Nutzen der Analyse externer Risiken für den Finanzberater in der Privatkundenberatung

Benefit of an External Risks Analysis for Financial Advisors in Private Client Advisory Services


Bachelorarbeit, 2014

27 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstrakt

1 | Einleitung
1.1 | Risiken und German Angst
1.2 | Vorgehensweise

2 | Finanzanalyse in der Privatkundenberatung
2.1 |Anwendungsbereich von Finanzanalysen bei Versicherungen
2.2 | Anwendungsbereich Kapitalanlagen
2.3 | Analyse der Finanzanalysen

3 | Risikofrüherkennung und Risikomanagement
3.1 | Risikomanagement in Unternehmen
3.2 | PEST Analyse
3.3 | Risikomanagement in der Beratung von Privatkunden

4 | Nutzen Analyse aus Sicht des Finanzdienstleisters
4.1 | Analyse externe Risiken als Akquise & Marketing Instrument
4.2 | Analyse externe Risiken in Beratung & Betreuung
4.3 | Gewichtung möglicher Nutzen durch Finanzdienstleister

5 | Zusammenfassung
5.1 | Persönliche Bewertung
5.2 | Ausblick

6 | Anhang

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abstrakt

Nutzen der Analyse externer Risiken für den Finanzberater in der Privatkundenberatung

Aktuelle Finanzanalysen mit ihrem Fokus auf deckungsfähigen Risiken basieren nahezu ausschließlich auf einer inside-out Perspektive und betrachten nur bekannte Risiken. Eine Analyse externer Risiken in der Beratung von Privatkunden ergänzt die am Markt verfügbaren Finanzanalysen um eine outside-in Perspektive, welche unbekannte, externe Risiken thematisieren, die von außen auf den Einzelnen einwirken. So kann diese Lücke durch eine auf die Bedürfnisse des Privatkunden adaptierte PEST Analyse in einer Anwendung wie dem Risk-Perception-Radar geschlossen werden. Außerdem hilft sie dem Finanzberater dabei, den „finanziell-blinden-Fleck“ des Anlegers offenzulegen, um dadurch dessen individuelle Vorsorge auf bisher unerkannte Risiken anzupassen. Aus Sicht des beratenden Finanzdienstleister ergeben sich verschiedene Nutzen. Eine Befragung von Finanzprofis nach der Nutzen-Gewichtung weist im Bereich Akquise und Marketing eine verbesserte Positionierung und die Erhöhung der Investitionsbereitschaft des Kunden als größte erwartete Nutzenbringer aus. Im Bereich Beratung und Betreuung erwarten die Berater den größten Nutzen in der Erweiterung bisheriger Analysen und einer Verbesserung der Beratungsqualität. Dabei wäre es notwendig, die erweiterte Analyse systematisch im Beratungsansatz zu implementieren und um situative Betrachtungen zu erweitern.

Benefit of an External Risks Analysis for Financial Advisors in Private Client Advisory Services

Current financial analyses with focus on coverable risks are almost exclusively based on an inside-out-perspective in observing known risks. An external risks analysis in financial advice for private clients complements available financial analyses with an outside-in-perspective, which takes unknowns risks in focus. In that sense, the PEST analysis tool – as the Risk-Perception-Radar- that is adapted to the needs of a private client, could help financial advisors in uncovering private clients’ blind spots in order to fit their precautions to unknown risk. For financial advisors this practices entails various benefits. A survey by financial advisors on weighing possible benefits shows that the most expected benefits are in Acquisitions & Marketing activities, especially a better positioning and more willingness by the clients in investing. In Advisory and Services the financial advisors expect the most benefit in expanding used analyses and better quality in advice. To give a view of the prospects for the future, the next necessary steps are to implement the expanded analysis and to include situational observations into the analysis.

1 | Einleitung

1.1 | Risiken und German Angst

Sobald Menschen sich Gedanken über die Zukunft - insbesondere über künftiges Einkommen und Vermögen - machen, tauchen immer auch Risiken auf. Selten dürfte mehr über sie geschrieben, debattiert und nachgedacht worden sein als heute (vgl. Jaeger et al. 2001 ; Kahnemann 2011; Gigerenzer 2013).

