Von der Kita zum Familienzentrum. Ein Bildungsmanagementprozess


Bachelorarbeit, 2015

66 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Abbildungsverzeichnis ... 6

2. Einleitung ... 7

3. Bildungsmanagement ... 10
3.1 Begriffsverständnis – Definition ... 10
3.2 Bildungsmanagement im Spannungsfeld zwischen Bildungs- und Management­ansätzen .. 12
3.3 Ein integrierter Management-Ansatz – Das St. Galler Management-Modell (SGMM) ... 13

4. Aktuelle Trends – Warum sich Kitas zum Familienzentrum entwickeln? ... 17
4.1 Bedeutung des Bildungsortes „Familie“ ... 17
4.2 Aktuelle Trends – Lebenslagen von Familien heute ... 18
4.3 Von der Kita zum Familienzentrum - Familienzentren in Deutschland ... 22

5. Den Prozess der Weiterentwicklung steuern - Bildungsmanagement als Führungsaufgabe ... 25
5.1 Change-Management – Steuerung von Veränderungsprozessen ... 25
5.1.1 Planung ... 27
5.1.2 Durchführung ... 28
5.1.3 Evaluation/Transfererfolg ... 33
5.2 Ansprüche an Management und Führung ... 36

6. Betriebliches Bildungsmanagement - Lernen im Familienzentrum – ... 40
6.1 Normatives, strategisches und operatives Bildungsmanagement - Human-Ressource-Management ... 41
6.2 Personalentwicklung ... 44
6.3 Organisationsentwicklung ... 46

7. Kompetenzentwicklung und Reflexivität im Lernort „Familienzentrum“ ... 48
7.1 (Berufliche) Handlungskompetenz ... 48
7.2 Reflexive Handlungskompetenz ... 49

8. Lernen im Prozess – Von der Kita zum Familienzentrum / didaktische Überlegungen ... 51
8.1 Neue Wege des Lernens in der Arbeit ... 51
8.2 Arbeitsbezogene Lernmodelle ... 52
8.3 Überblick über verbindende Lernformen ... 53
8.4 Geeignete Lernformen ... 55
8.4.1 Individuelles Lernen ... 55
8.4.2 Angeleitetes Lernen ... 56
8.4.3 Kooperatives Lernen ... 56

9. Fazit und Ausblick ... 58

10. Literaturverzeichnis ... 61

[...]

2. Einleitung

Immer häufiger entwickeln Kitas sich deutschlandweit zu Zentren für Familien und öffnen sich in den Sozialraum. Häufig sind diese Einrichtungen gut vernetzte Knotenpunkte für alle Menschen im Stadtteil, die ein vielfältiges Unterstützungsspektrum an Bildungs- und Beratungsangeboten und Hilfen für Familien offerieren. Diese Entwicklungstendenzen entstanden als Konsequenz einer sich immer weiter verändernden Gesellschaft. Die Familie als wichtigster Lebens- und Bildungsort für Kinder, in der wertvolle Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung und des Kompetenzerwerbs stattfinden, steht dabei im Fokus dieser Betrachtung. Dies führte dazu, dass in herkömmlichen Kindertageseinrichtungen die einstige Kind-Orientierung der pädagogischen Ausrichtung erweitert und verstärkt die gesamte Familie in den Blick genommen wird (vgl. Eggers, 2014, S. 175).

Ferner sind die Rahmenbedingungen für das familiäre Zusammenleben heute komplexer geworden. Familien werden immer mehr mit hohen oder kaum zu bewältigenden Anforderungen an die Gestaltung ihres Alltags konfrontiert. Zu diesen Herausforderungen gehören u.a. die Zunahme von vielfältigen Lebens- und Familienformen, die Erosion konventioneller Familienmodelle, Entgrenzung der Erwerbsbedingungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Armut, Multikulturalität und Diversität (vgl. Jurczyk et al., 2014, S.11; Rietmann, 2008, S. 10 ff.). Diesen Anforderungen kann nur bedingt in einer herkömmlichen Kindereinrichtung entsprochen werden. Um der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Thematik Rechnung zu tragen und Familie als Ganzes in den Mittelpunkt zu stellen, ist die Entwicklung von Kitas zu Familienzentren notwendig.

