Streitgespräche in Theorie und Praxis. Eine linguistische Analyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung und Begriffsabgrenzung

3. Arten von Streitgesprächen

4. Merkmale von Streitgesprächen

5. Auslöser von Streitgesprächen

6. Ablauf von Streitgesprächen

7. Analyse eines exemplarischen Streitgesprächs

8. Fazit

9. Fachdidaktischer Teil

10. Literaturverzeichnis

11. Anhang

1. Einleitung

Kommunikation, ob verbal oder nonverbal, ist ein täglicher und unumgänglicher Bestandteil des Zusammenlebens in einer Gesellschaft. Interaktion in seiner verbalen Form findet wohl in allen Lebensbereichen oder Situationen sowie in den verschiedensten Konstellationen statt. Es dient einerseits der reinen Verständigung, andererseits dem Klären von Beziehungsverhältnissen oder dem einfachen Informationsaustausch. Bereits Paul Watzlawick hielt im Rahmen seiner fünf Axiome menschlicher Kommunikation fest:

„Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“1

Gespräche äußern sich in den verschiedensten Formen, wie beispielsweise dem Argumentieren, Diskutieren, Besprechen, Beurteilen oder dem Erklären, und beinhalten damit verbundene zielgerichtete Intentionen, welche idealerweise erfüllt werden sollten. Man spricht dabei von sogenannten Sprechhandlungen, also dem „Sprechen [...] als Handlung mit dem Ziel der gegenseitigen Verständigung [...]“2 und dem Darlegen eines gewissen zu erreichenden Sachverhaltes oder Anliegens. Dies setzt jedoch eine gewisse Gesprächsbereitschaft des Gegenübers voraus, damit es überhaupt zu einer erfolgreichen Kommunikation kommen kann. Bleibt dies jedoch aus, scheint die Interaktion gestört und mag sich mehr und mehr in ein konfliktäres Gespräch transformieren, dem Streit. Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten beziehungsweise Uneinigkeiten hinsichtlich eines bestimmten Objekts oder Sachverhaltes, in dessen Rahmen die Beteiligten versuchen, ihren Standpunkt zu verteidigen und schlussendlich zum „Sieg“ zu gelangen. Wo aber fängt ein Streit an und wo hört er auf? Wann kann man von einem Streit sprechen? Auch im Rahmen von Argumentationen oder Diskussionen kommt es zu Meinungsverschiedenheiten. Sprechen wir diesbezüglich ebenfalls von einem Streit? Wie ist der Streit zu definieren und inwiefern lässt er sich zu anderen wie den oben erwähnten ähnlichen Gesprächsformen abgrenzen? Hierbei wäre es zudem sinnvoll zu überlegen, ob es beispielsweise gewisse charakteristische Faktoren bezüglich eines typischen Ablaufs gäbe.

Diese vorangestellten Fragen und Überlegungen geben der folgenden Arbeit Anlass, den bisherigen Forschungsstand bezüglich des breiten und facettenreichen Themas „Streitgespräche“ in strukturierter Form aufzuarbeiten und die in der Theorie vorgestellten Ansätze hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz kritisch zu beurteilen. Dabei soll folgende Forschungsfrage beantwortet werden: Inwieweit lassen sich die in der Theorie vorgestellten Aspekte hinsichtlich der Streitgespräche praktisch anwenden?

Um Verständnisproblemen vorzubeugen, soll vorerst versucht werden, Streit zu definieren sowie ihn von ähnlichen Gesprächsformen abzugrenzen. Anschließend wird auf verschiedene Arten von Streitgesprächen eingegangen, woran sich eine Übersicht von expliziten Merkmalen anschließen soll. Nachdem die spezifischen Auslöser konfliktärer Gespräche erläutert wurden, soll ebenfalls auf einen möglichen mustergültigen Ablauf solcher Konversationen eingegangen werden. Diesem theoretischen Bezugsrahmen folgt ein analytischer Teil, in dessen Rahmen die praktische Anwendbarkeit der Theorie untersucht und kritisch beurteilt wird.

Schlussendlich muss erwähnt werden, dass ein fachdidaktischer Teil hinzugefügt wird, um die Möglichkeit der Einbettung des Themas „Streitgespräche“ in den schulischen Alltag aufzuzeigen.

2. Begriffsklärung und Begriffsabgrenzung

Der Begriff Streit kommt im alltäglichen Gebrauch in vielfältigster Weise vor und wird oft mit Konflikt, Disput, Diskussion u. a. synonym verwendet. Dennoch lässt sich der Begriff Streit von scheinbar ähnlichen Gesprächsformen abgrenzen. Zunächst soll die Bezeichnung Konflikt definiert werden, da dieser im Alltäglichen häufig dem Streit gleichgesetzt wird. Duden nimmt folgende Definitionen vor:

„1. a. durch das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen,, Interessen o.Ä. entstandene schwierige Situation [...]

b. mit kriegerischen Mitteln ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Gegnern [...]

2. Zwiespalt, Widerstreit aufgrund innerer Probleme [...]“3

Hier wird zunächst nach externen und internen Aspekten unterschieden, wobei zu erwähnen ist, dass Streit in diesem Artikel ebenfalls als Synonym aufgelistet ist. Gerd Schank (1987) beschreibt den Konflikt als „Diskrepanzen bei mindestens zwei Personen in [B]ezug auf Sachverhalte, von denen man glaubt, man könne Übereinstimmung erwarten.“4 Morton Deutsch (1976) geht in Bezug auf Konflikt von einem Aufeinanderstoßen zwiespältiger Neigungen5 aus, was der Vorstellung von Johan Galtung (1972), welcher von „[...] zwei oder mehrere[n] unvereinbare[n] Zielzustände[n] [...]“6 spricht, ähnelt. Die bisher aufgeführten Definitionsversuche scheinen jedoch keine eindeutige Abgrenzung zum Streit aufzuzeigen und decken sich folglich mit dem allgemeinen Verständnis zur Bedeutung von Streit, was die synonyme Verwendung zu rechtfertigen scheint. Betrachtet man jedoch die Definitionen von Streit, so ergeben sich unter anderem folgende:

1. „1. heftiges Sich-auseinander-Setzen, Zanken [mit persönlichem Gegner] in oft erregten Erörterungen, hitzigen Wortwechseln [...]“7

2. „Streit(gespräche) sind (1.) Wechselreden, die (2.) um Objekte geführt werden und sich aufgrund ihrer Modalität als (3.) heftig, hitzig oder erbost charakterisieren lassen.“8

Anhand der genannten Definitionen lässt sich erkennen, dass vor allem die Adjektive (heftig, persönlich, erregt, hitzig etc.) den Streit vom Konflikt abgrenzen und genauer differenzieren. Ernst Apeltauer (1978) sieht demnach die affektive Komponente als entscheidendes Charakteristikum und erweitert seine Definition um die Mitwirkung emotionaler Faktoren. Der Streit hebt sich insofern vom Konflikt ab, indem es zu einem Wechsel von der Inhaltsebene zur Beziehungsebene kommt.9 Somit stellt die Bezeichnung Streit eine Art Subform zum objektiven und deskriptiven Begriff Konflikt dar.10 Aufgrund der vorangestellten Begriffserklärungen sind die weiteren, kontrovers geführten Gesprächsformen, welche folglich einen ähnlichen Charakter wie die Bezeichnung Streit aufweisen, ebenfalls klar abzugrenzen, da die Diskussion und die Argumentation sowie der Disput idealerweise auf rein inhaltlicher beziehungsweise sachlicher Ebene ablaufen und sich daraus lediglich ein Streit entwickeln könnte, wenn eben der Wechsel auf die persönliche Ebene erfolgen sollte. Aufgrund dieser Eindeutigkeit bedarf es an dieser Stelle keiner weiteren Begriffserläuterungen, um ebenso den Rahmen dieser Arbeit angemessen zu halten.

3. Arten von Streitgesprächen

Im Folgenden sollen einige in der Literatur vorgeschlagene idealtypische Formen von Streitgesprächen aufgeführt und erklärt werden. Es wird auffallen, dass Konflikt und Streit oft als Synonyme benutzt werden, was den unterschiedlichen Definitionsversuchen zugrunde liegen mag. Dennoch soll weiterhin von Apeltauers Auffassung hinsichtlich des Streitbegriffs ausgegangen werden.

Eine eher allgemeine Klassifikation von Streitgesprächen schlägt Apeltauer (1978) vor, indem er sie in folgende drei Grundtypen aufteilt:

Typ 1: objektorientiert, direkt

Typ 2: objektorientiert, indirekt (Ersatzkonflikt) Typ 3: nicht objektorientiert (Pseudokonflikt)11

Bei Typ 1 handelt es sich um einen Streit, in dessen Rahmen ein gewisses Objekt direkt problematisiert wird. Typ 2 (Ersatzkonflikt) hingegen wird von Apeltauer folgendermaßen definiert:

„Ersatzkonflikte sind Streitformen, bei denen zwischen den Agenten eine latente Konfliktsituation (statischer Konflikt) besteht, die aber nicht thematisiert wird.“12

Es geht demnach um ein Objekt, welches die Funktion des Ausweichens trägt, d.h. statt des eigentlichen Problems wird ein eher bedeutungsloses Objekt in den Fokus gerückt, durch welches letztendlich gestritten wird. Zur Verdeutlichung soll ein Beispiel angeführt werden: A und B leben in einer Partnerschaft. B, sei es die Frau, greift A, sei es der Mann, an, indem sie ihm vorhält, er spiele zu viel auf seiner Spielekonsole (=Ersatzproblem). A weist diese Anschuldigung und Vorhaltung von sich, woraufhin B sich eingestehen muss, dass sie schon länger unzufrieden mit der gesamten Beziehung ist, was das eigentliche, direkte Problem darstellt.13 Der dritte Typ, der sogenannte Pseudokonflikt, zeichnet sich durch einen hohen Grad an Emotionalität aus, wobei der Streit unabhängig von einem bestimmten Objekt steht und der bloßen Entladung von aufgestauten Gefühlen dient.14 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich hinsichtlich dieser Klassifizierung um Streitformen handelt, in denen zum einen ein gewisses Objekt, ob nun direkt oder indirekt, im Mittelpunkt steht und zum anderen emotionale Entladungen fokussiert werden und das Objekt in den Hintergrund tritt. Im Gegensatz zu dieser allgemeinen Einteilung (objektlos/objektorientiert) sollen nun zwei weitere Typologien hinsichtlich Streitgesprächen vorgestellt werden, welche deutlich spezieller aufgestellt sind.

Helmut Richter erarbeitete in Zusammenarbeit mit Fred Weidmann (1975) folgende Typisierung von Streitgesprächen:

a) Kommunikativer Konflikt=unterschiedliche Interpretation sprachlicher Zeichen
b) Zuwendungskonflikt=Diskrepanz der Beachtung, der Relevanzsetzung von Objekten
c) Meinungskonflikt=Diskrepanz der kognitiven Erfassung von Objekten
d) Sozialer Konflikt=Diskrepanz der Wertung von Objekten (hinsichtlich Wahrheit=Faktentreue und Wertsysteme)15

Laut Johannes Schwitalla (1987) würde diese Art der Klassifizierung jedoch den Beziehungsaspekt nur ungenügend beziehungsweise ganz vernachlässigen, womit er auf Basis der von Richter aufgestellten Formen eine neue um den Beziehungsaspekt erweiterte Klassifizierung aufstellt:

a) Beziehungskonflikt=Sachverhalte, Handlungen und Verhaltensweisen, die die Beurteilung eines Gesprächsteilnehmers (sein Image) direkt betreffen
b) Konfliktäre Verhandlung=Handlungen, die eine Person in der Zukunft ausführen soll (vom Standpunkt des Fordernden) oder will (vom Standpunkt dieser Person selbst)
c) Disput=Sachverhalte, die nicht direkt etwas mit dem Image eines oder mehrerer beteiligten Interaktanten zu tun haben16

Für den Beziehungskonflikt sind hauptsächlich direkte Angriffe in Form von Vorwürfen, Beleidigungen und/oder Beschimpfungen charakteristisch, in der konfliktären Verhandlung überwiegen appellierende Formen, welche zurückweisende Reaktionen nach sich ziehen.17 Der Disput wird von Schwitalla als dritte Grundform von Streittypen genannt. In Anbetracht der zuvor erläuterten Begrifflichkeiten, die den Disput eindeutig vom Streit abgrenzen, soll die letzte Form Schwitallas nicht weiter erläutert, sondern vernachlässigt werden, da solch aufkommende Widersprüchlichkeiten in den unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der verschiedenen Begrifflichkeiten begründet liegen. Es könnte anschließend noch eine Fülle an weiteren Klassifizierungsmöglichkeiten folgen, doch bereits die einzelnen Schwachstellen und Widersprüchlichkeiten dieser beiden letztgenannten Typisierungen sollen der Arbeit Anlass geben, sich an der allgemeinen Form von Apeltauer (1978) zu orientieren und weitere außer Acht lassen.

4. Merkmale von Streitgesprächen

Aus dem vorangegangenen Verlauf der Arbeit ist zu erkennen, dass die genaue Eingrenzung hinsichtlich Definitionen und Klassifizierungen kaum möglich ist, was einen gemeinsamen Konsens hinsichtlich dessen nahezu ausschließt. Lediglich die Merkmale von Streitgesprächen, egal welcher Art, lassen sich eindeutig festlegen und sollen in Anlehnung an Gerd Schank (1987) genannt und erläutert werden.

Ein wesentliches Merkmal beziehungsweise das Hauptprinzip eines erfolgreichen Gesprächs ist a) die Kooperativität, welche im Rahmen eines Streitgesprächs, durch beispielweise das Verletzten der Grice´schen Konversationsmaxime, gestört ist. Die genannte b) Missachtung der Maxime wird bereits als weiteres Merkmal eines konfliktären Gesprächs gesehen.

[...]


1 Paul Watzlawick Website: http://www.paulwatzlawick.de/axiome.html (Datum des Zugriffs: 27.02.2014).

2 Duden online: https://www.duden.de/rechtschreibung/Sprachhandlung (Datum des Zugriffs: 27.02.2014).

3 Dudenredaktion: Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 5., überarbeitete Auflage. Mannheim: Dudenverlag, S. 933.

4 Schank, Gerd / Schwitalla, Johannes (Hrsg.) (1987): Konflikte in Gesprächen. Tübingen, S. 25.

5 vgl. Deutsch, Morton: Konfliktregelung. Konstruktive und destruktive Prozesse. München: Ernst Reinhardt Verlag.

6 Galtung, Johan (1972): Institutionalisierte Konfliktlösung. Ein theoretisches Paradigma. In: Bühl, Walter (Hrsg.) (1972): Konflikt und Konfliktstrategie. Aufsätze zu einer soziologischen Konflikttheorie. München: Nymphenburger Verlagshandlung GmbH, S. 113.

7 Dudenredaktion 2001, S. 1535.

8 Apeltauer, Ernst (1978): Elemente und Verlaufsformen von Streitgesprächen. Münster: phil. Diss., S. 23.

9 vgl. Apeltauer 1978.

10 vgl. Apeltauer 1978.

11 Apeltauer 1978, S. 36.

12 Apeltauer 1978, S. 26.

13 vgl. Apeltauer 1978.

14 Ebd.

15 Schwitalla 1987, S. 106.

16 Schwitalla 1987, S.109.

17 vgl. Schwitalla 1987.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Streitgespräche in Theorie und Praxis. Eine linguistische Analyse
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
23
Katalognummer
V311859
ISBN (eBook)
9783668107717
ISBN (Buch)
9783668107724
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
24 Seiten, Note: 1,3, enthält fachdidaktischen Anteil
Schlagworte
Pragmatik, Linguistik, Kommunikation, Konflikt
Arbeit zitieren
Carolina Kaiser (Autor:in), 2014, Streitgespräche in Theorie und Praxis. Eine linguistische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311859

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