Komparative Theologie bei Klaus von Stosch


Hausarbeit, 2014

28 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALT

Einleitung

1. Die Theologie der Religionen im Allgemeinen
1.1. Pluralismus
1.2. Exklusivismus
1.3. Inklusivismus

2. Die Komparative Theologie
2.1. Programm, Positionen, Ziele
2.2. Philosophische Grundlagen
a) Kognitive und regulative Elemente religiöser Überzeugungen
b) Anmerkung zur Grammatik von Überzeugungen
c) Fundament und Struktur unserer Überzeugungssysteme
d) Folgerungen für die Komparative Theologie
2.3. Vorläufiges Fazit

3. Kritik

Fazit

Literaturliste

Einleitung

Welche ist die wahre Religion? Welche Religion führt zum Heil, zum Paradies und zu „Gott“? Und wie stehen die verschiedenen Religionen in Beziehung? Das sind Fragen, die unter dem fundamentaltheologischen Fachbereich der „Theologie der Religionen“ behandelt werden.

Es haben sich bis heute drei grundlegende Modelle herausgebildet, nämlich der Exklusivismus, der anderen Religionen den Wahrheits- und Heilsanspruch abspricht, der Inklusivismus, der diesen den anderen Religionen teilweise und minderwertigzuspricht und der Pluralismus, der verschiedene und auch sich gegenseitig widersprechende Positionen nebeneinander als gleichwertig stehen lässt.

Neben diesen drei Modellen versuchtKlaus von Stoscheinen anderen Weg zu beschreiten, nämlich den der sogenannten „Komparativen Theologie“. Es geht ihm aber hierbei nicht so sehr um ein anderestheoretisches Modell, sondern vielmehr um eine neue praktische Methode, Theologie der Religionen zu betreiben, deren Gesamtziel

„eine theologische Beschäftigung mit der Welt der Religionen (ist), die zeigt, wie man aus christlicher Sicht heraus religiöse Überzeugungen und Letztorientierungen von Personen außerhalb des Christentums würdigen und wertschätzen kann, ohne dabei die grundlegenden Grundpositionen der eigenen Religion zurückzunehmen.“[1]

Anhand seines Buches „ Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen“ (Paderborn 2012) soll in dieser Seminararbeit diese neue Methode vorgestellt werden. Dazu sollen zunächst die Theologie der Religionen im Allgemeinen vorgestellt werden (Kap. 1), um danach die theologischen und philosophischen Grundzüge der Komparativen Theologie nach Klaus von Stoschdarzulegen (Kap. 2). Nach einer eingehenden Kritik am Schluss (Kap. 3) soll eine theologische Beurteilung der dargestellten Komparativen Theologie gegeben werden (Fazit).

1. Die Theologie der Religionen im Allgemeinen

In der Theologie der Religionen geht es im Allgemeinen darum, die Vielfalt der anderen Religionen theologisch zu beurteilen und zu bewerten und sie im Bezug zur eigenen Religion adäquat einzuordnen:

„Es geht der Theologie der Religionen demnach in einem weit verbreiteten Verständnis darum, zu überlegen, wie die anderen Religionen aus der Sicht der eigenen Religion adäquat wahrgenommen und eingeordnet werden können. Zugleich überlegt sie, welche Rückwirkungen die Deutung der anderen Religionen auf das eigene Selbstverständnis haben.“[2]

Das Hauptproblem dabei sieht Von Stosch darin, wie man „zwei miteinander im Widerstreit liegende Intuitionen miteinander versöhnen“ kann, nämlich einerseits „andere Religionen bzw. ihre Anhänger in ihrer Andersheit wertzuschätzen“, wie es das christliche Gebot der Nächstenliebe nahelegt (vgl. Mt 5,44; Lk 6,27; Joh 13,34) und andererseits „den eigenen Geltungsanspruch (sc. auf Christi einzige Heilsmittlerschaft, P.K.) nicht aufzugeben“ (Joh 14,6; APG 4,12; 1 Tim 2,5):

„Im Zentrum der Theologie der Religionen steht also das dogmatische Problem, wie christlicherseits ein Weg zu Wahrheit und Heil für Menschen anderer Religionen gedacht werden kann und wie dabei eine positive Würdigung anderer Religionen gelingen kann, ohne eigene Wahrheits- und Geltungsansprüche unzulässig zu relativieren.“[3]

Hierfür haben sich drei bekannte Modelle ausgebildet.

1.1. Pluralismus

Bekannte Vertreter des Pluralismus sind z.B. John Hick, Perry Schmidt-Leukel und Paul F. Knitter. Hick sieht die Grundforderung des Pluralismus in der gemeinsamen Theozentrik, was für die christliche Theologie eine 'kopernikanische Wende' weg von der Christo- oder Ekklesiozentrik abverlangt. Alle Religionen sollen demnach um Gott bzw. um „das Wirkliche“ („the Real“) kreisen. So können konfessionelle Unterschiede und Hindernisse durch die Hinwendung zum gemeinsamen letzten Ziel überwunden werden, das allen Religionen Gleichberechtigung verleiht.

Hintergrund dieses Modells bildet die kantische Unterscheidung zwischen dem Ding an sich (das Noumenon) und seiner Erscheinungsweise für uns (dem Phainomenon). Wir können danach niemals erkennen, wie eine Sache an und für sich ist, sondern immer nur, wie sie für uns erscheint, d.h. das unsere Wirklichkeitserkenntnis perspektivisch und kontextabhängig ist und unsere Gotteserfahrung nur eine partielle Aspektwahrnehmung ist. Damit wird alles Erkennen und dogmatisches Sprechen von Gott relativ und unzulänglich.

Entscheidendes Kriterium für den Wert einer Religion ist das soteriologische Moment. Wenn eine Religion also Erlösung und heilvolle Verwandlung mit sich bringt (was sich v.a. an der Heiligkeit ihrer Anhänger verifizieren lässt)[4], dann ist sie eine gute Religion.

„Der Wert religiöser Traditionen und ihrer verschiedenen Elemente ... bemisst sich daran, ob sie die erlösende Transformation fördern oder behindern.“[5]

Das Problem und die Hauptkritik am Pluralismus ist, dass durch die Relativierung der religionsinternen Dogmatik der konfessionelle Glaube (fides quae) selbst relativiert und obsolet wird.Der Pluralismus relativiert demnach die Religionen.

1.2. Exklusivismus

Der Exklusivismus geht davon aus, dass es Wahrheit und Heil allein im Christentum gibt. Dabei werden zwei Arten unterschieden, nämlich der umfassende Exklusivismus, der allein Christen Zugang zur Wahrheit und Heil zuspricht und der offene Exklusivismus, der ihn auch Nichtchristen zuspricht, jedoch nicht aufgrund einer anderen Religion.

Alvin Plantinga, ein bekannter Vertreter dieses Modells, begründet den christlichen Heilsexklusivismus in der Schrift und den Worten Jesu, der selbst sagt, dass „keiner zum Vater kommt außer durch mich“ (Joh 14,6). Jedoch wirft das die Frage auf, was mit den Menschen ist, die nichts von Christus gehört haben. Werden sie alle verdammt?