Im Rahmen seiner Risikodefinition unterscheidet Schneck dahingehend drei Eigenschaften von Risiko: die Unsicherheit des Ereigniseintritts, die Betroffenheit des Beurteilenden, sowie dessen Kalkulierbarkeit. Dabei definiert er den Risikoerwartungswert als das Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe (vgl. Schneck 2010).

Wahrscheinlich ist die Komplexität einer der Gründe, warum es für den Finanzberater[1] in der Beratung von Privatkunden so schwierig ist, beim Thema Risiko den Durchblick zu behalten. Allerdings ist genau dieser Durchblick notwendig, um als Finanzdienstleister in Zukunft nicht nur zum bloßen Handlanger im Vermitteln von Produkten zu verkommen, sondern sich als Risikomanager für den Privatkunden nützlich zu machen (vgl. 2b.Ahead 2014).

Welche Risiken nun Menschen als Bedrohung für ihr Wohlbefinden wahrnehmen und wie sie die Wahrscheinlichkeiten und Dimensionen ungewollter Folgen bewerten, hängt nicht zuletzt auch von Werten, Einstellungen, gesellschaftlichen Einflüssen und der kulturellen Identität des Einzelnen ab (vgl. Zwick et al. 2002).

Die Deutschen gelten international als tendenziell risikoavers und ängstlich im Bezug auf ihre Zukunft, was sich in jüngerer Zeit im Begriff „German Angst“ niedergeschlagen hat (vgl. ZDF 2012). „ Was den Deutschen Angst macht“, hat unter anderem das Marktforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Versicherers Cosmos Direkt untersucht (vgl. Handelsblatt 2014). Ein Auszug:

- Risikoaffinität: Rund 71% der Befragten gab an, eher „auf Nummer sicher“ zu gehen. Nur 28% der Deutschen sind Risikoaffin.
- Finanzielle Sicherheit: Bei 76% wird das Gefühl der finanziellen Sicherheit vor allem dann verstärkt, wenn man über eine hohe Berufsausbildung verfügt. Für 66% ist der familiäre Rückhalt – gefolgt auf Platz drei – mit 63% der sichere Arbeitsplatz.
- Krankheit: Die Sorge durch Krankheit keinen Beruf mehr ausüben zu können, treibt etwa 46% um. Nur 13% der Befragten haben wegen technischer Änderungen Angst um ihren Job.
- Arbeitslosigkeit: Zwar halten 62% ihre Stelle für sicher, jedoch nimmt die Angst vor Jobverlust im alter zwischen 45 und 59 Jahren stark zu.
- Finanzielle Vorsorge: Über 40% der 18- bis 29-Jährigen und über 70% der 60- bis 64-Jährigen haben Angst, dass ihre finanzielle Vorsorge nicht ausreicht, um ihren Lebensstandard im Alter halten zu können.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch eine Langzeitstudie der R+V Versicherung aus 2014 „Wovor sich Deutsche fürchten“: Steigende Lebenshaltungskosten 58%, Pflegefall im Alter 51%, schwere Erkrankung 47%, Schlechte Wirtschaftslage 41%, Terrorismus 39%, Sinkender Lebensstandard 38% (vgl. Infocenter der R+V Versicherungen 2014).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 | Ängste der Deutschen 2014 (Infocenter der R+V Versicherungen 2014)

Wie kann nun dem Problem beigekommen werden, dass aus Angst vor Risiken Fehlentscheidungen im Rahmen der privaten Vorsorge getroffen werden? Ein möglicher Lösungsansatz ist individuelles Risikomanagement bestehend aus einer adäquaten Finanzanalyse und einem darauf aufbauenden Finanzkonzept. Im Risikomanagement wird die Angst als psychologisches Phänomen erst einmal beiseitegeschoben. Damit wird die Situation objektiviert. Dann werden Risiken aufgedeckt, analysiert und bewertet. Auf dieser Basis ist es schlussendlich möglich, rational begründbare Entscheidungen zum Umgang mit den Risiken zu treffen.

