Textlinguistische Analyse im Comic. Isabel Kreitzs „Emil und die Detektive“


Hausarbeit, 2014

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Analyse des Comics
2.1. Das Zeichen im Comic
2.2. Kohäsion
2.3. Kohärenz
2.4. Intertextualität

3. Schlussbetrachtung

4. Abbildungen

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der relativ jungen Teildisziplin der Linguistik, der ‚Textlinguistik‘, geht es, wie der Name vermuten lässt, um Texte. Sie rücken als Ganzes in den Vordergrund der Betrachtungen. Da in der Textlinguistik vornehmlich Gebrauchstexte im Fokus der Untersuchungen stehen, soll hier bewusst ein literarischer Text behandelt werden. Diese Arbeit dreht sich um einen Text der Gattung Comic, genauer um den Comic „Emil und die Detektive“ von Isabel Kreitz aus dem Jahr 2012, den die Mehrheit wahrscheinlich eher in Romanform, als den im Jahre 1929 erstmals erschienenen Kinderbuchklassiker von Erich Kästner, kennt.

Ein Comic besteht zunächst nur aus wenig Text, welcher, wird er unabhängig von den Bildern gelesen, nicht unbedingt als ein zusammengehöriger Text erkannt wird. Ebenso wird ein Comic nicht ohne weiteres ohne die dazugehörigen Textteile verstanden. Letzteres Phänomen wurde in einer Dissertation (Hünig 1973) belegt, in dem Probanden einen Comic ohne seine Textteile vorgelegt bekamen und anhand dessen aufschreiben sollten, was sie „gelesen“ hatten. Es ließ sich dabei feststellen, daß sich die Informanten mit unterschiedlichem Erfolg bemühen, einen stringenten Handlungsablauf aus der Repräsentosyntaktfolge zu erkennen. Da dies nicht ohne weiteres möglich ist, kommt es auf der einen Seite zu Mißverständnissen, auf der anderen zu Vertauschungen der Reihenfolge. (Hünig 1973; 161)

Zweierlei lässt sich daraus schlussfolgern: Erstens scheinen wir in allem einenschlüssigen Zusammenhang sehen zu wollen und zweitens ist es offensichtlich nicht ausreichend dies nur anhand der Bilder korrekt[1] zu tun.

Die Formulierung ‚einen Comic lesen‘ scheint also sowohl die Text-, als auch die Bildanteile zu umfassen. Warum dem so ist und wie im Comic Text- und Bildanteile miteinander verknüpft werden, sodass der Comic als gesamtheitlicher Text betrachtet wird, soll Gegenstand dieser Untersuchung sein.

Es gibt eine Reihe von Abhandlungen (z.B. Favaro 2001, Helbling 1995 und Schmitz- Emans 2012), welche sich gänzlich oder in Abschnitten mit Comics beschäftigen. Die meisten sind der Literaturwissenschaft zuzuordnen. Mario Saraceni (2003) und Jakob F. Dittmar (2011) beziehen allerdings auch linguistische Perspektiven in ihre Argumentation ein. Vor allem zwei Abhandlungen aus den 70er Jahren (Krafft 1978 und Hünig 1973) richten ihr Hauptaugenmerk auf die linguistische Seite von Comics.[2]

Dies ist insofern nicht verwunderlich, da damals die Sprachwissenschaft, im Zuge der sogenannten „pragmatischen Wende“[3], in den Blickpunkt rückte und der Comic zu jener Zeit langsam als eigenständige Gattung, mit gewissen Regeln für Erscheinungsbild und Inhalt, Aufmerksamkeit erregte (vgl. Wolk 2007; 6-7) und deshalb ein Interesse an der Kombination beider Disziplinen nur logisch erschien.

