Führung von hauptamtlichen Trainern in deutschen Spitzensportverbänden

Eine Analyse der Möglichkeiten und Grenzen auf der Basis des Leader-Member Exchange Ansatzes sowie des Followership-Ansatzes


Diplomarbeit, 2015

91 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Determinanten der Führungsaufgabe in Spitzensportverbänden
2.1 Merkmale des Kontexts
2.2 Merkmale der Person
2.3 Resümee

3 Ausgewählte theoretische Perspektiven zur Führung von Trainern
3.1 Leader-Member Exchange Ansatz
3.1.1 Theoretische Grundlagen
3.1.2 Handlungsempfehlungen
3.2 Followership-Ansatz
3.2.1 Theoretische Grundlagen
3.2.2 Handlungsempfehlungen
3.3 Resümee

4 Möglichkeiten und Grenzen der Führung in Spitzensportverbänden
4.1 Leader-Member Exchange Ansatz
4.2 Followership-Ansatz

5 Resümee

Anhang

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Internet-Quellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vereinfachtes Strukturschema des deutschen Sports (von unten nach oben zu lesen, um die Hierarchie der Organisationen zum Ausdruck zu bringen) (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: DOSB 2015b)

Abbildung 2: Spitzensport und seine Verknüpfungen (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: Digel et al. 2006, S. 18; DOSB 2006; Breuer et al. 2008, S. 25; Daumann 2011, S. 21; Thiel et al. 2012, S. 137f.)

Abbildung 3: Grundstruktur einer Führungsbeziehung (Quelle: Weibler 2012, S. 24)

Abbildung 4: Implizite Theorien (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: Epitropaki et al. 2013, S. 874; Fischer/Wiswede 2009, S. 247ff.; Weibler 2012, S. 25ff.)

Abbildung 5: Entwicklung der LMX-Beziehung im Leadership Making Model (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Graen/Uhl-Bien 1995b, S. 231)

Abbildung 6: Followership als Rolle (Quelle: Uhl-Bien et al. 2014, S. 98)

Abbildung 7: Followership als Prozess (Quelle: Uhl-Bien et al. 2014, S. 98)

Abbildung 8: Idealtypischer Verlauf der Co-Konstruktion bei Followership-Prozess-Ansatz (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: Shamir 2007, S. XX; DeRue/Ashford 2010, S. 631; Weibler 2012, S. 20–22; Uhl-Bien et al. 2014, S. 98)

Abbildung 9: Inhalte und Konsequenzen transaktionaler- und transformationaler Führung (Quelle: Neuberger 2002, S. 198)

Abbildung 10: Model of the Full Range of Leadership (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bass/Riggio 2006, S. 10f.)

Abbildung 11: Followership Kategorisierung nach Kelley (vgl. Kelley 1988, S. 144)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Determinanten der Führungsaufgabe im Spitzensport

Tabelle 2: Untersuchungsgegenstände bei Followership (vgl. Uhl-Bien et al. 2014, S. 96f.)

Tabelle 3: Handlungsempfehlungen für die Führung von Trainern

Tabelle 4: Möglichkeiten von LMX- und Followership-Ansatz für die Führung von Trainern

Tabelle 5: Grenzen von LMX- und Followership-Ansatz für die Führung von Trainern

Tabelle 6: Follower-Identitäten nach Collinson (vgl. Collinson 2006, S. 183ff.)

1 Einleitung

Sport begeistert und fasziniert die Menschen (vgl. Brand/Löhr 2010, S. 13). Bspw. macht es 2/3 der deutschen Bevölkerung glücklich und stolz, wenn deutsche Athleten1 Medaillen bei Olympischen Spielen gewinnen (vgl. Breuer/Hallmann 2011, S. 11ff.). Sportliche Erfolge werden auch immer wieder zum Anlass genommen, um vermutete Erfolgsprinzipien des Sports in Ratgeberliteratur für die Wirtschaft zu übertragen (bspw. Weibler et al. 2006; Jenewein/Heidbrink 2008; Brand/Löhr 2010; Kranzinger 2010). Diese Arbeit geht den entgegengesetzten Weg.

Sport wird im Rahmen dieser Arbeit als ein soziales Konstrukt betrachtet (vgl. Heinemann 2007, S. 4). Sie fokussiert dabei auf den Spitzensport als einem gesellschaftlichen Teilbereich mit einer enormen Entwicklungsdynamik (vgl. Thiel et al. 2012, S. 136), dem trotz seiner Unproduktivität (vgl. Heinemann 2007, S. 81) ein hoher kultureller (vgl. DSB 1997, S. 5) und politischer (vgl. Breuer/Hallmann 2011, S. 1ff.) Wert beigemessen wird. Der Begriff Spitzensport wird im Kontext dieser Arbeit synonym zum Begriff des Hochleistungssports (vgl. Beyer 1992, S. 382) verwendet und begrenzt damit die Untersuchung auf den Bereich „Wettkampfsport mit dem Ziel der absoluten Höchstleistung“ (vgl. Beyer 1992, S. 382). Die gesellschaftliche Relevanz des Spitzensports (vgl. Bundesministerium des Innern 2015, S. 13) zeigt sich auch in der Forderung des Bundesinnenministers nach einem Platz Deutschlands in der Spitzengruppe der Nationenwertung bei Olympischen Spielen (vgl. Simeoni 2015). Dieser Wettstreit im Medaillenspiegel ist somit auch ein Wettstreit der Sportsysteme (vgl. Bosscher et al. 2006, S. 185), innerhalb derer den Trainern eine Schlüsselrolle zukommt (vgl. Bette 1984, S. 7). Der Begriff Trainer ist dabei zunächst eine Funktionsbeschreibung (vgl. Heinemann 2007, S. 287), die eine bestimmte Gruppe fachkundiger Personen für die Betreuung von Sportlern (vgl. Andresen/Haag 1992, S. 681) charakterisiert. Diese Untersuchung konzentriert sich auf hauptamtliche Trainer (zur Abgrenzung im Sport vgl. Breuer/Feiler 2015, S. 7), die als Arbeitnehmer (zum Begriff vgl. Maschmann 2004, S. 73f.) in einem Sportverband (vgl. Wadsack 2013c, S. 390ff.) tätig sind. Das findet seine Begründung in der Zuständigkeit der Sportvereine und Sportverbände für den Spitzensport in Deutschland (vgl. Thiel et al. 2012, S. 219). Sportverbände sind auf dem Grundsatz der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz) aufbauende rechtsfähige privatrechtliche Idealvereine. Deren juristische Grundlage sind die §§ 21-79 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Mit ihrer gemeinnützigen Orientierung können sie dem Dritten Sektor (zum Begriff vgl. Zimmer/Priller 2004, S. 16f.) zugeordnet werden.

Im Wettstreit der Sportsysteme streben Verbände also nach sportlichem Erfolg (vgl. Digel 2010, S. 30). Dabei wird Führung als einer der Schlüsselfaktoren angesehen (vgl. Bayle/Robinson 2007, S. 258). Obwohl effektive Leitungssysteme als bedeutsam angesehen werden (vgl. Hoye/Doherty 2011, S. 272), wurden bislang Phänomene der Organisation und der Führung im Sport wenig untersucht (vgl. Fletcher/Arnold 2011, S. 225).

Führung kann als lebendiger Sprachbegriff (vgl. Neuberger 2002, S. 10) aus vielen Blickwinkeln betrachtet werden (vgl. Avolio 2014, S. 288). Als soziales Phänomen entstand Führung im Laufe der Evolution (vgl. Weibler 2012, S. 3ff.) und wird in der Betriebswirtschaft als eine Kernfunktion des Managements angesehen (vgl. Steinle 2005, S. 559). Im Kontext dieser Arbeit lässt sich Führung definieren als „akzeptierte Beeinflussung anderer, die bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten auslöst“ (Weibler 2012, S. 103).