Zum Glück sind Privatkunden mit dieser Herausforderung nicht alleine: Stand September 2014 stehen laut der Deutschen Industrie und Handelskammer DIHK 41.217 registrierte Finanzanlagenvermittler (Erlaubnis nach §34f Gewerbeordnung GewO zur Vermittlung von Kapitalanlagen) und 214.003 registrierte Versicherungsvermittler (Erlaubnis nach §34d Gewerbeordnung GewO zur Vermittlung von Versicherungen) beratend bereit (vgl. DIHK 2014).

Dieses Heer an Finanzdienstleistern kann sich derzeit aus ca. 570 Versicherungsgesellschaften und mehreren Tausend Versicherungs- und Kapitalanlageprodukten bedienen um eine geeignete Deckung für eine Vielzahl analysierter Risiken zu finden (vgl. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. 2013; BVI 2014).

Die Unterstützung in der Analyse externer Risiken könnte dem Finanzberater helfen sich innerhalb der Branche zu positionieren. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Privatkunde überhaupt eines Risikos bewusst ist, und dazu einen Finanzdienstleister konsultiert.

1.2 | Vorgehensweise

Im Zentrum meiner Arbeit steht die Frage, welche Nutzen sich dem Finanzdienstleister aus der Analyse externer Risiken in der Beratung von Privatkunden erschließen.

Dazu werde ich zu Beginn die aktuell verwendeten Finanzanalysen auf deren analysierten Risiken betrachten. Der Fokus der Analyse liegt darauf, in wie weit externe, unbekannte Risiken thematisiert und dokumentiert werden.

Im Anschluss beleuchte ich beispielhaft das Analysetool „Risk-Perception-Radar“, welches sich in einer Art PEST Analyse für Privatkunden der Analyse externer Risiken widmet und dem Finanzberater als Beratungswerkzeug zur Verfügung steht.

Aus der Anwendung eines Tools zur Identifikation externer Risiken erwarte ich verschiedene Nutzen für den Finanzdienstleister. Mittels einer Befragung von rund 50 Finanzprofis, die in der Anwendung des Risk-Perception-Radars zur Analyse externer Risiken geschult wurden, wird meine Arbeit die Gewichtung des Nutzens dokumentieren.

Ein Ausblick am Schluss soll die Notwendigkeit der Implementierung eines erweiterten Analyseprozesse in der Beratungslogik und vorteilhafte Weiterentwicklung beleuchten.

2 | Finanzanalyse in der Privatkundenberatung

Der Berater ist bei der vom Verbraucherschutz initiierten und von Gesetz, bzw. Rechtsprechung vorgesehenen Daten-Exploration dazu verpflichtet, Informationen einzuholen, über Kenntnisse und Erfahrungen, finanzielle Verhältnisse und Ziele des Kunden – wobei unter Zielen Verwendungszwecke für das z.B. anzulegende Vermögen, sowie die Risikobereitschaft des Kunden verstanden werden (vgl. Oehler und Rietsch 2008, sowie Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz 2012 ).

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht führt unter anderem dazu in ihrer Broschüre „Anlageberatung – Was Sie als Kunde beachten sollten“ auf, was zu dokumentieren ist (vgl. Bafin 2012):

- Informationen über die persönliche Situation, wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung
- Angaben zum Anlass und zur Dauer des Beratungsgespräches
- Informationen über die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Beratung sind
- Empfehlungen des Beraters und die für diese Empfehlung genannten wesentlichen Gründe
- Unterschrift des Kundenberaters

Um diesen regulatorischen Verpflichtungen nachzukommen, werden innerhalb der Finanzdienstleistungs-branche in der Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen sogenannte „Finanzanalysen“ eingesetzt. Es folgt ein Überblick über die Analyseinhalte.

2.1 |Anwendungsbereich von Finanzanalysen bei Versicherungen

Analysen in der Vermittlung von Versicherungen beschränken sich in den meisten Fällen auf die Exploration von typischen Risiken wie Gefahren, die durch Eigentum wie zum Beispiel Hundehaltung entsteht oder Risiken wie dem Wegfall des Einkommens durch Berufsunfähigkeit.

