Tristan und Tantris. Der Name als Identitätsstifter in "Tristan und Isolde"


Hausarbeit, 2012

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0) Bestimmung der Identität

1) Die Traurigkeit Tristans
1.1) Genealogische Voraussetzungen
1.2) Erziehung
1.3) Stationen im Leben
1.4) Liebesbeziehung und Tod

2) Die Fröhlichkeit Tantris‘
2.1) Höfische Identität
2.2) Erstes Zusammentreffen mit Isolde
2.3) Brautwerbung
2.4) Stationen im Leben

3) Bedeutung der Namen Tristan und Tantris in Gottfrieds von Straßburg Werk

4) Namen als Identitätsstifter

Anhang:

5) Literaturverzeichnis

0) Bestimmung der Identität

Das Werk „Tristan“ von Gottfried von Straßburg, 1210 entstanden, ist ein Zeugnis mittelalterlicher Literatur. Zu dieser gibt es, wie bei Modernerer, verschiedene Zugänge der Interpretation. Einer ist die Frage nach der Identität des oder der Hauptprotagonisten. Diese lässt sich wiederum an verschiedenen Aspekten belegen und deuten. Zitiert man Michael Mitterauer: „Namenssysteme sind als Ausdrucksform individueller und kollektiver Identität eine sehr statische gesellschaftliche Erscheinung“1, ist ein wichtiger Ansatzpunkt in der Analyse der Identität der Name, des Romanhelden beispielsweise. Er kann den Charakter der Figur zeichnen. Namen stellen somit eine „Form von ergänzender Identifizierung“2 dar. Im Falle des Tristan in Gottfrieds von Straßburg Roman fällt auch dessen Namensgebung auf und gibt Anstoß zum Nachdenken. Ist der Name beziehungsweise sind die Namen dieser Romanfigur identitätsstiftend?

Um diese Frage zu untersuchen, möchte ich zum Einen die im Namen innewohnende Traurigkeit Tristans belegen. Hierzu betrachte ich genealogische Aspekte, die Erziehung des Hauptprotagonisten durch Rual li Foitenant, verschiedene weitere Ereignisse im Leben Tristans und vor allem die unglückliche Liebe zu Isolde, welche im Tod beider endet. Zum Anderen ist die Bedeutung des Namens „Tantris“ in Verbindung zu Tristans Erlebnissen, anzuschauen. Sowohl die höfische Identität an sich und die erste Begegnung mit Isolde sind als Beispiele dafür angebracht. Weiterhin kann die Brautwerbung Tristans für Marke im Bezug auf die Fröhlichkeit und Verspieltheit, welche mit dem Namen „Tantris“ verbunden sind, gesehen werden. Als weiterer Nachweis folgt die Betrachtung weiterer Stationen im Leben Tristans. Schließlich sind „Namensgebung und Namensgebrauch“3 der jeweiligen Formen in Bezug zu den Geschehnissen im Leben Tristans gesetzt und Rückschlüsse auf die Identität gezogen. Um den Namen als Faktor der Identitätsstiftung zu untersuchen, wird abschließend eine Deutung vorgenommen, welche sich auf den Grund Gottfrieds in der Verwendung bezieht.

1) Die Traurigkeit Tristans

Der Name „Tristan“ leitet sich von mittelalterlichen „Tristhum“ ab, was aufgrund der Zusammensetzung des Wortes „triste“, also traurig, und „hum“, also Mann, so viel bedeutet wie „Trauermann“4. Verschiedene Stationen seines Lebens sollen im Folgenden, im Bezug auf den Zusammenhand mit der Trauer, betrachtet werden. Dabei wird auf eine Gliederung eingegangen, welche Gottfried von Straßburg selbst in seinem Werk benennt:

„sehen wir trûreclîch ez was,

dâ sîn sîn muoter genas.

sehen wie vruo im arbeit

und nôt ze rucke wart geleit.

sehen wie trûreclîch ein leben

ime ze lebene wart gegeben.

sehen an den trûreclîchen tôt,

der alle sîne herzenôt

mit einem ende beslôz,

das alles tôdes übergenôz

und aller triure ein galle was“5.

Hier spricht er zuerst die Rolle der Mutter Tristans, stellvertretend für die der Eltern, und die Umstände der Geburt an. Weiterhin geht es um die Erziehung, welche bei ihm mit Lernen und daraus entstehender Mühe verbunden war. Als weiteren Punkt stellt Gottfried von Straßburg das Leben Tristans an sich in das Blickfeld. Viele seiner Schritte provozierten Trauer seinerseits oder bei anderen Menschen seiner Umgebung. Zuletzt geht der Autor auf den Tod und die Herzensqualen, des jungen Mannes, durch die unglückliche Liebe zu Isolde, ein. Ableben und Liebesleid sind miteinander verbunden. So sagt nun Gottfried von Straßburg:

„diz maere, der daz ie gelas,

der erkennet sich wol, daz der nam

dem lebene was gehellsesam“6.