Da Trainer für die angestrebten Spitzenleistungen von Sportlern zentral sind (Nordmann 2010), wird die Führung von Trainern in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt. Im Spitzensport gibt es dazu bislang allerdings wenig Forschung (vgl. Slack 1999, S. 49ff.). Der Mehrwert dieser Untersuchung liegt darin, einen Beitrag zu leisten, diese Erkenntnislücke weiter zu schließen. Diese Arbeit baut auf den Erkenntnissen der betriebswirtschaftlichen Führungsforschung auf und untersucht die Anwendung auf die Führung von Trainern in Spitzensportverbänden. Dies erscheint relevant, da sich bisherige Forschungsbemühungen vorrangig auf die Trainer-Athlet-Beziehung konzentrieren (vgl. Welty Peachey et al. 2015, S. 3) und es bislang außerhalb der Trainer-Athlet-Beziehung keine klar abgegrenzte Theorie zur Führung im Spitzensport gibt (vgl. Mayer 2015, S. 2). Es wird dabei von der Grundannahme ausgegangen, dass der Sport von Folgerungen aus der betriebswirtschaftlichen Forschung profitieren kann (vgl. Jones 2002, S. 279).

Aus der Vielzahl an Führungstheorien (vgl. Dinh et al. 2014, S. 55) wird für diese Untersuchung der Leader-Member Exchange Ansatz (LMX-Ansatz) (Graen/Uhl-Bien 1995b) ausgewählt. Zu begründen ist dies mit der zentralen Bedeutung von Beziehung für das Verständnis von Führung (vgl. Uhl-Bien/Ospina 2012). Außerdem existieren zu diesem Ansatz auch im Sport Untersuchungen, wenngleich zumeist in der Trainer-Athlet-Interaktion (vgl. Welty Peachey et al. 2015). Da Führung facettenreich und über führerzentrierte Ansätze längst hinaus ist (vgl. Deeg/Weibler 2012), wird für diese Arbeit zusätzlich der Followership-Ansatz (Uhl-Bien et al. 2014) herangezogen, um die Erkenntnisse der Untersuchung zu erweitern.

Folgender Forschungsfrage wird im Rahmen dieser Arbeit nachgegangen:

Welche Handlungsempfehlungen sowie Möglichkeiten und Grenzen lassen sich für die Führung von hauptamtlichen Trainern in deutschen Spitzensportverbänden anhand des Leader-Member Exchange Ansatzes und des Followership-Ansatzes ableiten?

Zur strukturierten Bearbeitung dieser Fragestellung werden in Kapitel zwei die Führung von Trainern beeinflussende Charakteristika des Spitzensports und seiner Organisation aufgezeigt. Darauf aufbauend werden spezifische Merkmale der Trainer, als potentiell Geführte, betrachtet und Besonderheiten der Führungsaufgabe in Spitzensportverbänden erörtert. In einem ersten Zwischenfazit ist die Frage zu beantworten, ob eine Führung von Trainern in deutschen Spitzensportverbänden als notwendig und eine direkte Führung (zum Begriff vgl. Wunderer 2011, S. 5ff.) als geeignet betrachtet werden kann.

In Kapitel drei werden die theoretischen Grundlagen des LMX-Ansatzes und des Followership-Ansatzes dargestellt. Anschließend wird untersucht, welche Handlungsempfehlungen für die Führung von Trainern abgeleitet werden können. Diese Erkenntnisse fasst ein Resümee zusammen. Im folgenden vierten Kapitel werden Möglichkeiten und Grenzen der beiden Ansätze für die Führung von Trainern expliziert. Das Resümee der Arbeit fasst die gewonnenen Erkenntnisse zusammen, gibt eine Antwort auf die Forschungsfrage und würdigt die Arbeit kritisch.

2 Determinanten der Führungsaufgabe in Spitzensportverbänden

Der Sport erwirtschaftete im Jahr 2008 3,7% des gesamtdeutschen Bruttoinlandsprodukts und beschäftigte ca. 1,765 Mio. Menschen (4,4% aller Erwerbstätigen) (vgl. Ahlert 2013, S. 13). In Vereinen und Verbänden des Sports erbringen rund 740.000 Führungskräfte auf der Vorstandsebene in ehrenamtlicher Arbeit eine jährliche Wertschöpfung von rund 2,25 Mrd. Euro (vgl. Breuer 2013, S. 23) und für Spitzensport interessiert sich rund 57% der deutschen Bevölkerung (vgl. Breuer/Hallmann 2011, S. 11ff.). Neben dieser gesellschaftlichen Relevanz wird dem Spitzensport auch eine hohe politische Bedeutung zugeschrieben (vgl. Digel 2010, S. 43). Im nachfolgenden Kapitel sollen die für die spätere Analyse wesentlichen Besonderheiten des Spitzensports und seiner Organisation in Verbänden herausgearbeitet werden. Ferner sind gemäß der gewählten Führungsdefinition die Personen zu charakterisieren (Kapitel 2.2).

2.1 Merkmale des Kontexts

Sport ist ein soziales Phänomen und als solches primär eine Form menschlicher Betätigung. Aus ökonomischer Sicht kann Sport als ein "Leistungsbündel mit Dienstleistungscharakter" (vgl. Daumann 2011, S. 4f.) betrachtet werden. Das soziale Phänomen Sport ist durch viele Stakeholder mit jeweils eigenen Zielen (siehe Abbildung zwei) gekennzeichnet (vgl. Schubert 2005). So ermöglichen bspw. erst Verbände und Sportstättenbetreiber gemeinsam mit Trainern und Sportausrüstern eine Leistungserstellung durch die Sportler. An deren Verwertung wiederum andere Unternehmen (bspw. Medien) partizipieren (vgl. Daumann 2011, S. 4f.). Sport ist somit das Ergebnis eines komplexen Produktionsverbunds mit vielfältigen Markt- und Akteursbeziehungen (vgl. Schubert 2005). Der Staat bildet dabei nicht nur den gesellschaftlichen Rahmen, sondern ist als wichtiger Finanzier im Spitzensport ein weiterer Stakeholder (vgl. Digel 2014, S. 207f.). Ein Beispiel für den Stakeholdereinfluss der Medien ist im Kontext dieser Arbeit ein erhöhtes Aufgabenspektrum für Trainer (bspw. Interviews) (vgl. Thiel et al. 2012, S. 136ff.). Zudem treten Unternehmen als Sponsoren im Sport auf und da Sponsoring stets auf einer Gegenleistung beruht (vgl. Preuß 2005, S. 274ff.), sind auch sie Stakeholder (vgl. Digel et al. 2006). Natürlich stehen Zuschauer, Medien und Wirtschaft auch in direkter Interaktion mit Sportlern, Trainern und Verbänden. Für das Verständnis dieser Arbeit werden sie jedoch einzig als Stakeholder abgebildet.

