Externalistische Bedeutungstheorien von Frege bis Kripke. Eine kritische Auseinandersetzung


Bachelorarbeit, 2015

37 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Auszüge der (internalistischen) Bedeutungstheorien
I.1 Einleitung
I.2 Subjektive Bedeutungstheorie bei John Locke
I.3 Sinn & Bedeutung bei Gottlob Frege
I.4 Bertrand Russells dreiteilige Analyse von Kennzeichnungen
I.5 Intension & Extension bei Rudolf Carnap
I.6 Bündeltheorie bei John Searle
I.7 Referentieller & attributiver Gebrauch bei Keith Donnellan

II „Bedeutungen sind nicht im Kopf“ - Die externalistische Kritik
II.1 Saul A. Kripkes kausale Theorie der Eigennamen
II.2 Hilary Putnams Zwillingserde und darüber hinaus

III Wo sind Bedeutungen dann? - Der Kritik antworten
III.1 Kritische Überlegungen zu Putnam

Nachwort

Quellenverweise

Literaturverzeichnis

Vorwort

In der vorliegenden Arbeit werde ich versuchen, die verschiedenen Bedeutungstheorien der analytischen Sprachphilosophie in einem systematischen sowie historischen Überblick darzustellen. Natürlich sind in Hinblick auf das Thema meiner Arbeit, nicht alle von mir beschriebenen und vorgebrachten Bedeutungstheorien als externalistische Bedeutungstheorie aufzufassen. Ich werde, um ein besseres Verständnis zu schaffen, damit beginnen, die Anfänge und Grundlagen der internalistischen Bedeutungstheorien zu erörtern. Auf diesem Fundament aufbauend, werde ich damit fortfahren, die gängigen Einwände der Externalisten zu beschreiben. Schlussendlich werde ich versuchen zu zeigen, in welchen Bereichen die Argumente des Externalismus nach meiner Sicht nicht stichhaltig sind.

Beginnend bei ihren Anfängen in der ersten Hälfte des 20ten Jahrhunderts in Europa, haben Philosophen rund um Gottlob Frege, dessen Schüler Rudolf Carnap und Bertrand Russell, den semantischen Internalismus geprägt. Dem stark entgegengesetzt waren Saul A. Kripke, Hilary Putnam sowie andere USamerikanische Philosophen, welche versuchten, ihre externalistischen Ansichten als die plausibleren und widerspruchsfreieren Theorien darzustellen. Besonderes Augenmerk möchte ich auf die externalistischen Bedeutungstheorien von Putnam und Kripke legen.

Bei Gottlob Frege beginnt die philosophische Frage bei der Beschaffenheit der „Bedeutung“. Mit seinen beiden kurz und prägnant gehaltenen Schriften „Der Gedanke“ sowie „Sinn und Bedeutung“ kann man ihn durchaus als Erbauer des Fundaments der ersten philosophischen Semantik sehen. Die Semantik ist einer der essentiellsten Bausteine der Sprachwissenschaft. Weiters muss man hier Morphologie (Wortgrammatik), Syntax (Satzgrammatik), Phonologie (Lautlehre) sowie Pragmatik (Sprachgebrauch) anführen. Mein Thema, die Semantik, beschäftigt sich unter anderem mit der Frage des Zusammenhanges zwischen den sprachlichen Zeichen und der Welt.

Was aber sind nun Bedeutungstheorien allgemein, wie sind diese zu verstehen und was ist ihr Ziel? In jeder Bedeutungstheorie, ob nun internalistisch oder externalistisch, ist das gesteckte Ziel immer dasselbe, nämlich, den sprachlichen Ausdrücken und Zeichen ihre Bedeutung zuzuordnen. Das Wort „Bedeutungstheorie“, im Titel meiner Arbeit, ist also die Semantik, die Wissenschaft von der Bedeutung der Zeichen (Wörter, Sätze usw.). Es geht dabei darum, wie die Beziehung zwischen Zeichen und deren Bedeutung beschaffen ist.

