch, 2002).

Dieses Phänomen des Konjuktionsfehlschusses oder auch Konjuktionsfehler oder Konjuktionstäuschung wurde in weiteren Studien nachgewiesen (Strack & Deutsch, 2002).

2.2 Vernächlässigung der Basisrate (base rate fallacy)

Ein weiteres Experiment von Tversky und Kahneman (1973) bestand darin, dass sie zwei Probanden Gruppen Kurzbeschreibungen von Personen vorlegten. Diese sollten entweder dem Stereotyp des Juristen oder den des Ingenieurs entsprechen. Eine beispielhafte Beschreibung sah wie folgt aus:

Jack is a 45-year-old man. He is married and has four children. He is generally conservative, careful, an ambitious. He shows no interest in political and social issues and spends most of his free time on his many hobbies wich include home carpentry, sailing, and mathematical pizzles” (Tversky & Kahneman, 1982, S. 54).

Jede der beiden Gruppen erhielt unterschiedliche Aussagen zu der Basisrate. Der einen Gruppe wurde mitgeteilt, dass die Beschreibungen Ergebnisse psychologischer Interviews seien, an denen sich 30 Juristen und 70 Ingenieure beteiligt hätten. Bei der zweiten Gruppe waren 70 Juristen und 30 Ingenieure beteiligt. Die Aufgabe der Probanden besteht nun darin, die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen bei der es sich um einen Ingenieur oder Juristen handelte. Die unterschiedlichen Basisraten beeinflussten das Urteil der Versichsteilnehmer nicht. In beiden Gruppen gab die äußere Beschreibung und somit die Typikalität den Ausschlag für den Ingenieur (Tversky & Kahneman, 1973).

In einer Studie von Fiedler (1988) mit drei Probandengruppen konnte dies bestätigt werden. Probanden zogen Kugeln aus einem Gefäß mit Beschreibungen von 70 Rechtsanwälten und 30 Ingenieuren. Sie sollten nach dem Lesen der Beschreibung schätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie einen Ingenieur gezogen haben. Die Beschreibung deutete auf einen Ingenieur hin. Folglich schätzen die Probanden die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Ingenieur gezogen hatten höher als 30 Prozent ein, die dem Verhältnis der Kugeln entspricht. Die Urteilsverzerrung durch die Beschreibung bestätigte Kahneman und Tversky Annahme, dass die Personenbeschreibung zur Ignoranz der Basisrate aufgrund der Repräsentativität führt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Repräsentativitätsheuristik als Ursache für Fehlurteile bei der Personalwahl. Forschungsstand und Möglichkeiten der Reduzierung
Hochschule
( Europäische Fernhochschule Hamburg )  (Psychologie)
Veranstaltung
Grundlagen der Psychologie
Note
1.4
Jahr
2015
Seiten
27
Katalognummer
V314841
ISBN (eBook)
9783668144224
ISBN (Buch)
9783668144231
Dateigröße
931 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Repräsentativitätsheuristik, Personalentscheidung, Fehlurteil, Personal, subektiv
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Die Repräsentativitätsheuristik als Ursache für Fehlurteile bei der Personalwahl. Forschungsstand und Möglichkeiten der Reduzierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314841

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