Die lange kirchengeschichtliche Diskussion um diese Frage (extra ecclesiam nulla salus) hat letztlich das II. Vatikanum mit der Kirchenkonstitution Lumen Gentium beantwortet:

„Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott jedoch aufrichtigen Herzens sucht und seinen durch den Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluss der Gnade in den Taten zu erfüllen versucht, kann das ewige Heil erlangen.“ (LG 16)

Damit wurde einerseits „für die katholische Traditionendgültig geklärt, dass der umfassende Exklusivismus keine zulässige katholische Position ist“,[6] jedoch wurde andererseits aus der Erklärung Nostra aetate bewusst „ein Satz eliminiert, der nichtchristliche Religionen ausdrücklich als Heilswege würdigt“ [7], um prinzipiell an der christlichen Heilsexklusivität bzw.„Heilsnotwendigkeit der Kirche“ festzuhalten:

„Christus allein ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird; indem er aber selbst mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat (vgl. Mk 16,16; Joh 3,5), hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Türe eintreten, bekräftigt. Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten.“ (LG 14)[8]

Der Exklusivismus wertet demnach andere Religionen ab.

1.3. Inklusivismus

Der Inklusivismus bekennt im Allgemeinen eine (minderwertige) Teilhabe an der Wahrheit und am Heil in anderen Religionen.

„Statt das Eigene als exklusiv nur mir gegeben zu betrachten, wird gesucht, ob es – ggf. in anderer Form – auch beim anderen gegeben ist. Es geht also darum, den anderen in die eigene Wahrheits- und Heilsansprüche und in das eigene Denken hineinzunehmen. Zugleich ist mit dem Inklusivismus in seinen klassischen Versionen ein Superioritätsanspruch für die eigene Religion verbunden...“[9]

Ein berühmter Vertreter des umfassenden Inklusivismus war Karl Rahner. In seinem Konzept vom „anonymen Christentum“ geht er von zwei grundsätzlichen Prämissen aus, nämlich dass das „Heil nur in Christus“ gegeben ist und dass „Gott das Heil aller Menschen will“ (vgl. 1 Tim 2,4-5). Also muss es auch für die Menschen, die Christus nicht kennen, die Möglichkeit einer „anonymen“ oder „impliziten“ Christusbeziehung geben, wie es z.B. in der Gerichtsrede Jesu der Fall ist (vgl. Mt 25,31-46).Auch sieht er in nichtchristlichen Religionen „Momente übernatürlichen Gnadeneinflusses“ und erkennt ihnen „eine positive Rolle in der Heilsgeschichte“ an:

„Die dadurch ermöglichte Anerkennung von nichtchristlichen Religionen als legitimen Religionen ist der entscheidende Schritt Rahners über den offenen Exklusivismus hinaus.“[10]

Rahner geht also einen „entscheidenden“ Schritt weiter als die Kirche, nämlich hält er nicht daran fest, dass die Zugehörigkeit zur Kirche „heils- notwendig “ ist, sondern lediglich eine „ größere Heilschanche“[11] bietet, d.h. dass er prinzipiell auch nichtchristliche Religionenals mögliche, wenn auch geringere Heilswege neben dem Christentum anerkennt.Damit behauptet er genau das, was Nostra aetate ausdrücklich „eliminiert“ hatte (vgl. Kap. 1.2).[12]

Entscheidende Kritik gegen den Inklusivismus ist auch die Vereinnahmung und Missachtung der menschlichen Freiheit, die u.a. Hans Küng kritisiert hat:

„Der Wille derer, die nun einmal nicht Christen sind und nicht Christen sein wollen, wird nicht respektiert, sondern nach eigenen Interessen interpretiert.“[13]

Der Inklusivismus vereinnahmt demnach andere Religionen.

Zusammenfassung: Da keines dieser drei Modelle die „Identität und Differenz der verschiedenen Religionen angemessen zu würdigen“ vermag, gibt sich Klaus von Stosch weder mit einer pluralistischen Religions-Relativierung (1.1), noch mit einer exklusivistischen Religions-Abwertung (1.2), noch mit einer inklusivistischen Religions-Vereinnahmung (1.3) zufrieden und sieht sich daher dazu gezwungen, ein „neues Paradigma in der theologischen Beschäftigung mit der Vielfalt der Religionen“ unter der neuen Oberbezeichnung „Komparative Theologie“ einzuführen.[14]

2. Die Komparative Theologie

Der Komparativen Theologie (KT) geht es vor allem darum, „eine Würdigung der Andersheit Andersgläubiger mit der Treue zu den traditionellen Geltungsansprüchen des Christentums zu verbinden“. (133)[15] Dies soll nun im Einzelnen konkret dargestellt werden.

2.1. Programm,Positionen und Ziele

a) Entstehung: Historisch entwickelte sich die KT erst in der Neuzeit, v.a. im englischsprachigen Raum unter dem Begriff comparative theology im Sinne der vergleichenden Religionswissenschaft (religious studies), „so dass komparative Theologie in diesem Sinne als nichtkonfessionelle, rein wissenschaftliche Außenbetrachtung von Religionen verstanden wird und insofern nicht als Theologie, sondern als Religionswissenschaft bezeichnet werden sollte.“ Die anfangs noch „stark apologetische Ausrichtung“, die das Ziel hatte, das Christentum „als einzig wahre Religion auszuweisen“ wurde dadurch abgelöst:

„Dennoch bedeutete komparative Theologie gerade durch F. Max Müller, den Begründer der vergleichenden Religionswissenschaften, ‚einen entscheidenden Bruch mit der Tradition exklusivistischer christlicher Apologetik, die von liberalen Christen immer mehr als verachtenswert intolerant, provinziell und reaktionär empfunden wurde.‘“ (136)

b) Positionen: Gegenwärtig werden zwei unterschiedliche Richtungen in der KT vertreten, nämlich eine stark konfessionelle, eher inklusivistisch als pluralistische Theologie (Clooney/ Fredericks) und eine eher liberale, weniger konfessionelle Theologie (Neville/ Ward).

Neville`s Ausgangspunkt ist die „Logik des Vergleichens“, die religiöse Vorstellungen nicht konfessionell-apologetisch, sondern„religionsübergreifend“, sozusagen von oben auf möglichst offener, neutraler und objektiver„Metaebene“ vergleicht. (140) Hintergrund ist die These, dass „Vernunft historisch und kulturell bedingt“ ist und „ich deshalb den anderen brauche, um mich selbst kritisch weiterzuentwickeln“.(142) KT ist demnach „eine intellektuelle Disziplin, die religiöse Ideen über das letzte Ziel menschlichen Lebens erforscht“. (144)

Ward´s Ansatz kommt eher von unten her, aus der Konfession selbst. Nach ihm ist das rationale Denken „so vielfältig“, dass es keine traditionsneutrale Theologie (auf intellektueller Metaebene) geben kann, sondern dass sie „notwendig plural verfasst sei“, so dass für ihn das Ziel der KT ist, „die eigene Tradition im Lichte der religiösen Traditionen der Welt zu verstehen“, quasi als globale „Synthese von komparativem und konfessionellem Denken“. (145)

Für Clooney und Fredericks gehört die KT „ganz selbstverständlich zur konfessionellen Theologie“. (146) Beide bemühen sich um großflächige systematische Untersuchungen und Detailstudien im interkonfessionellen Dialog. Wie weit man dabei gehen darf, bestimmt „nicht die Theologie, sondern das Lehramt“, das für die „konfessionelle Identitätsstiftung und Grenzziehung“ zuständig ist. (146) Daher kann hier von einer religionsübergreifenden, konfessionsneutralen und „globalen Theologie“ nicht die Rede sein. (148)

Von Stosch selber tendiert zu einer „Vermittlung der Anliegen von Pluralismus und Inklusivismus in der Theologie der Religionen“, jedoch „nicht auf der Modellebene“, sondern „jeweils am Einzelfall“. (154)

c) Ziele: Schulübergreifend geht es in der KT primär um „Theologie“, d.h. um wahre „Gotteserkenntnis“, um die „Frage nach der letzten Wirklichkeit“ und die „Wahrheitsfrage“ selbst, die im interreligiösen und interdisziplinären Dialog geführt wird, um den „Blick auf unterschiedliche Dimensionen und Aspekte der Geheimnisse des Lebens“ zu weiten. (148f)

Daneben geht es auch darum, „andere in ihrer Andersheit zu verstehen und sich ihnen deshalb in ihrer Andersheit auszusetzen“. (149) Diese Respektierung der „Alterität des anderen“ sieht Klaus von Stosch fest verankert im Geheimnis der Dreifaltigkeit selbst, bei dem „restlose Andersheit (sc. der drei göttlichen Personen, P.K.) in ihrer bleibenden Andersheit Brücke zu Einheit, Anerkennung und Liebe ist“, woraus der apriorische Imperativ folgt, „Andersheit nicht nur aufgrund ihrer Andersheit abzuwerten“. (149) Dazu bedarf es nicht nur an „Toleranz und Duldung“, sondern echter „Freundschaft und Würdigung“, so dass man darin sogar „das Hauptziel Komparativer Theologie verorten“ könne, nämlich in der „adäquaten Wahrnehmung und Wertschätzung des religiös anderen.“ (150f)

Aus dem besseren Verstehen des anderen kommt es außerdem zu einem „Besser- und Neuverstehen des eigenen Glaubens“, so dass man im Grunde „Christus besser und tiefer kennenlernt“, worin z.B. Fredericks „das eigentliche Ziel Komparativer Theologie“ sieht. (151f) Gerade die konfessionelle „Bindung an Christus“, der als „Mensch gewordene Gott geglaubt wird“, verhindert die „Aufhebung oder Relativierung dieser göttlichen Zusage“. (153)

„Komparative Theologie ist insofern ein konstruktives und nicht berechenbares Projekt, in dem Theologen versuchen, die Bedeutung und Wahrheit der eigenen Tradition tiefer zu verstehen, indem sie sich anderen religiösen Traditionen annähern und in den interreligiösen Dialog einsteigen. Schulübergreifend gelten dabei Neuverstehen des Eigenen, Würdigung des Fremden und Suche nach der Wahrheit als ihre grundlegenden Ziele. Durch diese Ausrichtung erhebt sie den Anspruch, das oben beschriebene Grunddilemma der Theologie der Religionen zu überwinden und die Treue zum eigenen Wahrheitsanspruch mit der Wertschätzung von Pluralität und Andersheit verbinden zu können.“ (154)

d) Grundhaltungen: Um dieses Ziel verwirklichen zu können, bedarf es nach von Stosch bestimmter Grundhaltungen bzw. Tugenden im interreligiösen Dialog:

1. Epistemische Demut: Der Mensch bleibt „immer Lernender“, ist „kulturell geprägt“ und „fallibel in seinen Urteilen“. Daher ist die eigene (historisch gewachsene) Glaubenslehre bzw. ihr Verstehen immer nur „vorläufig“, „verbesserungsfähig“, „brüchig“, „missverständlich“, „begrenzt“ und „veränderlich“.Es geht also um „die Demut der Wahrheit gegenüber, ohne zu bezweifeln, dass man sie hat“, was sich auch aus dem „eschatologischen Vorbehalt“[16] und der „Tradition apophatischer Theologie“[17] ergibt. Wichtig ist auch,dass das Beharren auf der eigenen Wahrheit „nicht der geforderten Demut widerspricht“, da man „auch im Widerspruch von anderen lernen kann“. (156f)
2. Konfessorische Verbundenheit mit der eigenen Tradition: Der interreligiöse Dialog braucht „klare Standpunkte“ und „Treue zur eigenen Tradition“, denn individuelles, traditionsloses Bemühen „vermag nichts mehr zur Aussöhnug der Religionen beizutragen“. So „fällt ein entscheidendes Element des Dialogs aus“. Außerdem erhält jeder authentische Dialog „notwendig eine missionarische und apologetische Dimension“. (157f)
3. Kommensurabilitätsunterstellung und Wahrnehmung von Unterschieden: Der interreligiöse Dialog und KT sind nur dann möglich und sinnvoll, wenn wir von einer „prinzipiellen Versteh- und Vergleichbarkeit der Religionen“ ausgehen. (158) „Vergleich bedeutet nicht Identität (der Religionen)“ und „Verstehen der anderen bedeutet noch nicht ihre Anerkennung“. Wichtig ist es, „Unterschiede wahrzunehmen und fruchtbar zu machen für die Transformation des eigenen Denkens und für kreative Neuaufbrüche in der Suche nach der Wahrheit“. (160f)
4. Empathie und liebevolle Aufmerksamkeit: Hier geht es um die „Fähigkeit und Bereitschaft zur Empathie mit dem Fremden“, also nicht nur um ein „intellektuelles“, sondern auch um ein „erfahrungsgesättigtes Verstehen des Anderen“, z.B. indem man „die ein oder andere religiöse Praxis mitvollzieht bzw. sie teilnehmend beobachtet“, die durch Theologie nicht vermittelbar ist. So kann man sich neu und anders vom „Heiligen“ bzw. „der Wirklichkeit“ „affizieren lassen“ und „Tabus und Grenzen überschreiten, die der eigenen Religion geradezu archetypisch eingeprägt sind“. (161f)
5. Gastfreundschaft für die mögliche Wahrheit des anderen: Unter Gastfreundschaft wird die Einstellung „großzügiger Offenheit für die (mögliche) Gegenwart von Wahrheit in der anderen Religion“ verstanden (163f), sowie die Möglichkeit, „sich von dieser Differenz verwandeln zu lassen“. Es geht darum, „sich selber nicht absolut zu setzen, vielmehr die Welt und sich selbst ‚mit den Augen der anderen zu sehen‘ (Giancarlo Collet)“, um den Gast – im Gegensatz zur pluralistischen Theologie –[18] „nicht vorzuverurteilen, weder im positiven noch im negativen Sinne“. (166)

Genau hier ist ein „Knackpunkt“ der Komparativen Theologie. Während Ulrich Winkler[19] z.B. davon ausgeht, dass KT „die eigene Wahrheitsvermutung nicht a priori für die eigene Seite exklusiv reklamiert, sprich Apologetik betreibt“, sondern „sich anderen Theologien und Wahrheitsansprüchen lernbereit aussetzt“, behauptet Klaus v. Stosch genau das Gegenteil:

„Winkler (...) optiert dabei deutlich für die pluralistische Option, ohne sich jemals ausführlich mit den oben aufgewiesenen Aporien der pluralistischen Theologie der Religionen auseinander zu setzen. (...) Damit verwechselt er die für den interreligiösen Dialog so wichtige Grundhaltung der epistemischen Demut mit einer Haltung, die das Ergebnis des interreligiösen Dialogs bereits vorwegnimmt. Denn natürlich kann der Dialog dazu führen, dass ich mich von dem religiös anderen abgrenzen will und um der Treue zum eigenen Wahrheitsanspruch willen auch abgrenzen muss.“ (167)

Aufgrund dieser Annahme kommt Von Stosch schließlich einer Schlüsselaussage für seine Komparative Theologie:

„Epistemische Demut bedeutet eben nicht, Anerkennung der Wahrheit des anderen, sondern die Anerkennung seiner Wahrheits fähigkeit. “ (168)

Das bedeutet also nicht a priori, dass es Wahrheit bei Andersgläubigen gibt, sondern dass sie bei ihnen sein könnte. Ob dies aber tatsächlich der Fall ist, muss sich erst im „lernbereiten und offenen“ undim „gastfreundlichen und zweckfreien“ Dialog (a posteriori)herausstellen. Diese Forderung nach „epistemischer Demut“, die die Grundlage für die dargestellte KT bildet,soll nun philosophisch begründet werden.

