Phantastische Kinder- und Jugendliteratur. Die Figurenkonstellation im Roman "Schatten über Fraterna" von A. D. Hesse


Hausarbeit, 2015

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 3

2 Historischer Überblick ... 4

3 Die Phantastik ... 6
3.1 Definitionen der Phantastik und phantastischen Literatur ... 7
3.2 Science Fiction und Fantasy ... 9

4 Die Phantastik in der Kinder- und Jugendliteratur ... 10

5 Die Figuren in dem phantastischen Roman „Schatten über Fraterna“ ... 11
5.1 Die Handlungsanalyse ... 12
5.2 Die Figurenanalyse ... 13

6 Schlusswort ... 17

7 Literaturverzeichnis ... 20

1 Einleitung

Fremde Welten mit großartigen Landschaften und surrealen Orten, unbekannte, phantastische Wesenheiten ausgestattet mit magischen Kräften, wichtige Aufgaben, die es zu bewältigen gilt - all das sind Motive der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur. Scheinbar unlösbare Aufgaben und Rätsel, die es zu meistern und zu enträtseln gilt, Elfen, Feen, Drachen, Vampire und furchteinflößende Mischwesen, wichtige Schätze, die es zu erobern gilt, Zeitreisen und Portale, die den Übergang in eine andere Welt ermöglichen - all diese Topoi und Motive sind Teil einer anderen, weit entfernten, fremden Welt. Diese Welt ist der Ort der Phantasie, der Träume und Ängste, eine Welt voller Magie, Wünsche, Sehnsüchte, aber auch der Ort der Albträume und Abgründe. Eine Welt, die zum Träumen, Nachdenken, Phantasieren und Miterleben anregt. Sie ist die Welt der phantastischen Literatur, die Welt, die uns Rezipienten in eine völlig fremde Sphäre reisen lässt und uns die normale und uns bekannte Welt um uns herum für eine gewisse Zeit über völlig vergessen lässt. Eine Welt, die uns spüren lässt, dass es mehr gibt als das Hier und Jetzt, und mehr als das, was wir sehen und von uns als real und damit existent eingestuft wird. Eine Welt, die mehr als nur das Reale kennt, die gleichzeitig auch das Übersinnliche und Magische beinhaltet, eine Welt, die all unsere Sinne anregt: Es ist die phantastische Welt der Kinder- und Jugendliteratur. Was genau macht dieses Genre aus? Wie sehen ihre Merkmale und Figurenkonstellationen aus und wie werden diese in die phantastische Welt integriert und mit der realen Welt vereinbart? Wie wird das Genre in der Forschungsliteratur definiert und was macht seine Subgenres aus? Wo liegen die Unterschiede zwischen der Fantasy, der phantastischen Literatur und der Science Fiction? All dies sind Fragen, auf die ich in dieser Arbeit näher eingehen werde. Dabei möchte ich mich auf ein konkretes Beispiel beziehen: Auf den phantastischen Roman „Schatten über Fraterna“ von A. D. Hesse. Hierbei werde ich vor allem auf die Handlungsträger eingehen. Ich werde ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der realen und in der phantastischen Welt analysieren. Mit der Figurenanalyse ist auch die Handlungsanalyse eng verbunden, auf die ich daher auch im Verlauf dieser Arbeit eingehen werde.

Um einen genaueren Überblick zu verschaffen, möchte ich mit der Geschichte und der Entwicklung der phantastischen Literatur beginnen, die aus der mythologischen Literatur entstand und sich in der Tradition des Geschichtenerzählens im 18. Jahrhundert fortsetzte.