Das Stand 2014 einzige standardisierte Finanzanalyse-Tool für den Privathaushalt DIN SPEC 77222 von der Heidelberger Gesellschaft für Finanznorm - kurz Defino – führt erklärend in seiner Einleitung aus:

„…Nur durch eine ganzheitliche Betrachtungsweise kann jedoch sichergestellt werden, dass der Privathaushalt sämtliche Lebensrisiken erkennt und absichern kann.“

Defino definiert als Ziel eine „…messbare, objektive und am individuellen Bedarf der einzelnen Kunden ausgerichtete Produktempfehlung“ zu geben (vgl. DIN Deutsches Institut für Normung 2014).

Leider beschränkt sich selbst Defino nur auf die pure Dokumentation von z.B. der Risikotoleranz der Anleger (Risikotyp 1= vorsichtig bis 5= spekulativ) oder Sachrisiken wie Immobilien, Tierhaltung, etc.(vgl. DIN Deutsches Institut für Normung 2014: 13ff), ohne den Privatkunden, bzw. dem Finanzberater über die typischen bekannten Risiken hinaus darauf zu sensiblisieren, dass es auch unbekannte Risiken gibt, die Einkommen und Vermögen bedrohen können.

2.2 | Anwendungsbereich Kapitalanlagen

Seit Übernahme von Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) über die Gewerbeordnung (GewO) in die Finanzanlagen-Vermittler-Verordnung (FinVermV) können sich Privatkunden auf Mindeststandards verlassen (z.B. Schutz der Kapitalanleger vor ungeeigneten Finanzprodukten, Transparenz und Qualität der Prozesse bei Beratung und Vermittlung). Laut § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FinVermV muss der Gewerbetreibende (=Finanzdienstleister) nebst (a) Anlagedauer, auch (b) Risikobereitschaft des Anleger sowie (c) den mit der Anlage verfolgten Anlagezweck ermitteln (vgl. Glotz und Borggreve 2012).

So gibt es zwar einen breiten Branchen-Konsens von z.B. der Risikotoleranz (z.B. 1= sicherheitsorientiert bis 5= spekulativ), jedoch werden innerhalb der Finanzanlagenvermittlung ausschließlich die produktspezifischen Risiken interner Natur -z.B. Totalverlust bei Beteiligungen - thematisiert (vgl. Bafin 2012).

Risiken externer Natur – z.B. Wegfall der Steuerfreiheit für Kursgewinne wie durch Einführung der Abgeltungssteuer in 2008 - die den Privatkunden auf dem Weg zum Anlagehorizont begegnen, finden auch hier kaum Beachtung.

2.3 | Analyse der Finanzanalysen

Die meisten analysierten Risiken bestehender Finanzanalysen wirken individuell, quasi aus der Person heraus (z.B. Pflegefallrisiko, Berufsunfähigkeit, Gefahren aus Besitz). Diese Wirkungsweise möchte ich als „inside-out“ bezeichnen. Werden diese Risiken im Gespräch mit dem Finanzberater als solche erkannt, können sie nach ihrer Wahrscheinlichkeit eingeschätzt werden und der Impact – also das „finanzielle Schadenausmaß“- quantifiziert werden. Für quantifizierbare Risiken gibt es häufig die Möglichkeit der Verlagerung.

Beispiel: Das Risiko der Berufsunfähigkeit hängt u.a. von der individuellen Gesundheit, bzw. Anfälligkeit und dem ausgeübten Beruf ab. Der Impact ist meist gleich dem Verlust des Nettoeinkommens. Deckung des finanziellen Risikos gewähren Versicherer in Form von Berufsunfähigkeitsversicherungen.

