Wettbewerb und Kooperation im Sport. Gesellschaftliches und individuelles Sporttreiben unter der soziologischen Lupe


Seminararbeit, 2010

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Soziologische Relevanz des Sports
1.1 Positionierung in der Gesellschaft
1.2 Sport – Ein vielfältiger Begriff

2 Das sportliche Individuum
2.1 Wechsel der Ebene
2.2 Im Spannungsfeld von Wettbewerb und Kooperation

3 Sportliche Spieltheorie
3.1 Erläuterung und Bezugnahme
3.2 Motorsport als „Semi – Nullsummenspiel“?

4 Fazit

Quellen

Einleitung

„In diesem Wettkampfe [der Arten, C.M.] wird jede Abänderung, (…) wenn sie (…) vortheilhaft für das Individuum einer Species ist, in dessen (…) Beziehungen zu anderen Wesen und zur äusseren Natur mehr die Erhaltung dieses Individuums unterstützen und sich gewöhnlich auf dessen Nachkommen übertragen. Ebenso wird der Nachkömmling mehr Aussicht haben, (…) zu überdauern.“ (Darwin et al. 1876, S. 83) [A.d.Verf.]

Charles Darwin gilt als eine der einflussreichsten und populärsten Persönlichkeiten der Naturwissenschaften überhaupt. Seine evolutionstheoretischen Forschungen markierten ein Umdenken in der modernen Biologie. Elementarer Bestandteil seiner Theorie über die Entstehung der Arten ist ein Wettkampf zwischen diesen. Der Fortbestand einer „siegreichen“ Art wurde durch den Wettkampf gesichert, während die Externalität für die „unterlegene“ Art die Ausrottung darstellte.

Demgegenüber existieren in der Biologie ebenfalls evolutionstheoretische Ansätze, die kooperierendes Verhalten von Arten als wichtigen Aspekt berücksichtigen. Der Wettkampf der Arten weicht einer Zusammenarbeit, die Nutzen (den Fortbestand) für beide Seiten verspricht.

Doch nicht nur für das ursprünglichste Ziel aller Kreaturen, das Überleben zu sichern, sind Wettbewerb und Kooperation von großem Interesse. Übergreifend auf eine Vielzahl von Wissenschaftsbereichen beschäftigen sich Forscher mit den Ausprägungen ebenso wie mit dem Zusammenspiel von Wettbewerb und Kooperation. Von der Biologie über die Psychologie hin zur Ökonomie ist diese Thematik von beachtlicher Bedeutung.

Aus soziologischer Sicht wird der Mensch nahezu tagtäglich mit Situationen konfrontiert, in denen er sich zwischen kooperierendem Verhalten oder dem Eingehen einer Konkurrenz entscheiden muss. Die Brille des Homo Oeconomicus tragend, ist die primäre Frage in diesem Zusammenhang, die nach dem Nutzen, der sich aus der gewählten Option ergibt. Kann die Kooperation oder der Wettbewerb den größeren Gewinn für die Gruppierung bzw. für die Vergesellschaftung erzielen?

Das Individuum muss ebenfalls eine Abwägung zum erfolgsorientiertem Handeln vornehmen. Werden Bündnisse geschlossen oder stellt man sich einem Wettkampf. Jeder Mensch der innerhalb gesellschaftlicher Verflechtungen existiert, muss solche Entscheidungen beständig treffen. Sei es im Beruf, während der Freizeit, innerhalb der Familie oder unter Fremden.

Anknüpfungspunkte zu einem Großteil des gesellschaftlichen Lebens bietet der Sport. Sport bildet einen Ausgleich zum stressigen Berufsalltag. Soziale Netzwerke werden erschlossen oder vertieft. Die Gesundheit des Sporttreibenden wird erhalten und gestärkt. Schließlich kann der Sport nicht nur Freizeitbeschäftigung sein, sondern dem Broterwerb dienen.