2 Historischer Überblick

Die phantastische Literatur hat ihre Ursprünge in der mythologischen Literatur. Zu ihren ersten (mythologischen) Werken gehören die Geschichte des gestrandeten Seefahrers sowie das babylonische Gilgamesch-Epos. Beide entstanden 2000 vor Christi Geburt.[1] Die mythologische Literatur war von der Tradition des Geschichtenerzählens geprägt. Diese bediente sich alter Sagen, Mythen und Märchen.[2] Mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fand eine Entwicklung statt: Das Genre erhielt endlich nach „langjähriger Geringschätzung“ seine verdiente Anerkennung. Es stellte nun einen anerkannten „Gegenpol zur Ratio“ innerhalb der Epoche der Romantik dar.[3] Viele Texte aus dem 19. Jahrhundert, die sich „sonst klarer Kategorisierung entziehen ließen, lassen sich als ‚Proto-Fantasy‘ lesen“.[4] Zu diesen sogenannten „Proto-Fantasy-Texten“ zählen The Water-Babies von Charles Kingsley, das 1863 entstanden ist, Alice Adventures in Wonderland von dem britischen Schriftsteller Lewis Carrol, das 1865 erschienen ist und The Princess and the Globlin, das 1872 veröffentlicht wurde und von dem Autor George Mac Donald stammt.[5] Letztere lieferte auch den ersten wichtigen Impuls zur “normativen Zentrierung des Genres” im Jahre 1895. In The fantastic imagination bezeichnete er die phantastische Literatur als eine Literatur, die von einem doppelten poetischen Impuls geprägt sei. Zum einen von der poiesis, dem Schaffen des textimmanenten Erzählkontinuums, zum anderen aber auch von der mimesis, der außerliterarischen Welt als Ausgangspunkt oder Kontrastfolie“.[6]

Ein weiterer großer Schriftsteller, der bekannt durch seine Der Herr der Ringe Triologie wurde, prägte den Begriff der Fantasy noch stärker: J. R. Tolkien war derjenige, der die phantastische Literatur als eine Literatur bezeichnete, die um das kreist, was er secondary creation nannte. Tolkien zufolge ist der „Autor ein Zweit-Schöpfer analog zur jüdischchristlichen Gottesvorstellung, der seine Figuren in eine eigene Welt stellt, die es ihnen gestattet, stellvertretend für den Leser Trost und Erlösung zu erlangen“.[7] Hierzu prägte er den Begriff der eucatastrophe.[8] „Dabei bedient er sich einer quasimythischen Einkleidung“.[9]

Diese ist nicht ungewöhnlich für ihn, da er in Briefen immer wieder bedauerte, „dass England im Vergleich zu anderen europäischen Ländern auf keinen ausgeprägten Mythenschutz zurückgreifen könne“.[10] Diesen Mangel wollte er mythologisch-poetologisch mit seinen Werken lindern. Die Kombination aus einer „Anderswelt im mythischen Modus, die auf den globalen Sagenschatz rekurriert“ und die „Katharsis“, die sie dem „Rezipienten in der Eukatastrophe“ verschafft.[11]

Wie schon zuvor erwähnt waren für die kinderliterarische Phantastik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts Ludwig Tiecks Die Elfen, die 1811 entstanden und E.T.A. Hoffmanns Das fremde Kind, das 1817 entstand, modellbildend. Zu den wichtigsten Werken dieser Gattung zählen Der Herr der Ringe von J. R. R. Tolkien und Harry Potter von Joanne K. Rowling. Ersteres wird als der „eigentliche Beginn des Genres angesehen“ und mit den Harry Potter Werken entstand das berühmteste Werk der „aktuellen Populärkultur“.[12] In den Zeiten nach 1945 wurde die phantastische Kinder- und Jugendliteratur durch die Pippi Langstrumpf Erzählung von Astrid Lindgren, die 1945 in Schwedischer und später im Jahre 1949 in deutscher Sprache erschien, stark geprägt.[13] Anschließend - in den späten 1960er Jahren entstand ein Wandel sowie auf nationaler als auch auf internationaler Ebene in Hinblick auf das Erzählmodell der phantastischen Kindererzählung. Dieser Wandel entstand durch die „veränderte Kindheitsauffassung, die Kinder nicht mehr als andere Wesen begreift, sondern den Erwachsenen prinzipiell gleichstellt“. Erst im „späten 20. Jahrhundert“ entstanden „kindliche Helden, die ganz allein unerklärlichen Erscheinungen ausgesetzt sind“.[14]

Beispielsweise „läuft in Antonio[s] Martinez-Menchéns Pepito und der unsichtbare Hund (1985, dt. 1990) der 8-jährigen Hauptfigur ein Hund hinterher, den nur sie wahrnimmt.“ der Mit der Twilight-Tetralogie, die 2005 erschienen ist, erreichte die Phantastik ihren Höhepunkt.