Einzelne Sportarten definieren sich durch ein Bündel sozialer Normen und Regeln, wodurch eine Welt entsteht, die sich oftmals grundlegend von der Alltagswirklichkeit unterscheidet (vgl. Heinemann 2007, S. 53ff.). Von besonderer Bedeutung sind dabei ethische Aspekte, bspw. die Gewährleistung von Chancengleichheit und die Verhinderung von Manipulation und Betrug (vgl. Adcroft/Chadwick 2009, S. 199f.). Außerdem unterscheidet sich Spitzensport von anderen Handlungssystemen durch spezifische Regeln, die Einflüsse relevanter Stakeholder und die Mitgliedschaftserwartungen der Spitzensportorganisation (vgl. Thiel et al. 2012, S. 136ff.). Beispielsweise sollen Sportler ihr Bestes geben, Trainer sollen Leistungsentwicklungen erreichen und Sportmanager sollen ökonomischen Erfolg erzielen. Da Trainer und Führungskräfte als Akteure im Spitzensport diesen Charakteristika unterliegen, haben diese auch Auswirkungen auf ihr Handeln (vgl. Thiel et al. 2012, S. 136ff.). Die komplexen Verknüpfungen werden in Abbildung zwei im Resümee dieses Kapitels dargestellt.

Die zentrale Handlungslogik des Spitzensports ist das Streben nach Erfolg. Im Spitzensport definiert sich Erfolg durch die binäre Codierung Sieg vs. Niederlage in einem Wettkampf (vgl. Trosien 2013b, S. 383f.). Für diesen stellt Chancengleichheit eine Bedingung dar, die durch Regeln sichergestellt wird, die auch das zu erreichende Ziel beinhalten. Chancengleichheit meint eine Nivellierung an der Startlinie. Es ist somit nur eine Illusion der Leistungsgerechtigkeit, jedoch ist sie Voraussetzung für die Nichtvorhersagbarkeit des Wettkampfergebnisses, was Spannung erzeugt, woraus wiederum Zuschauerinteresse entsteht als Grundlage für eine ökonomische Verwertung (vgl. Nufer/Bühler 2008, S. 13). Das sportliche Geschehen in einem Wettkampf wird durch eine Rangfolge abgeschlossen, wobei der Gewinn des einen auf Kosten des anderen geht (vgl. Heinemann 2007, S. 75). Aus diesem Rangwettbewerb resultiert für den Spitzensport die Gefahr eines Rattenrennens (vgl. Horch et al. 2014, S. 94). Zurückgehend auf Akerlof (1976) sind damit Wettbewerbsprozesse gemeint in denen gilt – ‚The winner takes it all‘ – und in denen Ressourcen verschwendet werden, da eine Steigerung des Einsatzes nicht zu Mehrerlösen führt. Wenn Trainer bspw. kurzfristigen Erfolg mit Nachwuchsathleten anstreben, ist die Chancengleichheit an der Startlinie eines Nachwuchswettbewerbs nur eine Illusion. Es wird also bspw. mehr Trainingsaufwand investiert, um kurzfristig erfolgreich zu sein. Andere Trainer sehen sich aufgrund der Erfolgsorientierung unter Druck, mit dieser Entwicklung mitzuhalten und investieren ebenfalls. Es entsteht ein Rattenrennen (im Sport vgl. Daumann 2011) unter den konkurrierenden Trainern im Nachwuchs. Der Mehraufwand führt nur kurzfristig zu einem Mehrerfolg des einzelnen Trainers, gleichzeitig gefährdet diese Verschwendung von Ressourcen jedoch den langfristigen Leistungsaufbau der Sportler und damit das Erreichen von Weltspitzenleistungen. Dies macht Führung im Spitzensport notwendig.

Eine weitere Besonderheit des sportlichen Wettbewerbs ist die assoziative Konkurrenz, da ja bspw. Athleten oder Trainer kooperieren (sich bspw. dem Regelwerk unterordnen), die gleichzeitig um Erfolg konkurrieren (vgl. Mazurkiewicz/Thieme 2013, S. 141f.). Bei diesem Erfolgswettbewerb gibt es jedoch viele vom Trainer nicht kontrollierbare Einflussfaktoren auf die sportliche Leistung und der Beitrag einzelner Faktoren (bspw. des Trainers) zur sportlichen Leistung ist schwer zu ermitteln (vgl. Soucie 1994, S. 4). Die Nutzung von Erfolg (Sieg des Sportlers) als Ersatzindikator für die Beurteilung der Leistung eines Trainers ist daher kritisch. Zumal dieser Indikator ökonomisch gesehen falsch ist, da der Beitrag des Siegers zur Wertschöpfung nicht größer ist als der des Verlierers (vgl. Horch et al. 2014, S. 87).

Betrachtet man die Sportler als Akteure im sportlichen Wettbewerb, zeigen sich weitere Besonderheiten. Die Ausbildung der Sportler ist ein Kollektivgut, sie ist langwierig und mit einem Verlustrisiko (bspw. Verletzung) behaftet (vgl. Horch et al. 2014, S. 94). Gleichzeitig ist das gesamte Humankapital an die Person des Sportlers gebunden. Für einen Spitzensportverband, der mithilfe von Trainern in die Ausbildung der Sportler investiert, ergibt sich daraus ein Zurechnungsproblem (vgl. Daumann 2011, S. 91). Zum einen durch die Entkopplung von Trainerhandeln und Ergebnis. Ein Trainer verantwortet das Training eines Sportlers. Die zum Erfolg führende Leistung wird durch den Sportler später in einem Wettkampf erbracht. Zum anderen besteht ein Zurechnungsproblem aufgrund der langwierigen Ausbildung. Schülertrainer, Jugendtrainer und Juniorentrainer verantworten einzelne Zeitabschnitte dieser Ausbildung mit dem Ziel späteren sportlichen Erfolgs auf Weltniveau. In beiden Beispielen ist eine Messung des Beitrags eines einzelnen Trainers zum sportlichen Erfolg nicht möglich.

Aus ökonomischer Perspektive ist ein sportlicher Wettkampf eine personenbezogene Unterhaltungsdienstleistung, deren Attraktivität durch Superstars und eine höhere Gesamtqualität steigt. Die Unsicherheit des Ausgangs (competitive balance) erhöht die Attraktivität weiter (vgl. Daumann 2011, S. 14). Neben den allgemeinen Besonderheiten von Dienstleistungen wie dem Uno-actu-Prinzip (zum Begriff vgl. Wiswede 1998) und Individualität (vgl. Wadsack/Wach 2013, S. 55ff.), ist ein sportlicher Wettkampf zudem durch die aus der binären Codierung resultierende Siegmaximierung (vgl. Daumann 2011, S. 14) und einen Steigerungsimperativ (Höher-Schneller-Weiter-Besser) (vgl. Schubert 2005) gekennzeichnet. Aus all dem resultieren eine erhöhte Komplexität sowie Leistungsdruck für Trainer und Sportler, verbunden mit der Gefahr unethischen Verhaltens (bspw. Doping) (vgl. Daumann 2013).

Aus Ergebnisperspektive ist im Sport immer Exzellenz der Maßstab. Dieser Standard wird durch den sportlichen Wettbewerb diktiert, was Investitionsbedarf in Form von Geld, Material und Beschäftigung mit sich bringt. Für Trainer und Verbände ergibt sich daraus ein Wettbewerb um Wissen und Fähigkeiten (vgl. Chelladurai/Chang 2000, S. 9).

Im Rahmen dieser Arbeit ist in einer Betrachtung der Merkmale des Kontexts die Organisation des Sports in Verbänden zu charakterisieren.