Die Analyse in dieser Arbeit orientiert sich an den Ausführungen Krafts (1978). Des Weiteren soll auf die Kriterien zurückgegriffen werden, welche Beaugrande und Dressler in ihrer „Einführung in die Textlinguistik“ (1981) als Definitionskriterien festlegen. Allerdings wird sich auf drei der sieben Textualitätskriterien beschränkt, da diese Arbeit kein Beweis für die Textualität des Comics sein soll, sondern dessen Textualität anhand der Duden-Definition[4] als vorausgesetzt angesehen wird.

Um eine anschauliche Struktur in die textlinguistische Analyse zu bringen, sind die Kriterien von Beaugrande/Dressler (1981) dennoch geeignet, weshalb der Hauptteil in die Aspekte Kohäsion, Kohärenz und Intertextualität gegliedert ist. Dem geht ein Abschnitt voraus, welcher allgemein etwas zur Semiotik erläutert und speziell zum Zeichen im Comic.

Im Folgenden wird nun der Comic „Emil und die Detektive“ (Kästner/Kreitz 2012) auf die genannten textlinguistischen Phänomene geprüft und näher untersucht. Der gesamte Comic wird dabei als ein Text angesehen, muss allerdings für die Analyse, ähnlich der bei ganzheitlich sprachlichen Texten, in seine einzelnen Bestandteile zerlegt werden, damit das Funktionieren des Textes als Ganzes verstanden werden kann.

2. Analyse des Comics

2.1. Das Zeichen im Comic

In der Semiotik ist ein Zeichen etwas, das für etwas steht. Es gibt 3 Arten von Zeichen:

1. Ikonische Zeichen: Sie stehen in einem Abbildverhältnis zu dem, für das sie stehen. Z.B. kann ein Foto oder Gemälde eines Hauses für ebendieses stehen.
2. Indexikalische Zeichen: Sie stehen in einem Folge-Verhältnis zu dem, für das sie stehen. Beispielsweise ist Rauch ein Zeichen für Feuer.
3. Symbolische Zeichen: Sie sind willkürlich und abhängig von Konventionen. Z.B. steht die Buchstabenfolge ‚H-a-u-s‘ für die Idee eines Hauses, weil das Wort ‚Haus‘ dies im Deutschen bedeutet.

(vgl. Saraceni 2003; 15)

Schrift ist laut dieser Erläuterung also symbolisches Zeichen. Kommen allerdings paraverbale Zeichen hinzu, kann Schrift auch mehr indexikalischen Charakter bekommen. In einer Handschrift kann sich beispielsweise das etwaige Alter des Produzenten abbilden oder auch, ob er es eilig hatte, also in welcher Verfassung dieser beim Schreiben war. Schrift kann also auch, je nach Aussehen, mehr als nur symbolisches Zeichen sein. Der Comiczeichner macht sich dies zunutze, indem er laut geäußerte wörtliche Rede beispielsweise größer und fett schreibt, oder teilweise zwischen verschiedenen Schriftarten wechselt, um unterschiedliche Charaktere darzustellen.

Nonverbale Zeichen, wie Gestik, Körperhaltung oder Kleidung, welche in schriftsprachlichen Texten durch Beschreibungen hinzugefügt werden müssen, können im Comic einfach über das Bild, also ikonisch dargestellt werden. Dies kann aber gleichzeitig auch indexikalisch sein, denn durch das Abbild einer haareraufenden Figur könnte man auf dessen Gemütszustand schließen. Der Comic lebt vom Zusammenspiel der verschiedenen Zeichen. Sie interagieren miteinander und tragen gemeinsam zum Verständnis des Textes bei.

Soll eine Äußerung zum Beispiel als gesungen dargestellt werden, gibt es im Comic die Möglichkeit, Noten in die Sprechblase mit aufzunehmen (siehe Abb. 8). Dieses Zeichen ändert dann die Funktion der Sprechblase. Sie stellt nun nicht mehr Sprache, sondern Gesang dar. Ändert sich die Funktion dahingehend, dass anstelle von Sprache Laute oder Geräusche dargestellt werden, wird oft die Sprechblase modifiziert. In „Emil und die Detektive“ (Kästner/Kreitz 2012) erhält sie dann eine eckige Kontur (siehe Abb. 3, Panel 1).