Mittlerweile herrscht im Bereich der phantastischen Literatur eine große „Formenvielfalt“, die vor allem auf dem „grundlegenden Thema“ der „profunde[n] Verunsicherung des modernen Individuum[s]“ und dem „Nervenkitzel“ basiert. Dem gegenüber basierte die Phantastik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf „der Andersartigkeit der kindlichen Weltsicht und deren Bewahrung in einer rationalen Umwelt“.[15] Heutzutage wird die phantastische Literatur oftmals der All Ages Literatur zugeschrieben und spricht sowohl junge als auch erwachsene Leser an.[16]

Nach der „Befreiung vom Nationalsozialismus“ im Jahre 1945 hatte die phantastische Kinder- und Jugendliteratur die Aufgabe, sich mit einem „Neubeginn“ auseinanderzusetzen.[17] „Eine Annäherung an die Wirklichkeit der ersten Nachkriegsjahre gab es in der Kinder- und Jugendliteratur nicht“.[18] Im Gegenteil - sie bevorzugte ein „Happy-End“.[19] Bücher mit Titeln wie Die Arche Noah von der Autorin Margot Benary-Isbert sollten auf „das Familienleben“ besinnen, obwohl viele Väter und Ehemänner noch wegen des Krieges vermisst wurden.[20] Die oben bereits erwähnten Pippi Langstrumpf Erzählungen von Astrid Lindgren, die „gegen das traditionelle Kinderbuch“ auftraten, verursachten eine ‚Revolution in der Kinderstube‘.[21] Zu erwähnen sei noch, dass die 50er Jahre von der „Zensur der [...] Besatzungsmächte“ geprägt waren, die einen großen Einfluss auf die Veröffentlichung vieler Werke auch in Hinblick der (phantastischen) Kinder- und Jugendliteratur zur Folge hatte.[22]

3 Die Phantastik

Allgemein lässt sich feststellen, dass es viele verschiedene Definitionen von phantastischer Literatur gibt. Oftmals wird die Phantastik mit der Fantasy gleichgesetzt. Das Dargestellte referiert auf die Bedingungen der kulturellen, außertextuellen Welt. Es enthält aber auch Komponenten, die dem darin als möglich Angenommenen widersprechen.[23] Die Fantasy ist ein Teil der phantastischen Literatur, dabei ist jedoch zu beachten, dass sie ein Subgenre der Phantastik darstellt und phantastische Literatur nicht immer Fantasy sein muss. Ich möchte die einzelnen Begriffe bezüglich der Phantastik im Folgenden näher erläutern. Zunächst einmal gehe ich auf Todorovs Definition des Phantastischen ein.

[...]


[1] Vgl.: Ebd.: S. 65.

[2] Vgl.: Gansel, Carsten. Moderne Kinder-und Jugendliteratur. Vorschläge für einen kompetenzorientierten Unterricht. 4. Überarbeitete Auflage. Berlin: Cornelsen Scriptor Verlag, 2010, S. 131.

[3] Brittnacher, Hans Richard, May, Markus (Hrsg.). Phantastik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart. Weimar: J. B. Metzler Verlag, 2013, S. 285.

[4] Ebd.

[5] Vgl.: Ebd.: S. 285.

[6] Brittnacher, Hans Richard, May, Markus (Hrsg.). Phantastik. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart. Weimar: J. B. Metzler Verlag, 2013,S. 285.

[7] Ebd.