Sport in Deutschland differenziert sich neben dem kommerziellen und privaten Sektor in den organisierten Sport sowie die öffentliche Sportverwaltung von Bund, Ländern und Kommunen (Fahrner 2012). Innerhalb des organisierten Sports obliegt den Sportvereinen und Sportverbänden die Zuständigkeit für den Spitzensport in Deutschland (vgl. Thiel et al. 2012, S. 219). Der organisierte Sport gliedert sich dabei sowohl fachlich, als auch regional (siehe Abbildung eins). Ein Sportverein ist also Mitglied in einem Landessportbund, der wiederum Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist. Darüber hinaus ist ein Verein entsprechend seiner Sportart Mitglied in einem Landesfachverband. Dieser vertritt die Sportart in einem Landessportbund. Ein Landesfachverband ist zudem Mitglied in einem Bundessportfachverband. Die Bundessportfachverbände der Sportarten sind wiederum Mitglieder des DOSB (vgl. Bundesministerium des Innern 2015, S. 28). Der DOSB sichert den Bundessportfachverbänden dabei eine Monopolstellung zu (vgl. DOSB 2014). Der DOSB ist die regierungsunabhängige Dachorganisation des deutschen Sports (vgl. DOSB 2015c) und vertritt auf Bundesebene die Interessen seiner Mitglieder. Die Mitgliedsorganisationen des DOSB sind organisatorisch, finanziell und fachlich selbständig (vgl. Bundesministerium des Innern 2015, S. 28). International ist der Spitzensport in das International Olympic Committee (IOC) als Dachverband der olympischen Bewegung eingebettet sowie in die internationalen Fachverbände als Supraorganisationen des Spitzensports, um internationale Wettbewerbe zu regeln und zu organisieren (vgl. Thiel et al. 2012, S. 222ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vereinfachtes Strukturschema des deutschen Sports (von unten nach oben zu lesen, um die Hierarchie der Organisationen zum Ausdruck zu bringen) (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: DOSB 2015b)

Eine Eingrenzung des organisatorischen Kontexts dieser Arbeit auf eine dieser Organisationen ist nicht notwendig, da sie alle auf dem Grundsatz der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz) aufbauende rechtsfähige privatrechtliche Idealvereine darstellen. Deren gemeinsame juristische Grundlage sind die §§ 21-79 BGB. Der gewählte Titel beschränkt die Untersuchung daher lediglich auf Institutionen des organisierten Sports in Deutschland mit einer Spitzensportorientierung.

Diese Spitzensportverbände verfolgen das Ziel internationalen Sporterfolgs (vgl. DOSB 2006, S. 5) in Form von Medaillen bei sportlichen Großereignissen (Simeoni 2015). Damit wird der sportliche Wettkampf auch zu einem Wettkampf der Systeme (vgl. Bosscher et al. 2006, S. 185). International werden sich die Sportsysteme dabei immer ähnlicher, sodass ein möglicher Wettbewerbsvorteil in der Ressource Trainer gesehen wird (vgl. Bosscher et al. 2006, S. 185).

Die Finanzierung des Spitzensportsystems in Deutschland mit den darin beschäftigten Trainern erfolgt in wesentlichen Teilen durch die öffentliche Hand (vgl. Fahrner 2012, S. 144). Den Grundsätzen der Selbstverwaltung des Sports mit den Prinzipien der Subsidiarität (zum Begriff vgl. Trosien 2013c, S. 416f.), der Autonomie der Sportfachverbände und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit (vgl. Bundesministerium des Innern 2015, S. 11ff.) folgend, bildet das Förderkonzept 2012 die Grundlage für die gegenwärtige Finanzierung des olympischen Spitzensports (vgl. DOSB 2007).

Die Grundlage für die Steuerung und Struktur des deutschen Spitzensports bildet das Nationale Spitzensportkonzept, wonach dem DOSB eine zentrale Koordinierungsfunktion im Spitzensport zukommt (vgl. DSB 1997, S. 5). Für die Organisation des Spitzensports sind die Bundessportfachverbände in ihren jeweiligen Sportarten zuständig (vgl. Bundesministerium des Innern 2015, S. 29). Für die Realisierung der sportlichen Ziele wurde ein Stützpunktsystem geschaffen (vgl. DOSB 2013). Die wissenschaftliche Steuerung im deutschen Spitzensportsystem erfolgt durch mehrere Einrichtungen im wissenschaftlichen Verbundsystem (vgl. Digel et al. 2006, S. 45). Mit einem separaten Nachwuchsleistungssportkonzept wird versucht, Deutschlands Position im internationalen Spitzensport nachhaltig zu sichern und zu verbessern (vgl. DOSB 2013a). Die Steuerung und Zusammenarbeit der genannten Institutionen des Spitzensports erfolgt auf Grundlage des Steuerungsmodell Leistungssport des DOSB (DOSB 2006). Ziel dessen sind unter anderem eine Entbürokratisierung, verbesserte Transparenz und klarere Kompetenzverteilung. Erreicht werden soll dies in erster Linie mithilfe von Ziel- und Kooperationsvereinbarungen sowie einer Beschreibung und Verbesserung der Prozesse als Vorstufe für ein angestrebtes Qualitätsmanagement (vgl. DOSB 2006, S. 6f.). Das komplexe deutsche Spitzensportsystem wird derzeit als reformbedürftig eingeschätzt (vgl. Digel et al. 2006, S. 206ff; vgl. Digel 2014).

Nach der Beschreibung der Struktur werden daraus im folgenden Abschnitt die für die spätere Analyse relevanten Merkmale abgeleitet.

Auf Basis des § 21 BGB sind Sportverbände ideelle Vereinigungen, die eine Erreichung eines bestimmten Zwecks anstreben und damit als Teil des dritten Sektors (vgl. Meyer/Simsa 2013b, S. 12) zu betrachten sind (vgl. Trosien 2013a, S. 361). Mit den §§ 27 und 32 BGB ist geregelt, dass das oberste Willensbildungsorgan eines Vereins die Mitgliederversammlung ist, woraus sich eine starke Orientierung an den Interessen der Mitglieder ableiten lässt. Vorstände als Vertretungsorgane des Vereins oder bestellte Vertreter (§§ 26-30 BGB) unterliegen damit diesem Einfluss bei der Führung von Trainern. Als Interessenorganisationen basieren Vereine auf freiwilliger Mitgliedschaft, was zu einer stärkeren Verknüpfung von Akteur und Organisation führt. Daraus resultieren eine stärkere Personenorientierung und häufig personalisierte Prozesse (vgl. Meyer/Simsa 2013a). Ferner ist eine Tendenz zur Oligarchisierung und zu verstärkter Mikropolitik zu beobachten (vgl. Heinemann 2007, S. 152ff.). Die Organisationsmerkmale freiwillige Mitgliedschaft, demokratische Entscheidungsstrukturen und ehrenamtliche Mitarbeit führen zu Personalisierung statt Spezialisierung und zu Ambivalenz statt Standardisierung in der Aufgabenerfüllung (vgl. Horch et al. 2014, S. 121). Da die Organisationsstruktur nur eine geringe Herrschaftsbefugnis verleiht und Macht in Sportorganisationen auch nicht auf Eigentum basieren kann, muss sich Autorität in Verbänden aus fachlicher oder funktionaler Expertise speisen (vgl. Heinemann 2007, S. 150).

Der Zweck ideeller Vereinigungen zielt nicht auf Gewinnerzielung durch Ressourcentausch ab. Daraus lässt sich eine große Bedeutung von Emotionen, Werten und Ideologien ableiten (vgl. Simsa/Patak 2008, S. 12f.). So sind bspw. die wichtigsten Motivationsgrundlagen in Verbänden gemeinsame Ziele und Werte (vgl. Horch et al. 2014, S. 115ff.). Aus dem ideellen Zweck eines Verbandes ist die Ableitung eines konsistenten Zielsystems schwierig (vgl. Bea/Göbel 2010, S. 469). Die vage Zweckformulierung in der Satzung in Verbindung mit den Problemen der Erfolgsmessung führt überdies dazu, dass Handlungen in Sportverbänden meist ohne Konsequenzen bleiben (vgl. Fahrner 2012, S. 87).