2.2. Philosophische Grundlagen

Die philosophische, d.h. vernünftige Grundlegung der KT ist für Klaus von Stosch deswegen notwendig, um seine zweite Ausgangsprämisse („andere in ihrer Andersheit als gleichwertig anzusehen“)erfüllen zu können. Damit „tun sich Exklusivismus und Inklusivismus“nämlich „schwer“, während der Pluralismus „daran krankt“, die erste Ausgangsprämisse nicht zu erfüllen, da er „jedes verständliche Reden von Gott aufgeben muss“. (168f) Hiermit soll also die Antwort auf eine entscheidende Schlüsselfrage gegeben werden:

„Wie kann ich aber etwas wertschätzen, das ich nicht verstehe oder das dem Eigenen widerspricht? Wie kann ich zu einem positiven Verhältnis zu einer Religion finden, die an entscheidender Stelle in einem Konkurrenzverhältnis zu den eigenen Geltungsansprüchen steht?“ (169)[20]

Um diese Frage beantworten zu können, stützt sich von Stosch vor allem auf die späte Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins. Dank ihr stellt er eine fundamental neue und andersartige Ausgangsthese für die Theologie der Religionen auf:

„Der Status und die Eigenart religiöser Überzeugungen sind der wesentliche Grund dafür, wieso ich allgemeine Relationierungen zwischen den Religionen, wie sie die oben genannten Fragen implizieren und wie sie in der Theologie der Religionen oft noch versucht werden, für unsinnig halte.“ (169)

Das ist es, was von Stosch an allen drei Grundmodellen der Theologie der Religionen kritisiert, nämlich dass sie – in einem endlosen Streit – versuchen, die verschiedenen Religionen zu „relationieren“, d.h. sie auf selber Ebene in Beziehung zu setzen und miteinander zu vergleichen. Genau das sei aber „unsinnig“. Der Grund dafür ist, dass „die explizite und reflexive Gestalt religiöser Überzeugungen den ursprünglichen Glaubens- und Daseinsvollzug niemals einholen kann“ (K. Rahner).[21] (170) Man muss also zwischen zwei verschiedenen Glaubensebenen unterscheiden, nämlich der äußeren und oberflächigen „expliziten und reflexiven Gestalt“ (fides quae) und dem inneren und tiefgründigen „ursprünglichen Glaubens- und Daseinsvollzug“ (fides qua). Rahners These, die auch Martin Buber ähnlich formuliert (171f), ist dass der „reflexiv“ (bzw. kognitiv) formulierte Glaube niemals den „ursprünglichen“ (bzw. praktischen) Glaubensakt „einholen“, d.h. erfassen und ausdrücken kann. Religion und Glaube ist aber immer konkreter „Ausdruck menschlicher Letztorientierung“ (169), so dass es unmöglich – und von daher „sinnlos“ – ist, religiöse Überzeugungen allein auf der kognitivenOberflächenebene des Glaubens (fides quae) zu formulieren und zu vergleichen, ohne ihre praktische Tiefenstruktur (fides qua) miteinzubeziehen.Die Bedeutung, die diese Tiefenstruktur des Glaubens für die KT hat,arbeitet von Stoschim Folgenden ausführlich und auf eigene Weise in einem Viererschrittheraus. Dabei kommt das Herzstück seines eigenen Ansatzes zu Vorschein.

a) Kognitive und regulative Elemente religiöser Überzeugungen

Zuerst untersucht er das gegenseitige Verhältnis kognitiver und regulativer Elemente in religiösen Überzeugungen und stellt dabei heraus, dass ihr inhaltlicher „kognitiv-propositionaler“ Charakter „nicht übertbetont werden darf“ (172), da diese Überzeugungen „so tief in unser Überzeugungssystem verankert“ sind, „dass sie nicht so einfach durch gute Gründe widerlegt werden können“. Vielmehr „scheinen sie eine konstitutive Rolle für das zu spielen, was wir als gute Gründe zu akzeptieren bereit sind“. (173) Sie sind also von „regulativer“ Art, da sie die „Wahrnehmung“ und „Einstellung“ zur „gesamten Wirklichkeit“ bestimmen. Daher sind sie nicht nur „deskriptiver“ (beschreibender) Art, sondern „Ausdruck der Lebenseinstellung“, der „Lebenshaltung und Letzorientierung“, die „im Handeln konkret werden und ohne Praxisbezug überhaupt nicht verstanden werden können“. Sie regulierenund bestimmen also das ganze „Leben, Denken und Handeln religiöser Menschen“. (174) Andererseits „scheint es“ paradoxerweise, dass „religiöse Überzeugungen ihre orientierende Kraft nur entfalten können“, „wenn der kognitiv-propositionale Gehalt als wahr geglaubt und eingesehen wird“. Es stellt sich also die Frage, „welche Komponente religiöser Überzeugungen die epistemisch basale (d.h. die erkenntnis-theoretisch grundlegendere) ist“ ? (175) Bestimmt also die kognitiv-propositionale Komponente die expressiv-regulative oder die expressiv-regulative die kognitiv-propositionale? Welche kommt zuerst?[22]

b) Anmerkung zur Grammatik von Überzeugungen

Um diese Frage zu beantworten, muss man die allgemeine Struktur von Überzeugungen untersuchen. Hier unterscheidet von Stosch „zwei verschiedene Grundtypen von Überzeugungen“ (175), nämlich zum einen „enzyklopädische Überzeugungen“, die soz. auf empirischem Wissen beruhen und von daher wandelbar sind, je nach Erkenntnisstand. Und zum anderen „grammatische bzw. regulative Überzeugungen“, die normalerweise „jeder Zweifelsmöglichkeit entzogen“ und „irrtumsimmun und atemporal gültig“ sind, wie z.B. die Tatsache, dass „ich eine Hand habe“, „ein Mann bin“, usw.. (176) Die These ist nun, dass jeder Mensch notwendig so ein „Bündel unhinterfragbarer (grammatischer) Überzeugungen voraussetzt“, die die „regulative Grundlage seines Denkens, Sprechens und Handelns“ bildet. (177)

c) Fundament und Struktur unserer Überzeugungssysteme

Wie sind diese grammatischen Überzeugungen in unsere religiösen Weltbilder eingebettet ? „Jeder Mensch“, so Wittgenstein,[23] „besitzt ein Bündel von Hintergrundannahmen“, das er „mit einer Sprachgemeinschaft teilt“ und das neben „bestimmten Binnenstrukturen“ auch „individuelle Züge trägt“. Die Zusammenschau dieser grammatischen Sätze (Annahmen) „kann man im Anschluss an Wittgenstein als Weltbild bezeichnen“, das „der feste Grund unseres Denkens, Sprechens und Handelns“ ist. (178) Zwar können sich einige unserer Basisannahmen im Laufe des Lebens ändern, doch gibt es auch so etwas wie tief verwurzelte „fundamentale Grundüberzeugungen“, die man nicht argumentativ widerlegen kann. Hier ist man „am Grunde aller Erkenntnis“ angelangt, der „Grundlage all meines Glaubens“, so dass man von „nichts in der Welt vom Gegenteil überzeugt werden“ kann. (183) Daraus folgt, dass „unsere eingefleischten, unsere Identität ausmachenden Handlungsweisen, die unsere ganze Haltung dem Leben gegenüber dokumentieren, Grundpfeiler unseres jeweiligen Weltbildes und all unserer Sprachspiele sind“. (185)[24] Aber „wer entscheidet, welche Handlungsweise die berechtigte ist, wenn eingefleischte Handlungsweisen voneinander abweichen?“ (186) Von Stosch´s Antwort ist, dass es keine (allgemeine)Antwort gibt:

„Wittgensteins Philosophieren kann man als ein einziges Plädoyer dafür verstehen, auf diese Fragen jede allgemeine Antwort zu verweigern. Es lässt sich weder bei religiösen Überzeugungen noch sonst in Weltbildzusammenhängen allgemein angeben, wann eine bestimmte Überzeugung epistemisch gerechtfertigt ist. Ja, nicht einmal ihre Bedeutung lässt sich auf einer allgemeinen Ebene festhalten. Bedeutung und Geltungsanspruch einer Überzeugung sind derart intensiv in die jeweiligen Sprachspielzusammenhänge(n)[25] verwurzelt, dass sie nur in ihnen ermittelt und diskutiert werden können.“

d) Folgerungen für die Komparative Theologie

Was folgt daraus für die Komparative Theologie?Daraus folgt, dass „die allgemeine Ebene einer Relationierung von Religionen als sinnlos aus der Theologie der Religionen ausscheidet“, da religiöse Überzeugungen und die Wahrheitsfrage „nur noch in konkreten Sprachspielkontexten diskutiert werden können“. (187) Einfach ausgedrückt heißt das: man kann und darf Religionen nicht auf einer allgemeinen Sprachebene vergleichen, da religiöse Überzeugungen aus ganz verschiedenen und konkreten Sprachspielkontexten kommen und deren „enzyklopädische Bedeutung von der Grammatik abhängt, in der sie artikuliert wird“. Da diese Grammatik aber bei religiösen Menschen „immer schon religiös imprägniert ist“, ist es deshalb unmöglich, ihre Bedeutung zu verstehen, „ohne auf die Lebensform und die Praxis der sie artikulierenden Menschen zu schauen“. Ohne die religiöse Praxis kann man also nicht die Theorie verstehen und ohne die regulative Grammatik versteht man nicht den kognitiven Sinn. (187)

Positiv gesehen heißt das, dass KT zur „Versöhnung interreligiöser Fronten“ beitragen kann, z.B. durch die Entdeckung „verborgener Gemeinsamkeiten“ auf der regulativen, grammatischen Ebene. Die „muslimische Ablehnung von Jesus als Sohn Gottes“ kann also auf kognitiver, „oberflächengrammatischer Ebene“ nur ein „biologistisches Missverständnis“ sein, da es „große Gemeinsamkeiten in der Würdigung Jesu in beiden Religionen“ gibt. Ebenso bei der „Trinität“. So können durch den Vergleich der KT also „scheinbare Widersprüche zwischen den Religionen verschwinden“, jedoch auch „neue aufgedeckt“ werden, „die nur unter einer oberflächigen Gemeinsamkeit verborgen waren“. Auch ist „Versöhnung bei bleibender Verschiedenheit möglich“. (189) Man darf also religiösen Pluralismus weder apriorisch würdigen (Pluralismus), noch verurteilen (Exklusivismus, Inklusivismus). Ein abschließendes Zitat von Wittgenstein bringt diese philosophische Grundlage und Schlussfolgerung auf den Punkt:

„Wie weiß ich, daß zwei Menschen das gleiche meinen, wenn jeder sagt, er glaube an Gott? ... Die Theologie, die auf den Gebrauch gewisser Worte und Phrasen dringt und andere verbannt, macht nichts klarer (Karl Barth). Sie fuchtelt sozusagen mit Worten, weil sie etwas sagen will und es nicht auszudrücken weiß. Die Praxis gibt den Worten ihren Sinn.“[26] (192)

2.3. Vorläufiges Fazit

Schenkt man Klaus von Stosch Glauben und geht man von der Richtigkeit der wittgenstein`schen Sprachphilosophie aus, dann erschüttert die Komparative Theologie alle drei bisherigen Modelle der Theologie der Religionen in ihren Grundfesten und stellt sie auf ein ganz neues Fundament. Der bisher apriori theoretisch-epistemologische Zugang zu den Theologien der Religionen wird nun in einen aposteriori praktisch-epistemologischen Zugang verwandelt. Nicht mehr sind es Worte, Lehren oder Glaubensbekenntnisse, die uns die wahre Bedeutung religiöser Überzeugungen und Traditionen verstehen lassen, sondern es ist die jeweilige religiöse Praxis, die uns den wahren, tiefen und teilweise „verborgenen“ Sinn der Religionen in einem ganz neuen und unbekanntem Licht erschließen. Die KT bietet demnach die Möglichkeit zu einem neuen und vollkommen vorurteilsfreien interreligiösen Dialog, der es vermag, den endlosen Streitereiender Theologie der Religionen aus dem Weg zu gehen, um so den fremden, wie auch den eigenen Glauben besser verstehen zu können. Der religiös Andere würde damit in seiner Andersheit gewürdigt werden, ohne dass dadurch der eigene Standpunkt relativiert oder aufgegeben werden müsste.

Optimistisch und erfolgsversprechend sieht daher Klaus von Stosch in die Zukunft und entwirft eine spezifische und ausgefeilte Methodologie, um die Art und Weise darzulegen, wie KT betrieben werden kann und soll (Kap. A.II.3). Darüberhinaus profiliert er die KT und grenzt sie von anderen Zugängen (Theologie der Religionen, Religionswissenschaften, Missionwissenschaften und interreligiöse Theologie) ab (Kap. A.II.4). Nach einer Auseinandersetzung mit der Kritik gegen die KT, geht er über zum zweiten großen Teil des Buches (B), d.h. zu den Herausforderungen und Visionen der zukünftigen KT.

Da das Grundkonzept der KT, wie sie von Stosch darstellt, in seinem Kern und Wesen ausreichend beschrieben wurde und innerhalb des kleinen Rahmens dieser Seminararbeit nicht weiter darauf eingegangen werden kann, soll noch kurz auf wesentliche Kritik gegen die KT eingegangen werden.

3. Kritik

3.1. Komparative Theologie als verkappter Pluralismus und Relativismus

Erste Kritik kommt z.B. von Helmut Hoping.[27] (243) Er kritisiert den sprachphilosophischen Ansatz Wittgensteins als „Sprachspielrelativismus“, der „ebenso wenig wie eine allgemeine Vernunft ... einen letztgültigen Sinn“ kenne. So würde wie beim Pluralismus die christliche fides quae relativiert und obsolet werden.[28] KT entpuppt sich demnach als „verkappter Pluralismus und Relativismus“. Von Stoschkommt so in einen Selbstwiderspruch und muss den eigenen Geltungsanspruch aufgeben, den er unbedingt verteidigen wollte.

Als Antwort und Gegenkritik auf diesen Vorwurf antwortet er: „Wie er (sc. Hoping, P.K.) darauf kommt, dass ich keine allgemeine Vernunft und keinen letztgültigen Sinn kenne, ist mir unklar.“ [29] (243) Jedoch ist es dem aufmerksamen Leser unklar, warum es plötzlich für Von Stosch unklar ist, dass er keine letzte Sinnhaftigkeit und Endgültigkeit des Glaubens kennt, wo er sie doch kurz vorher so klar und deutlich als Grundlage für die „epistemische Demut “ geleugnet hat(vgl. Kap. 2.1.d.1), wo er wörtlich sagt, dass „die eigene (historisch gewachsene) Glaubenslehre bzw. ihr Verstehen immer nur ‚vorläufig‘, ‚verbesserungsfähig‘, ‚brüchig‘, ‚missverständlich‘, ‚begrenzt‘ und ‚veränderlich‘“ (also eben nicht letztgültig, endgültig und definitiv) ist (156). Weiter später fügt er noch klarer hinzu, dass „sich die komparative Theologie (...) immer der eigenen Verwundbarkeit und der Reversibiliät bzw. Fallibilität ihrer Urteile bewusst“ ist. (213)

Aufgrund seiner eigenen (!) Aussage kommt hier also ganz deutlich der perfomative Selbstwiderspruch der Komparativen Theologie nach Klaus von Stosch ans Licht. Denn, wenn es wirklich wahr ist, dass „die Urteile der Komparativen Theologie reversibel und fallibel sind“, dann ist ja dieses Urteil selber reversibel und fallibel. Entweder behauptet von Stosch also, dass für die KT irreversibel und infallibel gilt, dass sie reversibel und fallibel ist. Dann setzt er genau das voraus, was er ja leugnen will, nämlich die absolute Irreversibilität und Infallibilität von Urteilen und kommt so in einen perfomativen Selbstwiderspruch. Oder er sagt, dass es für die KT nicht sicher gilt, dass ihre Urteile reversibel und fallibel sind. Damit nimmt er aber seine Behauptung und konstitutive Grundlage für die KT wieder zurück.

So oder so: das epistemologische Fundament der KT (das kein anderes als das des antiken Skeptizismus ist) hat keinen Bestand. Entweder entpuppt es sich als verkappter Relativismus, Skeptizismus und Subjektivismus, wasübrigens auch lehramtlich verurteilt wurde,[30] oder es wird gar nicht behauptet. Da muss von Stosch selbst entscheiden, welche von beiden Möglichkeiten ihm lieber ist.[31]

3.2. Komparative Theologie als verkappter Inklusivismus

Interessanterweise gibt es auch genau von gegenüberliegender Seite Kritik, nämlich halten andere die KT für „latent inklusivistisch“. (245) So kritisiert u.a.Thomas Schärtl,[32] dass der Anspruch der KT, nämlich „Andersheit als Andersheit“ zu würdigen, gar nicht verwirklicht wird, sondern, dass im Grunde „doch nur das der Tiefengrammatik nach Gleiche anerkannt“ wird. Es werden also nur „verborgene Familienähnlichkeiten“ auf „inklusiv vereinnahmende“ Weise gewürdigt. Einfach ausgedrückt bedeutet diese Kritik, dass man das Andere nur würdigt, weil es im Grunde als Eigenes und Gleiches angesehen und interpretiert wird.

Auf diese Kritik hat von Stosch geantwortet, dass es ihm keineswegs darum gehe, religiöse Unterschiede „inklusivistisch zu entschärfen“ (also aufzuzeigen, dass es im Prizip gar keine Unterschiede gibt), sondern darum, aufzuzeigen, dass sich Unterschiede nicht unbedingt „widersprechen“ müssen, sondern einfach nur „verschieden“ und „komplementär“ sein können.[33] (247) So könne man also die Andersheit des Anderen als genuin verschieden ohne Widerspruch zum Eigenen würdigen. Einfach gesagt heißt das: wir können gar nicht a priori wissen, ob andere Religionen überhaupt dem Christentum widersprechen, bevor das nicht durch den interreligiösen Dialog geklärt wurde. Vielleicht sind ja alle oberflächigen Widersprüche in Wirklichkeit nur verschiedene, einander ergänzende und bereichernde Ansichten?

Das dies aber nicht der Fall sein kann, beweist von Stosch wiederum durch seine eigenen Worte. Denn mit Wittgenstein hält er ja daran fest, dass allein „die Praxis den Worten ihrenSinn verleiht“ (192) und demnach Religionen nur von der „Lebensform und Praxis der sie artikulierenden Menschen“ her verstanden werden können. (187) Das heißt also, wenn man nicht aufgrund sprachspielphilosophischer Gründe auf der allgemeinenVernunftebenedefinitive Widersprüche zwischen den Religionen entdecken kann, kann man es aber sehr wohl auf religionspraktischer Ebene. Also angenommen das islamische Gottes- und Christusbild würde gar nicht dem christlichen widersprechen (sondern nur davon verschieden sein), wie es von Stosch für möglich hält (189), so würde dennoch ein unwiderlegbarer religionspraktischer Widerspruch bestehen, wenn nämlich die heilsnotwendigen Sakramente der Kirche abgelehnt werden. Wennsich also die Anhänger anderer Religionen weder „auf den Namen des dreifaltigen Gottes taufen “ lassen, noch „das Fleisch und Blut Christi “ zu sich nehmen wollen, beweisen sie de facto, dass sie im Widerspruch zum Evangelium und Gebot Christi stehen (vgl. Joh 3,5; Mt 28,19-20; Mk 16,16; Joh 6,53) und sich damit selbst vom Heil ausschließen (vgl. LG 14; AG 5; DH 1618; KKK 1257). Was nützt es also z.B einem Muslim, wenn er Jesus – wie auch immer – als „Wort“ oder „Sohn Gottes“theoretisch bekennt, aber sich faktisch nicht taufen lässt? Der praktische Widerspruch und Ungehorsam zur Kirche bleibt also bestehen. Anihm erkennt man zweifellos die Unwahrheit und Gottwidrigkeitdes anderen Glaubens.

3.3. Unberechtigte Kritik am kirchlichen Exklusivismus

Es ist also gar nicht falsch und ungerecht, wie es von Stosch über das exlusivistische Modell behauptet, andere Religionen a priori und exklusivistisch abzuwerten, wie es z.B. Paulustut:

„Ich bin erstaunt, dass ihr euch so schnell von dem abwendet, der euch durch die Gnade Christi berufen hat, und dass ihr euch einem anderen Evangelium zuwendet. Doch es gibt kein anderes Evangelium, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und die das Evangelium Christi verfälschen wollen. Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündigt, als wir euch verkündigt haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel. Was ich gesagt habe, das sage ich noch einmal: Wer euch ein anderes Evangelium verkündigt, als ihr angenommen habt, der sei verflucht.“ (Gal 1,8-9)

Ebenso bestätigt der hl. Johannes vom Kreuz a priori die prinzipielle Unmöglichkeit einer neuen und anderen göttlichen Offenbarung neben Christus:

„Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, ist dasvollkommene, unübertreffbare, eingeborene Wort des Vaters. In ihm sagt der Vateralles, und es wird kein anderes Wort geben als dieses. Das bringt der hl. Johannesvom Kreuz in seiner Auslegung von Hebr 1,1-2 lichtvoll zum Ausdruck: ‚Seit er uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein Wort ist, hat Gott uns keinanderes Wort zu geben. Er hat alles zumal in diesem einen Worte gesprochen. Denn was er ehedem nur stückweise zu den Propheten geredet, das hat ernunmehr im ganzen gesprochen, indem er uns das Ganze gab, nämlich seinenSohn. Wer demnach jetzt noch ihn befragen oder von ihm Visionen oderOffenbarungen haben wollte, der würde nicht bloß unvernünftig handeln,sondern Gott geradezu beleidigen, weil er seine Augen nicht einzig auf Christusrichten würde, ohne jegliches Verlangen nach anderen oder neuen Dingen.‘[34] (KKK 65)

Da die christliche Offenbarung also „vollkommen“ ist, bedarf es nicht unbedingt eines neutralen, philosophischen Kriteriums, um Religionen objektiv und vorurteilsfrei beurteilen zu können, da es aus christlicher Sicht „eine unvernünftige Beleidigung Gottes“ wäre außerhalb Christi eine andere und eigenständige Offenbarung und Religion zu suchen.[35] Sicher kann es „Elemente der Wahrheit und des Heils“ (LG 8) in anderen Religionen geben, aber niemals so, als ob sie in sich andere oder selbstständige Heilswege wären, sondern bestenfalls auf das Evangelium hinweisen und „seine Annahme vorbereiten“:

„Doch aus dem bisher Gesagten über die Mittlerschaft Jesu Christi und über die ‚besondere und einzigartige Beziehung‘ zwischen der Kirche und dem Reich Gottes unter den Menschen – das im Wesentlichen das Reich des universalen Retters Jesus Christus ist –, geht klar hervor, dass es dem katholischen Glauben widerspräche, die Kirche als einen Heilsweg neben jenen in den anderen Religionen zu betrachten, die komplementär zur Kirche, ja im Grunde ihr gleichwertig wären, insofern sie mit dieser zum eschatologischen Reich Gottes konvergierten. (...) Einige Gebete und Riten der anderen Religionen können tatsächlich die Annahme des Evangeliums vorbereiten, insofern sie Gelegenheiten bieten und dazu erziehen, dass die Herzen der Menschen angetrieben werden, sich dem Wirken Gottes zu öffnen. Man kann ihnen aber nicht einen göttlichen Ursprung oder eine Heilswirksamkeit ex opere operato zuerkennen, die den christlichen Sakramenten eigen ist (vgl. DH 1608).Es kann auch nicht geleugnet werden, dass andere Riten, insofern sie von abergläubischen Praktiken oder anderen Irrtümern abhängig sind (vgl. 1 Kor 10,20-21), eher ein Hindernis für das Heil darstellen.“[36]

Es besteht also zwischen der Theologie von Stosch´s und der Lehre der Kirche ein fundamentaler Unterschied, nämlich würdigt die Kirche andersgläubige Menschen einerseits aufgrund ihrer selben Würde und Freiheit, und andererseits aufgrund des Wahren und Guten, das sich bei ihnen findet, also aufgrund ihrer Gleichheit,[37] während von Stosch sie aufgrund ihrer Andersheit und ihrem anderen Glauben würdigen will. Wo aber die religiöse Andersheit zum Widerspruch wird, wird sie von der Kirche nicht nur nicht gewürdigt, sondern klar verurteilt. Und dies ist ein klarer Mangel in der von-stosch`endargelegten KT, dass er nämlich einseitig die Würdigung der „Andersheit“ der Nichtchristen betont und verabsolutiert, während er ihre Widersprüchigkeit ganz aus dem Begriff der Andersheit ausklammert und vernachlässigt.

3.4. Unterschied zwischen Christ und Antichrist

Von Stoschredet immer nur von „Nichtchristen“, niemals aber von Antichristen, er erwähnt nur den „anderen Glauben“, niemals aber den Unglauben, er spricht nur von der „anderen Wahrheit“, niemals aber von Unwahrheit und Lüge, wie es z.B. Paulus tut:

„Beugt euch nicht mit Ungläubigen unter das gleiche Joch! Was haben denn Gerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis gemeinsam? Was für ein Einklang herrscht zwischen Christus und Beliar? Was hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen gemeinsam? Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzenbildern?” (2 Kor 6,14-16)

Oder wie es der hl. Johannes „über die Unterscheidung der Geister“ schreibt:

„Liebe Brüder, traut nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgezogen.Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus sei im Fleisch gekommen, ist aus Gott.Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichrists, über den ihr gehört habt, dass er kommt. (...) Wir aber sind aus Gott. Wer Gott erkennt, hört auf uns; wer nicht aus Gott ist, hört nicht auf uns. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums.“ (1 Joh 4,1-6)

Das Gute muss man lieben, das Böse meiden, die Wahrheit ehren, den Irrtum verwerfen. An der Hauptintention der KT („andere in ihrer Andersheit zu würdigen“) ist also nicht zu kritisieren, dass sie nichtchristliche Religionen würdigt, sondern dass sie antichristlicheReligionennicht kritisiert; nicht, dass sie den Glauben der anderen schätzt, sondern dass sie ihren Aber- und Unglaubennicht verurteilt; nicht, dass sie die Wahrheit der anderen ehrt, sondern dass sie ihre Unwahrheit und ihren Irrtumnicht verwirft; nicht dass sie den Gottesdienst und Gehorsam der anderen lobt, sondern dass sie ihren Götzendienst und Ungehorsamnicht verdammt; und nicht, dass sie die „Elemente der Wahrheit und der Heiligung“ gutheißt, sondern dass sie nicht ihre „Elemente der Lüge und des Unheils“ nichtschlechtheißt. Das ist es, was der KT also noch fehlt: die Abwertung des Anderen als Irrenden und Ungläubigen, als Götzen und Ungehorsamen, als Lügner und Sünder (vgl. Lk 10,16; Joh 16,9; 1 Joh 5,10; Hebr 11,6).Ohne die Verurteilung des Gegensätzlichen und Widersprechenden kann der eigene Wahrheits- und Heilsanspruch nicht wirklich ernst genommen werden. Daran krankt von Stosch´szweite Hauptintention.Wer den Lügner nicht verurteilt, verurteilt die Wahrheit. Wer den Antichristen würdigt, lästert Christus. Wer die Heilsnotwendigkeit der Kirche leugnet, ist kein Katholik.

3.5. Verlust des kirchlichen Selbstbewusstseins

Die Preisgabe des eigenen (offen- bzw. relativ-exklusivistischen)Geltungsanspruches, wie ihn die Kirche lehrt (LG 14+16), hat ihren Grund im Verlust des eigenen kirchlichen Selbstbewusstseins. Von Stosch wird nicht müde, die „lernende“, „suchende“, „brüchige“ und „verwundbare“ Dimension der Theologie zu betonen. Weil der Mensch für ihn „zeit seines Lebens immer Lernender (bzw.Suchender) bleibt“, fordert er auch für den christlichen Geltungsanspruch „doktrinale Demut“, die sich z.B. darin äußert, „sich selber nicht absolut zu setzten“, usw. (156f; 166; 214f.)

Das eigentliche Problem ist hierbei nicht, dass diese Forderung wieder ein perfomativerund relativistischer Selbstwiderspruch ist (denn die Forderung, „sich nicht absolut zu setzen“, ist ja selber absolut), sondern dass sie von mangelndem katholischem Selbstbewusstsein zeugt!Von Stosch macht nämlich keinen wesentlichen Unterschied zwischen Mensch und Christ, zwischen Menschheit und Kirche. Wer ist denn die Kirche? Sie ist nach Paulus „die Säule und das Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3,15) und nach Papst Johannes XXIII. die „Mutter und Lehrmeisterin der Völker“,[38] die in Fragen des Glaubens und der Moral selbst „unfehlbar“ ist (LG 12), da sie von Christus selbst das „sichere Charisma der Wahrheit“ bekommen hat (vgl. Joh 16,13; DV 8).[39] Die Kirche ist also von Christus dazu berufen, „alle Menschen und alle Völker zu lehren“, was er ihnen geboten hat (Mt 28,19-20). Christus sagt also nicht zu seinen Jüngern: „Geht und lernt von den Völkern“, sondern: „Geht und lehrt alle Völker!“ Auch wenn die Kirche natürlich nicht allwissend ist und in der Erkenntnis der Wahrheit, die Christus ist (Joh 14,6), immerzu „fortschreitet“ und „wächst“ (DV 8; DF 4), gilt doch grundsätzlich, dass sie alles, was zum Heile der Menschheit notwendig ist, schon kennt (vgl. Joh 15,15) und diese Heilsbotschaft, nämlich das Evangelium,die Völker ununterbrochen lehrt und nicht von ihnen lernt![40]

Und genau aus dem Grund ist es nicht nur theologisch falsch, sondern auch unheilvoll, von der Kirche „doktrinale Demut“ zu fordern, die „sich selbst nicht absolut setzen“ dürfe, denn 1. verkündet die Kirche nicht ihr Wort, sondern das „Wort Gottes“ (1 Thess 2,13), das selbst ewig, absolut und unveränderlich ist (vgl. Mt 24,35) und 2. würde das eine unheilvolle Abschwächung und Verdunkelung der Wahrheit bedeuten, wenn die Kirche aus falscher Demut ihren Wahrheits- und Heilsanspruch relativieren würde und so „den Schlüssel der Erkenntnis“ verdunkeln würde, durch den die Völker in das Reich Gottes gelangen (vgl. Lk 11,52).