I Auszüge der (internalistischen) Bedeutungstheorien

I.1 Einleitung

Die Frage nach der Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen und der Welt hat eine lange Tradition. Die Debatte um die Bedeutung von Ausdrücken findet man bereits in der Antike und sie wird bis in die heutige Zeit fortgeführt. Ein markanter Teil der aktuellen Diskussion dreht sich um die Frage, ob Bedeutungen sprichwörtlich im Kopf oder außerhalb des Kopfes sind. In Grundzügen kann man sagen, dass dies zwei mögliche Auffassungen sind welche man vertreten kann. Entweder sind Bedeutungen etwas, das mit unserem Bewusstsein, beziehungsweise mit unserem Gehirn zu tun hat. Etwa, das von dort aus beginnt, und somit die Extension (Referenz) festlegt, oder eben nicht. Bedeutung ist also etwas, das individualistisch beschrieben werden kann. Die Bedeutung eines Ausdrucks wird demnach, polemisch gesprochen, dadurch bestimmt, was der jeweilige Sprecher „im Kopf“ hat. Diese Position ist das Fundament der Vertreter des semantischen Internalismus, und war der grundlegende Baustein der Theorien von Frege, Russell, Searle und Donnellan. Die Gegenposition stellt jene der Vertreter des semantischen Externalismus dar. In deren Schriften liest man, dass der hier beschriebene Ablauf einer Bedeutungstheorie, nämlich, dass die Intension (Weise der Bezugnahme, Begriffsinhalt) die Extension (Referenz, Klasse der Bezugsobjekte, Begriffsumfang) bestimmt, nicht zutreffend sein kann.

Diese Thesen beruhen in den meisten Fällen auf Gedankenexperimenten, in denen versucht wird zu zeigen, dass es bestimmte, vorstellbare Situationen geben kann, in welchen wir gleiche Gehirnzustände, oder gleiche mentale Zustände haben, die Extension aber trotzdem eine andere ist. Wenn man diese Gedankenexperimente für plausibel hält, gelangt man zu dem Punkt, an dem man einräumen muss, dass, wenn zwei Entitäten bei gleicher Intension unterschiedliche Extensionen aufweisen, also auf unterschiedliche Dinge in der Welt referieren, es - eo ipso - nicht sein kann, dass die Intension die Extension festlegt. Auf diese Weise wird versucht, dieses internalistische Fundament in Frage zu stellen. Putnam, Kripke etc. lehnen die internalistischen Thesen strikt ab, indem sie, unter anderem, den Bedeutungsbegriff vom Bewusstsein des Sprechers unabhängig zu machen versuchen, und ihm so seine Individualität nehmen.

Schon bei John Locke (1632-1704) finden wir diese grundlegende Unterscheidung. Ist die Definition nun etwas Bewusstseinsimmanentes, oder „nominal“, analog zu der Aussage „Junggesellen sind unverheiratete Männer“, oder aber ist sie etwas, was wir nur begreifen können, wenn wir den Gegenstand selbst auf seine substanzielle Beschaffenheit hin untersuchen? An welchem Ort wird es uns nun eher gelingen, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke festzumachen ? Bei den internalistischen Thesen der individuellen Sprecher oder in den Dingen selbst?

Wir stellen uns ebenso die Frage, ob Kennzeichnungen sowie Eigennamen referentielle Terme sind? Dies würde bedeuten, dass ihre Bedeutung sich in dem bezeichneten Objekt darstellt. Wie können Identitätsaussagen, wie „Der Morgenstern ist der Abendstern“ (a=b) informativ sein? Wenn die Bedeutung eines Namens in dem bezeichneten Objekt besteht, dann hätte dieser Satz dieselbe Bedeutung wie „Der Morgenstern ist der Morgenstern.“ (a=a). Diese Aussage ist jedoch nicht informativ, im Gegensatz zu jener Aussage im Ausgangssatz. Daher wurde diese Theorie im Laufe der Zeit abgeändert und verbessert. In meiner Arbeit werde ich, unter anderem, im ersten Abschnitt Russells These zur dreiteiligen Analyse darstellen, sowie die Fregesche Unterscheidung von Sinn und Bedeutung, welche er als zwei Aspekte der Bedeutungstheorie sprachlicher Ausdrücke einführt.

I.2 Subjektive Bedeutungstheorie bei John Locke

John Locke (1632-1704) beschreibt im dritten Buch seiner Schrift „Versuch über den menschlichen Verstand“ seine Auffassungen der Bedeutung von Wörtern. Er argumentiert für eine stark subjektive Bedeutungstheorie, indem er den mentalen Zustand eines Sprechers als wichtigsten Teil für die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks heranzieht.

