Determinanten des Umweltbewusstseins in verschiedenen europäischen Ländern

Eine Mehrebenenanalyse


Projektarbeit, 2015

45 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1 Empirisch
2.1.1 Franzen und Meyer (2009): Environmental Attitudes in Cross-National Perspective: A Multilevel Analysis of the ISSP 1993 and 2000
2.1.2 Fairbrother (2013): Rich People, Poor People, and Environmental Concern: Evidence Across Nations and Time
2.2 Theoretisch
2.2.1 Wohlstandshypothese
2.2.2 Theorie der grundlegenden Werte nach Schwartz

3. Methodisches Vorgehen
3.1 Forschungsfrage
3.2 Entwicklung der Hypothesen
3.3 Verwendeter Datensatz
3.4 Operationalisierung der Hypothesen
3.4.1 Hypothese 1
3.4.2 Hypothese 2
3.4.3 Hypothese 3

4. Empirische Arbeit
4.1 Deskriptive Analysen
4.2 Inferenzstatistische Modelle
4.2.1 Multivariate Regressionsmodelle
4.2.2 Ermittlung der Varianzquellen
4.3 Mehrebenenmodelle
4.3.1 Nullmodell
4.3.2 Random-Intercept-Only Modell
4.3.3 Random-Intercept Modell mit Variablen auf Individualebene
4.3.4 Random-Slope Modell mit Variablen der Individualebene
4.3.5 Random-Slope Modell mit Variablen der Individual- und Kontextebene
4.3.6 Random-Slope Modell mit Interaktionseffekten

5. Zusammenfassung und kritische Betrachtung der Ergebnisse

6. Schluss

Literaturverzeichnis

Anhang

Abstract

In vorliegender Forschungsarbeit werden verschiedene Hypothesen zur Erklärung der Unterschiede hinsichtlich des Umweltbewusstseins in diversen europäischen Ländern diskutiert und empirisch getestet. Im Einzelnen geht es dabei um die Wohlstandshypothese und die Theorie der grundlegenden Werte nach Schwartz. Unsere Untersuchung orientiert sich im Wesentlichen an den Studien von Franzen und Meyer sowie Fairbrother, die zu dieser Thematik bereits Forschungen durchgeführt haben.

Auf der Grundlage der beiden Hypothesen und den Ergebnissen der genannten Studien entwickeln wir eigene Forschungshypothesen. Diese werden mit Hilfe einer Mehrebenenanalyse an den Daten der letzten Welle des European Social Survey (ESS) von 2012 getestet.

Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere die individuellen Werteinstellungen bedeutende Determinanten für das Umweltbewusstsein in europäischen Ländern darstellen. Wohlstand hingegen, sowohl auf Level 1 als auch auf Level 2, konnte nicht als entscheidender Prädiktor identifiziert werden, sodass die Wohlstandshypothese nicht bekräftigt werden konnte.Weiterhin liegen die Faktoren, die Umweltbewusstsein erklären generell eher auf der Individual- als auf der Länderebene. Wohlstand, sowohl auf Level 1 als auch auf Level 2, konnte nicht als entscheidender Prädiktor identifiziert werden, sodass die Wohlstandshypothese nicht bekräftigt werden konnte.

1. Einleitung

In Zeiten von Klimawandel und wachsender Umweltbelastung gewinnen Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer mehr an Bedeutung. Politische Maßnahmen, wie die Energiewende in Deutschland, legen den Grundstein. Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft und regionale Erzeugnisse füllen die Regale in Supermärkten. Die Verantwortung für den Schutz der Umwelt liegt aber nicht nur auf gesamtgesellschaftlicher Ebene bei Politik und Wirtschaft, sondern vor allem bei den Individuen.

Wem ist eigentlich die Umwelt wichtig? Welche individuellen und/oder gesellschaftlichen Umstände führen dazu, dass jemand sich als umweltbewusst beschreibt? Und welche Unterschiede gibt es diesbezüglich zwischen verschiedenen Ländern? Diesen Fragen widmete sich schon eine Reihe von Wissenschaftlern. Die Studien von Franzen & Meyer sowie Fairbrother liefern spannende, zum Teil aber auch widersprüchliche Ergebnisse.