Insgesamt ergibt sich somit ein hohes Maß an organisationaler Widersprüchlichkeit (vgl. Simsa/Steyrer 2013, S. 360). Merkmale wie Personenorientierung, verstärkte Mikropolitik und geringe Formalisierung deuten auf die Notwendigkeit indirekter Führung (zum Begriff und zur Abgrenzung von direkter Führung vgl. Weibler 2012, S. 97) hin. Die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Organisationsstruktur bedarf jedoch auch der Interpretation durch Führung (vgl. Weibler 2012, S. 101f.) und verdeutlicht die Notwendigkeit direkter Führung in Verbänden (vgl. Hoye/Doherty 2011, S. 272). Auch wenn diese komplex und anspruchsvoll ist (vgl. Horch et al. 2014, S. 122), wird die Art und Weise, wie Individuen geführt werden, immer wichtiger für den Erfolg von Sportorganisationen werden (vgl. Fletcher/Arnold 2011, S. 223). Im folgenden Abschnitt sind deshalb die Merkmale der Person in einem Sportverband darzustellen.

2.2 Merkmale der Person

Gemeinsames Ziel der Arbeit im Spitzensport ist der sportliche Erfolg der Athleten (vgl. Digel 2010, S. 30). Trainer haben als wichtigste Wegbegleiter der Sportler deshalb eine zentrale Bedeutung im Spitzensport (vgl. Digel et al. 2006, S. 39). Im deutschen Spitzensport werden mit der Konzeption für Leistungssportpersonal die grundlegenden Elemente geregelt (DOSB 2004). Leistungssportpersonal umfasst Management, Organisation, Verwaltung, Trainer und technisches Servicepersonal. Trainer werden durch das Management-Leistungssportpersonal geführt (vgl. DOSB 2004, S. 6ff.). Auf diesen Ausschnitt konzentriert sich auch diese Untersuchung. Dabei ist es unerheblich, welche spezifische Ausprägungsform diese Konstellation annimmt. Führung wird im Kontext eines Verbands, bei auf Basis eines Arbeitsvertrags Beschäftigten, untersucht. Diese Beschäftigten sind Trainer und Management-Leistungssportpersonal (bspw. ein Sportdirektor).

Im Vergleich zum Durchschnitt der hauptamtlichen Mitarbeit im Dritten Sektor wird bislang im Sport weniger hauptamtliches Personal beschäftigt (vgl. Zimmer/Priller 2004, S. 127ff.). Es entspricht einem rationalen Kalkül ehrenamtliche Arbeit im Sport zu nutzen und auf hauptamtliche Mitarbeit zu verzichten (vgl. Heinemann 2007, S. 279ff.; vgl. Thieme 2012, S. 186). Dies trägt dazu bei, dass bislang nicht von einem segmentierten, qualifikationsbezogenen und damit strukturierten Arbeitsmarkt im Sport gesprochen werden kann (vgl. Heinemann 1999, S. 34ff.). Stattdessen finden sich sehr heterogene Beschäftigungsverhältnisse (vgl. Zimmer/Priller 2004, S. 127ff.) mit einer großen Aufgabenvielfalt (vgl. Wadsack 2013b, S. 190).

Position (zum Begriff vgl. Mayrhofer 1995, S. 810ff.) und Rolle (zum Begriff vgl. Spiess/Rosenstiel 2010, S. 3ff.) von Beschäftigten im Sport sind oftmals nicht klar und formal geregelt (vgl. Harrison/Murray 2012, S. 426f.). Die mangelnde Operationalisierbarkeit der Organisationszwecke führt häufig zu unklaren Aufgabenverteilungen (vgl. Thiel/Meier 2005, S. 17). Daraus resultiert ein oftmals vielfältiges Aufgabenspektrum mit zahlreichen Zusatzaufgaben (bspw. Gremienarbeit) (vgl. Herman/Heimovics 1994) sowie eine starke Personen- und Beziehungsorientierung (vgl. Simsa/Patak 2008, S. 52ff.). Mitarbeiter im Sport bilden häufig informelle Kommunikationsnetze als Machtzirkel (vgl. Emrich 2005, S. 95). Die größere Bedeutung von Mikropolitik und informellen Prozessen führt auch zu einer Interaktionsverfestigung anstelle von Formalisierung (vgl. Horch et al. 2014, S. 120f.), was wiederum mit Beharrungsverhalten und damit mangelnder Anpassungsfähigkeit sowie struktureller Trägheit einhergeht (vgl. Emrich 2005, S. 95).

Führungskräfte sind zudem mit zahlreichen Widersprüchen konfrontiert. Neben den erwähnten Spannungen aus unterschiedlichen Systemlogiken und komplexen Stakeholdererwartungen kann hier exemplarisch der Harmoniebedarf in ideellen Vereinigungen im Gegensatz zur Notwendigkeit klarer Entscheidungen angeführt werden (vgl. Simsa/Patak 2008, S. 29ff.). Die stärkere Bedeutung informeller Prozesse bei gleichzeitig geringer Durchsetzungsmacht erschweren Führung zusätzlich und erfordern viele Kooperations- und Aushandlungsprozesse (vgl. Herman/Heimovics 1994). Dies führt oftmals zu einer Tendenz zum kleinsten gemeinsamen Nenner (vgl. Emrich 2005, S. 95).

Aus den vielfältigen Aufgaben von Spitzensportpersonal (vgl. Heinemann 2007, S. 283; vgl. Apitzsch 2012, S. 179) ergeben sich hohe Qualifikationserfordernisse (vgl. Thieme/Wadsack 2013, S. 220ff.). Als zentral für Führungskräfte im Spitzensport wird bspw. das Etablieren einer starken Team-Identität und Vision genannt, oder auch konsequentes Handeln (vgl. Slater et al. 2014, S. 206). Fachwissen, Rollenverständnis, situative Flexibilität, Beziehungsorientierung und Gerechtigkeit sind weitere Aspekte (vgl. Arnold et al. 2012). In ähnlicher Art und Weise benennen Autoren notwendige Führungsfähigkeiten (vgl. Palmero/Li 2015, S. 68), oder geben Handlungsempfehlungen. Bspw. leitet Soucie (vgl. 1994, S. 6ff.) aus verschiedensten Führungstheorien Verhaltensanweisungen ab (bspw. sei hartnäckig, verstehe die Situation, pflege Beziehungen). Schwerpunkte liegen somit im Bereich der Kommunikation und Sozialkompetenz (vgl. Horch et al. 1999, S. 106ff.). Dies wird untermauert durch die Forderung einer Vorbildrolle der Führung sowie die hohen ethischen Anforderungen im Sport (vgl. Kihl et al. 2010, S. 269) und einer großen Bedeutung von Vertrauen (vgl. Dobbs 2004, S. 14). Überdies ist Führung im Sport mit den bereits erwähnten multiplen Stakeholdererwartungen konfrontiert (vgl. Welty Peachey et al. 2015, S. 11). Im Ergebnis lässt sich das Erfordernis einer hohen Kompetenz der Führungspersonen ableiten (vgl. Hoye/Doherty 2011, S. 277ff.). Der Forderung nach Kompetenz kann die Praxis der Personalrekrutierung aus den eigenen Reihen entgegenstehen. Diese Rekrutierungspraxis lässt sich dadurch begründen, dass langjährige Mitgliedschaft und Loyalität die wichtigsten Legitimationsquellen für Führungshandeln in Sportverbänden darstellen, sodass oftmals Positionen nicht nach Bedarf, sondern nach Angebot und Interesse gebildet und besetzt werden (vgl. Nagel/Schlesinger 2008, S. 193ff.).