Andere Risiken sind eher allgemein und wirken eher aus der Umwelt auf das Wirtschaftssubjekt. Diese Wirkungsweise bezeichne ich als „outside-in“ (z.B. Wegfall des Arbeitsplatzes durch Verlagerung in Billiglohnländer). Derlei Risiken sind mit einer hohen Ungewissheit verbunden und lassen sich somit nur sehr schwer vorhersagen oder gar mit einer Wahrscheinlichkeit einschätzen. Gleiches gilt für die möglichen finanziellen Auswirkungen für den Schadensfall. Bleibt ein potentielles Risiko unerkannt oder kann das finanzielle Schadensausmaß nicht quantifiziert werden, fehlt auch die Deckung. Die Folge kann ein finanziell nicht tragbarer Schaden sein.

Beispiel: Ein Dorf wird ungeplant von einem Windpark eingekesselt infolge dessen sich die Grundstückspreise halbieren. Die finanzielle Folge kann eine unerwartete Unterdeckung der Sicherheiten bei der anstehenden Prolongation des Baudarlehens sein.

Es lässt sich feststellen: Entscheidungssituationen, die das Management von Einkommen und Vermögen betreffen, sind fast immer einer hohen Unsicherheit ausgesetzt (vgl. Weber 2007). Während „bekannte Risiken“ meist deckungsfähig sind, müssen „unbekannte Risiken“ im Sinne von Ungewissheit erst mal identifiziert werden.

Die Folge unerkannter Risiken kann sein, dass Privatanleger mit einem „blinden (finanziellen) Fleck“ weniger als vielleicht nötig für nicht erkannte Risiken zur Seite legen oder sich in der falschen Sicherheit wiegen, schon bestens vorgesorgt zu haben (vgl. Ankenbrand 2014a).

Ich folgere daraus, dass ein regelbasierter Ansatz nötig ist, welcher in der Privatkundenberatung ergänzend zu den etablierten Analysen nicht nur die bereits aufgezählten Risiken zur Diskussion stellt, sondern darüber hinaus auch schwer einzuschätzende Entwicklungen und deren finanzielles Schadenspotential thematisiert.

Im Sinne von Taleb lassen sich derartige Entwicklungen mit unter als „Black Swan Events“ verstehen, welche sich auszeichnen durch eine geringe Wahrscheinlichkeit, große Tragweite und schlechte Vorhersagbarkeit:

Black Swan events are almost impossible to predict. Instead of perpetuating the illusion that we can anticipate the future, risk management should try to reduce the impact of the threats we don´t understand.” (Taleb et al. 2009)

Wenn wir also die Zukunft nicht antizipieren können, empfiehlt Taleb durch ein besseres Risikomanagement die potentiellen Auswirkungen derlei Bedrohungen zu reduzieren.

So gesehen, lässt sich Finanzanalyse als wesentliches Element eines Risikomanagements und folglich der Finanzdienstleister als Berater und Risikomanager verstehen. Ein regelbasiertes Tool zur Risikofrüherkennung nützt dem Finanzdienstleister der Herausforderung als Risikomanager gerecht zu werden.

Da die aktuellen Finanzanalysen mit ihrem Fokus auf „inside-out“ weitgehend diesem Ansatz nicht genügen, müssen sie um eine „outside-in“ Perspektive erweitert werden. Hier ist ein Blick in die Wirtschaft hilfreich, um zu sehen, welche Analyse-Instrumente im Rahmen des Risikomanagements bei Unternehmen bereits existieren und als Vorlage dienen können.

3 | Risikofrüherkennung und Risikomanagement

Der ökonomische Mehrwert eines Risikomanagements besteht in der Reduzierung der Wahrscheinlichkeit bestandsbedrohender Krisen durch mehr Risikotransparenz und Risikofrüherkennung (vgl. Brühwiler 2008).

3.1 | Risikomanagement in Unternehmen

Risikomanagement ist heutzutage ein etablierter Prozess in Unternehmen. Grundsätzlich umfasst Risikomanagement im Sinne eines Risikofrüherkennungssystems sämtliche Maßnahmen zur

- systematischen Erkennung – Beschreibung der Risikoart, der Ursachen und möglicher Auswirkungen
- Analyse der identifizierten Gefahren bzgl. Eintrittswahrscheinlichkeit und möglichem Impact
- Bewertung durch Vergleich zu einer vorher definierten Risiko-Range
- Überwachung von Risikoindikatoren
- und Kontrolle von Risiken durch geeignete Dokumentation (vgl. Brühwiler 2008).