In diesem Zukunftsmodell avanciert eine dialogische Kompetenzpartnerschaft zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften zunehmend zu einer Hauptaufgabe pädagogischer Fachkräfte. Danach werden Eltern mit ihren Kompetenzen wahrgenommen, respektiert und eingebunden. Dieses Verständnis setzt eine offene und reflektierte Haltung gegenüber Familien und eine Beziehung auf Augenhöhe voraus. Für pädagogische Fachkräfte und die gesamte Organisation bedeutet dies, dass sie sich mit der Erweiterung ihres Berufsprofils und mit der Veränderung des Aufgabenspektrums auseinandersetzen müssen (vgl. Eggers, 2014, S. 175).

Derartige Veränderungsprozesse erfordern vielfältige Gestaltungs-, Koordinierungs- und Managementaufgaben. Somit wird in dieser Arbeit der Versuch unternommen diese multiplen Anforderungen durch ein umfassendes Bildungsmanagement zu untersetzen. Dieses versteht sich hier als komplexe Strategie zur Planung, Steuerung und Evaluierung von Lernprozessen die in Organisationen stattfinden oder von diesen veranlasst und verantwortet werden (vgl. Marburger & Griese, 2011, S. 5). Im Verlauf dieser Arbeit wird die aus der Themenstellung resultierende Forschungsfrage: „Welchen Beitrag/Unterstützung kann ein Bildungsmanagementprozess für die Entwicklung einer Kita hin zum Familienzentrum leisten?“ durch eine theoretische Exploration, bestehend aus verschiedensten Theorien, Modellen, Texten und Dokumenten beantwortet. Somit wird der gesamte Bildungsmanagementprozess als komplexe Strategie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und es werden Gestaltungswege des Lernens aufgezeigt. In einem Familienzentrum verstehen sich alle Beteiligten als Lernende. Aus diesem Grund gehören Führungskräfte, Pädagogen und Teams von Kitas zu den Hauptzielgruppen dieser Untersuchung, da sie Bildungsprozesse, Beratungsangebote und Hilfen für Familien gestalten und verantworten. Zudem werden Familien als Rezipienten und Hauptnutzer der Angebote nachgeordnet als Zielgruppe des Bildungsmanagementprozesses definiert. In diesem Sinne nimmt diese Arbeit aktuelle bildungs- und familienpolitische Diskurse auf und versucht herauszufinden, wie und mit welchen Unterstützungsmöglichkeiten ein Bildungsmanagement derartige Veränderungsprozesse begleiten kann.

Im Kapitel 3 soll der Versuch unternommen werden, den Begriff „Bildungsmanagement“ zu definieren und zu beschreiben. In diesem Kapitel wird zudem das oben erwähnte Spannungsfeld zwischen den Bildungs- und Managementansätzen genauer beleuchtet und differenziert. Bildungsmanagement wird hier als komplexe Managementaufgabe betrachtet. Als ein „Integrierter“ Ansatz stellt das St. Galler Management-Modell, welches hier zur Beantwortung der Forschungsfrage herangezogen wird „[...] einen Rahmen zur Verfügung, in dem wichtige Zusammenhänge zwischen den einzelnen Modellelementen deutlich werden und anhand dessen sich konkrete Gestaltungsaufgaben definieren lassen“ (Seufert, 2013, S. 35).

Im darauf folgenden Kapitel 4 werden aktuelle gesellschaftliche Trends aufgezeigt, die letztendlich zur Beantwortung der Frage, „Warum es für Kita´s Sinn macht sich zu einem Familienzentrum weiter zu entwickeln?“ beitragen sollen. Das Verhältnis zwischen Familie, Beruf und Kita wird hier ebenso beleuchtet, wie das Gesamtkonstrukt, „Das Familienzentrum als lernende Organisation“.

Um den eben geschilderten Weiterentwicklungsprozess entsprechend steuern zu können, wird im Kapitel 5 auf das Bildungsmanagement als Führungsaufgabe eingegangen. Der zugrunde liegende Veränderungsprozess, hier auch als Change-Management bezeichnet, wird aus Leitungssicht einer Einrichtung, die sich auf den Weg zum Familienzentrum gemacht hat, auf den Ebenen Planung, Durchführung und Evaluation skizziert. Weiterhin werden die Ansprüche an Management und Führung in diesem Prozessverlauf thematisiert.