Lockeanisch gesprochen ist die Bedeutung eines Satzes, die Idee eines Sprechers, kurzum das, was der Sprecher damit verbindet. Natürlich würde man hier sofort einwenden, dass, wenn jede Äußerung rein subjektiv wäre, man keinerlei wissenschaftliche Aussagen mehr mit objektivem Wahrheitsanspruch tätigen könne, sondern nur noch in der Form wie „wahr für x“ oder „wahr für y“. Wenn sich die Bedeutung eines Satzes also von Sprecher zu Sprecher ändert, ist es doch ebenso erstaunlich, dass wir miteinander sprechen und verstehen, was uns unser Gegenüber mitteilen möchte. Die Lockesche Spracherfassung ist streng genommen ein Sammelsurium, eine Addition von Privatsprachen. Jeder Mensch hat seine eigenen Ideen, jeder von ihnen gibt seinen Ideen entsprechende eigene Zeichen. Dies tun wir, nach Locke, um zwei Funktionen zu erfüllen. Erstens, um uns selber Ideen, die wir haben im Gedächtnis zu behalten, und zweitens, um mit anderen zu kommunizieren. Also ist es für Locke klar, dass die öffentliche Sprache nichts anderes ist, als die Summe aller Privatsprachen, der in einer Sprachgemeinschaft involvierten Wesen (vgl. Locke, 1988, S.5f). Diese Wesen sind, wenn man so will, „thinkers in isolation“. Um jedoch Bedeutungsinhalte, welche mehrere Personen erfassen können, zu erklären, finden die Vertreter des semantischen Realismus, namentlich Carnap, Frege und Russell, neue Wege und kritisieren Locke an dieser Stelle.

Nun wäre es auch möglich Bedeutungen und Konzepte zu bilden, ohne dass man diese notwendigerweise mit irgendjemand kommuniziert haben muss, jedoch könne niemand bezweifeln, und das schreibt Locke auch explizit, dass kein Mensch seinen Ideen irgendwelche Namen gibt, ohne im Hinterkopf zu haben, dass er damit, seine Ideen anderen Menschen mitteilen möchte. Er schreibt dazu:

„Da nun aber die Annehmlichkeiten und Vorteile der Gemeinschaft ohne eine Mitteilung der Gedanken nicht zu erreichen sind, so mußte der Mensch notwendig gewisse äußere, sinnlich wahrnehmbare Zeichen finden, mit deren Hilfe jene unsichtbaren Ideen, die seine

Gedankenwelt ausmachen, andern mitgeteilt werden könnten. Für diesen Zweck war im Hinblick auf Reichhaltigkeit und Schnelligkeit nichts so gut geeignet wie jene artikulierten Laute, die der Mensch mit solcher Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit zu erzeugen imstande war. (...)“

Wie ist aber nun für Locke die Verbindung zwischen sprachlichen Äußerungen und Objekten beschaffen?

„So wird es begreiflich, wie es dazu kam, daß gerade die Wörter, die ja von Natur diesem Zweck so vorzüglich angepaßt, von den Menschen als Zeichen für ihre Ideen verwendet wurden. Es geschah nicht wegen eines natürlichen Zusammenhanges, der zwischen einzelnen artikulierten Lauten und gewissen Ideen bestände, denn dann würde es in der ganzen Menschheit nur eine Sprache geben. Vielmehr geschah es vermittels einer willkürlichen Verknüpfung, durch die ein bestimmtes Wort jeweils beliebig zu Kennzeichen einer bestimmten Idee gemacht wurde. Der Zweck der Wörter besteht also darin, sinnlich wahrnehmbare Kennzeichen der Ideen zu sein; die Ideen, für die sie stehen, machen ihreeigentliche und unmittelbare Bedeutung aus.“

Locke vertritt die These, dass die Bedeutungen von Namen nichts anderes sind als Ideen und diese sind bewusstseinsimmanent. Wie ist also unser Begriff des Wortes „Baum“ entstanden? Durch Abstraktion gelangen wir zu den abstrakten Ideen. Lokeanisch gesprochen ist er aus den Wahrnehmungen entstanden, die ich von den unterschiedlichsten Bäumen hatte. (vgl. Locke, 1988, S.17) So ist mein Begriff von „Baum“ jener, welcher auf den Erfahrungen basiert, welche ich von Bäumen hatte. Dies würde dann natürlich festlegen, welche Gegenstände für mich als „Denker in Isolation“ unter dem Begriff „Baum“ fallen, und welche nicht.

