Die grundlegenden Werte von Romanrezensionen. Eine vergleichende Rezensionsanalyse


Hausarbeit, 2012

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theorie literarischer Wertung
2.1 Klärung zentraler Begriffe
2.2 Unterteilung axiologischer Werte

3 Grundlegende Einführung in das Werk

4 Vergleichende Rezensionsanalyse: Axiologische Werte in der Praxis

5 Fazit

6 Bibliografie

1 Einleitung

Eine Rezension ist nach allgemeinem Verständnis die „kritische Besprechung eines Buches [...], besonders in einer Zeitung oder Zeitschrift.“[1] „Kritisch“ impliziert hierbei, dass die Rezension keinesfalls auf eine reine Beschreibung des Gegenstandes begrenzt ist, sondern überdies subjektive Komponenten beinhaltet: Rezensenten interpretieren und kommentieren die Werke und kommen hierbei durchaus zu sehr unterschiedlich Urteilen. Als Paradebeispiel für Bewertungsdifferenzen ist an „Das Literarische Quartett“[2] zu denken, deren Diskussionsteilnehmer sich nur im Ausnahmefall in ihrer Kritik einig waren. Aber auch in den Feuilletons der Online- und Printmedien lassen sich zum Teil deutlich unterschiedliche Besprechungen finden, die jeweils andere Charakteristika eines Werkes hervorheben oder die gleichen Charakteristika abweichend deuten oder bewerten. Doch wie kommt es zu solch verschiedenen Beurteilungen eines gleichen Textes? Welche Bewertungskriterien liegen den Rezensionen jeweils zu Grunde und wie erfolgen unterschiedliche Zuschreibungen? Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Analyse und des Vergleichs von Buchbesprechungen, diese Fragen zu klären und allgemeine Wertmuster aufzuzeigen, auf denen Rezensionen aufbauen.

Renate von Heydebrand und Simone Winko haben in einem Standartwerk zum Thema[3] Maßstäbe für Literaturkritik und literarische Wertung herausgearbeitet. Dieser Text bildet die theoretische Basis und liefert das Handwerkszeug zur späteren Analyse der Rezensionen. In einem nächsten Schritt soll jedoch zunächst in das Werk eingeführt werden, mit welchem sich die Rezensionen beschäftigen: Sibylle Lewitscharoffs aktueller Roman „Blumenberg“[4] erfreute sich großer medialer Aufmerksamkeit und wurde in vielen namenhaften deutschen Zeitungen zum Zeitpunkt seiner Erscheinung ausführlich besprochen.[5] Des Weiteren bot der Roman Rezensenten diverse Anknüpfpunkte und wurde deshalb als Primärtext ausgewählt. In einem dritten Schritt sollen schließlich die Forschungsgegenstände in Form von ausgewählten Rezensionen vorgestellt und mit Hilfe der Heydebrand/Winko-Methode analysiert und verglichen werden. Im darauffolgenden Fazit sollen die Ergebnisse abschließend zusammengefasst und in den Kontext der gegenwärtigen Entwicklung der Literaturkritik eingeordnet werden.

2 Theorie literarischer Wertung

2.1 Klärung zentraler Begriffe

Nach Heydebrand und Winko bezeichnet der Begriff ‚Wertung’ eine Handlung, „in der ein Subjekt in einer konkreten Situation aufgrund von Wertmaßstäben (axiologischen Werten) und bestimmten Zuordnungsvorraussetzungen einem Objekt Werteeigenschaften (attributive Werte) zuschreibt.“[6]

Das Subjekt ist der Rezensent, das Objekt ist die zu bewertende Literatur. Die Begriffe ‚axiologischer Wert’, ‚attributiver Wert’ und ‚Zuordnungsvorraussetzung’ sollen im Folgenden unter Bezugnahme auf Heydebrand und Winkos Gesamttheorie erläutert werden.

Der axiologische Wert wird vom Subjekt bestimmt. Es ist der Wertmaßstab oder die Werterwartung, die der Rezensent von außen an das zu bewertende Objekt heranträgt. Dabei muss dies nicht zwangsläufig ein bewusster Akt sein.[7] Die ‚Emanzipation der Frau’ kann beispielsweise als Werterwartung an einen literarischen Text herangetragen werden. Von diesem sehr allgemeinen axiologischen Wert leiten sich dann weitere Wertmaßstäbe wie z.B. ‚selbstständige Denkweise der Frauenfiguren’, ‚unabhängige Lebensweise’ oder ‚Verweigerung der Dienst- oder Opferrolle’ ab. Ein allgemein gefasster axiologischer Wert wie ‚Darstellung der Emanzipation der Frau’, von dem weitere axiologische Werte abgeleitet werden, wird auch als ‚Wertprinzip’ bezeichnet.[8] Was die Gründe für die (unbewusste) Wahl der Maßstäbe beim Rezensenten sind, ist nicht vollständig geklärt. Axiologische Werte könnten aus der Vernunft abgeleitet, in gesellschaftlichen Gruppen verankert oder aus individuell-subjektiven Wertvorstellungen des jeweiligen Rezensenten entstanden sein.[9] Die Wahl des axiologischen Wertes ist außerdem Objektabhängig. So würde ein Rezensent für ein Kinderbuch nicht die gleichen Wertmaßstäbe heranziehen wie für einen Kriminalroman.

Ein weiterer klärungsbedürftiger Begriff ist ‚attributiver Wert’. Dieser liegt nicht beim Subjekt sondern im Objekt (dem literarischen Text). Der Rezensent, der seine axiologischen Werte an ein Werk heranträgt, wird diese Werte als Eigenschaften im Text wiederfinden und dementsprechend beurteilen. Greift man das Beispiel des axiologischen Wertes ‚Emanzipation der Frau’ auf, so wird das Merkmal der Romanhandlung, dass die Protagonistin ein unabhängiges Leben führt, zu einem attributiven Wert.[10] Wenn die Emanzipation der Frau als hoher Wert postuliert wird, so fällt der attributive Wert in diesem Beispiel positiv aus. Wird die Emanzipation vom Rezensenten abgelehnt, so ist der attributive Wert hingegen negativ.[11] Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich axiologischer und attributiver Wert hautsächlich in ihrer Perspektive voneinander unterscheiden:

„Bezieht sich eine Aussage auf den Wertmaßstab mit dessen Hilfe attributive Werte zugeschrieben oder weitere axiologische Werte legitimiert werden, so nennen wir den Wert einen axiologischen; bezieht sich die Aussage schon auf den Text oder auf Merkmale im Text, so haben wir es mit einem [...] attributiven Wert zu tun.“[12]

Texte oder Textmerkmale sind nach diesem Modell also nicht an sich gut oder schlecht, sondern nur mit Bezug auf die vom Rezensenten vertretenen axiologischen Werte kann ihnen ein (positiver oder negativer) Wertgehalt zugeschrieben werden.[13]

Ein drittes wichtiges Element dieses Modells bilden die Zuordnungsvorraussetzungen. Diese legen fest, wie der Rezensent seinen axiologischen Wert definiert. Um das vorangegangene Beispiel erneut aufzugreifen: Zwei Rezensenten, die den gleichen Roman bewerten sollen und auch beide den axiologischen Wert ‚Emanzipation der Frau’ als Maßstab ansetzen, können dennoch zu unterschiedlicher Bewertung kommen. Für einen Rezensenten rechtfertigt die unanhängige Lebensweise der Protagonistin die Zuschreibung des Wertes während für den anderen dieses Merkmal allein nicht ausreicht, um den Text als emanzipatorisch zu beurteilen. Damit sich also zwei Rezensenten in ihrer Literaturkritik einig sein können, bedarf es nicht nur der Anwendung der gleichen Wertmaßstäbe, sondern ebenfalls der gleichen Definition dieser Maßstäbe.

2.2 Unterteilung axiologischer Werte

Nach der Klärung der Begriffe sowie der grundlegenden Darstellung der Theorie soll nun detaillierter eingestiegen werden. Dieses Kapitel liefert einen Überblick über die wichtigsten beziehungsweise am häufigsten verwendeten axiologischen Werte. Natürlich können nicht alle Werte hier aufgezählt werden, da prinzipiell Maßstäbe aus allen denkbaren Lebensbereichen zur Bewertung herangezogen werden könnten.[14] Dennoch kann ein übergeordnetes Schema erstellt werden, in das sich die Vielfalt axiologischer Werte eingliedern lässt. Dieses Schema unterteilt die Werte in die vier Kategorien Formalität, Inhalt, Relation und Wirkungsbezug, die im Folgenden charakterisiert werden.[15]

Formale axiologische Werte beziehen sind auf direkte Eigenschaften eines Textes, die attributiven Werte die diesem Maßstab entsprechen sind demnach werkimmanent.[16] Vom dem formalen Wert als oberstes Werteprinzip können weitere konkrete Werte (unter jeweiligen Zuordnungsvorraussetzungen) abgeleitet werden, wie beispielsweise der Wert der Wirklichkeitsreferenz oder der Schönheit. Ein Wert wie Schönheit wiederum kann nun seinerseits untergliedert werden in weitere Werte wie Stimmigkeit, Gestaltung der Sprache oder Komplexität die wiederum unterteilt sind usw..[17] Ob ein solcher Wert dabei ein positiv oder negativ besetzter Maßstab ist, hängt vor allem von der Art des zu beurteilenden Werkes ab. So kann Komplexität in einem Roman durchaus erwünscht sein während Komplexität in einem Lehrbuch eher einen negativ besetzten Wertmaßstab darstellen würde.

Der Bereich inhaltlicher axiologischer Werte ist der wahrscheinlich umfassendste Bereich. Diese Werte können „aus allen Bereichen menschlichen Lebens übertragen werden, für die überhaupt Werte ausgebildet werden.“[18] Eine besondere Rolle spielen hier die Subkategorien Wahrheit und Moralität. Vor allem Moralität ist vielseitig auslegbar. Es kann die charakterliche Schönheit der Figuren im Fokus der Bewertung stehen oder beispielsweise auch die Darstellung von Gerechtigkeit oder Humanität.[19]

Die Kategorie der relationalen axiologischen Werte setzt den Text in Bezug zu anderen literarischen Werken oder der Realität. So sind Originalität, Neuheit oder Fortschritt jeweils Werte, die sich nur im Vergleich mit vorangegangenen literarischen Texten identifizieren lassen. Wirklichkeitsnähe lässt sich hingegen im Abgleich mit der Realität feststellen und Repräsentativität wertet Literatur im Verhältnis zu einer bestimmten historischen Situation.[20]

Die vierte Überkategorie vereint die wirkungsbezogenen axiologischen Werte. Diese beziehen sich auf die Wirkung, die ein Text entweder beim Rezensenten selbst auslöst oder auf Wirkungen die der Rezensent für andere erwartet.[21] Innerhalb der wirkungsbezogenen Werte ist zwischen individueller und gesellschaftlicher Ebene zu unterteilen. Auf individueller Ebene sind z.B. Anregung zur Reflexion oder Sinnstiftung ein Maßstab. Auch hedonistische Werte (z.B. ob das Lesen Lust bereitet) fallen in diesen Bereich. In den Bereich gesellschaftlicher Werte fällt hingegen z.B. der sogenannte Prestigewert, der einen Zugewinn an Ansehen durch Besitz oder Lektüre bestimmter Werke (z.B. Goethe Klassiker) sichert.[22]

3 Grundlegende Einführung in das Werk

Bevor die wertenden Rezensionen dargelegt und mithilfe der vorgestellten Theorie analysiert werden sollen, ist an dieser Stelle zunächst eine allgemeine Einführung in die Primärliteratur in Form einer wertneutralen Inhaltsangabe angebracht. Die Handlung des 2011 erschienenen Romans „Blumenberg“ von Sibylle Lewitscharoff[23] lässt sich dabei nicht auf eine klassische Plotformel reduzieren, da die Erzählung hauptsächlich in voneinander größtenteils unabhängigen Szenarien und Beschreibungen von Gedankenwelten angelegt ist.