Mit diesen Worten stellt der Autor die These auf, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Namen „Tristan“ und der Traurigkeit im Leben des Hauptprotagonisten gibt. Er würde den Geschehnissen entsprechen. Jene Verbindung soll durch die Betrachtung einiger Beispiele gemäß der Einteilung Gottfrieds von Straßburg überprüft und belegt werden.

1.1) Genealogische Voraussetzungen

Die Namensgebung Tristans erfolgte nicht wie üblich von Mutter oder Vater, sondern von seinem Ziehvater Rual li Fointenant. Die Mutter Blancheflur war bei der Geburt des Jungen gestorben, der Vater Riwalin wurde im Kampf tödlich verletzt. Auch er starb vor der Geburt des Kindes. „Der Name des Kindes liegt bei der Taufe nicht vor“7. Rual war der Marschall am Hofe Riwalins und somit enger Vertrauter der beiden Verstorbenen. So entschloss er sich, den kleinen Jungen aufzunehmen und ihn als sein eigenes Kind mit seiner Frau Floraete großzuziehen. Durch diese Entscheidung kam auch ihm die Wahl des Namens für das Kind zu. Er stützte sich auf die Umstände der Geburt und der Liebesgeschichte der Eltern:

„hier under sô betrahte er

des kindes dinc von ende her,

rehte alse er haete vernomen,

wie sîn dinc alles dar was komen:

»seht« sprach er »vrouwe,

als ich vernam von sînem vater,

wie’z dem kam

umbe sîne Blanschefliure,

mit wie vil maneger triure

ir gernder wille an ime ergie,

wie sî diz kint mit triure enpfie,

mit welher triure sî’z gewan,

sô nenne wir in Tristan.«“8

Die unglückliche Liebe Riwalins und Blancheflurs war ein Aspekt, welchen Rual bedachte. Beide zeugten Tristan in unehelicher Vereinigung. Anfangs durften sie sich nicht in der Öffentlichkeit zusammen zeigen, bis es schließlich zur Heirat kam. Dann wurden sie durch den Krieg gegen Morgan, und dem Einsatz Riwalins im ihm, getrennt. Mit der tödlichen Verletzung ihres Mannes, bricht auch Blancheflurs Herz und sie übersteht die Niederkunft ihres Kindes nicht. So scheint Tristans Weg schon vor seiner Geburt durch traurige Umstände gekennzeichnet. „Mit der Liebe der Eltern bereitet sich etwas vor, das auf den jungen Tristan pränatal und in Form des Namens übertragen […] wird“9.

Nennt Rual nun also den Jungen „Tristan“, versucht er dessen Vorgeschichte in diesen Namen zu legen. „Er betrachte das Kind von seiner ‚inneren‘ Biographie her und flicht in dessen Namen seine Geschichte ein“10. Die genealogischen Voraussetzungen des Kindes bilden die Traurigkeit, welche sich im Namen wiederspiegelt. Sie gaben Rual die Veranlassung, in der Bezeichnung Tristans, das Schicksal der Eltern zu verzeichnen. Bevor der Junge also bewusste Handlungen vollziehen oder sein Leben selbst gestalten kann, scheint sein Weg und seine Identität vorgezeichnet zu sein. Selbst Umstände vor dem eigenen Leben haben einen Einfluss auf die Geschehnisse. Dies versuchte Rual, durch die Namensgebung unvergessen zu machen. Gottfried von Straßburg bringt somit als Autor „die Kongruenz von Vorgeschichte, Herkunft und Geburt mit in dem Namen ein [und] ergänzt sie sorgfältig um die Dimension der Zukunft“11.

1.2) Erziehung

Die Erziehung Tristans, welche bis zu seinem siebenten Lebensjahr von Floraete und dann von Rual übernommen wurde, liefert weitere Beweise für das traurige Leben des Jungen. Auch wenn beide, Floraete und Rual, nur das Beste für das Kind wollten, setzen sie ihn, nicht nur unter heutigen Sichtweisen, enormen Druck aus.

Mit Beginn des achten Lebensjahres übergab Rual das Kind einem klugen Mann:

„mit dem sante er in iesâ dan

durch vremede sprâche in vremediu lant.

und daz er aber al zehant

der buoche lêre an vienge

und den ouch mite gienge

vor aller slahte lêre.

daz was sîn êrstiu kêre

ûz sîner vrîheite”12.

Diese Textstelle zeigt die Forderung der Zieheltern an den Jungen. Mit einem Fremden in ein anderes Land zu gehen, ist für einen Achtjährigen etwas Beängstigendes. Hier sollte er Fremdsprachen und das Lesen von Büchern lernen. Dies wird vom Erzähler selbst als Eingriff in die Freiheit formuliert. Tristan durfte nicht mehr Kind sein, sondern muss sich den Lehren hingeben.

„in den ûf bluenden jâren, dô als sîn wunne sollte enstân,

dô er mit vröuden sollte gân

in sînes lebenes begin,

dô was sîn beste leben hin. […]

in sîner êrsten vrîheit

wart al sîn vrîheit hin geleit

der buoche lêre und ir getwanc

was sîner sorgen anevanc“13.

