Unter welchen Bedingungen entsteht eine Kriegs- und Gewaltökonomie? Das Beispiel Kolumbien


Ausarbeitung, 2015

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition Gewalt- und Kriegsökonomie

3. Die Geschichte Kolumbiens und der Weg in die Kriegsökonomie
3.1 Wo Gewalt angewendet wird
3.2 da wird Gewalt geweckt

4. Die Bedingungen für die Entstehung der Gewalt- und Kriegsökonomie in Kolumbien

5. Externe Akteure – Der Umgang der USA mit Kolumbien

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Erklärung

1. Einleitung

Kriege werden seit Jahrtausenden aus den unterschiedlichsten Gründen und mit verschiedenen Methoden geführt. Es gab Kriege um Wohlstand und Land, aus religiösen Gründen oder der Vergeltung. Krieg wurde als kurzfristiges Mittel zum Zweck gesehen. Tatsache ist aber, dass Kriege eines immer benötigten: Soldaten, Waffen, Ausrüstung, Verpflegung, zumindest, wenn man den materialistischen Aspekt betrachtet. Man kann das Ganze auch kürzer formulieren: Um Krieg führen zu können braucht man Geld. Die Frage ist nur, woher nimmt man dieses, oder um es ökonomisch auszudrücken, wie finanziert man Kriege ohne am Ende selbst finanziell ruiniert zu sein? Die „gängigen“ Finanzinstrumente zur Finanzierung sind eine stärkere Besteuerung der Bevölkerung, Kriegsanleihen und die Geldschöpfung. Aus Kriegsfinanzierungen entwickelten sich mehrfach ganze Kriegsökonomien, wo das Wirtschaften einzig und allein zur Kriegsführung ausgerichtet war. Historisches Beispiel für diese Entwicklung ist Deutschland im ersten und zweiten Weltkrieg.

Es hat sich aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und mit dem Übergang in das neue Jahrtausend gezeigt, dass die Kriegsfinanzierung zunehmend „andere“ Wege geht, die sich anderer Faktoren bedienen als die herkömmlichen, oben geschilderten. Eingebettet in den Kontext der „Neuen Kriege“ ist von einer Ökonomisierung des Krieges stärker denn je die Rede. Doch was versteht man unter „neuen“ Kriegsökonomien und unter welchen Bedingungen entstehen diese?

Dieser Frage widme ich mich in dieser Ausarbeitung. Die Analyse soll an dem Fallbeispiel Kolumbien durchgeführt werden.

Ich beginne mit einer kurzen Definition der Kriegsökonomie, wo ich der Ergänzung halber die Gewaltökonomie ebenfalls mit einbeziehe, da diese eng mit Kriegsökonomien verknüpft sind. Danach erfolgt ein Überblick von der Geschichte Kolumbiens, wo ich einzelne historische Abschnitte darstelle und einige Erläuterungen miteinbringe. Diese sollen ein besseres Verständnis für die daran angrenzende Analyse bringen, da die Bedingungen für die Entstehung der kolumbianischen Kriegsökonomie unmittelbar in ihrer Geschichte zu finden sind. Des Weiteren erfolgt ein Überblick aller Akteure, die in dem Konflikt und in der Etablierung der Kriegsökonomie involviert sind. In dem Analyseabschnitt werde ich den Fokus auf drei Bedingungen legen, unter welchen es in dem Fallbeispiel zur Entwicklung der Kriegsökonomie kam. Zum Schluss möchte ich die internationale Dimension aufzeigen und insbesondere die USA als externen Akteur einbeziehen und die Analyseergebnisse anschließend kurz zusammenfassen.

2. Definition Gewalt- und Kriegsökonomie

Da es in dieser Ausarbeitung um die Frage der Bedingungen für die Entstehung einer Gewalt- und Kriegsökonomie geht, werde ich diese beiden Begriffe zuerst definieren.

Der Begriff Gewaltökonomie bezeichnet meist „schlicht die Art und Weise, wie Staaten und nichtstaatliche Akteure gewaltsame Konflikte finanzieren“ (BPB, Neue Kriege, 2015). Sie ist gekennzeichnet von einer „Kombination aus Gewalt und Handel, um Zugriff auf die Waren zu bekommen“ sowie des Phänomens, dass die „Androhung von Gewalt und Enteignung von Einkommen kausalen und systemischen Charakter [besitzt]“ (Komplex Kriege, 163). Die Hauptakteure sind dazu nicht mehr auf staatlicher Seite angesiedelt, sondern wurden vornehmlich durch private „Gewaltunternehmer“ ersetzt, die ihrerseits eigene Interessen mit einbringen. „Einzelne charismatische Führungsperspnlichkeiten [schwingen] sich in diesen Räumen zu lokalen Machthabern beziehungsweise Warlords auf und [kontrollieren] weite Teile von Staatsterritorien“ (Jäger, S.163). Ebenso kennzeichnet die Gewaltökonomie eine strenge Orientierung an der Profitabilität des Handels, woran deutlich wird, dass die ökonomischen Interessen den politischen oder gesellschaftlichen überliegen. Desweiteren speisen sich Gewaltökonomien meist aus dem Raubbau und Handel mit natürlichen Ressourcen. Dazu gehören vornehmlich Bodenschätze wie Öl, Gold, Diamanten und Eisenerz. Dazu kommen der Anbau von illegalen Substanzen, welche, bezogen auf das Fallbeispiel Kolumbien, dort eine regelreche Drogenökonomie entstehen ließ. Diese illegalen Ökonomien haben dazu die interessante Eigenschaft, dass sie an den legalen Wirtschaftskreislauf angebunden sind. Diese Anbindung erfolgt aber nicht direkt, sondern indirekt über Schattenökonomien. Diese bestehen im Wesentlichen auf den informellen Sektor, der die „vom Staat abgekoppelte Wirtschaft [umfasst], die sich zu einem dichten weltumspannenden Netzwerk gebildet hat“ (Jäger, S.163). Hier gibt es keine Steuerentrichtung, aber auch keinen Schutz vor rechtlicher Willkür und physischer Gewalt. Diese auch als ressourcenbasierende bezeichnete Gewaltökonomie findet man aber eher selten; im Zuge des An- beziehungsweise Abbaus oder der gewaltsamen Aneignung kommt es zusätzlich zu Entführungen regionaler politischer und wirtschaftlicher Eliten, Schutzgelderpressungen und Auftragsmorden. Dies ist der illegale Sektor, welcher allgemein auch als illegale Ökonomie bezeichnet wird. „Gewalt reguliert [hier] die wirtschaftlichen Vorgänge in diesem globalen Netzwerk, der „parasitär“ an die reguläre Ökonomie angeschlossen ist.“ (Jäger, S.163).

Ein breiteres Verständnis begreift Gewalt- bzw. Kriegsökonomien als einen „sozialen Raum, in dem die Verteilung und Aneignung von Ressourcen gewaltgesteuert verläuft“ (BPB, Ressourcenkonflikte, 2015). Die Kriegsökonomie versteht man als Gewaltökonomie, die aber „darüber hinaus die politischen Möglichkeiten eines Staates, wirtschaftlichen Ressourcen und Unterstützung zu mobiliseren [umfasst]“ (Jäger, S.163). Dazu wird sie definiert als „bestimmte Form des Wirtschaftens, die dazu dient, Kriegshandlungen zu finanzieren und zu organisieren“ (Kreisky, 2005). Des Weiteren differenziert man zwischen einer geschlossenen und offenen Kriegsökonomie. Ersteres bedeutet, dass die „bewaffnete Gruppe ausschließlich im Inneren [operiert]“ (Kreisky, 2005), letzteres, dass die „bewaffnete Gruppe die Möglichkeit [hat], sich in ein 1) militärisches Rückzuggebiet in einem Nachbarstaat beziehungsweise 2) in ein von der internationalen Gemeinschaft errichtetes Schutzgebiet zurückzuziehen“ (Kreisky).

Problematisch und undurchsichtig sind vor allem Länder, in denen ein Bürgerkrieg tobt. In diesen „Bürgerkriegsökonomien sind ein Nebeneinander und Vermischung von Gewaltökonomie und Kriegsökonomie […] zu beobachten“ (Jäger, S. 163).

Auch der Staat bedient sich jener Methoden der illegalen Ökonomie, wenn die oben genannten legalen Mittel ausgeschöpft sind. Genau ab diesem Punkt gewinnen diese inneren Konflikte eine enorme Schärfe, da praktisch alle Konfliktparteien ihre Finanzierung über die Ausübung von Gewalt sichern. Es ist nicht mehr möglich, eine „klare Trennung von privaten Gewaltakteuren und Staat […] vorzunehmen“ (Jäger, S. 163).

Da es demnach schwierig ist, Gewalt- und Kriegsökonomie klar zu trennen, insbesondere in einer Situation wie der im kolumbianischen Bürgerkrieg, werde ich in den weiteren Ausführungen von der Kriegsökonomie sprechen, welche die Merkmale einer Gewaltökonomie aber beinhalten soll.

Diese allgemein gehaltene Darstellung werde ich im späteren Analyseabschnitt auf die kolumbianische Situation konkreter darstellen. Zuvor möchte ich aber noch die Historie des kolumbianischen Staates schildern, um dann diese mit der Kriegsökonomie zusammenzuführen.

3. Die Geschichte Kolumbiens und der Weg in die Kriegsökonomie

3.1 Wo Gewalt angewendet wird…

Kolumbien ist seit der Unabhängigkeit im Jahr 1819 innerstaatlich nie zur Ruhe gekommen und wurde von zahlreichen schweren Konflikten geprägt. Seit der Gründung herrschte auf politischer Ebene der Konflikt zwischen den liberalen und konservativen Parteien. Es gab keinerlei Übereinstimmung darüber, wie das nun unabhängige Land strukturiert werden sollte. Man stritt über die Struktur des Staates, ob er zentralistisch oder föderalistisch aufgebaut werden sollte, über die Wirtschaftsordnung, ob nun Protektionismus oder Freihandel, sowie war auch nicht klar, wie das bebaubare Land fair und bestmöglich „verteilt“ werden sollte. Diese Auseinandersetzungen eskalieren schließlich in den „Krieg der Tausend Tage“ von 1899-1902, der mit einer blutigen und gewaltsamen Zwangsaneignung von Kleinbauerland durch Großgrundbesitzer endete (vgl. Auschner/Walter S. 143).

Man erkennt also, dass das Land bereits seit seiner historischen Gründung ein enormes Gewaltpotenzial entwickelte. Der Aufbau erfolgte nicht strukturiert, der Staat als solcher genoss nicht die volle Legitimität seiner Bevölkerung und der Alltag wurde von Angst und Zerstörung geprägt.

1928 kam es zu einer Arbeiterrevolte auf den Bananenplantagen der United Fruit Company, den damals wie heute weltweit größten Exporteur von Bananen. Dieser wurde blutig durch das staatliche Militär niedergeschlagen und markierte den Beginn eines „schmutzigen Krieges“, in den der Staat das Militär gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. Das Militär gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen führte zu einem noch größeren Misstrauen und noch größerer Ablehnung der Bevölkerung gegenüber dem Staat und entzog dem Staat stärker denn je ihren Legitimationsanspruch (vgl. Auschner/Walter S. 143)

Der Höhepunkt der gewaltsamen Auseinandersetzungen, der zeitgleich den Beginn des Bürgerkrieges markierte, begann 1948 mit der Ermordung des liberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Gaitan. Dieser Konflikt wurde schlicht „La Violenca“ genannt und kostete etwa 300.000 Menschen das Leben. (vgl. Auschner/Walter S. 144). Innerhalb dieses Konfliktes, der rund 10 Jahre dauern sollte, gab es zwei parallele und für die spätere Analyse wichtige Entwicklungen. Zum einen gründeten und führten die beiden politischen Lager Selbstverteidigungsgruppen, die sich gegenseitig bekämpften. Die lose organisierten Gruppen der liberalen und zum Teil kommunistischen Seite gründeten nach Ende der „Violenca“ eine straff organisierte Armee, die Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC). Diese bezeichnete der kolumbianische Staat später als „Guerilla“ oder „Rebellenarmee“ und soll noch eine wichtige Rolle spielen. Weiterhin lässt sich aus dieser Entwicklung die Erkenntnis ziehen, dass ehemals rein politische Gegensätze keine Rolle mehr spielten, da die FARC und seine Anhänger erbitterte Gegner des existierenden Staates wurden. Die Sympathisanten und Mitglieder der FARC wandten sich also von dem damalig in seiner Form existierenden Staat und seiner Regierung ab. Die andere interessante Entwicklung ist die Ausweitung der kriegerischen Handlungen von den ländlichen Räumen hin zu urbanen und dicht besiedelten Gebieten. Fanden vormals Gefechte größtenteils fernab der Zivilgesellschaft statt, so wurden diese nun vorwiegend die Opfer des Krieges.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Unter welchen Bedingungen entsteht eine Kriegs- und Gewaltökonomie? Das Beispiel Kolumbien
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
17
Katalognummer
V313771
ISBN (eBook)
9783668125254
ISBN (Buch)
9783668125261
Dateigröße
802 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Internationale Beziehungen, Kolumbien, Krieg, Kriegsökonomie
Arbeit zitieren
Jan Körner (Autor:in), 2015, Unter welchen Bedingungen entsteht eine Kriegs- und Gewaltökonomie? Das Beispiel Kolumbien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313771

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