In vorliegender Arbeit sollen die Zusammenhänge zwischen Umweltbewusstsein und verschiedenen individuellen sowie gesellschaftlichen Merkmalen noch einmal Thema sein, wobei wir uns an den Analysen von Franzen, Meyer und Fairbrother orientieren. Ziel ist vor allem Klarheit in die aktuelle Datenlage zu bringen. Da sich unsere Forschungsarbeit auch in einigen Punkten von den eben genannten Untersuchungen unterscheidet, können auch neue interessante Ergebnisse geliefert werden.

Zentrale Methode in unserer Untersuchung ist die Mehrebenenanalyse. Sie bietet die Möglichkeit zur Prüfung von Unterschieden zwischen Kontexteinheiten und deren Wirkung auf Individualmerkmale. Somit können wir zur Erklärung des Umweltbewusstseins sowohl Variablen auf Individual- als auch auf Länderebene heranziehen und herausfinden, auf welcher Ebene die größeren Einflussfaktoren liegen.

Im Folgenden werden zunächst die empirischen und theoretischen Grundlagen unserer Untersuchung dargestellt. Im darauf folgenden Abschnitt formulieren wir unsere konkrete Forschungsfrage und entwickeln auf Basis der Theorie und bisherigen Empirie verschiedene forschungsleitende Hypothesen. Anschließend werden wir auf unsere Datengrundlage, den European Social Survey (ESS), eingehen und im Zuge dessen die Operationalisierung unserer Hypothesen vornehmen. Darauf folgt die empirische Arbeit. Zunächst werden einige deskriptive Analysen durchgeführt sowie inferenzstatistische Modelle gerechnet und vorgestellt. Um die Hypothesen zu untersuchen und schließlich unsere Forschungsfrage zu beantworten werden danach verschiedene Mehrebenenmodelle aufgestellt und gerechnet. Dabei werden wir uns am schrittweisen Vorgehen nach Braun et. al. orientieren (vgl. Braun et. al.: 2010). Im Anschluss an die Analysen werden wir unsere Ergebnisse noch einmal zusammenfassen und kritisch betrachten. Dabei wird auch auf die Besonderheiten und Probleme hingewiesen, auf welche bei der Interpretation und weiteren Verwertung der Ergebnisse zu achten ist. Schließlich beenden wir die vorliegende Forschungsarbeit mit einem Fazit.

2. Grundlagen

2.1 Empirisch

2.1.1 Franzen und Meyer (2009): Environmental Attitudes in Cross-National Perspective: A Multilevel Analysis of the ISSP 1993 and 2000

Der Artikel von Axel Franzen und Reto Meyer aus dem Jahr 2009 beschreibt die durch diese beiden Wissenschaftler durchgeführte Studie zum Umweltbewusstsein in verschiedenen Ländern.

Ziel der Studie war es, herauszufinden welchen Determinanten das gesellschaftliche Bewusstsein für die Umwelt unterliegt. Als Datengrundlage dienten zwei Wellen des International Survey Programme (ISSP) aus den Jahren 1993 und 2000. Im Jahr 2000 nahmen am ISSP 26 Länder und rund 23.000 Befragte teil.

In ihrer Analyse gehen die Autoren in zwei Schritten vor: Zunächst betrachten sie das Umweltbewusstsein sowie dessen Entwicklung in den verschiedenen Ländern, die am ISSP teilnahmen. Danach analysieren sie den ISSP mit Hilfe von Mehrebenenmodellen um sowohl individuelle als auch länderspezifische Unterschiede herausstellen zu können.

Ihre latente abhängige Variable „Umweltbewusstsein“ definieren die beiden Wissenschaftler folgendermaßen: „Environmental concern is defined as the awareness or insight of individuals that the natural state of the environment is threatened through resource overuse and pollution by humans.“ (Franzen, Meyer 2009, S. 220).

Der Untersuchung zu den Einflussfaktoren, die auf das Umweltbewusstsein wirken, liegen drei Hypothesen zugrunde:

1. Postmaterialismushypothese nach Inglehart
2. Globalisierungshypothese nach Dunlap et. al.
3. Wohlstandshypothese

(vgl. Franzen, Meyer: 2009, S. 220). Außerdem wurden Annahmen zum „Issue Attention Cycle“ getestet (vgl. Franzen, Meyer: 2004).