Oftmals wird mit Sport gleichermaßen der sportliche Wettkampf assoziiert. „Höher, besser, weiter“ sind Schlagworte, deren Bedeutung seit der Antike Bestand hat. Die sportliche Konkurrenz spornt die Athleten zu Höchstleitungen an und bietet dem strahlenden Sieger eine Bestätigung seiner überlegenen Fähigkeiten. Der Sieg bedingt die Niederlage, der Gewinn einer Partei ist der Verlust der anderen Seite.

Andererseits wird Sport häufig in einem Atemzug mit Teamgeist genannt. Der Kooperationsgedanke im Sport ist somit ebenfalls präsent. Insbesondere der Mannschaftssport vereinbart individuelle Fähigkeiten zu einem Nutzen des Kollektivs, der durch den Einzelnen nicht zu erringen wäre. Individuelle Nutzenorientierungen synthetisieren zu einer gemeinsamen Zielsetzung, die einer Steigerung der (Kooperations-) Leistung zu Gute kommt.

Die Hausarbeit behandelt den gemeinschaftlichen Wert des Sports sowie das Zustandekommen und die Ausprägungen von Wettbewerb und Kooperation im Sport, auf gesellschaftlicher wie auf individueller Ebene.

Zunächst sollen die Verknüpfungen bzw. Strukturen von Sport und Gesellschaft geprüft werden. Was ist Sport, soziologisch gesehen, und welchen gesellschaftlichen Stellenwert genießt er?

Hiernach wird eine mikrosoziologische Perspektive auf den handelnden Akteur im Sport angewandt. Wie kooperiert und konkurriert das sportliche Individuum?

Die Spieltheorie bietet Ansätze zur soziologischen Analyse. Am Beispiel des Motorsports soll eine mögliche Art des „Semi – Nullsummenspiels“ ergründet werden. Ergibt die Übertragung von Wettbewerb und Kooperation im Sport auf die Spieltheorie einen Erkenntnisgewinn?

Schließlich soll das Fazit eine reflektierende und zusammenfassende Funktion gewährleisten. Was ist der Tenor der Arbeit?

1 Soziologische Relevanz des Sports

1.1 Positionierung in der Gesellschaft

Eine Vergesellschaftungsform bildet ein Aggregat von Menschen, die sich aneinander orientieren und miteinander handeln. Die umgangssprachliche „Gesellschaft“ ist eine spezifische Form einer Vergesellschaftung, nämlich die staatlich verfasste und territorial abgegrenzte Nationalgesellschaft. Innerhalb der Nationalgesellschaft existiert eine Vielzahl von Vergesellschaftungsformen. Sobald diese Vergesellschaftungen auf einer legitimen Ordnung / Verfassung beruhen, lassen sie sich als Verbände bezeichnen (Meulemann 2006).

Sport kann nicht als eine einzelne große Vergesellschaftungsform im System der Nationalgesellschaft gesehen werden. Respektive findet sich „der Sport“ in einer Unmenge von losen Vergesellschaftungsformen und Verbänden wieder. Die wöchentliche Verabredung der Kollegen zum Kicken, der Handballverein oder der deutsche Leichtathletik – Verband stehen sinnbildlich für ein immenses Gebilde an unterschiedlichen Vergesellschaftungsformen.

Die moderne Zivilisation ist gekennzeichnet durch einen rasanten Fortschritt, der mit dem Industrialisierungsprozess einhergeht. Seit Ende des 18. Jahrhunderts kam es, bzw. kommt es bis heute, zu einer Umwälzung der Strukturen, Organisation und Produktivität in allen Bereichen der Arbeitswelt. Gleichzeitig entstanden und entstehen neue Formen des gemeinschaftlichen Lebens, der politischen sowie kulturellen Institutionen oder der gesellschaftlichen Organisation. Traditionelle Gesellschaftsstrukturen werden aufgebrochen und machen Platz für neue soziale Verhaltensregeln, Wertesysteme und Haltungen.

Der Sport hat sich wesentlich aus der Freizeit entwickelt und ist eng mit ihr verbunden. Vor der Industrialisierung war Freizeit ein Luxusgut, das nur einer privilegierten Minderheit zur Verfügung stand. Die Industrialisierung bot den Menschen die Möglichkeit neben der Arbeit auch Freizeit zu genießen. Mit dem Anwachsen der Freizeit, wuchs auch der Stellenwert des Sports in der Nationalgesellschaft.