Das Kapitel 6 thematisiert das betriebliche Bildungsmanagement. Dieses umfasst grundsätzlich die Gesamtheit aller auf Individuen, Gruppen und Organisationen bezogenen Lernprozesse im Betrieb. (vgl. Dehnbostel, 2010) Gegliedert wird dieser Begriff in ein normatives, strategisches und operatives Bildungsmanagement. Auf einer strukturellen Ebene wird die Gliederung des Begriffes durch eine kontinuierliche Personal- und Organisationsentwicklung ergänzt.

Im Kapitel 7 geht es nicht nur einseitig um die Vermittlung von fachwissenschaftlich und formell organisierbaren Qualifikationsinhalten, vielmehr geht es um ganzheitliche, auf die Lernenden bezogene Kompetenzen, für deren lebensbegleitenden Erwerb das Lernen in der Arbeits- und Lebenswelt unerlässlich ist. Hier werden die für das betriebliche Bildungsmanagement wegweisenden Begriffe der Kompetenz und Reflexivität angesprochen und präzisiert, indem die beiden Konzepte der „beruflichen Handlungskompetenz“ und der „reflexiven Handlungsfähigkeit“ in den Fokus gestellt werden. (vgl. Dehnbostel, 2014)

Kapitel 8 setzt einen Schwerpunkt auf das Lernen im Prozess. Der Bildungsmanagementprozess zum Familienzentrum wird hier insbesondere durch unterschiedliche Formen des arbeitsbezogenen Lernens gestützt. Hier geht es zudem um die gezielte Erschließung des Arbeitsfeldes als Lernort, bis hin zu einem Überblick neuer Lernkonzepte und –formen, die das Lernen in der Arbeit unterstützen.

Finalisiert wird die Arbeit durch ein Fazit im Kapitel 9.

3. Bildungsmanagement

3.1 Begriffsverständnis – Definition

Bildungsarbeit ist heute aufgrund sich dynamisch entwickelnder gesellschaftlicher Veränderungen, einem permanenten oft tiefgreifenden und schnelllebigen Wandel unterworfen. Menschen sind permanent in vielfältige technische, soziale und wirtschaftliche Kontexte eingebunden und vernetzt. Dadurch handeln sie in immer komplexeren Zusammenhängen (vgl. Müller, 2009, S. 70). Diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Bildungsarbeit von Bildungsorganisationen [1], die demnach angehalten sind, auf die fortlaufenden gesellschaftlichen Anforderungen zu reagieren. Einerseits versuchen sie Lernende auf Veränderungen, wie beispielsweise neue Technologien, Verfahrensweisen vorzubereiten. Desgleichen versuchen diese Organisationen Menschen bei der Bewältigung gestiegener An- und Herausforderungen in vielen Bereichen des Berufs- und Alltagslebens und beim Aneignen von Kompetenzen zu unterstützen. Andererseits geraten Bildungsorganisationen heute selbst immer mehr in Situationen des Konkurrenzdrucks und sind bestrebt ihre eigene Existenz zu sichern (vgl. Decker, 2000, S. 19).

Der aufgrund dieser Auseinandersetzungen stetig wachsende Bildungsmarkt, auf dem teils wettbewerbsorientiere Angebote privater und öffentlicher Anbieter sich immer wieder neu zu platzieren versuchen, lässt Bildung in diesem Kontext als Ware erscheinen. Damit wird Bildung, so Seufert (2013) zu einem Produkt, welches „[…] auf Kundenbedürfnisse hin ausgerichtet, budgetiert, organisiert ist und mit Hilfe von Marketingkonzepten […] auf dem Bildungsmarkt möglichst vorteilhaft gegenüber der Konkurrenz positioniert werden soll“ (S. 2). Hier wird deutlich, dass Bildungsorganisationen ihre Ziele heute nicht mit herkömmlichen Lehr- bzw. Lernansätzen und Führungstechniken erreichen können. Vielmehr bedarf es eines umfassenden Managements, welches in der Lage ist, die komplexen pädagogischen und dispositiven Prozesse bzw. Anforderungen in einer Bildungsorganisation zu betrachten. Zusammengeführt wird dieser Anspruch in dem Begriff des Bildungsmanagements. Als ein noch relativ junges Themenfeld bezeichnet es die zielgerichtete „[…] Steuerung, Gestaltung und Entwicklung von sozio-technischen Systemen[2], die dem Zweck der Bildung von Menschen dienen […]“ (Müller, 2009, S. 76).