Die Erklärungsansätze konkurrieren teilweise miteinander, ergänzen sich aber auch gegenseitig. Der Postmaterialismushypothese folgend ist das Umweltbewusstsein Teil eines grundlegenden Wertewandels von materialistischen zu postmaterialistischen Werten, der sich insbesondere in Industriestaaten vollzieht (vgl. Rödder 2006).

Die Wohlstandshypothese geht davon aus, dass der Wertewandel in westlichen Industriestaaten im Wesentlichen auf deren Wohlstandssteigerung zwischen 1950 und 1980 zurückzuführen ist (vgl. Hellbrück, Kals 2012, S. 89).

Die Postmaterialismus- und die Wohlstandshypothese wurden stark kritisiert. So ermittelte Dunlap bspw., dass in Dritte-Welt-Ländern das Umweltbewusstsein ähnlich stark oder stärker ausgeprägt ist als in Industriestaaten. Es kann somit von einer Globalisierung des Umweltbewusstseins ausgegangen werden (vgl. Franzen, Meyer 2004, S. 121f.).

Die Veränderungen hinsichtlich des Umweltbewusstseins können durch den sogenannten „Issue-Attention-Cycle“ erklärt werden. Demnach würden Probleme bezüglich Umwelteinstellungen mehrere Phasen durchlaufen. Downs formulierte den Prozess wie folgt: „Each of these problems suddenly leaps into prominence, remains there for a short time, and then – though largely unresolved – fades from the center of public attention.“ (Downs 1972, S. 38).

Die latente Variable „Umweltbewusstsein“ wurde im ISSP mittels verschiedener Items erhoben. Mit Hilfe einer Faktorenanalyse bildeten Franzen und Meyer einen additiven Index, bestehend aus neun Items, um ihre abhängige Variable abzubilden.

Auf der Länderebene wurden zunächst der Gini Koeffizient[1], die Bildungsbeteiligung, der Anteil von Postmaterialisten, die Umweltqualität, der Anteil der Bevölkerung im städtischen Raum und die Bevölkerungsdichte aufgenommen.

Auf der Individualebene wurden folgende unabhängige Variablen hinzugefügt: relatives Einkommen, postmaterialistische Werthaltungen, Geschlecht, Alter, Bildungsjahre, Wissen über die Umwelt und wahrgenommene Umweltqualität (vgl. Franzen, Meyer 2009, S. 226ff.).

Es wurden vier verschiedene Hierarchisch-Lineare Regressionsmodelle gerechnet. Jeweils für 1993 und 2000 ein random-intercept Modell und ein Modell, welches die Nicht-Linearität und die Interaktionseffekte zwischen Mikro- und Makrolevel testet. Die Ergebnisse stützen vor allem die Wohlstandshypothese: Menschen mit höherem relativen Einkommen haben ein größeres Umweltbewusstsein, als Personen mit niedrigerem Einkommen im gleichen Land. Außerdem ist das Umweltbewusstsein in wohlhabenden Ländern höher als in ärmeren Ländern. Franzen und Meyer konnten weiterhin zeigen, dass ein positiver Zusammenhang zwischen postmaterialistischen Werten sowie verschiedenen soziodemographischen Variablen und dem Umweltbewusstsein besteht. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass sich das Umweltbewusstsein seit den 1990er Jahren mehr oder weniger stabilisiert hat (vgl. Franzen, Meyer 2009, S. 219).

2.1.2 Fairbrother (2013): Rich People, Poor People, and Environmental Concern: Evidence Across Nations and Time

Auch Malcolm Fairbrother beschäftigte sich mit den Zusammenhängen zwischen dem Umweltbewusstsein und verschiedenen Faktoren auf Individual- und Länderebene.

Als theoretische Grundlage fungierten bei Fairbrother ebenfalls die Postmaterialismushypothese, die Wohlstandshypothese und die Globalisierungshypothese. Neu hinzu kam die Environmental Kutznets Curve (EKC), welche der Annahme folgt, dass die wirtschaftliche Entwicklung zwar der Umwelt schadet, aber nach einer gewissen Zeit den Umweltschutz fördert. Daraus ergibt sich, dass der Zusammenhang zwischen ökonomischer Entwicklung und Umweltqualität nicht linear, sondern U-förmig ist (vgl. Fairbrother 2013).

Abbildung 1: Environmental Kutznets Curve

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Panayotou (2003), S.3

Fairbrother orientierte sich am Untersuchungsdesign von Franzen und Meyer, nahm aber auch einige methodische Verbesserungen für seine Studie vor. Als Datengrundlage für die Untersuchung diente die zweite, vierte und fünfte Welle des World and European Value Surveys (WVS). An dieser nahmen 92 Länder und 322.014 Befragte teil. Somit ergaben sich verschiedene Vorteile gegenüber Franzen und Meyer. Es konnten mehr Länder und Personen sowie mehr Ebenen ökonomischer Entwicklung in die Untersuchung einbezogen werden. Außerdem konnten ebenfalls die Variationen innerhalb der Länder über die Zeit hinweg analysiert werden, da es sich hierbei um eine Langzeitstudie handelte (vgl. Fairbrother 2013).

Im ISSP wurden 8 Items zur Messung der latenten abhängigen Variable „Umweltbewusstsein“ abgefragt. Wie auch Franzen und Meyer bildete Fairbrother mittels einer explorativen Faktorenanalyse einen Index für seine abhängige Variable. Die unabhängigen Variablen unterschieden sich kaum von denen, die Franzen und Meyer verwendeten.

Fairbrother rechnete insgesamt 12 verschiedene Mehrebenen-Modelle und kam dabei zu folgenden zentralen Ergebnissen: Der Annahme, dass ein höheres Einkommen zu mehr Umweltbewusstsein führt, kann auf Grundlage dieser Ergebnisse widersprochen werden. Der Autor fand heraus, dass zwar innerhalb der Länder eher reichere Personen umweltbewusster sind, allerdings ist dieser Effekt nur sehr gering und auf bestimmte Dimensionen beschränkt. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass das Umweltbewusstsein eher in ärmeren als in reicheren Ländern hoch ist. Über die Zeit hinweg scheint es keine Veränderungen bezüglich des Umweltbewusstseins bei steigendem Wohlstand auf Länderebene zu geben. Wie bei Franzen und Meyer sind postmaterialisitsche Werte auch bei Fairbrother ein starker Prädiktor für das Umweltbewusstsein. Außerdem fand der Autor heraus, dass es keinen Zusammenhang zwischen Umweltproblemen auf nationaler Ebene und dem individuellen Umweltbewusstsein gibt. Persönliche Erfahrungen mit Umweltproblemen hingegen scheinen das Umweltbewusstsein zu beeinflussen (vgl. Fairbrother 2013).

2.2 Theoretisch

2.2.1 Wohlstandshypothese

Die Wohlstandhypothese geht davon aus, dass die Nachfrage von Individuen nach bestimmten Gütern aus mikroökonomischer Sicht vom verfügbaren Einkommen bedingt wird. Wenn das individuelle Einkommen steigt, so steigt auch die marginale Nachfrage nach einem Gut, bzw. die Bereitschaft für dieses Gut monetäre Ressourcen aufzuwenden. Auf unsere Fragestellungen lässt sich diese Hypothese in dem Sinne anwenden, dass mit einem höheren Einkommen die individuelle Nachfrage nach einer höheren Umweltqualität und somit das individuelle Umweltbewusstsein steigt.

Empirische Studien bestätigen teilweise die Wohlstandhypothese. Es konnte bspw. gezeigt werden, dass auf der Makroebene mit einem wachsenden Bruttoinlandsprodukt das Umweltbewusstsein steigt. Eine positive Korrelation zwischen dem individuellen Einkommen und dem Umweltbewusstsein konnte jedoch bisher für Studien in Deutschland und der Schweiz nicht gefunden werden. Es wird davon ausgegangen, dass der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Umweltbewusstsein nicht linear ist. Dabei wird angenommen, dass eine hohe Umweltqualität ein Luxusgut sei, welches erst angestrebt wird, wenn der Wohlstand eines Landes einen bestimmten Schwellenwert überschreitet. Ist dieser Schwellenwert überschritten, steige die Nachfrage nach einer hohen Umweltqualität sprunghaft an (vgl. Franzen; Meyer 2010, S. 121).

2.2.2 Theorie der grundlegenden Werte nach Schwartz

Die Theorie der grundlegenden Werte nach Shalom H. Schwartz dient als Basis für die Erhebung der „human values“ im ESS. Sie fungiert nicht per se als Theorie zur Erklärung von Unterschieden hinsichtlich des Umweltbewusstseins in verschiedenen Nationen. Dennoch nutzen wir sie als Grundlage für unsere Untersuchung, da sie einen hohen länderübergreifenden Erklärungsgehalt hat und wir aufgrund der Ergebnisse von Franzen, Meyer und Fairbrother davon ausgehen, dass individuelle Werteinstellungen allgemein wichtige Prädiktoren für das Umweltbewusstsein darstellen.

Schwartz geht davon aus, dass jedes Individuum eine Vielzahl von Werten mit unterschiedlicher Wichtigkeit verfolgt. Zentrales Element dieser Werttheorie sind folgende sechs Annahmen:

1. Werte sind Überzeugungen, die unmittelbar mit Emotionen verknüpft sind.
2. Werte beziehen sich auf angestrebte Ziele, welche als Handlungsmotivation fungieren.
3. Werte sind situations- und handlungsübergreifend. Sie gelten also nicht nur unter bestimmten Umständen, sondern ständig.
4. Werte dienen als Maßstäbe. Nach ihnen richten sich Handlungen und Entscheidungen.
5. Werte sind, relativ zueinander, nach ihrer Wichtigkeit geordnet. Es gibt in unseren individuellen Wertsystemen Werte, die gegenüber anderen Priorität haben.
6. Die relative Wichtigkeit der Werte bestimmt das Handeln. Jede Entscheidung und jedes Verhalten steht in der Regel mit mehreren Werten in Verbindung.

Jede dieser Annahmen trifft laut der Theorie auf sämtliche Werte zu. Werte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Motivation bzw. des Zieles, das sie verfolgen. In der Theorie der grundlegenden Werte werden zehn große Werte auf Basis ihrer Motivation bzw. Zielsetzung unterschieden. Weiterhin geht Schwartz von dynamischen Beziehungen zwischen diesen Werten aus. So können verschiedene Werte ähnlichen Motivationen unterliegen oder aber miteinander konfligieren. Individuen können zwar gleichzeitig miteinander konkurrierende Werte verfolgen, allerdings nicht in ein und derselben Handlung (vgl. Schwartz 2007).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 zeigt die zehn Werte nach Schwartz. In der Darstellung sind neben den Bezeichnungen der verschiedenen Werte weiterhin deren grundlegende Ziele zu erkennen. Gleiche Farben deuten in dieser Abbildung auf eine ähnliche Motivation, die den Werten zugrunde liegt, hin. Sich gegenüberliegende Werte konkurrieren miteinander.

Außerdem werden die einzelnen Werte einer bipolaren Dimension zugeordnet.

– Selbsttranszendenz vs. Selbsterhöhung[2]: Hier konfligieren Macht und Erfolg mit Universalismus und Gutmütigkeit.
– Erhaltung vs. Offenheit für Veränderung: Konformität, Tradition und Sicherheit konkurrieren hier mit Selbstbestimmung und Stimulation[3].

Schwartz entwickelte zwei Messinstrumente um individuelle Werthaltungen auf Grundlage seiner Theorie zu messen: Den Schwartz Value Survey (SVS) und den Portrait Values Questionaire (PVQ).

Um individuelle Unterschiede hinsichtlich der Nutzung von Antwortskalen zu eliminieren, wurde in der Auswertung für jede Antwort der individuelle Gesamtmittelwert für die Wert-Skalen abgezogen.

Mit dem SVS und dem PVQ wurden auch bereits ländervergleichende Studien durchgeführt, nicht zuletzt um die universelle Gültigkeit von Werten zu testen. Die Ergebnisse der Stichproben aus 82 Ländern sprechen für die Reliabilität der Messinstrumente. Die Studie zeigt, dass die zwei bipolaren Dimensionen in allen Ländern präsent sind und dass weitgehend eine Unterscheidung der zehn einzelnen Werte stattfindet. Somit eignen sich sowohl der SVS und der PVQ nicht nur für nationale Untersuchungen, sondern auch für Ländervergleiche (vgl. Schwartz 2012; Schwartz 2007).

Für unsere Untersuchung bedeutet dies folgendes: Das Item, in dem abgefragt wird, wie umweltbewusst man sich einschätzt, wird dem Universalismus zugeordnet. Deshalb gehen wir davon aus, dass sowohl Universalismus (Universalism) als auch Gutmütigkeit (Benevolence), und somit Selbsttranszendenz in positivem Zusammenhang mit dem Umweltbewusstsein stehen. Da laut der Theorie der grundlegenden Werte die Selbsterhöhung der Selbstüberwindung gegenüber steht, treffen wir die Annahme, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen Selbststärkung und dem Umweltbewusstsein gibt.