[8] Anm. d. Verf. : Tolkien prägte den Begriff der eucatastrophe im 20. Jahrhundert. Das Oxford dictionary schreibt hierzu folgendes: „A sudden and favourable resolution of events in a story; a happy ending” (vgl.: http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/eucatastrophe, aufgerufen am 15.05.2015.) Die Lösung wird führt hierbei zu einem positiven Ende der Geschichte, die eine Erlösung beim Rezipienten – Katharsis (siehe S. 5) innerhalb dieser Eukatastrophe zur Folge hat. Die Katharsis erfolgt demnach während der Eukatatstrophe, der eine plötzlich auftretende und günstige bzw. positive Lösung vorangegangen ist. Tolkien selber äußerte sich zu dem von ihm geprägten Begriff folgendermaßen: „[..] the sudden happy turn in a story which pierces you with a joy that brings tears in your eyes. [...] The consolation of fairy stories, the joy of the happy ending: or more correctly of the good catastrophe, the sudden joyous turn [...]; this joy, which is one of the things which fairy-stories can produce suppremly well, is not essentially escapist, nor furgitive. In its fairy-tale or other world – settings, it is a sudden and miraculous grace [...] It does not deny the existence of dyscatastrophe, of sorrow and failure : the possibility of these is necessary to the joy of deliverance; it denies [...] universal final defeat and in so far is evangelium, giving a fleeting glimpse of Joy – Joy beyond the walls of the world – poignant as greef” (vgl.: http://tolkiengateway.net/wiki/Eucatastrophe, aufgerufen am 15.05.2015.)

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Vgl: Ebd: S. 65 ff.

[13] Vgl.: Ewers, Hans-Heino. Literaturanspruch und Unterhaltungsabsicht. Studien zur Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur im späten 20. Und frühen 21. Jahrhundert. Bd. 85. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, 2013, S. 286.

[14] Vgl.: Ebd.: S. 287.

[15] Vgl.: Ewers, Hans-Heino. Literaturanspruch und Unterhaltungsabsicht. Studien zur Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur im späten 20. Und frühen 21. Jahrhundert. Bd. 85. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, 2013, S. 291.

[16] Vgl.: Gansel, Carsten. Moderne Kinder-und Jugendliteratur. Vorschläge für einen kompetenzorientierten Unterricht. 4. Überarbeitete Auflage. Berlin: Cornelsen Scriptor Verlag, 2010, S. 131.

[17] Vgl.: Kaminski, Winfred. Einführung in die Kinder- und Jugendliteratur. Literarische Phantasie und gesellschaftliche Wirklichkeit. Juventa Verlag Weinheim und München 1989, S. 28.

[18] Vgl.: Ebd.

[19] Vgl.: Ebd.

[20] Vgl.: Ebd., S. 29.

[21] Vgl.: Ebd.

[22] Vgl.: Ebd.

[23] Müller, Jan-Dirk. Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Bd. III:P-Z. (o.a.). Walter de Gruyter Verlag, 2003, S. 68.

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Details

Titel
Phantastische Kinder- und Jugendliteratur. Die Figurenkonstellation im Roman "Schatten über Fraterna" von A. D. Hesse
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für deutsche Literatur)
Veranstaltung
Entwicklungen und Tendenzen der Kinder- und Jugendliteratur/ -medien nach 1945
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
20
Katalognummer
V311999
ISBN (eBook)
9783668108448
ISBN (Buch)
9783668108455
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phantastik, Kinder- und Jugendliteratur, Phantastische Literatur
Arbeit zitieren
Aischa Belmikdam (Autor:in), 2015, Phantastische Kinder- und Jugendliteratur. Die Figurenkonstellation im Roman "Schatten über Fraterna" von A. D. Hesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311999

Kommentare

  • Gast am 29.12.2015

    Sehr informative und aufklärerische Arbeit zum Thema phantastischer Kinder- und Jugendliteratur

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Titel: Phantastische Kinder- und Jugendliteratur. Die Figurenkonstellation im Roman "Schatten über Fraterna" von A. D. Hesse



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