Um Bildungsmanagement nun wissenschaftlich richtig einordnen zu können sind zwei Definitionsansätze erforderlich. Zum einen ist Bildungsmanagement, als komplexe und proaktive Strategie zur Planung, Steuerung und Evaluierung von Lehr/Lernprozessen die in Organisationen stattfinden oder von diesen veranlasst und verantwortet werden, zu verstehen (vgl. Marburger & Griese, 2011, S. 5). Dadurch ergänzen und durchdringen letztendlichen Managementgrundsätze und –instrumente immer stärker Lehr-/Lernprozesse (vgl. Decker, 2000, S. 12). Zum Anderen lässt sich Bildungsmanagement pädagogisch als zentrale Entwicklungsaufgabe in Bildungsorganisationen kennzeichnen, letztendlich mit dem Ziel Bildungsdienstleistungen anspruchsgruppengerecht anzubieten und unter dem Anspruch des lebenslangen Lernens kontinuierlich weiter zu entwickeln (vgl. Seufert, 2013, S. 2). Auch hier wird deutlich, dass der Begriff des Bildungsmanagements versucht die Diskrepanz zwischen betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analysen und pädagogischem Bedarfs- und Bildungsverständnis aufzugreifen (siehe Kap. 3.2). Damit kann Bildungsmanagement als Teilgebiet der Wirtschaftspädagogik betrachtet werden, da es Führungstätigkeiten einschließt, die sich auf vielfältige, institutionelle Bildungsorganisationen wie beispielsweise Kindergärten, Familienzentren, Schulen, Hochschulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen und betriebliche Weiterbildung übertragen lassen (vgl. Seufert, 2013, S.4). Ein kooperatives Bildungsmanagement kann zwischen diesen einzelnen Bildungsinstitutionen Austauschbeziehungen in Form von Netzwerken und Kompetenzzentren entstehen lassen.

Der Bildungsmanagementbegriff lässt sich zudem in die zwei Handlungsebenen, Bildungsprozessmanagement und Bildungsbetriebsmanagement unterteilen (vgl. Müller, 2009, S. 82 ff.). Ein Bildungsprozessmanagement beinhaltet die didaktische Steuerung hinsichtlich Planung, Durchführung und Evaluation von (Weiter)-Entwicklungsprozessen. Damit weist dieser Begriff große Ähnlichkeit zum, im Titel dieser Arbeit erwähnten, Bildungsmanagementprozess auf. Der Bildungsmanagementprozess betrachtet das gesamte Bildungsmanagement als einen integrativen Prozess, bei dem pädagogisch-didaktische mit betriebswirtschaftlichen und Führungsaufgaben verbunden werden (vgl. Decker, 2000, S. 32) (siehe Kap. 5). Der Unterschied liegt allerdings im Detail. Während im Bildungsprozessmanagement vorwiegend die Lernenden selbst im Zentrum der Betrachtung stehen, wird dieser Blick im zweitgenannten Begriff erweitert. Das Bildungsbetriebsmanagement befasst sich aus diesem Grund vorwiegend mit der normativen, strategischen und operativen Ausrichtung der Bildungsorganisation mit ihren Lehr- und Lernprozessen. Darunter sind auch dispositive und Managementaufgaben im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung zu verstehen (siehe Kap. 6).

3.2 Bildungsmanagement im Spannungsfeld zwischen Bildungs- und Managementansätzen

Bildungsmanagement verbindet die beiden Teilbegriffe „Bildung“ und „Management“ miteinander. Die Gefahr dieser begrifflichen Fusion besteht darin Management mit einer Fremdbestimmung gleichzusetzen, die zusätzlich durch wirtschaftliche Interessen unterwandert wird. Mit der Zusammenführung dieser Begriffe wird zudem impliziert, dass sich Bildung managen lässt (vgl. Dehnbostel, 2014, S. 17). Dies widerspricht dem in der europäischen Aufklärung konstituierten Bildungsbegriff, der von einem Subjekt ausgeht, welches sich autonom, selbstbestimmt und kritisch Wissen aneignet. Das moderne Bildungsverständnis postuliert zudem das Aneignen von Kompetenzen statt trägem Wissen. Demnach ist „Wissen […] wichtig, aber alleine reicht es nicht, um eine Aufgabe kompetent zu bewältigen“ (Seufert, 2013, S. 8). Unter dem Begriff „Learning Outcome“ wird zudem auf die Erwartung hinsichtlich eines Bildungsprozesses hingewiesen. Damit geht es heute vornehmlich beim Kompetenzerwerb um Wirkungsresultate, die durch Lehr- und Lernprozesse erzielt werden sollen. Am Ende kann nur dann von guter Bildung gesprochen werden, „[…] wenn die erworbenen Kompetenzen eine normative gewünschte Qualität […]“ aufweisen (Euler & Hahn, 2007, S. 84 zitiert vgl. Seufert, 2013, S. 9).