Der Gesetzgeber beabsichtigte durch Einführung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz von Unternehmen (KonTraG) in 1998, die Unternehmensführung zur systematischen Analyse ihrer Risikosituation zu verpflichten, um Fehlentwicklungen in Geschäftsprozessen frühzeitig entgegenwirken zu können (vgl. Schneck 2010).

- § 91 Abs. 2 AktG – Organisation und Buchführung: Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.

§ 93 AktG - Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder: Der Gesetzgeber nennt hierbei den Vorstand von Aktiengesellschaften oder die Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 43 GmbHG Haftung der Geschäftsführer) als Verantwortliche (vgl. Beck 2012).

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Instrumente zur Identifikation und Dokumentation von potentiellen oder latenten Risiken entwickelt. Sie reichen von Checklisten über Szenarien-Techniken bis zu Balanced Scorecards und PEST Analysen (vgl. Schneck 2010; Hollensen 2010).

3.2 | PEST Analyse

Viele Instrumente fußen auf der sogenannten PEST Analyse. Francis J. Aguilar, der die Bezeichnung „ETPS- (a mnemonic for the four sectors of the environment: economic, technical, political and social)“ im Jahr 1965 in seiner Dissertation an der Harvard University und nochmals 1967 in seinem Buch „Scanning the Business Environment“ verwendete, gilt als Vater des Analyse Tools. Dies ist eine Methode, welche das externe Umfeld auf bedeutende p olitische, w irtschaftliche, s oziokulturelle und t echnologische Einflussfaktoren, bedrohliche Entwicklungen oder Risiken untersucht. Ziel der Analyse ist es sowohl die treibenden Kräften hinter möglichen Einflussfaktoren, als auch mögliche Wechselseitigkeit zu identifizieren (vgl. Hollensen 2010).

Es lassen sich PEST Analysen von einfach (s. Abbildung 2) bis sehr komplex finden (s. Abbildung 3). Übertragen auf die Finanzberatung ist die PEST Analyse in einer bewußt einfachen Version auch für den ungeübte Privatanleger ein guter Startpunkt, um sich einen ersten Überblick über potentielle Risikoquellen zu verschaffen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 | Beispiel für eine einfache PEST Analyse (vgl. PESTLE Analysis 2014)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 | Beispiel für eine komplexe PEST Analyse (vgl. Royal Bank of Scotland 2011: 3)

3.3 | Risikomanagement in der Beratung von Privatkunden

Eine eigene Umfrage unter 212 Finanzexperten, durchgeführt am Fondskongress 2014, fragte danach, wie realistisch die Finanzprofis die Einschätzung der Anleger zu deren künftigen finanziellen Risiken halten (vgl. Ankenbrand und Lindner 2014). Knapp 70% bescheinigten demnach ihren Kunden eine mäßige bis sehr unrealistische Einschätzung von finanziellen Risiken und bestätigten mit über 80% gerade die Notwendigkeit einer guten Einschätzung künftiger Risiken, um die Vorsorgeplanung entsprechend ausrichten zu können. Folglich wünschten sich 82% der Berater ein Tool, welches ihnen hilft, die Risikowahrnehmung ihrer Mandanten besser einschätzen zu können.

Risikofrüherkennung mittels PEST Analyse in der Beratung bei Privatkunden hat als Ziel, die Aufmerksamkeit des Wirtschaftssubjekts von einer „inside-out-Perspektive“ auf eine „outside-in-Persepektive“ zu lenken, um ggf. aus der Erkenntnis Gegenmaßnahmen im Rahmen der Vorsorgestrategie abzuleiten.