3. Methodisches Vorgehen

3.1 Forschungsfrage

Der Theorie folgend ist davon auszugehen, dass die Ländervariablen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, Erwerbsquote und Bevölkerungsdichte, sowie die Variablen auf Individualebene Wohlstand, selbsttranszendente und selbsterhöhende Werte Einfluss auf das Umweltbewusstsein der Individuen nehmen. Unsere Forschungsfragen lauten demnach:

Welchen Einfluss haben die Variablen Bruttoinlandsprodukt, Erwerbsquote und Bevölkerungsdichte auf Länderebene im Vergleich zu den Variablen Wohlstand, selbsttranszendente und selbsterhöhende Werte auf Individualebene?

3.2 Entwicklung der Hypothesen

Auf Grundlage der Forschungsfrage entwickelten wir drei Arbeitshypothesen, welche wir im Verlauf des Forschungsprojektes überprüft haben:

H01: Wohlstand, sowohl auf Individual- als auch auf Länderebene, hat keinen Einfluss auf das Umweltbewusstsein.

HA1: Je höher der Wohlstand ist, sowohl auf Individual- als auch auf Länderebene, desto größer ist das individuelle Umweltbewusstsein.

H02: Selbsttranszendente, sowie selbsterhöhende Werte haben keinen Einfluss auf das Umweltbewusstsein.

HA2: Je höher selbsttranszendente Werte individuell angegeben werden, desto höher ist das Umweltbewusstsein. Je höher dagegen selbsterhöhende Werte angegeben werden, desto niedriger ist das Umweltbewusstsein.

H03: Variablen auf Länderebene haben den gleichen Einfluss auf das Umweltbewusstsein, wie Variablen auf Individualebene.

HA3: Variablen auf Individualebene haben einen deutlich stärkeren Einfluss auf das Umweltbewusstsein als Variablen auf Länderebene.

3.3 Verwendeter Datensatz

Als Grundlage für unsere Berechnungen haben wir den Datensatz des European Social Survey (ESS) aus dem Jahr 2012 verwendet. Der European Social Survey wird seit 2001 alle zwei Jahre durchgeführt und methodisch ständig weiterentwickelt. Die hohen methodischen Standards, welche zu internationaler Vergleichbarkeit führen, waren einer der Hauptgründe für die Auswahl des European Social Survey für unser Forschungsprojekt. Geleitet wird dieser durch ein Team der City University of London.

Ziel des ESS ist „die Entwicklung, inhaltliche Konzeptualisierung und Durchführung einer in Bezug auf die verwendeten Erhebungsinstrumente in der aktuellen Forschung verankerten und methodisch nach den höchsten Qualitätsstandards organisierte Studie zum Einstellungs- und Wertewandel in verschiedenen Ländern“ (Neller, 2004: 373). Erhebungsinstrument ist in allen Ländern die persönlich-mündliche Befragung als CAPI[4] oder PAPI[5]. Der ESS setzt sich aus Kernmodulen zusammen, welche in jeder Runde enthalten sind und aus zusätzlichen Modulen, welche von Jahr zu Jahr wechseln. Die Kernmodule sind „Media and Social Trust“, „Politics“, „Subjective well-being“, „Gender, household“, „Socio demographics“ und „Human values“. 2012 wurden zusätzlich Fragen zu „Personal and Social well-being“ und „Democracy“ gestellt.

Die Response Rate des ESS liegt in jeder Runde bei etwa 70%. Im Jahr 2012 nahmen rund 55.000 Befragte in 29 europäischen Ländern teil. Durch diese umfangreiche Stichprobengröße liegt eine hohe Validität vor.

