Moderne Menschenbilder im Vergleich mit dem christlichen Modell


Facharbeit (Schule), 2015

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Moderne Menschenbilder
2.1 Moderne Anthropologien im Vergleich mit dem christlichen Menschenbild
2.1.1 Sein ist Selbsterfahrung - Das Menschenbild Karl Jaspers
2.1.2 Der Mensch zwischen Haben und Sein - Das Menschenbild Erich Fromms
2.1.2.1 Der Mensch in der Seinsweise des Habens
2.1.2.2 Der Mensch in der Seinsweise des Seins
2.1.3 Die Begegnung mit dem Anderen - Das Menschenbild Immanuel Levinas`
2.2 Das christliche Menschenbild
2.2.1 Freiheit als Zeichen der Gottähnlichkeit
2.2.2 Menschsein als Sünder
2.2.3 Der Mensch zwischen „Fleisch“ und „Geist“
2.3 Vergleich des jasperschen mit dem christlichen Menschenbild
2.3.1 Menschliche Freiheit als Voraussetzung beider Anthropologien
2.3.2 Egoismus und Besitzsucht als negatives Verhalten
2.3.3 Zwischenmenschliche Beziehungen als Weg zur eigentlichen Seinsform
2.4 Persönliche Stellungnahme

3 Fazit

Bibliographie

Quellen:

Sekundärliteratur:

Abbildungsnachweis:

1 Einleitung

„Was ist der Mensch?“ Solange es Menschen gibt haben sie sich diese elementare, tiefgreifende Frage gestellt und versucht, Antworten auf sie zu entwickeln. Bei Kant, einem der größten deutschen Philosophen, hat diese Problemstellung Platz unter den anderen drei Hauptfragen der Philosophie gefunden. Diese Richtung der Philosophie wird heute als Anthropologie bezeichnet, als Lehre vom Menschen und Philosophen, Künstler und Schriftsteller arbeiten sich seit Jahrhunderten daran ab, immer neue Perspektiven findend. Doch warum ist es überhaupt so wichtig, sich mit sich selbst zu beschäftigen? Letztendlich scheint es doch nur verschwendete Zeit, weil ein Menschenbild keinen unmittelbaren Nutzen für das Leben hat, so mag man pragmatisch argumentieren. Doch ist es wirklich so, dass Menschenbilder uns noch nie beeinflusst haben? Ist es nicht so, dass sämtliche Denkansätze des Menschen, wenn auch oft unbewusst ein Menschenbild voraussetzen? Woraus wären sämtliche Gesetze entstanden, wenn ihre Autoren sich während ihren Überlegungen nicht immer an einem Menschenbild orientiert hätten? Ist ein Menschenbild nicht Grundlage jeder Handlung, jeder Ethik? Ist nicht der Satz „Was soll ich tun?“ immer mit der Frage „Was ist der Mensch?“ verbunden, woraus dann der Mensch auf seine Möglichkeiten und Pflichten schließt? Denn nur aus einer Beurteilung seines Gegenübers kann der Mensch entscheiden, wie er handeln soll. Dieser notwendige Zusammenhang von Anthropologie und Ethik zeigt sich etwa im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: Im ersten Paragraphen steht etwa: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dies ist die Prämisse jeglichen deutschen Rechts, in ihr wird ein Menschenbild vermittelt. Auf der Basis dieser Wesensbestimmung des Menschen können dann die daraus folgenden ethischen, beziehungsweise rechtlichen Vorgaben entwickelt werden. In diesem Fall ist es der unbedingte Schutz dieser Würde durch den Staat: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung der staatlichen Gewalt.“ Ohne die vorhergegangene Wesensbestimmung des Menschen wäre keine ethische Vorschrift möglich gewesen. Folglich haben auch wir immer in der Interaktion mit anderen Menschen unbewusst ein Menschenbild von ihnen vor Augen, nach dem wir unser Gegenüber beurteilen und daraus entscheiden, wie wir handeln. Deshalb ist zum Verständnis und zur Kritik jeder Ethik, jeder Gesetzgebung und des Denkens einer ganzen Gesellschaft eine Aufklärung des Menschenbildes notwendig.