Im Comic muss zwischen geschlossenen und offenen Zeichen unterschieden werden. Kraft definiert in seinen Untersuchungen (1978; 35) das geschlossene Comic-Zeichen folgendermaßen:

1. geschlossene, charakteristische Kontur;
2. bei komplexen Zeichen: festgelegte Struktur der Anzeichen;
3. beliebige Kombinierbarkeit mit anderen Panelelementen.

Er ordnet diesen Zeichen sogenannte Anzeichen unter, welche auf dem Teil-Ganzes- Abhängigkeitsverhältnis beruhen und somit eine (siehe Punkt 2 der Definition) feste Struktur aufweisen. Als Beispiel soll das Zeichen ‚Emil‘ aus „Emil und die Detektive“ (Kästner/Kreitz 2012 (Abb. 1, zweites Panel)) herhalten. Diese Figur besteht aus den Anzeichen: ‚Kopf‘, ‚Ohren‘, ‚Augen‘, ‚Nase‘, ‚Mund‘, ‚Haare‘, ‚Körper‘, ‚Arme‘, ‚Hände‘, ‚Finger‘, ‚Beine‘, ‚Füße‘. Diese Elemente sind miteinander verknüpft und stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis, welches sich in einem Baumdiagramm darstellen lässt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man nun das achte Panel in Abbildung 1, so sieht man lediglich ‚Haare‘ und ‚Ohren‘. Da diese Anzeichen aber in dem Anzeichen ‚Kopf‘ eingebettet sind, dieses wiederum im Anzeichen ‚Körper‘ und dieses im Zeichen ‚Emil‘, erkennt der Leser dennoch die Figur ‚Emil‘ anhand dessen Haaren und Ohren wieder. Die Anzeichen sind an das Zeichen ‚Emil‘ und somit kontextgebunden. Wohingegen das Zeichen selbst (siehe Punkt 3 der Definition) mit anderen Panelelementen kombiniert werden kann, also kontextunabhängig ist (vgl. Kraft 1978; 35). Diese tiefer greifende Struktur reicht bereits in den Abschnitt Kohärenz hinein und wird unter 2.3. wieder aufgegriffen.

Offene Zeichen hingegen besitzen „keine eigene Abgrenzung, keine Kontur“ und werden „immer vom Panelrand begrenzt“. Da dieser jedoch „nicht die Grenze des Zeichens, sondern nur die Grenze der Darstellung markiert“, ist das offene Zeichen demnach gedanklich beliebig erweiterbar und eben offen (Kraft 1978; 41). Der Leser kann den Hintergrund, trotzdass sich dieses offene Zeichen mit Änderungen des Blickwinkels von Panel zu Panel verändert, weiterhin als den gleichen erkennen. Dies hängt mit der inhaltlichen Verknüpfung zusammen, die ebenfalls im Abschnitt 2.3. nochmals aufgegriffen wird. Kraft (1978; 82-83) trifft des Weiteren die Unterscheidung zwischen funktionalen und lexematischen Zeichen[5], bezeichnet dabei erstere auch als Comic-Morpheme und letztere als Comic-Lexeme.

Im Comic „Emil und die Detektive“ (Kästner/Kreitz 2012) wurde nur mit drei der sechs, von Kraft genannten, Comic-Morpheme gearbeitet: der Sprechblase, dem Panelrand und den graphische Akzenten. Laut Kraft seien sie funktional, konventionell, gebunden und nicht verweisend. Anstatt eine Bedeutung zu tragen, üben sie also eine Funktion aus. Diese ist konventionell in der Gattung verankert, hat also symbolischen Charakter, denn Sprechblasen haben beispielsweise immer die Funktion wörtliche Rede zu vermitteln und tun dies immer mit dem gleichen Zeichen. Außerdem können sie nicht rückverwiesen werden, denn – und hierin widerspricht sich Kraft – sie seinen außerdem frei mit jeder Figur kombinierbar, also nur bedingt gebunden, nämlich immer nur an die jeweilige Figur, die gerade spricht. Dies geschieht durch den kleinen Zipfel an der Blase, der in etwa mit den Inquit-Formeln in der Schriftsprache gleichzusetzen ist.