Protagonist des Romans ist der Philosoph Hans Blumenberg, beziehungsweise eine der realen Person nachempfundene Romanfigur, die in den achtziger Jahren in Münster arbeitet und lehrt. Der nächtliche Besuch eines Löwen im Arbeitszimmer des Philosophen markiert das entscheidenden Moment, an dem sich der Romanverlauf aufhängt. Das edle Tier wird zu Blumenbergs ständigem Begleiter, das außer der Geistlichen Käthe Mehliss und ihm selbst kein Mensch zu sehen vermag. Vor allem bei der nächtlichen Arbeit des Philosophen ist der Löwe als beruhigende und inspirierende Kraft anwesend.

Die Schilderungen Blumenbergs Leben mit dem Löwen wechseln sich ab mit Erzählsequenzen, die sich seinen Studenten zuwenden. Da ist zunächst Isa, die sich heillos in ihren namenhaften Professor verliebt hat. Da sind die Freunde Gerhard und Richard, die ebenfalls in Blumenbergs Vorlesungen sitzen. Oder Hansi, der sich, seine unbeliebten Gedichte in Kneipen vortragend, als Lyriker versucht. Mit einem gewöhnlichen Campus-roman sind die Studentenkapitel aber nicht zu vergleichen, denn alle portraitierten Figuren werden schnell und auf meist makabere Weise in den Tod geschickt um im letzten Kapitel in einer Art nachweltlichen Höhle wieder mit ihrem Professor zusammengeführt zu werden.

Neben diesen parallelen Handlungssträngen kommentiert zusätzlich ein Erzähler den Roman auf Metaebene und versorgt den Leser mit außerhalb der fiktiven Realität liegenden Fakten. All die Bestandteile der Erzählung werden vorrangig durch ein gemeinsames Thema verknüpft: Es geht um philosophische und religiöse Fragen und um die Konfrontation mit dem Übernatürlichen, dem Metaphysischen in der Welt, wie die Autorin im Interview erläutert.[24] Außerdem ist das Buch als eine Hommage an den realen Blumenberg zu verstehen. Biographie und Werk des Philosophen wurden mit fiktiven Momenten und dem Löwenmotiv verwebt und der Löwe steht so nicht nur für das Transzendente, sondern gleichermaßen als Zeichen der Würdigung eines großen Philosophen.[25]

[...]


[1] URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Rezension

[2] Das Literarische Quartett war eine Literatursendung des ZDF, ausgestrahlt von 1988-2001,

URL: http://www.dasliterarischequartett.de/sendung.php

[3] Heydebrand, Renate von / Simone Winko: Einführung in die Wertung von Literatur. Systematik, Geschichte, Legitimation, Paderborn 1996

[4] Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg, Berlin 2011

[5] Vgl. URL: http://www.perlentaucher.de/buch/36885.html

[6] Heydebrand/Winko 1996, S. 39

[7] Vgl. Heydebrand/Winko 1996, S. 40 f.

[8] Vgl. ebd., S. 42

[9] Vgl. ebd.

[10] Vgl. ebd., S. 43

[11] Vgl. Heydebrand/Winko 1996, S. 43

[12] Heydebrand/Winko 1996, S. 43

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. ebd., S. 111

[15] Als plastische Übersicht zu diesem Kapitel ist Heydebrand/Winkos „Typologie axiologischer Werte“ dieser Arbeit angehängt.

[16] Vgl. Heydebrand/Winko 1996, S. 113

[17] Vgl. ebd.

[18] Ebd., S. 119

[19] Vgl. ebd. 119 ff.

[20] Vgl. ebd. 121 ff.

[21] Vgl. ebd., S. 124

[22] Vgl. ebd., S.124 ff.

[23] Sibylle Lewitscharoff: Blumenberg, Berlin 2011

[24] Vgl. URL: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1460534/Sibylle+Lewitscharoff+im+Interview

[25] Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die grundlegenden Werte von Romanrezensionen. Eine vergleichende Rezensionsanalyse
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Kritik aktueller Romane: LiteraTour Nord
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V314509
ISBN (eBook)
9783668130593
ISBN (Buch)
9783668130609
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Literaturkritik, Rezension, Sibylle Lewitscharoff, Besprechung, Blumenberg
Arbeit zitieren
Natalja Fischer (Autor:in), 2012, Die grundlegenden Werte von Romanrezensionen. Eine vergleichende Rezensionsanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314509

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