Aufgrund der erst beginnenden Verberuflichung im Sport (vgl. Heinemann 2007, S. 282) ist das Berufsbild Trainer bislang nicht eindeutig festgelegt (vgl. Krug/Zinner 2011, S. 57). Zudem gibt es bisher noch keine formale Berufsausbildung und die Beschäftigungsmodelle sind sehr vielfältig und unsicher (vgl. Digel 2010, S. 7ff.). Innerhalb der Berufsgruppe finden sich starke soziale Ungleichheiten (bspw. beim Gehalt) (vgl. Digel et al. 2006, S. 602). Als Teil des Spitzensportsystems werden Trainer hauptsächlich am sportlichen Erfolg gemessen (vgl. Cachay/Thiel 2000, S. 134ff.). Trainer sind in Bezug auf Erfolg jedoch abhängig von der Leistung ihrer Athleten (vgl. Digel 2010, S. 7ff.). Außerdem fließen viele nicht kontrollierbare Randbedingungen in die mögliche Erfolgsgenerierung durch die Sportler mit ein (vgl. Bette 1984, S. 36). Problematisch hinsichtlich der Erfolgsmessung ist auch die zeitliche Entkopplung zwischen Trainerhandlung und sportlichem Erfolg (vgl. Digel 2010, S. 7ff.). Beispielsweise bilden Nachwuchstrainer ein Talent aus, der spätere Erfolg im Spitzensport wird jedoch dem Bundestrainer zugeschrieben. Dieses Reziprozitätsdefizit (Gouldner 1960) aufgrund distributiver Ungerechtigkeit kann zu einem Konkurrenzverhalten der Trainer inklusive aufwändigem Impression Management führen, wodurch auch formale Strukturen aufgeweicht werden (vgl. Bette 1984, S. 51f.). Unter Impression Management wird im Rahmen dieser Arbeit das Bemühen einer Person verstanden, den Eindruck zu steuern, den diese Person auf andere Personen macht (Gardner/Martinko 1988).

Die Erfolgs- und Wettbewerbsorientierung, Öffentlichkeit und interne Konkurrenz bei gleichzeitiger Abhängigkeit von den Athleten prägen die Trainerrolle (vgl. Bette 1984, S. 63). Ein Trainer folgt daher stärker dem Wettbewerbsprinzip anstatt einer Hierarchie, wodurch auch eine Kooperation der Trainer untereinander erschwert ist und kurzfristiges Handeln gegenüber langfristigem Erfolg bevorzugt wird (Bette 1984). Für die nachhaltige Sicherung des Erfolgs spielen Wissen und lebenslanges Lernen für Trainer eine besonders große Rolle (vgl. Goodall et al. 2011, S. 280f.). In Deutschland erfolgt bislang der Aufbau und Transfer von spezifischem Wissen bei Trainern nicht systematisch (vgl. Digel et al. 2006, S. 524). Letztlich stehen Athlet sowie Trainer unter einem starken Leistungsdruck (vgl. Breuer/Hallmann 2013, S. 1ff.) und die gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Athleten, Trainern und ihren Führungspersonen sowie Verbänden bergen Gefahren bezüglich Doping und Manipulation in sich, die durch eine erfolgsabhängige Entlohnung weiter verstärkt werden (vgl. Daumann 2013, S. 48f.).

Die Kernaufgabe von Trainern ist die Vervollkommnung der sportlichen Leistungsfähigkeit ihrer Athleten, aus der allein sich schon ein komplexes Aufgabenprofil ergibt (vgl. Patsantáras 1994, S. 199f.). Doch zusätzlich sind die Stellenbeschreibungen selten differenziert, oftmals abstrakt und meist ohne für eine Überprüfung operationalisierbare Angaben formuliert. Diese fehlende Konkretisierung und die damit verbundene Mehrdeutigkeit der Stellenbeschreibungen begünstigt unübersichtliche und breite Tätigkeitserwartungen an Trainer, sodass eine funktional diffuse Rolle des Trainers entsteht (vgl. Bette 1984). Zusätzlich prägt die Situationsungewissheit des Sports die Arbeit der Trainer (vgl. Schreiner/Thiel 2011, S. 41f.). Das diffuse Aufgabenspektrum sowie ihr Tätigkeitsgebiet konfrontieren Trainer regelmäßig mit Belastungssituationen, sodass Stress-Coping, bspw. durch Rückendeckung von den Vorgesetzten, eine wichtige Rolle spielt (vgl. Altfeld/Kellmann 2013, S. 47).

Aus den Organisationsmerkmalen Mitgliederorientierung und Personalisierung sowie der Mischung aus ehrenamtlicher- und hauptamtlicher Mitarbeit entspringt ein ständiger Legitimationsdruck für Trainer (vgl. Emrich 2005, S. 95). Zusammen mit den geringen Entscheidungsbefugnissen von Trainern aufgrund der Unterordnung in der Verbandsorganisation entsteht sehr viel Konfliktpotential (vgl. Digel 2010, S. 39f.). Zumal oftmals geeignete Kommunikationsstrukturen fehlen und aufgrund der Vielschichtigkeit des Spitzensports die Entlastungsfunktion durch Formalisierung erschwert ist (vgl. Bette 1984, S. 47f.). All dies spricht für die Notwendigkeit direkter Führung.

Im Ergebnis ist der Beruf des Trainers im Spitzensport mit grundsätzlichen Problemen behaftet, die ihn wenig attraktiv erscheinen lassen (vgl. Heinemann 2007, S. 287) und nicht zuletzt deshalb die Rekrutierung und Bindung von Trainerpersonal zu einem besonderen Problem machen (vgl. Digel et al. 2006). Zudem ist die Rekrutierung auf dem begrenzten Trainermarkt (vgl. Adcroft/Chadwick 2009, S. 191ff.) häufig intransparent und erfolgt meist über informelle Netzwerke (vgl. Digel 2010, S. 9). Formale Qualifikation wird zwar als wichtig angesehen, letztlich jedoch bei der Entscheidung wenig beachtet. Bei dieser zählen dann vor allem persönliche Präferenzen (vgl. Schreiner/Thiel 2011). Es zeigt sich eine geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung (vgl. Breuer/Feiler 2013, S. 43) sowie eine erhöhte Gefahr von Patronage (vgl. Bearfield 2009). Dadurch ist der Trainermarkt für externe Kandidaten schwer zugänglich, sodass auch der Einzug neuen Wissens erschwert wird (vgl. Digel 2010, S. 7ff.).

Insgesamt stehen Trainer im Spannungsfeld vieler Interessen (vgl. Borggrefe et al. 2006, S. 8), sind abhängig vom Erfolg ihrer Athleten und dabei relativ schutzlos gegenüber dem Verband. Hinzu kommt eine geringe Entscheidungspartizipation der Trainer im Spitzensport (vgl. Bette 1984, S. 43). Vieles deutet daher auf eine Notwendigkeit direkter Führung hin, deren Möglichkeiten und Grenzen in Kapitel vier diskutiert werden.

2.3 Resümee

Die Notwendigkeit direkter Führung von Trainern in deutschen Spitzensportverbänden wurde anhand der Charakteristika des Trainerberufs sowie des Spitzensports und seiner spezifischen Organisationsform mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Führungsaufgabe abgeleitet. Nachfolgend werden die für den Fortgang der Untersuchung wichtigsten Charakteristika zusammengefasst.