Im Kontrast zu den Comic-Morphemen stehen die Comic-Lexeme, welche lexematisch, motiviert, selbstständig und verweisend seien. Sie tragen also eine Bedeutung, sind kontextunabhängig und können rückverwiesen werden. Anstatt der Formulierung ‚motiviert‘ würde der Begriff ‚ikonisch‘ eigentlich besser passen, da dieser auch den Kontrast zur Eigenschaft ‚konventionell‘, also zum symbolischen Charakter der Comic- Morpheme, besser hervorheben würde.

2.2. Kohäsion

Das gesamte Buch „Emil und die Detektive“ (Kästner/Kreitz 2012) besteht aus 112 Seiten. Neben der eigentlichen Comicgeschichte enthält es außerdem Informationen zur Zeichnerin, zu Auflage und Verlag, ein Titelblatt, eine abschließende Seite, sowie den Hardcover-Einband. Für die Analyse sind jedoch (zunächst) nur die 107 Seiten der eigentlichen Geschichte relevant.

Es handelt sich um eine Detektivgeschichte, welche zum größten Teil in Berlin stattfindet. Die gesamte Geschichte lässt sich in Abschnitte einteilen, dafür muss die „Panelfolge korrekt segmentier[t] und die Segmente zueinander in Beziehung [ge]setz[t]“ (Krafft 1978; 15) werden. Um dies zu tun, muss zwischen den einzelnen Panels eine Verbindung bestehen. Es müssen Rückbezüge und/oder neue Informationen in den Panels vorhanden sein, die auch als solche markiert sind. Bei der Analyse von sprachlichen Texten ist dies durch Kohäsion gesichert. Beaugrande/Dressler (1981; 3-4) bezeichnen damit „die Art, wie die Komponenten des [Oberflächentextes] […] miteinander verbunden sind.“

[...]


[1] ‚Korrekt‘ meint in diesem Zusammenhang ‚der Intention des Autors entsprechend‘.

[2] Wobei letztgenannte anspruchsvoll geschrieben und nur stellenweise flüssig zu lesen ist. Außerdem enthält sie sehr detaillierte und abstrakte Schaubilder, die eine gewisse Geduld erfordern, um sie zu entschlüsseln, was das Lesen nicht sehr angenehm gestaltet.

[3] Gemeint ist der „Paradigmenwechsel, der sich in den Sechzigerjahren und zu Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts in der Sprachwissenschaft vollzogen hat, nämlich des Wechsels von der systemorientierten zur kommunikations- und funktionsbezogenen Sprachbetrachtung […].“ (Fix 2008; 15)

[4] „Ein Text ist ein komplexes sprachliches Zeichen, das von den Kommunizierenden zusammenhängend codiert bzw. decodiert wird. Schreiber und Leser folgen dabei syntaktischen, semantischen und pragmatischen Regeln.“ (Duden 2009; 1060)

[5] Auch Saraceni (2003; 5-7) trifft diese Unterscheidung, geht dabei aber nicht so gründlich vor wie Kraft

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Textlinguistische Analyse im Comic. Isabel Kreitzs „Emil und die Detektive“
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Deutsches Seminar)
Veranstaltung
Einführung in die Textlinguistik
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
18
Katalognummer
V314493
ISBN (eBook)
9783668130937
ISBN (Buch)
9783668130944
Dateigröße
2618 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Comic, Textualität, Emil und die Detektive, Kohäsion, Kohärenz, Intertextualität, Erich Kästner
Arbeit zitieren
Tina Schwelnus (Autor:in), 2014, Textlinguistische Analyse im Comic. Isabel Kreitzs „Emil und die Detektive“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314493

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