Der Managementbegriff kommt hingegen aus der Betriebswirtschaftslehre. „Management ist die Leitung soziotechnischer Organisationen, die sich professionellen Methoden bedient und ein System von Aufgaben umfasst, welche sich als Gestalten, Lenken und Weiterentwickeln zusammenfassen lassen.“ (Ulrich 1984 zitiert nach Litke, 2007, S. 20). Management ist zudem als ein Prozess zu verstehen, der aus den Phasen: Planung, Durchführung und Evaluation besteht. Als Führungsaufgabe gibt Management bewusst Entwicklungsimpulse und verantwortet in personen- und sachbezogener Hinsicht eine Zielerfüllungsstrategie. Zudem werden nach heutigem Verständnis Managementaufgaben auf allen hierarchischen Ebenen notwendig. So ist nicht mehr nur die Leitung, sondern es sind alle Mitarbeiter angehalten unternehmerisch zu denken und mitzuwirken (vgl. Seufert, 2013, S. 12).

Die Ausbalancierung von ökonomischen Zielen der Wirtschaftlichkeit und einem pädagogisch bildungsbezogen Verständnis bildet nun das Spannungsfeld in dem sich Bildungsmanagement befindet (vgl. Seufert, 2013, S. 5). Eine Harmonisierung dieser beiden aneinandergefügten Begriffe kann nur gelingen, wenn das Management von Bildung im Zusammenhang von Dienstleistung betrachtet wird. Als Dienstleistungen werden in diesem Fall vorwiegend Unterstützungsangebote und Hilfestellungen bei Bildungsprozessen bezeichnet, die durch eine hohe Mitwirkung der Lernenden charakterisiert sind (vgl. Müller, 2009, S. 76). Diese Argumentation öffnet gerade Bildungseinrichtungen wie den in dieser Arbeit thematisierten Familienzentren, deren Handeln sich hauptsächlich auf soziale Bildungs- und Unterstützungsangebote bezieht, nicht unerhebliche Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Letztendlich greift „[…] ein reflexives Bildungsmanagement [dieses] Spannungsfeld zwischen Pädagogik und Ökonomie bewusst auf, um adäquate [proaktive] Gestaltungslösungen innerhalb gegebener Grenzen zu entwickeln“ (Seufert, 2013, S. 5).

3.3 Ein integrierter Management-Ansatz – Das St. Galler Management-Modell (SGMM)

Die bisherigen Ausführungen zum Bildungsmanagement, die letztendlich in einer reflexiven Gestaltungspraxis münden, werden in dem St. Galler Management-Modell (SGMM) integriert. Dieses Modell wurde in den 60er Jahren von Hans Ulrich an der Universität in St. Gallen entwickelt. Bis heute wurde das Modell u.a. durch Knut Bleicher und Johannes Rüegg-Stürm unter Einbezug neuer Erkenntnisse weiterentwickelt. Mittlerweile ist schon das SGMM der 4. Generation entwickelt worden (Rüegg-Stürm & Grand, 2014).

Das SGMM vermittelt Führungskräften einen differenzierten Überblick über die Organisation als komplexes System. Zudem weist es auch auf wesentliche Probleme, Wirkungszusammenhänge und Interdependenzen hin, mit dem Ziel Orientierung für das komplexe System einer Organisationen zu schaffen. Das Modell stellt damit „[...] einen Rahmen zur Verfügung, in dem wichtige Zusammenhänge zwischen den einzelnen Modellelementen deutlich werden und anhand dessen sich konkrete Gestaltungsaufgaben definieren lassen“ (Seufert, 2013, S. 35). Führungskräfte können nach diesem Modell u.a. ihre Entscheidungsfindung präziser reflektieren und strategische Vorhaben für die Unternehmensführung ganzheitlicher gestalten. Methodisch eignet sich dieser Ansatz als Selbstreflexion für Führungskräfte, sowie für die Moderation von Dialogen (vgl. Bleicher, 2001, S. 72). Im Folgenden wird nun in Anlehnung an Seufert (2013) der Versuch unternommen, Bildungsmanagement mit dem integrierten Management-Ansatz des SGMM zu verknüpfen.