Das Ziel einer um die Unwägbarkeiten verbesserten Vorsorge gilt als erreicht, wenn der Privatanleger -im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten - alles notwendige Kapital investiert und sich nicht der Illusion hingibt, mit den herkömmlichen Finanzkonzepten alle künftigen Risiken in Griff zu haben. Aus Sicht des Finanzberaters hat dieser seine Bring-Schuld – nämlich umfassend und weitsichtig zu beraten - mit der Erkenntnis des Privatkunden über mögliche Vorsorge-Lücken erbracht. Die Optimierung durch ein geeignetes Finanzkonzept ist aus meiner Sicht damit zum Teil auch als Hol-Schuld des Privatkunden zu betrachten.

3.3.1 | Begrenztheit

Die erweiterte Analyse hat wie bei Unternehmen, auch für den Privatkunden, zwei wichtige Determinanten:

Begrenzte Sicht: Um den ehemaligen U.S. Verteidigungsminister (a.D.) Donald Rumsfeld aus einer bekannt gewordenen Pressekonferenz zu zitieren, scheinen uns eher das „unbekannte Unbekannte“, also Bedrohungen, von denen wir gar nicht wissen, dass sie uns bedrohen, in Schwierigkeiten zu bringen und weniger die bereits identifizierten Gefahrenquellen:

“…because as we know, there are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns - the ones we don't know we don't know. And if one looks throughout the history of our country and other free countries, it is the latter category that tend to be the difficult ones” (Defense 2002).

Es wird ein Rest-Risiko bleiben, da selbst ein Instrument, das unbekannte Risiken analysiert -gerade weil es sich mit unbekanntem Unbekannten beschäftigt- niemals alle künftigen potentiellen Risiken benennen kann, geschweige, deren Wahrscheinlichkeiten schätzen kann.

Begrenztes Budget: Wie jedes andere Wirtschaftssubjekt, hat auch der Privatkunde in der Regel nur einen begrenzten finanziellen Spielraum, innerhalb dessen ein Finanzkonzept erstellt und umgesetzt werden kann.

- Einkommen: Während ca. 30% der Deutschen mit weniger als EUR 1.000 monatlich wirtschaften müssen, verfügen weitere ca. 40% über ein Nettoeinkommen zwischen EUR 1.000 und 1.500. Nur knapp jeder vierte Deutsche kann sich über mehr als EUR 2.000 Nettoeinkommen im Monat freuen (s. Abbildung 4). Folglich werden es sich nicht alle Privatkunden leisten können, sich gegen alle identifizierten Risiken zu wappnen.

- Vermögen: Je nach Beruf bildet sich Vermögen typischerweise vermehrt ab der zweiten Lebenshälfte aus und steigert auf diese Weise erst dann, zusammen mit dem höheren Einkommen, den finanziellen Spielraum, um sich gegen künftige Gefahren, welche Vermögen bedrohen, wappnen zu können (s. Abbildung 5). Folglich wird der Fokus in den frühen Jahren eher auf Risiken liegen, welche den Vermögensaufbau gefährden und in den späteren Jahren eher auf Risiken, welche das bereits gebildete Vermögen bedrohen.

[...]


[1] In der Praxis herrscht eine begriffliche Konfusion in der Bezeichnung (z.B. Einfirmenvertreter, echter/unechter Mehrfachagent, etc.) der Finanzdienstleister. Da dieser Umstand für diese Arbeit unerheblich ist, werden die Begriffe Finanzberater, Finanzdienstleister und Finanzvermittler synonym verwendet.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Nutzen der Analyse externer Risiken für den Finanzberater in der Privatkundenberatung
Untertitel
Benefit of an External Risks Analysis for Financial Advisors in Private Client Advisory Services
Hochschule
( Europäische Fernhochschule Hamburg )
Note
1,5
Autor
Jahr
2014
Seiten
27
Katalognummer
V313405
ISBN (eBook)
9783668125704
ISBN (Buch)
9783668125711
Dateigröße
1511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nutzen, analyse, risiken, finanzberater, privatkundenberatung, benefit, external, risks, analysis, financial, advisors, private, client, advisory, services
Arbeit zitieren
Andreas Lindner (Autor:in), 2014, Nutzen der Analyse externer Risiken für den Finanzberater in der Privatkundenberatung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/313405

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