Eine heute immer noch sehr einflussreiche Ethik, die von einem Großteil der Menschheit getragen wird und die angeblich auch den Grund der Verfassungen vieler Staaten trägt, ist die christliche. Doch genügt diese heute noch, um ihre „Funktion“ zu erfüllen, ist sie noch zeitgemäß? Um dies zu prüfen, sollen im Folgenden drei Menschenbilder, die von Geisteswissenschaftlern des letzten Jahrhunderts entwickelt wurden, vorgestellt werden, um diesen dann das biblische Menschenbild gegenüberzustellen und ein modernes mit dem christlichen zu vergleichen. So soll geklärt werden, ob es Ähnlichkeiten zwischen diesen anthropologischen Perspektiven gibt und ob das christliche Menschenbild eine völlig unterschiedliche Denkweise verfolgt als heutige Menschenbilder. Dies könnte darauf hindeuten, dass es mit der heutigen Gesellschaft und den in ihr lebenden Menschen nicht mehr kompatibel, weil veraltet, ist, was ein grundlegendes Überdenken jeglicher gesellschaftlichen Prinzipien zur Folge haben müsste. Daher sollte der Leser sich beim Lesen der Arbeit vor allem darauf konzentrieren, inwiefern er selbst diese Menschenbilder vertritt und ob diese in irgendeiner Weise Eintritt in sein persönliches Weltbild gefunden haben.

Im Folgenden sollen daher nun drei Menschenbilder, die im vergangenen Jahrhundert erarbeitet wurden, als Repräsentanten für heutige Menschenbilder vorgestellt werden. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf der Anthropologie des deutschen Psychiaters und Philosophen Karl Jaspers, der als einer der wichtigsten Vertreter der Existenzphilosophie wesentlich das Denken der Philosophen des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Neben ihm werden die Anthropologien des Psychoanalytikers, Sozialpsychologen und Philosophen Erich Fromm und des französischen Philosophen Emmanuel Levinas vorgestellt. Danach wird das christliche Menschenbild, vor allem durch den Apostel Paulus vertreten, vorgestellt und anschließend mit den Ausführungen Karl Jaspers verglichen.

2. Moderne Menschenbilder

2.1 Moderne Anthropologien im Vergleich mit dem christlichen Menschenbild

Vor dem Beginn der eigentlichen Arbeit bleibt noch zu klären, was ein Menschenbild ist. Es geht hierbei darum, ein universell anwendbares Bild zu erstellen, das klärt, was das Wesen oder auch der „Natur“ des Menschen ist. Hierbei wird etwa erörtert, was der Mensch eigentlich ist, wozu er fähig ist, in welchen sozialen Gefügen er lebt, oder was ihn etwa erst zum Menschen macht. Die Sichtweise ist dabei keinesfalls eine kleinteilig-biologische, sondern vielmehr eine Abbildung und Erklärung des menschlichen Daseins insgesamt. Also stellen sie eine Synthese sämtlicher Handlungs- und Denkweisen des Menschen unter einem Begriff, der Seinsweise dar. Ferner wird der Begriff „Attribut“ verwendet, um sämtlichen Besitz und das soziale Umfeld eines Menschen zu bezeichnen.

2.1.1 Sein ist Selbsterfahrung - Das Menschenbild Karl Jaspers

Grundlage für die Jaspersche Philosophie ist die Freiheit, die ein jeder Mensch – im Rahmen seiner gegebenen Natur - hat. Diese Freiheit hat zwei Ausprägungen: Die erste, dass der Mensch in allen seinen Entscheidungen frei ist, nach eigenem Willen zu handeln. Die zweite und ausschlaggebende ist, dass der Mensch frei ist, sich dafür entscheiden kann, er selbst zu sein oder dagegen. Dies ist die existenzielle Wahl des Menschen als Dasein, als das er frei in den oben genannten Entscheidungen ist, das heißt dass sie unausweichlich ist – jeder Mensch muss diese Wahl (ob bewusst oder unbewusst) treffen. Was es für Jaspers bedeutet, „man selbst“ zu sein, soll im Folgenden dargestellt werden.