3.4 Operationalisierung der Hypothesen

Um die Hypothesen überprüfbar zu machen, ist es erforderlich aus der Vielzahl der Variablen des Datensatzes eine geeignete abhängige Variable (AV), sowie geeignete unabhängige Variablen (UV´s) herauszufiltern. Das einzige Item, welches individuelles Umweltbewusstsein abfragt, lautet „Important to care for nature and environment“. Die Frage, welche die Befragten zu beantworten hatten, lautete: „How much like you is this person: She strongly believes that people should care for nature. Looking after the environment is important to her“. Es stand eine 6er Skala zur Verfügung, auf der sich die Befragten einordnen sollten. Die Befragten wurden also um eine Selbsteinschätzung bezüglich ihres Umweltbewusstseins gebeten. 1 bedeutet „very much like me“ und 6 bedeutet „not like me at all“. Wer also 1 angegeben hat, schätzt sich selbst als sehr umweltbewusst ein und wer 6 angegeben hat, schätzt sich selbst als überhaupt nicht umweltbewusst ein. Wir haben die AV jedoch umkodiert, um Ergebnisse intuitiver interpretierbar zu machen. Die Skala gibt nun Umweltbewusstsein folgendermaßen aufsteigend wieder:

1: „Not like me at all“
2: „Not like me“
3: „A little like me“
4: „Somewhat like me“
5: „Like me“
6: Very much like me (Siehe Do-File, Zeilen 1-4).

Insgesamt liegt für 53836 Befragte ein gültiger Wert vor.

3.4.1 Hypothese 1

Zur Überprüfung der Alternativhypothese 1: „Je höher der Wohlstand ist, sowohl auf Individual- als auch auf Länderebene, desto größer ist das individuelle Umweltbewusstsein“, haben wir unabhängige Variablen auf Länder- sowie Individualebene zum Wohlstand verwendet.

Die unabhängigen Variablen auf Länderebene „Pro Kopf BIP“, „Bevölkerungsdichte“ und „Erwerbsquote“ sind in den Datensätzen des ESS nicht vorhanden. Aus diesem Grund haben wir auf verschiedene Datenquellen, vor allem auf Statistiken des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) zurückgegriffen und diese drei neuen Variablen erstellt.

Wohlstand auf Individualebene als latente Größe wird anhand verschiedener Variablen aus dem Block zu soziodemografischen Fragestellungen operationalisiert. Wir haben uns für die drei Variablen „households total net income, all sources“, „feeling about households net income, nowadays“ sowie „highest level of education“ entschieden, da dies gängige Variablen sind, um Wohlstand abzubilden. Das Nettoeinkommen des Haushalts wurde in Dezile eingeteilt. Der höchste Einkommenswert, welcher ermittelt wurde, wurde also durch zehn geteilt. Dadurch entstanden zehn Einkommenskategorien, welche aufsteigend kodiert sind. Die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen lautete: „Which of the descriptions on this card comes closest to how you feel about your household's income nowadays?" Die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen wurde mit einer 4er-Skala gemessen und von uns auf die gleiche Weise umkodiert, wie die AV. Die Antwortmöglichkeiten nach dem Umkodieren lauten:

[...]


[1] „Der Gini-Koeffizient ist ein Maß der relativen Konzentration beziehungsweise Ungleichheit und kann einen Wert zwischen Null und Eins annehmen. Im Falle der Gleichverteilung ergibt sich für den Gini-Koeffizienten ein Wert von Null und im Falle der Konzentration des gesamten Einkommens auf nur eine Person ein Wert von Eins. Je höher also der Gini-Koeffizient ausfällt, desto größer ist die Ungleichverteilung.“ (Statisitisches Bundesamt 2014)

[2] Für diese beiden Begriffe werden folgende Synonyme verwendet: Selbsttranszendenz – Selbstüberwindung; Selbsterhöhung - Selbststärkung

[3] Hedonismus bildet hierbei insofern eine Ausnahme, als dass dieser Wert sowohl der Selbsterhöhung als auch der Offenheit für Veränderung zugeordnet werden kann.

[4] CATI: Computer Assisted Telephone Interview

[5] PAPI: Paper And Pencil Interview

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Determinanten des Umweltbewusstseins in verschiedenen europäischen Ländern
Untertitel
Eine Mehrebenenanalyse
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Soziologie)
Veranstaltung
Mehrebenenanalyse
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
45
Katalognummer
V313479
ISBN (eBook)
9783668124271
ISBN (Buch)
9783668124288
Dateigröße
860 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
determinanten, umweltbewusstseins, ländern, eine, mehrebenenanalyse
Arbeit zitieren
Luise Richter (Autor:in), 2015, Determinanten des Umweltbewusstseins in verschiedenen europäischen Ländern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313479

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