Abbildung zwei stellt wesentliche Merkmale des Spitzensports sowie die im zurückliegenden Kapitel ausgearbeiteten komplexen Zusammenhänge und die Stakeholder im Spitzensport (hellgrauer Hintergrund) grafisch dar. Zentrales Element ist das Erbringen einer sportlichen Leistung durch Sportler, die in ihrer Vorbereitung durch Trainer unterstützt werden (Bette 1984), welche wiederum von Spitzensportpersonal geführt werden (DOSB 2004). Eingebettet in das Regelwerk eines Verbandes unterliegen sie spezifischen Mitgliedschaftserwartungen. Ziel der sportlichen Leistungserbringung ist der Erfolg in einem sportlichen Wettkampf (Heinemann 2007), der ebenso in das Regelwerk eines Verbandes eingebettet ist und dem durch Sieg oder Niederlage Ausdruck verliehen wird. Dieser Siegescode kann Leistungsdruck oder auch Doping mitverursachen (vgl. Thiel et al. 2012, S. 136ff.). Ermöglicht und unterstützt wird die sportliche Leistungserbringung durch Spitzensporteinrichtungen, unterstützende Systeme (DOSB 2006), (öffentliche und private) Infrastruktur, und die Wirtschaft als Kooperationspartner (Ausrüster) (vgl. Daumann 2011, S. 4f.). Der Staat bildet dabei nicht nur den gesellschaftlichen Rahmen, sondern ist als wichtiger Finanzier im Spitzensport ein weiterer Stakeholder (vgl. Digel 2014, S. 207f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Spitzensport und seine Verknüpfungen (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: Digel et al. 2006, S. 18; DOSB 2006; Breuer et al. 2008, S. 25; Daumann 2011, S. 21; Thiel et al. 2012, S. 137f.)

Aus den Spezifika der Kontextmerkmale und der Charakteristika der Person lässt sich die Notwendigkeit direkter Führung in Spitzensportverbänden resümieren. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Führungsaufgabe im Sport ebenso wie in Unternehmen durch Komplexität charakterisiert ist. Führungsphänomene im Sport weisen jedoch eigene Charakteristika im Vergleich zur Führung in Unternehmen auf (vgl. Welty Peachey et al. 2015, S. 20). Die Art und Weise, wie Trainer geführt werden, wird im internationalen Wettbewerb zunehmend zu einem Erfolgsfaktor (vgl. Fletcher/Arnold 2011, S. 223). Allerdings ist bislang eine eigene Theoriebildung zur Führung im Spitzensport nicht zu erkennen (vgl. Mayer 2015, S. 2) und auch eine Prüfung von Führungstheorien der Wirtschaftswissenschaft für den Sport findet kaum statt (vgl. Slack 1999, S. 49). Diese Arbeit leistet einen Beitrag, diese Erkenntnislücke weiter zu schließen. Dazu werden in Kapitel vier die Möglichkeiten und Grenzen der Führung von Trainern anhand von zwei Ansätzen diskutiert. Diese Ansätze werden im folgenden Kapitel vorgestellt und beschrieben. In Tabelle eins sind die für den Fortgang der Untersuchung wichtigsten Merkmale der Führungsaufgabe im Spitzensport zusammengefasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Determinanten der Führungsaufgabe im Spitzensport

3 Ausgewählte theoretische Perspektiven zur Führung von Trainern

Die in Kapitel zwei ausgearbeiteten spezifischen Merkmale des Spitzensports, seiner Organisation und der Trainer, als potentiell Geführten, sprechen für eine Notwendigkeit direkter Führung im Spitzensport. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Beziehungsaspekts in Bezug auf Führung im Spitzensport wird nachfolgend der LMX-Ansatz thematisiert. Anschließend wird mit dem Followership-Ansatz die Perspektive auf die Führungsaufgabe im Spitzensport erweitert. Insbesondere aufgrund der Charakteristik von Trainern als Experten sowie einer geringeren Akzeptanz von Führung im Spitzensport. Diese theoretischen Perspektiven stellen die Grundlagen für die spätere Analyse dar.

Gemäß der für diese Arbeit gewählten Führungsdefinition sind Personen die Objekte direkter und indirekter Führung. Die niedrigste Ebene der Führung ist damit die Führung einer einzelnen Person. Eingebettet in einen Kontext interagieren bei der direkten Führung Führender und Geführter (vgl. Weibler 2012, S. 8ff.). Abbildung drei konkretisiert die Grundstruktur dieser Führungsbeziehung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Grundstruktur einer Führungsbeziehung (Quelle: Weibler 2012, S. 24)

Führungserfolg steht dabei für das Resultat der Interaktionsprozesse, bezogen auf deren Intention, mit den drei Effektivitätskriterien Leistung, Kohäsion und Zufriedenheit (vgl. Weibler 2012, S. 65 und 72f.). Die prinzipiellen Zurechnungs-, Verzerrungs- und Messprobleme (vgl. Weibler 2012, S. 73) werden im Sport aufgrund der Komplexität und Widersprüchlichkeit des Konstrukts sportlicher Leistung zusätzlich verstärkt (siehe Kapitel zwei) (vgl. Soucie 1994, S. 4).

Abbildung drei zeigt soziale Interaktion als ein wesentliches Grundmerkmal einer Führungsbeziehung. Mit dem Begriff sozial wird zum Ausdruck gebracht, dass die Interaktionspartner sozial orientiert handeln und dass Handeln durch Lernprozesse sozial geformt wird (vgl. Weibler 2012, S. 38). Interaktion ist dabei als eine wechselseitige Verhaltensbeeinflussung zu verstehen (vgl. Klima 1995, S. 307). In Führungsbeziehungen ist dieser wechselseitige Einfluss zumindest zeitweise asymmetrisch zugunsten des Führenden (vgl. Weibler 2012, S. 39). Vertrauen und wahrgenommene Gerechtigkeit sind Basiskategorien sozialer Interaktionen (vgl. Weibler 2012, S. 45).

Im Rahmen dieser Arbeit werden zwei unterschiedliche Perspektiven auf Interaktion verwendet. Da der LMX-Ansatz auf der für die Führungsbeziehung angepassten struktur-funktionalistischen Rollentheorie aufbaut (Graen/Cashman 1975), basiert soziale Interaktion in diesem Kontext auf formellen und informellen Rollenerwartungen (vgl. Weibler 2012, S. 40). Rollen stellen hierbei normative Verhaltenserwartungen an Individuen dar (vgl. Spiess/Rosenstiel 2010, S. 3f.) und sind in diesem Interaktionsverständnis komplementär mit einer sozialen Position verknüpft (vgl. Weibler 2012, S. 40). Eine Position ist dabei personenunabhängig als „Ort in einem Gefüge sozialer Beziehungen“ (Mayrhofer 1995, S. 809) definiert. Die im Rahmen des Followership-Ansatzes verwendete Prozessperspektive (Uhl-Bien et al. 2014) bezieht ihr Interaktionsverständnis hingegen aus dem symbolischen Interaktionismus (Blumer 1969). Zentral ist hierbei ein durch Interaktion (Kommunikation, insbesondere Sprache) angetriebener gemeinsamer Interpretationsprozess. Somit müssen Rollen gemeinsam konstruiert (ausgehandelt) und interpretiert werden. Mittler zwischen Rolle und Person ist die Identität, welche durch Interaktion kontextspezifisch ausdifferenziert wird und selbst auf die Interaktion zurückwirkt (vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 484ff.).