Jaspers benutzt den Begriff des Daseins im Sinne des zuerst (durch Geburt) gegebenen Seins des Menschen in seiner Welt1. Das Dasein ist unanzweifelbar und faktisch gegeben, der Mensch wird zuerst als Dasein in bestimmte Gegebenheiten natürlicher, kultureller und historischer Art, seine Welt, geboren. In dieser Welt lebt der Mensch nun, laut Jaspers so: „Es selber [das Dasein] ist unreflektiertes Leben, ist Getriebensein in der Angst und im Ju­bel, ist seiner selbst nicht bewusstes Bewusstsein“2 und es „bezieht sich auf es, ohne zu fragen, es meisternd und genießend oder an ihm leidend und erliegend“3. Dies bedeutet: Das Dasein ist die nativste Seinsform des Menschen, in ihr ist er noch getrieben vom eigenen Willen nach Glück und Befriedigung4, dem es alles unterwirft, seine Möglichkeiten, sein Sein-können sind jedoch noch nicht ausgeschöpft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1

Ein jedes Dasein wird in seinem Leben mit Grenzsituationen – Tod, Kampf, Leiden und Schuld – konfrontiert. Grenzsituationen bedeuten, dass das Dasein durch sie begrenzt wird, dass ihm seine Lebensbedingungen verändert oder genommen werden, ohne dass es darüber verfügen kann. Die Lebenssituationen, in denen der Mensch als Dasein lebte, brechen durch sie weg (siehe Abbildung5 ). Jeder Mensch macht in seinem Leben gezwungenermaßen Erfahrung mit dem Tod, zuerst dem seiner Nächsten, dann mit dem eigenen.

Doch wie wirken sich Grenzsituationen auf den Menschen aus? Dies soll nun an dem Beispiel dargestellt werden: Ein Mann lebt mit seiner Frau in einem Haus. Dieses Zusammenleben, das miteinander sprechen, diskutieren, streiten, lieben, heißt für Jaspers „Kommunikation“. Die Kommunikation ist unter anderem nötig, um überhaupt das Selbstsein zu erreichen. Was dieses Selbstsein bedeutet wird noch im Folgenden vorgestellt. Durch einen Brand stirbt nun die Ehefrau des Mannes und sein gesamter Besitz ist vernichtet. Der Tod der Familie bedeutet für den Mann die Trennung von seiner Frau und das Faktum, dass er nunmehr alleine und einsam ist, er ist auf sich selbst „vereinzelt“, weil ihm jeglicher Bezugspunkt zu seinem „alten Leben“ verloren ist. Seine Frau lässt ihn durch ihren Tod allein, so muss er nun sämtliche Aufgaben des Alltags alleine auf sich nehmen, er ist wie verloren in der Welt, die ihm alleine immer weitere Aufgaben abverlangt. Er gerät an eine Grenze, an einen Punkt, an dem er seine eigene Endlichkeit, seine begrenzten Möglichkeiten, zu spüren bekommt.

Wie verhält sich der Mann angesichts dieser Grenzsituationen, nämlich dem Verlust seiner Frau und seines Besitzes, kurz seinen Attributen? Es gibt zwei Möglichkeiten, die der Mann als freies Dasein hat:

Bleibt er weiter in der Seinsform des Daseins haften, so verdrängt er den Tod seiner Frau als das „übermächtige Unglück“ und versucht, „darüber hinweg zu kommen“, etwa indem er alles zerstört oder vergessen will, was ihn an seine Frau erinnert, oder indem er sich durch erneute Heirat von dem Tod ablenkt. Er als „bloßes Dasein kann vergessen, kann sich trösten“6. Dies tut er, indem er die Augen vor dem Faktum der Grenzsituation verschließt, davor, dass der Tod seiner Frau als Grenzsituation, als das Wegbrechen der Bindung, des Lebens mit seiner Frau (oder, wie Jaspers sagt, der „Kommunikation“ mit ihr), notwendigerweise zur Existenz gehört. Diese Verneinung des Todes durch die Abwendung von ihm aber ist unmöglich und der Mann muss früher oder später an ihm zerbrechen, weil der Tod für das Leben jedes Menschen unausweichlich ist, dieser Mann ist nunmehr ein „Dasein ohne Erhellung zu dumpfem Brüten in der Hilflosigkeit niedergeschlagen“7. Durch die erneute Heirat versucht er nur, sich wieder Attribute zu schaffen, um sich vom Tod abzulenken, er versucht, wieder bloßes Dasein zu werden, um wieder die Geborgenheit zu finden, die ihm verloren gegangen ist. Dies tut er, um nicht er selbst sein zu müssen, um nicht sehen zu müssen, dass er als Dasein sterblich ist und kein Besitz ihn davor retten kann und somit nur von kurzer Dauer ist.

Erkennt er hingegen die Notwendigkeit des Todes und nicht etwa ein „übermächtiges Unglück“ in ihm8 als Mensch und tritt er in diese Grenzsituation so „offenen Auges“9 ein, also wissend, dass sie notwendig sind, so wird der Mann existenziell erschüttert, die Attribute seines Daseins, seine Frau und sein Besitz, brechen endgültig weg. So vollzieht er nun den Sprung zur Existenz, zum Selbstsein, das sich dadurch artikuliert, dass er nun frei von allen Attributen (Besitz, Familie) selbst im Leben steht. Was zu ihm selbst gehört hat sich im Angesicht des Todes gezeigt. Der größte Prüfstein für die Wesentlichkeit eines Attributes (Familie, Besitz, etc.) des Daseins ist nämlich der Tod, sei es der des Nächsten oder der eigene, oder wie Jaspers es formuliert: „was angesichts des Todes wesentlich bleibt, ist existierend getan; was hinfällig wird, ist bloß Dasein.“10. Das einzige, was letztlich jeder Grenzsituation bis zum eigenen Tod standhält, ist der Mann selbst, frei von allen Attributen. Daher verhelfen ihm die Grenzsituationen zu ihm selbst, seiner Existenz, da sie ihm die Attribute nehmen, die ihm von sich selbst entfernen. Daraus zieht Jaspers den Schluss: „Grenzsituationen erfahren und existieren ist dasselbe.“11 „Was zerstört wird durch den Tod, ist Erscheinung, nicht das Sein selbst.“12 Sein Besitz etwa ist nicht ein Teil seiner selbst, also nicht existenziell, weil er ihn nicht braucht, um zu sein. Das bedeutet im Fall des Mannes, dass seine Frau und sein Haus, nicht wesentlich für ihn sind, dass er ohne sie existieren kann. Diese werden ihm als Verursacher seiner Geborgenheit als Dasein genommen und so wird er auf sich selbst zurückgeworfen, es erfolgt ein „Sprung“ zur Existenz, zu dem, was er eigentlich ist, nämlich frei von allen Attributen des Daseins.

[...]


1 Vgl. Von der Wahrheit: Jaspers, K.: S.53

2 a.a.O., S. 64

3 Philosophie, Bd. II; Jaspers, K.: S. 204

4 a.a.O., S. 41

5 Abb. aus dtv-Atlas Philosophie: S.200

6 Philosophie, Bd. II; Jaspers, K.: S. 221

7 a.a.O.: S. 203

8 Vgl. a.a.O.: S. 223

9 a.a.O.: S. 204

10 a.a.O.: S. 223

11 A.a.O.: S. 204

12 a.a.O.: S. 222

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Moderne Menschenbilder im Vergleich mit dem christlichen Modell
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V312982
ISBN (eBook)
9783668117037
ISBN (Buch)
9783668117044
Dateigröße
704 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
moderne, menschenbilder, vergleich, modell
Arbeit zitieren
Leopold Lampelsdorfer (Autor:in), 2015, Moderne Menschenbilder im Vergleich mit dem christlichen Modell, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312982

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