„Als nächstes haben wir daher zu betrachten welche Art von Bedeutung den allgemeinen Wörtern zukommt. Einerseits leuchtet es nämlich ein, daß sie nicht schlechthin ein Einzelding bezeichnen, dann wären sie nicht allgemeine Ausdrücke, sondern Eigennamen. Andererseits leuchtet es ebenso ein, daß sie nicht eine Mehrheit bezeichnen; sonst wären Mensch und Menschen gleichbedeutend; (...) Allgemeine Wörter bezeichnen somit eine Art von Dingen; und zwar geschieht das bei jedem dieser Wörter dadurch, daß es als Zeichen für eine im Geist vorhandene Idee auftritt. Soweit die existierenden Dinge nun mit dieser Idee übereinstimmen, werden sie jenem Namen zugeordnet oder - was dasselbe besagt - gehören sie zu jener Art. Daraus erhellt, daß die Wesenheiten der Arten oder - wenn man das lateinische Wort vorzieht - der species, von Dingen nichts anderes sind als diese abstrakten Ideen. (...)“

Auch Locke muss einräumen, dass natürlich jeder unterschiedliche Kenntnisse von ein und demselben Ding hat und dementsprechend müsste man doch eigentlich annehmen, dass wir alle verschiedene Bedeutungen haben/erfassen. Dies führte dazu, dass neben der nominalen Wesenheit noch eine reale Wesenheit eingeführt wurde, welche die Bedeutung sichern und die Willkür vermeiden soll. Zugegeben stellt sich diese Subjektivität für Locke als Problem dar. Je nachdem welche Erfahrung ich mit einem bestimmten Ding gemacht habe, desto vielfältiger ist meine Kenntnis über das Ding und umso zahlreicher sind meine Intensionen, die ich mit dem Ding verbinde. Dies führt jedoch keinesfalls dazu, dass das Ding zwingenderweise, je nach Erkenntnisgrad, etwas anderes bedeutet. Es stellt ja ausschließlich zusätzliche Eigenschaften dar. Beim Beispiel des Goldes ist es so, dass ich beispielsweise nur weiß, dass es glänzt und andere wissen möglicherweise, dass ein Kilo Gold ein bestimmtes Gewicht hat, und wieder andere wissen vielleicht, dass es bei 150 Grad schmilzt. Locke in seinen eigenen Worten:

„Ein Kind, das an dem Metall, das es Gold nennen hört, nichts bemerkt hat als die glänzende gelbe Farbe, wendet das Wort Gold nur auf seine eigene Idee dieser Farbe und auf nichts anderes an es nennt daher dieselbe Farbe im Schweif des Pfaus ebenfalls Gold. Ein anderer, der schärfer beobachtet hat, fügt zu dem glänzenden Gelb das schwere Gewicht hinzu; dann vertritt der Laut Gold wenn er ihn benutzt, die komplexe Idee eines glänzenden Gelb und einer sehr schweren Substanz. Ein dritter fügt zu diesen Eigenschaften die

Schmelzbarkeit hinzu; dann bezeichnet für ihn das Wort Gold einen glänzenden gelben, schmelzbaren und sehr schweren Körper. (...) Sie alle gebrauchen übereinstimmend das Wort Gold, wenn sie veranlaßt sind, die Idee auszudrücken, die sie damit verknüpft haben. Es leuchtet jedoch ein, daß es jeder einzelne nur auf seine eigene Idee anwenden kann; er kann es nicht zum Zeichen einer komplexen Idee machen, die er nicht besitzt.“