Soziale Interaktion in einer Führungsbeziehung verlangt gemäß der Definition von Führung die Akzeptanz einer Einflussnahme, der wiederum zunächst die Wahrnehmung eines Einflussversuchs vorausgeht. Konzipiert man Führung dabei gemäß der Social Information Processing Theory (Lord/Maher 1991) als ein Wahrnehmungsphänomen, dann entsteht diese Akzeptanz als Resultat eines Zuschreibungsprozesses (vgl. Neuberger 2002, S. 562). Die subjektive Zuschreibung von Ereignissen auf sie bedingende Ursachen wird als Attribution bezeichnet (vgl. Spiess/Rosenstiel 2010, S. 30). Attributionsprozesse umfassen Urteile über die bestimmenden Faktoren eigenen Verhaltens sowie eigener Handlungsresultate, über die Ursachen von Ereignissen, oder über die bestimmenden Faktoren des Verhaltens anderer Personen (vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 278).

Zurückgehend auf Heider (1958) wurden in der Sozialpsychologie verschiedene Erklärungsansätze für Attributionsprozesse entwickelt (vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 259). Das Kovariationsmodell von Kelley (1973) bildet eine wichtige Grundlage (vertiefend vgl. Weibler 2012, S. 119ff.). Darauf aufbauend wurde durch Calder (1977) für die Zuschreibung von Führung ein Modell eines mehrstufigen Attributionsprozesses entwickelt (vertiefend vgl. Weibler 2012, S. 123ff.). Neben dem Prozess der Zuschreibung von Führung zu einer Person durch die (dann) Geführten, finden Attributionsprozesse im Kontext von Führung auch in die entgegengesetzte Richtung statt (Lakshman 2008). Diese umfassen beispielsweise die Bewertung (durch den Führenden) der Leistung von Geführten im Rahmen der Aufgabenerfüllung (Green/Mitchell 1979), inklusive ihrer Einflussvariablen und Folgen für die Führungsbeziehung (Martinko/Gardner 1987).

Soziale Interaktionsprozesse im Rahmen einer Führungsbeziehung werden auch durch das Umfeld einer Führungsbeziehung beeinflusst (siehe Abbildung drei). Diese spezifische Führungssituation ist dabei eingebettet in einen allgemeinen Führungskontext. Der Spitzensport und seine Organisation in einem Verband sind im Rahmen dieser Arbeit sekundäre und primäre Führungssituationsfaktoren. Sie werden als Konstrukt und nicht als exakte Größe berücksichtigt (vgl. Weibler 2012, S. 57).

Entsprechend der dargelegten Grundstruktur einer Führungsbeziehung sind ferner Führende und Geführte wesentliche Grundelemente von Führungsbeziehungen (siehe Abbildung drei). Führender und Geführter bezeichnen in diesem für die Arbeit wichtigen Verständnis zunächst bestimmte Kategorien (zum Begriff vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 189). Spitzensportpersonal und Trainer sind im Kontext dieser Arbeit daher zunächst ebenfalls als Kategorien zu verstehen. Als Personen haben sie eine bestimmte Stelle (zum Begriff vgl. Bea/Göbel 2010, S. 264) in einem Verband inne.

Kategorien sind als kognitive Vereinfachungsmechanismen zu verstehen, um aufgrund der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Menschen Stimuli und Erfahrungen zu enkodieren. Schemata, Skripte, Einstellungen, Stereotype und Prototypen sind Teilmengen von Kategorien (vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 190f.). Kategorien sind dabei in hierarchischen Netzwerken organisiert (vgl. Rosch 1978). Eine Anpassung von Kategorien und Kategorisierungen im Zeitverlauf ist möglich (vgl. Gilbert et al. 1988) und wird mithilfe der Aussagen der Adaptive Resonance Theory erklärt (vgl. Grossberg 1999). Das Entwickeln von Kategorien in Sozialisations- und Lernprozessen (vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 189) bedeutet also auch, dass Führende und Geführte als Persönlichkeiten prototypische Vorstellungen darüber entwickeln, welche Verhaltensweisen und Persönlichkeitseigenschaften notwendig sind, um eine beobachtete Person in die Kategorie Führender oder Geführter einzuordnen (vgl. Weibler 2012, S. 25). Ein Beobachter (der Adressat des Einflussversuchs) definiert also mittels kognitiven Prozessen, ob der Sender des Einflussversuchs in die Kategorie Führender einzuordnen ist (vgl. Weibler 2012, S. 20f.). Dies setzt beim Beobachter ein Kriterienbündel über notwendige typische Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen für eine solche Einordnung als Führender voraus. Ein solches Kriterienbündel kann als implizite Persönlichkeitstheorie bezeichnet werden (vgl. Fischer/Wiswede 2009, S. 247).

Führende und Geführte entwickeln also implizite Theorien (Schneider 1973), zu verstehen als persönliche Annahmen darüber, welche Verhaltensweisen und Eigenschaften Führende bzw. Geführte charakterisieren und nutzen dafür Kategorien (vgl. Lord et al. 1984). Bspw. entwickelt demnach ein Führender (Leader2 ) mithilfe automatisch ablaufender Kategorisierungen eine implizite Followership Theorie (LIFT) im Sinne von individuellen und persönlichen Annahmen über die Eigenschaften und Verhaltensweisen, die einen Geführten (Follower) charakterisieren (vgl. Sy 2010, S. 73f.). Kognitive Strukturen eines Führenden, welche die Eigenschaften und Fähigkeiten spezifizieren, die einen Führenden kennzeichnen, bilden dann also die implizite Leadership Theorie des Führenden (LILT). Da eine implizite Theorie als Konstruktion im Denken eines Menschen entsteht, erzeugt sie eine subjektive Realität und Wahrnehmung (vgl. Epitropaki et al. 2013, S. 858). Abbildung vier stellt die Begriffe im Kontext von Führung dar und klammert dabei bewusst andere Elemente der Persönlichkeit (bspw. Menschenbilder) aus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Implizite Theorien (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Informationen aus: Epitropaki et al. 2013, S. 874; Fischer/Wiswede 2009, S. 247ff.; Weibler 2012, S. 25ff.)

[...]


1 Das aus Gründen der besseren Lesbarkeit vornehmlich verwendete generische Maskulinum schließt gleichermaßen weibliche und männliche Personen ein.

2 Die Termini Leader und Follower werden im Rahmen des Followership-Ansatzes genutzt und dienen in dieser Arbeit der einfacheren Unterscheidung zwischen den betrachteten Forschungsperspektiven. Da implizite Theorien für den LMX-Ansatz und für den Followership-Ansatz Bedeutung haben, jedoch bei impliziten Theorien die Termini Leader und Follower auch genutzt werden, ist eine Verwendung der Begriffe Leader und Follower an dieser Stelle unumgänglich.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Führung von hauptamtlichen Trainern in deutschen Spitzensportverbänden
Untertitel
Eine Analyse der Möglichkeiten und Grenzen auf der Basis des Leader-Member Exchange Ansatzes sowie des Followership-Ansatzes
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Fakultät für Wirtschaftswissenschaft)
Veranstaltung
Personalführung und Organisation
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
91
Katalognummer
V313438
ISBN (eBook)
9783668122741
ISBN (Buch)
9783668122758
Dateigröße
875 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sport, Trainer, Führung, Personal, LMX, Followership, Spitzensport, DOSB, Verband, Leistungssport, Personalführung, Medaille, Leader Member Exchange, Vorstand, Coach
Arbeit zitieren
Danny Winkelmann (Autor:in), 2015, Führung von hauptamtlichen Trainern in deutschen Spitzensportverbänden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313438

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