In den Jahren, welche ein Kind im Spielen und Toben aufblüht, musste Tristan lernen und Disziplin walten lassen. Sein Charakter, und somit seine Identität, wurde durch die Anweisungen Ruals geformt. Jene ließen den Jungen in eine Traurigkeit verfallen, wie der Autor es hier beschreibt. Sorgen und Kummer bestimmten sein Leben. Weitere Künste wie das Jagen und höfische Gesellschaftsspiele14 vertieften das Wissen des Kindes, was klar auch als Vorteil der Erziehung benannt werden kann.

„nu was aber diu saelde undersniten

mit werndem schaden, als ich es las,

wan er leider arbeitsaelic was“15.

Dieses Glück wog aber weniger als das Unglück, welches er mit der Zucht durch die Lehre verband. Bis dahin kommt jedoch in Gottfrieds von Straßburg Roman Tristan nicht zu Wort. Dies alles beschreibt der Autor beziehungsweise der Erzähler selbst. Es ist also mehr ein fremdes Urteil, welches Tristan als traurig über die Verhältnisse beschreibt. So wie der Name von jemand Anderem ausgesucht wurde, so entstehen auch jetzt Bestimmungen seines Zustandes durch Außenstehende. Er wird also auch von ihnen als unglücklich empfunden und die Erziehung als Belastung beschrieben. „Von Leid und Trauer triste ist sein junges Leben ohnehin gekennzeichnet und diese Konstante zieht sich auch durch seine Erziehung. In einer solch einer ausgereiften Erziehung […] bleibt für den Zögling eben nicht viel Lebensfreude“16, beschreibt auch Hennig Hermann seinen Eindruck des Werkes. Die Ausbildung Tristans spielte also in der Formung des Eindruckes von ihm und seinem Verhalten eine große Rolle. Die Künste, welche er erlernte, bildeten seinen Charakter. Die damit zusammenhängende Identität ist zusätzlich durch die Kontrolle und Unfreiheit gezeichnet.

1.3) Stationen im Leben

Betrachtet man doch Tristan noch als Kind und nicht als frühen Erwachsenen, ist seine Entscheidung im Kapitel „IV. Die Entführung“17 zum Schiff und somit den Händlern zu gehen, welche dort

„valken veile

und ander schene vederspil“18

[...]


1 Mitterauer, Michael: Mittelalterliche Grundlagen aktueller Namensprobleme. In: Härtel, Reinhard: Personennamen und Identität: Namengebung und Namengebrauch als Anzeiger individueller Bestimmung und gruppenbezogener Zuordnung. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalten (Akten der Akademie Friesach „Stadt und Kultur im Mittelalter“) 1997. S. 18.

2 Härtel, Reinhard: Personennamen und Identität: Namengebung und Namengebrauch als Anzeiger individueller Bestimmung und gruppenbezogener Zuordnung. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalten (Akten der Akademie Friesach „Stadt und Kultur im Mittelalter“) 1997. S. 9.

3 Jarnut, Jörg: Selbstverständnis von Personen und Personengruppen im Lichte frühmittelalterlicher Personennamen. In: Härtel, Reinhard: Personennamen und Identität: Namengebung und Namengebrauch als Anzeiger individueller Bestimmung und gruppenbezogener Zuordnung. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalten (Akten der Akademie Friesach „Stadt und Kultur im Mittelalter“) 1997. S. 47.

4 vgl. Okken, Lambertus: Kommentar zum Tristan-Roman Gottfrieds von Strassburg. Band 1. 2. Auflage. Amsterdam: Rodopi ( Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur, Band 57) 1996. S. 126.

5 von Straßburg, Gottfried: Tristan. Band 1. 13. Auflage. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2010. Vers 2007-2017.

6 Ebd. Vers 2018-2020.

7 Hermann, Hennig: Identität und Personalität in Gottfrieds von Straßburg Tristan: Studien zur sozial- und kulturgeschichtlichen Entwicklung des Helden. Hamburg: Kovac (Schriften zur Mediävistik, Band 8) 2006. S. 107.

8 von Straßburg. Gottfried (wie Anm. 5) Vers 1987-1998.

9 Hermann, Hennig (wie Anm. 7) S. 111.

10 Ebd. S. 107.

11 Okken, Lambertus (wie Anm. 4) S. 125.

12 von Straßburg, Gottfried (wie Anm. 5) Vers 2062-2069.

13 Ebd. Vers 2074-2078 […] 2083-2086.

14 vgl. von Straßburg, Gottfried (wie Anm. 5) Vers 2118-2121.

15 Ebd. Vers 2128-2130.

16 Hermann, Hennig (wie Anm. 7) S. 126.

17 von Straßburg, Gottfried (wie Anm. 5) S. 139.

18 Ebd. Vers 2166-2167.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Tristan und Tantris. Der Name als Identitätsstifter in "Tristan und Isolde"
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Germanistik)
Veranstaltung
Deutsche Literatur des Mittelalters
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
23
Katalognummer
V311643
ISBN (eBook)
9783668103344
ISBN (Buch)
9783668103351
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
tristan, tantris, name, identitätsstifter, isolde
Arbeit zitieren
Anne-Marie Holze (Autor:in), 2012, Tristan und Tantris. Der Name als Identitätsstifter in "Tristan und Isolde", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/311643

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