Lockes Punkt ist jener, dass dies nicht damit zu tun haben kann, dass wir nicht alle bis zu einem gewissen Grad über die Bedeutung des sprachlichen Ausruckes „Gold“ Bescheid wissen, und dass dieser sprachliche Ausdruck jedes Mal eine andere Bedeutung bekommt. In diese Problem-Falle tappt man nur, wenn man die Bedeutung am Ding selbst, also an seiner Substanz festzumachen versucht, wie wir das bei Putnam später finden werden. Für Locke kommen abstrakte Ideen nicht wie bei Platon aus dem Reich der Ideen, sondern werden vom Sprecher selbst hervorgebracht. Der Sprecher erfährt Sinneseindrücke von Gegenständen und abstrahiert von diesen und gelangt, vereinfacht gesagt, durch diesen Prozess zu seinen abstrakten Ideen. Diese abstrakten Ideen sind also individuell und finden sich im Sprecher selbst. So kann es nicht möglich sein, dass zwei Sprecher sich im selben intentionalen Zustand befinden, aber hierauf werden wir noch später zu sprechen kommen. Locke meint weiter, dass dies der Grund gewesen wäre, warum eine reale Wesenheit (real essence) eingeführt wurde. Tatsächlich eben darum, um dieses Problem zu vermeiden, dass unterschiedliche Personen unterschiedlich abstrakte Ideen haben können, abhängig davon, welchen Wissensstand diese besitzen. Das Kind weiß von Gold nur, dass es diese und jene Farbe hat, wiederum Experten wissen, dass es einen bestimmten Schmelzgrad hat, eine bestimmte Dichte und so weiter und so fort. Dies würde dazu führen, dass wir keinerlei einheitliche abstrakte Ideen haben könnten, und daher müssten wir uns wieder auf die Dinge konzentrieren. Man hat versucht, das zu vermeiden, denn wenn die Essenz der Dinge tatsächlich in der Natur liegt, dann ist es völlig ausgeschlossen, dass Menschen unterschiedlich abstrakte Ideen haben können. Wiederum Locke selbst:

„(...) In dem Augenblick, in dem man die abstrakten Ideen beiseite läßt, mit deren Hilfe wir die Einzeldinge sortieren und unter gemeinsame Namen einordnen, schwindet sogleich der Gedanke an etwas, das für irgendeine von ihnen wesentlich sei. Wir haben keinen Begriffvon dem einen ohne das andere, was ihre Relation deutlich zeigt. Ich muss notwendig so sein wie ich bin, Gott und die Natur haben mich so geschaffen. Aber nichts von dem, was ich an mir habe, ist wesentlich für mich. (...) Nichts von alledem ist für den einen oder anderen Menschen oder überhaupt für irgendein Individuum wesentlich, solange es der Geist nicht auf eine Art oder species von Dingen bezieht (...) Wer sein eigenes Denken prüft, wird finden, daß sobald er etwas Wesentliches annimmt oder davon spricht, der Gedanke anirgendeine Art oder an die durch einen allgemeinen Namen bezeichnete komplexe Idee in seinem Geist auftaucht. (...) Es ist ebensowenig wesentlich, wie es für das weiße Ding, auf dem ich schreibe, wesentlich ist, daß Wörter darauf stehen. Soll aber jenes Einzelwesen der Art Mensch zugezählt werden und den Namen Mensch erhalten, dann ist die Vernunft für dieses Individuum wesentlich, vorausgesetzt daß Vernunft einen Bestandteil der komplexen Idee bildet, die durch den Namen Mensch vertreten wird. (...) Folglich beziehen sich„wesentlich“ und „unwesentlich“ nur auf unsere abstrakten Ideen und die mit ihnen verknüpften Namen. Das bedeutet aber nichts weiter, als daß ein Einzelding, wenn es nicht jene Qualitäten in sich hat, die in der durch einen allgemeinen Ausdruck bezeichneten abstrakten Idee enthalten sind, auch nicht unter die betreffende Art eingereiht werden oder den entsprechenden Namen erhalten kann; denn jene abstrakte Idee bildet ja eben das eigentliche Wesen dieser Art.“

Locke argumentiert, dass die Wesenheit oder die Essenz also „essence“ sich im üblichen Gebrauch des Wortes auf die Arten bezieht und für die Einzeldinge nur insofern in Betracht gezogen wird, als diese unter Arten eingeteilt werden. Ich muss notwendig so sein wie ich bin, Gott und die Natur haben mich so geschaffen, jedoch nichts von dem was ich an mir habe ist wesentlich für mich. (vgl. Locke, 1988, S.51f.) Das ist ein interessanter Satz. Locke weist daraufhin hin, dass der Wesens-Begriff nur Sinn macht in Bezug auf Arten. Dass es also bestimmte Bestimmungen gibt, welche ein Ding erfüllen muss, damit es unter diese Art fällt. Jedoch ist an dem Ding selbst nichts wesentlich. Wie steht es nun aber mit dem Satz: „Ich muss notwendig so sein wie ich bin.“. (vgl. Locke; „Versuch über den menschlichen Verstand“, S.51f.) Ein „so sein“ scheint ja zu implizieren, dass ich gewisse Eigenschaften habe. Wenn ich so bin und nicht anders, beziehungsweise wenn ich so bin, dann muss ich mich fragen worin dieses „so“ besteht? Und warum muss ich notwendigerweise so sein wie ich bin? Und in welcher Relation steht dies zu dem Satz: „Nichts von dem was ich an mir habe ist wesentlich für mich.“? (vgl. Locke,1988, S.51f.)

John Locke zieht die Notwendigkeit auf die Seite der abstrakten Ideen. Wie soll dies nun aber funktionieren, wenn jemand nur über eine rudimentäre Kenntnis verfügt in Bezug auf die Eigenschaften von Gold, während ein anderer einen sehr viel komplexeren Begriff davon hat? Wir müssten davon ausgehen, dass nach Locke eben jede und jeder einen teilweise unterschiedlichen Begriff von beispielsweise Gold hat, obwohl die rudimentären Bestimmungen wie gelb und glänzend allen gegeben ist. Dieses Problem kommt bei Locke klar zum Vorschein. Einfacher wird es hier für den semantischen Externalisten. In dieser Tradition gesehen, würde man sagen, das spielt für die Bedeutung des Ausdrucks keine Rolle, da die einzige relevante Instanz für die Bedeutung des Ausdrucks in dem Gegenstand zu suchen ist und nicht in irgendwelchen nominalen Bestimmungen.

Bei Locke finden wir die Unterscheidung einerseits in nominale Wesenheit (nominal essence „Bedeutung“), also in etwas wie: farblos, geschmacklos und so weiter; eben erfahrungsbedingte Bestimmungen, andererseits in die reale Wesenheit (real essence, wirkliche Beschaffenheit). Entitäten werden durch die nominal essence einer Art zugerechnet.

An dieser Stelle sei, als kurzer Einschub, auch das erste Mal Saul Kripke angesprochen, zu dem wir später noch kommen werden. Er teilt diese Auffassung, dass jedes Ding notwendigerweise so ist wie es eben ist. Dieser Bestärkung des Identitätssatzes heißt nichts anderes als, dass „A“ notwendigerweise nichts anderes als „A“ ist. Denn wenn es nicht „A“ wäre, dann wäre es ein anderer Gegenstand (z.b. „B“). Anders ausgedrückt wollen Locke und Kripke damit nur deutlich machen, dass ich notwendigerweise ich bin, weil, wenn ich nicht ich wäre, dann wäre ich ein Anderer. Kripke geht insofern weiter, als dass er dies nicht nur auf Personen, sondern eben auch auf Gegenstände anwendet. Wenn wir wissen, dass dieser Tisch tatsächlich aus Holz ist, so kann dieser Tisch nicht aus einem anderen Material sein, denn dann wäre es nicht dieser Tisch. (vgl. Kripke, 1981 S.130ff).

I.3 Sinn & Bedeutung bei Gottlob Frege

Gottlob Frege schildert in seinen beiden kurzen Texten „Sinn und Bedeutung“ sowie „Der Gedanke“ die erste systematische Darstellung zur Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken. Hier beginnen wir mit der Suche nach Antworten auf unsere Fragen: Wie können Identitäsaussagen informativ sein? Wie können Sätze mit leeren Namen sinnvoll sein? Wie können wir sinnlose Sätze verstehen? Und wie ordnen wir sprachlichen Zeichen einen Sinn zu?