Heutzutage tritt Sport an eine der ersten Stellen unter den Freizeitbetätigungen. Darüber hinaus besteht eine positive Wertverknüpfung, beispielsweise hinsichtlich einer erzieherischen Bedeutung oder dem Erhalt der Gesundheit.

1.2 Sport – Ein vielfältiger Begriff

Wie bereits im Zusammenhang mit Vergesellschaftungsformen gezeigt, erscheint der Begriff „Sport“ äußerst facettenreich. Überdies lässt sich Sport in vielfältige Erscheinungsformen (zum Sinne und Zweck des Entstehens einzelner Vergesellschaftungen) unterscheiden. Neben Freizeit- und Breitensport haben Hochleistungs- und Spitzensport (im Amateur- sowie im Profibereich) ebenso ihren Platz wie Sport zur Rehabilitation. Was unterscheidet die Erscheinungsformen der sportlichen Aktivität und wo liegen die Gemeinsamkeiten? Gesucht werden kennzeichnende Merkmale des Sports.

Eine einheitliche Definition von Sport scheint in diesem Bestreben schwerlich darzulegen. Daher möchte ich vier „Modelle des Sports“ (Heinemann 1983, S. 37 f.) skizzieren, die Aufschluss über ein Verständnis von Sport als heterogenes Gebilde für verschiedene Anforderungsbereiche geben sollen.

1. Das expressive Sportmodell:

Werte und Normen wie Spaß, Freude und Gemeinschaftssinn sind vordergründige Triebfeder. Elemente des Wettkampfs oder der Leistung treten zurück. Das Modell soll eine Art von Gegenpol zu den Werten, Normen und Lebensbedingungen der alltäglichen Arbeitswelt bilden.

2. Das funktionalistische Sportmodell:

Sport bildet ein Medium, das sozial – emotionale Funktionen, Funktionen der Sozialisation sowie der sozialen Integration, Funktionen der Biologie ebenso wie der Politik leisten soll.

3. Das wettkampfbezogene Sportmodell:

Werte und Normen wie Wettkampf, Leistung, Gewinn und Verlust werden akzentuiert. Das Modell ist wesentlich durch die Alltagswirklichkeit geprägt und entspricht einem traditionellen Verständnis der „Identität“ des Sports.

4. Das kommerzielle Sportmodell:

Sport wird als Schauunternehmen zum rein kommerziell und professionalisiert geprägten Betrieb verstanden.

Diese vier Modelle sollen nicht als eine exakte Definition von Sport verstanden werden. Dennoch decken sie die Majorität der Formvielfalt des Sports ab und können als Basis für Interpretationen von Wettbewerb und Kooperation im Sport hilfreiche Dienste erbringen.

1.3 Breitensport versus Leistungssport

Vielfach sind Vorstellungen von Leistungssport eng gekoppelt mit dem Bestreben Höchstleistungen und Rekorde aufzustellen. Sicherlich darf behauptet werden, dass der Leistungssport den 3. und 4. „Modellen des Sports“ enger verwandt ist als der Breitensport und der Wettbewerbsgedanke ein Leitmotiv darstellt. Ähnlich offensichtlich ist eine stärkere Bindung des Breitensports zu den Modellen 1 und 2 als diese beim Leistungssport festgestellt werden könnte. Geht mit diesen Verknüpfungen eine Folgerung einher, dass dem Massensport ein größerer gesellschaftlicher Wert bzw. ein größerer Nutzen für die Gesellschaft zugeordnet werden kann als dem Leistungssport? Werden im Umkehrschluss soziale Belange vom Leistungssport vernachlässigt, wird, radikal formuliert, eine Dehumanisierung gefördert? Weiterhin wäre eine mögliche Korrelation von Massen- und Leistungssport ergründenswert.