[Dies ist eine Leseprobe. Grafiken und Tabellen können nicht angezeigt werden.]

Abbildung 1: Bildungsmanagement nach dem St. Galler Management-Modell (Seufert, 2013, S. 23)

Anhand des Modells wird eine komplexe Bildungsorganisation in eine Außen- und Innenwelt gegliedert. Auf der Ebene der Außenwelt befinden sich die Kategorien Umweltsphären, Anspruchsgruppen und Interaktionsthemen. Die Innenwelt der Bildungsorganisation wird durch die Kategorien Sinnhorizonte, Gestaltungsebenen und Entwicklungsmodi charakterisiert.

Das neue SGMM unterscheidet auf der Ebene der Außenwelt zunächst die vier Umweltsphären Gesellschaft, Natur, Technologie und Wirtschaft in die eine Bildungsorganisation eingebettet ist. Zu den Anspruchsgruppen gehören organisierte und nicht organisierte Gruppen von Menschen, Organisationen und Institutionen (Stakeholder) die eine Relevanz für die Bildungsorganisation darstellen (vgl. Rüegg-Stürm, 2002, S. 23). Dazu gehören beispielsweise Staat, Jugendamt, Kapitalgeber, Kooperationspartner und die Öffentlichkeit. Speziell an Bildungsorganisationen angepasst und ergänzt wurden die Gruppen der Lehrenden und Lernenden. Wobei die zuletzt genannte Gruppe der Lernenden „[…] als Co-Produzenten, d.h. als zentrale, aktive, Akteure im Bildungsprozess verstanden“ werden (Seufert, 2013, S. 30). Letztlich finden auf dieser Ebene kommunikative Prozesse statt, die eine Auseinandersetzung zwischen der Bildungsorganisation und ihren Anspruchsgruppen über sogenannte Interaktionsthemen, wie Ressourcen, Normen und Werte, sowie Anliegen und Interessen beinhalten.

Die von Seufert (2013) modifizierte Version des SGMM differenziert zudem auf der Innenwelt die Sinnhorizonte in die drei Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements (vgl. u.a. Diesner, 2008, S. 40; Dehnbostel, 2014, S. 14, Doppler, 2009, S. 424 f.). Das normative Management umfasst die allgemeinen Leitziele und Leitbilder einer Bildungsorganisation. Auf Bildungseinrichtungen bezogen, stellt diese Perspektive eine Basis zur Legitimierung und Begründung für ihr bildungsbezogenes Handeln in sämtlichen Lehr-Lernprozessen und Bildungsangeboten dar (vgl. Bleicher, 2001, S. 75; Seufert, 2013, S. 31). Strategisches Management beschäftigt sich in Bildungsorganisationen vor allem mit der Ausrichtung und der Entwicklung von Bildungs- und Lernaktivitäten. Im operativen Management geht es um die praktische Umsetzung von Bildungsprozessen. Bezugnehmend auf die Prozessperspektive „[…] wurde das vorliegende Modell an die Erfordernisse des Bildungsmanagements angepasst und in die drei Gestaltungsebenen Makro-, Meso- und Mikro-Ebene unterschieden“ (Seufert, 2013, S. 23). Auf der Makro-Ebene werden Gestaltungsaufgaben markiert, die die gesamte Bildungsorganisation betreffen. Ein Bildungsmanagement hat hier zur Aufgabe Rahmenbedingungen, Strukturen und Ressourcen so zu konzipieren bzw. zu gestalten, dass Lehr-/Lernprozesse optimal durchgeführt werden können. Bildungsprozesse der Meso-Ebene haben zur Aufgabe Bildungsprogramme zu planen, durchzuführen und zu evaluieren. Hier werden vorwiegend Bildungsprogramme in Teams gestaltet und entwickelt. Die Mikro-Ebene hat zum Ziel die persönliche Kompetenzentwicklung der Lernenden und Lehrenden in den Fokus der Betrachtung zu stellen. Die Entwicklungsmodi beschreiben anhand der beiden Formen Optimierung und Erneuerung Veränderungs- und Wandlungsprozesse einer Organisationen. Während Optimierung lediglich eine Justierung von gegebener Strukturen darstellt, impliziert Erneuerung grundlegende Veränderungen beispielsweise von gegebenen Denk- und Verhaltensmustern, sowie Abläufen und Routinen der Organisation (vgl. Rüegg-Stürm, 2002, S. 84).