Er unterscheidet in Sinn und Bedeutung von Zeichen (Namen, Wortverbindungen, Schriftzeichen) (vgl. Frege, SuB, S.24). Was veranlasst Frege zu seinen Überlegungen? Betrachten wir dazu einleitend die beiden folgenden Sätze. Hier stellen wir eine informative und eine nicht informative Identitätsaussage einander gegenüber:

Satz 1 : Der Morgenstern = Der Abendstern (A=B) *

Satz 2: Der Morgenstern = Der Morgenstern (A=A) **

Johann Stefan Tschemernjak 10

"Externalistische Bedeutungstheorien-eine kritische Auseinandersetzung"

*,** Der Morgenstern sowie der Abendstern beziehen sich beide auf den Planeten „Venus“.

Die beiden Sätze unterscheiden sich in ihrem Erkenntniswert. Die Aussage, dass der Morgenstern, der Abendstern ist, bringt eine neue Erkenntnis zu Tage. Im Gegensatz hierzu scheint die Aussage, dass der Morgenstern der Morgenstern ist, trivial zu sein, da er lediglich ausdrückt, dass ein Gegenstand mit sich selbst identisch ist (Tautologie) und dieses Wissen ist uns a priori, also vor jeder Erfahrung, gegeben. Im Gegensatz hierzu sind zumindest einige empirische Aufwendungen nötig, um den zweiten Satz als Erkenntnis a posteriori formulieren zu können. Für Frege ist klar, dass jeder Eigenname, jeder einfache und komplexe Satz, jede sprachliche Äußerung mit zwei semantischen Teilen verbunden sein muss. Die Eigennamen „der Morgenstern“ und „der Abendstern“ bezeichnen denselben Gegenstand, aber sie unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie den Gegenstand bezeichnen. Er führt an dieser Stelle seine Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung von Eigennamen ein:

„Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbundene zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist.“

In diesem Zitat aus Freges „Sinn & Bedeutung“ wird klar, dass die Bedeutung von Hesperus (Abendstern) und Phosphorus (Morgenstern) dieselbe ist, nämlich das Objekt der Referenz, welches durch den Namen bezeichnet wird. Bei beiden ist dies der Planet Venus. Ebenso wie die Bedeutung des Namens „Ludwig Maier“ die Person Ludwig Maier ist. Die beiden sprachlichen Ausdrücke „Morgenstern“ und „Abendstern“ unterscheiden sich jedoch in der, von Frege etwas unglücklich und ungenau bezeichneten, Art und Weise des Gegebenseins, in seinem Sinn. Der Sinn stellt damit den „Inhalt“ des sprachlichen Zeichens dar, während die Bedeutung das ist, was es bezeichnet. Der Morgenstern, welcher die Venus bezeichnet, was seine Bedeutung ist, hat ebenso einen Sinn, nämlich uns als jener Stern am Himmel gegeben zu sein, welcher am Morgen als letztes noch leuchtet. Ebenso ist der Abendstern, welcher ebenfalls die Venus bezeichnet, uns als jener Stern gegeben, welcher das hellste, nach Sonnenuntergang hervortretende Gestirn ist. Zusammenfassend müssen wir nach Frege also zwischen dem, was von einem Ausdruck bezeichnet wird, also seiner Referenz (Bedeutung) und der Art des Gegebenseins (Sinn) unterscheiden. Der Sinn ist wird zwar erfasst ist jedoch nicht explizierbar. Der Sinn bei Frege ist immer unsprachlich. Die Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen, Sinn und Bedeutung ist also jene, dass eine sprachliche Äußerung ihre Referenz (was eben bezeichnet wird) bedeutet (bezeichnet) und ihren Sinn ausdrückt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Externalistische Bedeutungstheorien von Frege bis Kripke. Eine kritische Auseinandersetzung
Hochschule
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Note
1
Autor
Jahr
2015
Seiten
37
Katalognummer
V314771
ISBN (eBook)
9783668133839
ISBN (Buch)
9783668133846
Dateigröße
656 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gottlob Frege, Saul Kripke, Bedeutungstheorie, korefferentielle Termini, Bertrand Russell John Seattle Bündeltheorie Sinn und Bedeutung, Der gegenwärtige König von Frankreich, Zwillingserde, Putnam, Gedankenexperiment
Arbeit zitieren
Johann Stefan Tschemernjak (Autor:in), 2015, Externalistische Bedeutungstheorien von Frege bis Kripke. Eine kritische Auseinandersetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314771

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