Der Leistungssport ist keinesfalls ein Phänomen der Moderne. Vielmehr ist das Streben nach Höchstleitungen im Rahmen des sportlichen Wettkampfes uralt. Bereits vor Christus wurden im antiken Griechenland die ersten olympischen Spiele abgehalten und die ersten Siegerlisten geführt.

Heutzutage ist eine dynamische Entwicklung des Leistungssports erkennbar. Begeisterten Zuspruch erfährt diese sportliche Disziplin durch Zuschauer und Sporttreibende. Jedoch werden immer wieder kritische Stimmen laut, die den gesellschaftlichen Nutzen des Leitungssports bezweifeln. Wesentliche Argumente der Kritik entstammen der ultraradikalen Gesellschaftskritik, die größtenteils zahlenmäßig unbedeutenden Gruppierungen zuzuordnen ist, allerdings Gehör bei vielen fortschrittlichen Menschen findet (Wohl 1982, S. 135).

In diesem kritischen Sinne, dienen Spezialisierung und Wettbewerbscharakter im Leistungssport einer Manipulierung des Individuums sowie der Unterordnung unter das kapitalistische System. Die Handlungsfreiheit des Einzelnen werde eingeschränkt und die Mentalität der „Ellenbogengesellschaft“ gefördert.

Gegenteilig kann argumentiert werden, dass die freiwillige Vollbringung maximaler Anstrengungen und das Streben nach Vollkommenheit ein aktives Verhältnis des Menschen zur eigenen Natur ausdrückt.

Des Weiteren profitiert die Gesellschaft von der Spezialisierung und der Maximalisierung der körperlichen Fähigkeiten, indem bessere Bewegungsformen in das alltägliche Leben übertragen werden können. Der Leistungssport kann als Übungsfeld für neue Bewegungsformen bzw. perfektionierte Bewegungsabläufe interpretiert werden, die durch das gesellschaftliche Leben absorbiert werden und etwa Grundlage für verbesserte Arbeitsabläufe bilden (Wohl 1982).

Ebenso wenig darf der Wettbewerbscharakter im Leistungssport ausschließlich als Beleg für eine Verrohung des sozialen Miteinanders hin zu einer „Ellenbogengesellschaft“ angesehen werden. Mit anderen Worten kann der sportliche Wettbewerb einen fairen und gesunden Wettbewerb im gesellschaftlichen Alltag unterstützen und fördern.

Der große Reichtum an Übungsformen und Verhaltensmustern, der durch den Leistungssport erarbeitet wird, belebt zugleich den Breitensport. Die Masse schöpft aus dem Wissen der Spezialisten, genauso wie sie ihrerseits das Fundament für Spezialisierungen bildet. Trotz ihrer augenscheinlichen Gegensätzlichkeiten wirken Massen- und Leistungssport aufeinander ein und ergänzen einander.

Der Leistungssport ist seit der Antike an Zivilisationsprozessen beteiligt. Spezialisierung und Wettbewerbsorientierung sind unbestreitbar, doch sind gerade hier positive Aspekte für das soziale Leben zu suchen. Spezialisierung ist gegenwärtig noch der einzige Weg, in allen Lebensbereichen eine Höherentwicklung zu vollführen.

Der Leistungssport, genauso wie der Breitensport, hat eine Bedeutung für das soziale Zusammenleben. Ferner darf beiden Erscheinungsformen des Sports ein gesellschaftlicher Nutzen zugeschrieben werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wettbewerb und Kooperation im Sport. Gesellschaftliches und individuelles Sporttreiben unter der soziologischen Lupe
Hochschule
Universität zu Köln  (Soziologie)
Veranstaltung
Netzwerke und Organisationen
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
16
Katalognummer
V312119
ISBN (eBook)
9783668109360
ISBN (Buch)
9783668109377
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sportsoziologie, Wettbewerb, Kooperation
Arbeit zitieren
Christopher Morsbach (Autor:in), 2010, Wettbewerb und Kooperation im Sport. Gesellschaftliches und individuelles Sporttreiben unter der soziologischen Lupe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/312119

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wettbewerb und Kooperation im Sport. Gesellschaftliches und individuelles Sporttreiben unter der soziologischen Lupe



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden