Die europäische Einigung 1950-1992 unter wirtschaftlichen Aspekten


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2015

11 Seiten, Note: 1,33

Thomas Bäcker (Autor:in)


Leseprobe


Die Europäische Integration 1950-1992 im Kontext der Theorie Friedrich August von Hayeks

Friedrich August von Hayek war ein österreichischer Ökonom und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Liberalismus. In seinem Aufsatz ‚Die wirtschaftlichen Voraussetzungen föderativer Zusammenschlüsse‘ entwickelte er bereits 1939 die Vision eines europäischen Bundesstaates. Der Prozess der Europäischen Integration weist bemerkenswerte Analogien zu seinem nachfolgend skizzierten Modell auf.

Die Vorteile eines Bundesstaates reichen nach von Hayek von wirtschaftlichen bis hin zu politischen Aspekten. So bietet ein Bundesstaat die Möglichkeit der freien Bewegung von Menschen, Gütern und Kapital (vgl. von Hayek 1976: 324). Des Weiteren ergeben sich durch einen föderativen Zusammenschluss gemeinsame Gesetze, einheitliches Geldwesen und eine gemeinsame Regulierung des Verkehrs (vgl. ebd.). Die Grundlage zur Errichtung einer Föderation ist die wirtschaftliche Freiheit innerhalb dieses Territoriums. Der Hauptzweck eines Bundesstaates bildet nach von Hayek die Sicherung des Friedens durch die Beseitigung von Konflikten innerhalb des Bundes und die Prävention gegen einen Angriff von außen (vgl. ebd.: 324). Für eine solche Prävention ist bedeutend, dass internationale Verträge allein vom Bund geschlossen werden und dieser somit die alleinige Verfügungsgewalt über alle Beziehungen mit dem Ausland hat (vgl. ebd.: 325). Die internationalen Beziehungen umfassen die Kontrolle über die Ein- und Ausfuhr. Die Hoheit des Bundes über diese wirtschaftlichen Aspekte trägt dazu bei, den Frieden zu sichern. Die Sicherung des Friedens impliziert eine gemeinsame Verteidigung, lokale Interessen innerhalb des Bundes würden hingegen die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik behindern (vgl. ebd.: 326).

Der politische und der wirtschaftliche Zusammenschluss sind miteinander verbunden (vgl. ebd.: 324). Ein zwingender Grund für die Ausdehnung des Bundes auf den wirtschaftlichen Bereich ist die angestrebte Solidarität und der Zusammenhalt der Einwohner des Bundes (vgl. ebd.: 326). Dieser Wert ergibt sich aus der Betroffenheit aller Bundesbürger von wirtschaftlichen Prozessen (vgl. ebd.). Wenn sich hingegen durch wirtschaftliche und regionale Binnengrenzen Interessengruppen bilden und diese konflikthaft aufeinandertreffen, ist das schlecht für den Zusammenhalt des Bundes (vgl. ebd.: 327).Solch eine sich zuspitzende Konstellation von aufeinandertreffenden Konfliktgruppen könnte durchaus in einem militärischen Konflikt enden. Eine politische Union zwischen ehemals souveränen Staaten ist nach von Hayeks Argumentation deshalb ohne gleichzeitige Wirtschaftsunion, die Interessenkonflikte individuell und regionenübergreifend löst, wirkungslos (vgl. ebd.: 328), da allein schon der Protektionismus der noch bestehenden Volkswirtschaften die benötigte freie Beweglichkeit von Menschen und Kapital einschränken würde (vgl. ebd.). Durch die wirtschaftliche Einheit des Bundes wird das gesamte Bundesgebiet zu einem Markt, in dem die Transportkosten die einzigen Einflusseffekte auf die Preise darstellen (vgl. ebd.). Investitionen und Lohnveränderungen in einem Teil des Bundes beeinflussen folglich den Preis für Kapital und Arbeit in allen anderen Teilen des Bundes. Wirtschaftspolitik unterstützt bestimmte Industrien durch Preisbeeinflussung, indem das Angebot beschränkt wird und sich dadurch die Preise erhöhen (vgl. ebd.). In einem Bund entfallen die politischen Gestaltungsmittel zur Angebotsbeschränkung wie staatliche Monopole. Die weitere Unterstützung bestimmter Produzentengruppen kann nur durch direkte Subventionen geschehen.

Eine Beibehaltung der nationalen Finanzpolitik, die sich von wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen des Einzelstaates leiten lässt, würde zum Auseinanderfallen des gemeinsamen Währungssystems führen (vgl. ebd.: 329). Daraus ist zu folgern, dass innerhalb eines Bundes klar ist, dass die Gliedstaaten keine selbstständige Währungspolitik mehr verfolgen können. Gleichwohl gestaltet es sich schwierig, die Produktion weiterhin staatlich zu kontrollieren, da die staatliche Regelung einer bestimmten Industrie diese gegenüber anderen benachteiligen würde, in einem Bund aber kein Bundesstaat die Waren aus einem anderen Bundesstaat ausschließen kann (vgl. ebd.: 330). Entsprechendes kann auch am Beispiel der gesetzlichen Beschränkung der Arbeitszeit nachvollziehbar gemacht werden. Die gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit eines einzelnen Industriezweigs würde zur einseitigen Belastung dieser Industrie führen. Auch die Maßnahmen zur Erhöhung der Staatseinkünfte durch Steuern sind in einer Föderation beschränkt, da eine einseitige Besteuerung in einer Region Kapital und Arbeit an einen anderen Ort treibt (vgl. ebd.). Laut von Hayek sollte der Bund die Macht der Einzelstaaten stärker einschränken und zentripetale Tendenzen unterstützen, um die ungehinderte Bewegung von Menschen, Gütern und Kapital zu ermöglichen.

Die verbreitetste Form der staatlichen Intervention in das Wirtschaftsleben ist der Zoll (vgl. ebd.: 331). Damit der Zoll einer Binnenwirtschaft nutzen kann, muss seine Höhe davon abhängen, ob die Einfuhr von Gütern damit gefördert oder erschwert werden soll (vgl. ebd.: 332).Ein gleichmäßiger Zoll würde alle Industrien, die mit Importen konkurrieren, auf Kosten aller anderen begünstigen (vgl. ebd.). Komplikationen treten erst auf, sobald ein Zoll verwendet wird, um eine bestimmte Gruppe der Industrie zu subventionieren, sie also gegen Einflüsse von außen durch die Zölle zu schützen, da die finanziellen Folgen von den anderen Konsumenten und Produzenten getragen werden (vgl. ebd.). In einem Bundesstaat ist von Hayek zufolge die Anwendung von Zöllen zum Schutz einzelner Industrien schwer vorstellbar, da dies nationalen Interessen auf der Bundesebene widerspräche, was generell für jeglichen Protektionismus angenommen werden kann. Denn der Schutz der absteigenden Industrie schadet der aufstrebenden (vgl. ebd.: 333). Die Schwierigkeiten der Legitimationen eines solchen Vorhabens sind offenkundig angesichts der großen Heterogenität und der divergenten Interessen der Einwohner eines Bundesstaates, der aus mehreren vormaligen Nationalstaaten gebildet wird (vgl. ebd.: 334). Die Grenze der staatlichen Marktregulierung liegt dort, wo Übereinstimmung zwischen staatlichem Handeln und Interessen der Einwohner erreicht werden kann. Hierzu ist generell zu sagen, dass die Lenkung der Wirtschaft in einem Bundesstaat generell einen viel engeren Spielraum als in einem Nationalstaat hat (vgl. ebd.: 335). Folgt man den Ausführengen von Hayeks kann wirtschaftliche Machtvollkommenheit in einem Bundesstaat weder vom Bund noch von den Einzelstaaten ausgeübt werden; wirtschaftliche Befugnisse des Bundes sind demnach an eine potentielle Übereinstimmung mit den Zielen der Einwohner gekoppelt (vgl. ebd.: 337). Grundlegend spricht sich von Hayek für eine Reduktion der staatlichen Intervention auf ein Minimum aus und fordert den größtmöglichen Freiraum für die Wirtschaft. Dazu muss die nationalstaatliche Hoheit über wirtschaftliche Prozesse durch administrative Regelungen eingedämmt werden, indem der Bund ein allgemeines Einspruchsrecht erhält (vgl. ebd.: 338) und die Macht der Einzelstaaten über die Wirtschaft weiter geschwächt wird, um die Kompetenzen auf kleinere miteinander konkurrierende Einheiten, die keine Grenzen bilden dürfen, zu übertragen (vgl. ebd.: 339). Die Wirtschaftspolitik in einem Bundesstaat soll ein rationales dauerhaftes Rahmenwerk schaffen, in dem die persönliche Initiative den größten Spielraum hat. Des Weiteren führt von Hayek aus, dass eine liberale Wirtschaftsordnung die Voraussetzung für eine erfolgreiche Vereinigung von Staaten ist (vgl. ebd.: 341). Parallel müssen laut von Hayek souveräne Nationalstaaten abgeschafft und eine internationale Rechtsordnung etabliert werden, die für internationale Sicherheit und Stabilität der Bürger sorgt (vgl. ebd.).

Der europäische Integrationsprozess lässt viele Eigenschaften erkennen, die bereits in der Theorie von Hayeks enthalten sind. Wohlgemerkt stellt von Hayeks Theorie Aspekte eines fortgeschrittenen Stadiums der europäischen Integration dar, da wirtschaftliche und politische Fortschritte bei einem Übergang von ehemals souveränen Staaten zu einem Staatenbund oder sogar einem Bundesstaat in kleinen Schritten erfolgen.

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Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Die europäische Einigung 1950-1992 unter wirtschaftlichen Aspekten
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Veranstaltung
Geldpolitik - die EU vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise
Note
1,33
Autor
Jahr
2015
Seiten
11
Katalognummer
V311768
ISBN (eBook)
9783668107212
ISBN (Buch)
9783668107229
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einigung, aspekten
Arbeit zitieren
Thomas Bäcker (Autor:in), 2015, Die europäische Einigung 1950-1992 unter wirtschaftlichen Aspekten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311768

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