Letztendlich kann ein professionelles Bildungsmanagement, welches Bildung als komplexe Managementaufgabe betrachtet, durch das SGMM unterstützt werden. Untermauert wird diese These u.a. dadurch, dass systemische Interaktionen einzelner Handlungsfelder sichtbar werden und sich deshalb klare Gestaltungsaufgaben für das Bildungsmanagement definieren lassen. Damit wandelt sich Führung von einem „[…] verwaltungsorientierten Erledigungsdenken [hin] zu einem gestaltungsorientierten Bildungsmanagement“ (Seufert, 2013, S. 15).

Dieser partizipative Ansatz bezieht die Interaktion mit der Umwelt und allen Beteiligten mit ein. So können sämtliche Interessen der Außen- und Innenwelt, vor allem zwischen dem Management, den Mitarbeitern und der Elternschaft aufeinander abgestimmt werden. Nicht zuletzt gestalten, entwickeln und verwirklichen all diese Akteure eine individuelle Profilbildung zum Familienzentrum. Lernprozesse gestalten sich dabei durch und über die gemeinsame Entwicklungsarbeit. Um die Partizipation und die Wirkung zu optimieren, können Bildungsorganisationen sich zudem in Bildungsnetzwerken vernetzen und mit anderen Organisationen kooperieren, mit dem Ziel den Standort zu sichern und Ressourcen zu bündeln.

Das für Bildungsmanagementanforderungen modifizierte SGMM eignet sich daher hervorragend für die Beantwortung der Forschungsfrage. Aus diesem Grund werden im Verlauf dieser Arbeit verschiedene Elemente des Modells herausgegriffen und mit der Themenstellung verknüpft.

4. Aktuelle Trends – Warum sich Kitas zum Familienzentrum entwickeln?

In diesem Kapitel wird der Versuch unternommen den Bogen zu spannen zwischen den aktuellen Trends und den gestiegenen Herausforderungen für die Gestaltung des Familienalltags, über die Bedeutung der Familie für das kindliche Aufwachsen, bis hin zur Frage, inwiefern ein gutes Miteinander zwischen Familie und Bildungseinrichtung gelingen kann?

4.1 Bedeutung des Bildungsortes „Familie“

Die Familie ist der erste Ort für die Erziehung, Bildung und frühe Förderung der Kinder. Somit sind Eltern für ihre Kinder die wichtigsten Bezugspersonen und haben einen entsprechend verfassungsrechtlich festgeschriebenen Erziehungsauftrag (vgl. Bundesministerium für Familie, 2013, S. 4). Zudem stellt die Familie als Lebensmittelpunkt für Kinder auch einen Bildungsort[3] dar, in dem entscheidende Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung und des Kompetenzerwerbs stattfinden. Diesem Bildungsort ist in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt worden. Dies liegt sicherlich an der Überbewertung der formalen Bildung, die sich u.a. in schulischen institutionalisierten Lernkontexten wiederfindet. Der Familie als Bildungsort für alle Generationen wird mittlerweile eine große Bedeutung zugemessen. Untermauert wird dies durch den hohen Grad an informellen Bildungsgelegenheiten, die zur Alltagspraxis in Familien gehören (vgl. Die Zeit, 2015). Diese vollziehen sich zumeist in Interaktion mit Familienmitgliedern und im praktischen Tun, im Mitmachen, Abgucken, Ausprobieren und Einüben, aber auch im gezielten Vermitteln von Wissensinhalten (vgl. Büchner, 2006, S. 47). Der Begriff Familie stellt hier einen Rahmen dar, der durch die Weitergabe von Werten, Tugenden, Regeln und Kompetenzen nicht nur die Identitätsentwicklung von Kindern fördert, vielmehr wird hier nach Bourdieu (1982, S. 137) ein bestimmter „Geschmack“ erworben. Dieser Geschmack ist in diesem Kontext nicht als genetische Veranlagung zu verstehen, vielmehr ist er Resultat eines Sozialisationsprozesses, der wiederrum durch die soziale Herkunft, also die Familie, geprägt und beeinflusst wird. Damit ist klar, dass Bindungs- und Sozialisationsprozesse, die in der Familie stattfinden, zu den Grunderfahrungen und zur Keimzelle der Persönlichkeit eines Menschen gehören (vgl. Büchner, 2006, S. 14). Für die Gesellschaft hat Familie einen unermesslichem Wert, da sie neben der Gestaltung der Sozialisation für die nachwachsenden Generationen, auch den Zusammenhalt fördert und letztlich den Erhalt unseres Wohlfahrtsstaates sichert (vgl. Jurczyk et al., 2014, S.11). Dies alles macht Familie mit Abstand zu einem der einflussreichsten „Soziotope“ unserer Gesellschaft (vgl. Bundesministerium für Familie, 2013, S. 38).

Auf der Gestaltungsebene kann Familie mit einer Herstellungsleistung gleichgesetzt werden. Denn das alltägliche Handeln setzt voraus, dass Familie als gemeinschaftliches Ganzes permanent neu hergestellt wird ("Doing Family"). Dazu kommt, dass sich die Beziehungen in ihr auch im Laufe der Zeit verändern und zum anderen werden konkrete Praktiken und Handlungen der Familienmitglieder, im Alltag der Familie lebbar gemacht (vgl. Schier & Jurczyk, 2007). Unter dem Begriff „Familie“ können viele Formen eines auf Dauer angelegten, intergenerationalen privaten Zusammenschlusses gefasst werden (vgl. Bundesverband der Familienzentren e.V., 2015). Intergenerativ meint in diesem Zusammenhang, dass die Familienmitglieder unabhängig vom Lebensalter füreinander Sorge tragen und Verantwortung übernehmen. Diese definitorischen Ausführungen begründen sich auf einem psychologischen [4] Begriffsverständnis von Familie, da sie die intergenerationalen Beziehungen betonen und Familie als System behandeln (vgl. Kramlinger, 2000, S. 9 ff.). U.a. handelt es sich bei den verschiedenen Familien- und Lebensformen heute um Kernfamilien, Lebensgemeinschaften, Patchworkfamilien, Stieffamilien, Regenbogenfamilien und Migrationsfamilien. Diese Vielfalt zeigt einerseits wie unterschiedlich sich Familien gegenwärtig zusammensetzen und andererseits die dahinter häufig komplexe Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Trends, die Familien bei der Bewältigung ihres Alltages herausfordern.

[...]


[1] Unter Bildungsorganisation werden Bildungseinrichtungen wie Hochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Kindertagesstätten und u.a. verstanden. Zudem wird in der vorliegenden Arbeit aufgrund der Themenstellung nur von Bildungsorganisationen und nicht von Bildungsabteilung etc. gesprochen.

[2] Unter soziotechnischen Systemen oder Organisationen sind hier nicht nur (private) Unternehmen sondern sämtliche „Praxis-Gemeinschaften“ (vgl. Rüegg-Stürm & Grand, 2014, S. 21) eingeschlossen, dazu gehören auch öffentliche (Bildungs-) Institutionen, wie Kindergärten, Familienzentren, Schulen, Verwaltungen und Vereine.

[3] Nach dem Buch Bildungsort Familie (Büchner & Brake, 2006).

[4] Es gibt noch den rechtlichen, genealogischen und religiösen Familienbegriff, die in dieser Arbeit allerdings nicht von Relevanz sind (vgl. Werneck & Rohrer-Werneck, 2000, S. 9 ff.)

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Von der Kita zum Familienzentrum. Ein Bildungsmanagementprozess
Hochschule
FernUniversität Hagen  (BA Bildungswissenschaft)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
66
Katalognummer
V314265
ISBN (eBook)
9783668145313
ISBN (Buch)
9783946458227
Dateigröße
955 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kita, familienzentrum, bildungsmanagementprozess
Arbeit zitieren
Georg Hädicke (Autor:in), 2015, Von der Kita zum Familienzentrum. Ein Bildungsmanagementprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/314265

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