Es ist also keine Demut, das Licht der Wahrheit zu verdunkeln, sondern es ist – genau im Gegenteil (!) – das Recht und die heilige „Pflicht der Kirche“ (AG 5), das Licht der Wahrheit „auf den Leuchter zu stellen“, „damit allees leuchten sehen“ (vgl. Lk 8,16)! Daher darf die Kirche niemals ihr Selbstbewusstsein als „mater et magistra mundi“ und als „universelles Heilssakrament“ (LG 48) verlieren und relativeren, sondern muss ununterbrochen den Völkern die Heilsbotschaft des Evangeliums verkünden, damit „alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Daher muss die Kirche nicht mehr nach der Wahrheit suchen, sondern ihren heiligenNamen der ganzen Welt verkünden und offenbaren, „denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“. (APG 4,12) Der Name der Wahrheit aber, der „alle Menschen erleuchtet“ und ihnen „das Licht, Leben und die Gnade Gottes“ schenkt, ist und bleibt in Ewigkeit allein Jesus Christus (Joh 1,1-18) .

Fazit

Das Hauptziel der Komparativen Theologie nach Von Stosch ist es zwei Intentionen zu verwirklichen, nämlich den „religiös Anderen in seiner Andersheit zu würdigen“ und dabei „den eigenen Geltungsanspruch nicht aufzugeben“. Das ist ihm aus zwei Gründen nicht gelungen, denn er hat die erste Intention verabsolutiert und die zweite relativiert.

Die erste Intention nämlich, „den Anderen in seiner Andersheit zu würdigen“, kann und darf so nicht allein dastehen, da die „Andersheit des Anderen“nicht immer wahr und gut und folglich zu würdigen ist. Es muss nämlich zuerst rausgestellt werden, ob es sich bei der Andersheit nur um Verschiedenheit handelt oder um Widersprüchigkeit. Die Verabsolutierung der ersten Hauptintention besteht also darin, dass Von Stosch einseitig die Würdigung der Verschiedenheit überbetont, während er ihre Widersprüchigkeit und Gottwidrigkeit vernachlässigt. Er lobt den Glauben der anderen, tadelt aber nicht ihren Unglauben und Ungehorsam gegen Gott und die Kirche, die den Menschen vom Heil ausschließen. Das ist also nicht nur ungerecht, sondern auch schädlich für alle, die die Wahrheit und das Heil suchen.

Die zweite Intention, nämlich „den eigenen Standpunkt und Geltunganspruch nicht aufzugeben“, wird auch nicht verwirklicht, denn sie basiert auf der skeptizistischen Prämisse, dass all unser Erkennen, Verstehen und Glauben nur „vorläuf“, „brüchig“, „fallibel“ und „unsicher“ ist und übersieht dabei, dass der christliche Glaube nicht von menschlicher Qualität, sondern Gottes Wort und Offenbarung ist und dass die Lehre der Kirche „unfehlbar“ ist, da ihr der „übernatürliche Glaubenssinn“ (LG 12), „der Geist und das sichere Charisma der Wahrheit“ von Gott gegeben ist, um sie durch göttliches Licht vor allem Irrtum und Lüge zu bewahren. So widerspricht sich Von Stoschselbst, da er seinen eigenen Standpunkt auf unfehlbare Weise „fehlbar“ nennt und relativiert so seinen eigenen Geltungsanspruch, dass er ihn notgedrungen aufgeben muss. Philosophisch gesehen, fällt er in einen skeptizistischen Selbstwiderspruch, theologisch gesehen zweifelt er an der kirchlichen Unfehlbarkeit. Beides widerspricht dem katholischen Glauben.

Also, so das Fazit, ist die Komparative Theologie nach Klaus von Stoschkeine katholische Option.

Literaturliste

1.) Quellen

- Von Stosch, Klaus:
- Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen, in: (Hg.) Derselbe, Beiträge zur Komparativen Theologie, Bd. 6, Paderborn 2012. (Zitiert als: Kl. v. Stosch, Komparative Theologie.)
- Glaubensverantwortung in doppelter Kontingenz. Untersuchungen zur Verortung fundamentaler Theologie nach Wittgenstein, Regensburg 2001 (ratio fidei; 7).

2.) Sekundärliteratur

- Hick, John, Religion. Die menschlichen Antworten auf die Frage nach Leben und Tod. Übers. v. C. Wilhelmd, München 1996.
- Helmut Hoping, Die Pluralität der Religionen und der Wahrheitsanspruch des Christentums. In: Hans J. Münk/ Michael Durst (Hg.), Christliche Theologie und Weltreligionen. Grundlagen, Chancen und Schwierigkeiten des Dialogs heute, Freiburg/ Schweiz 2003.
- Hl. Johannes vom Kreuz, Empor den Karmelberg
- Küng, Hans, Was ist die wahre Religion? Versuch einer ökumenischen Kriteriologie. In: Hermann Deuser u.a. (Hg.), Gottes Zukunft – Zukuft der Welt. FS J. Moltmann, München 1986.
- Rahner, Karl, Schriften zur Theologie, in 16 Bden., Einsiedeln-Zürich-Köln 1954-1984.
- Derselbe, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg-Basel-Wien 1984.
- Winkler, Ulrich, Zum Projekt einer Komparativen Theologie, In: Georg Ritzer (Hg.), „Mit euch bin ich Mensch...“. FS Friedrich Schleinzer, Innsbruck-Wien 2008, (Salzburger Theologische Studien; 34).
- Wittgenstein, Ludwig,
- Über Gewißheit, (Hg.) G.E.M. Anscombe u. G.H. v. Wright,
- Vermischte Bemerkungen, (Hg.) G.H. v. Wright, In: Derselbe, Werkausgabe Bd. 8. Neu durchges. v. J. Schulte, Frankfurt a.M. 51992.

3.) Kirchliche Dokumente

- Erstes Vatikanisches Konzil:
- Dogmatische Konstitution: Dei filius. Über den katholischen Glauben, 24. April 1870.
- Dogmatische Konstitution: Pastor aeternus. Über die Kirche Christi – Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes, 18. Julil 1870.
- Johannes XXIII., Papst, Enzyklika: Mater et magistra, 15. Mai 1961.
- Kongregation für die Glaubenslehre:
- Dominus Jesus. Erklärung über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche, 6. August 2000.
- Mysterium Ecclesiae. Erklärung zur katholischen Lehre über die Kirche, die gegen einige heutige Irrtümer zu verteidigen ist, 24. Juni 1973.

[...]


[1] Klaus von Stosch, Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen, in: (Hg.) Derselbe, Beiträge zur Komparativen Theologie, Bd. 6, Paderborn 2012, S. 12. (Künftig zitiert als: Kl. v. Stosch, Komparative Theologie.)

[2] Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 17.

[3] Ebd. S. 18. Hier nimmt Von Stosch allerdings schon ein besonderes Ziel und Anliegen der Komparativen Theologie vorweg, nämlich die „ positive Würdigung anderer Religionen“. Wenn man sie jedoch als allgemeines Ziel der Theologie der Religionen definieren würde, würde das bedeuten, dass man alle Religionen a priori positiv würdigen müsste, d.h. auch jede Form von Götzendienst, Satanismus, Fundamentalismus, usw. Mit dem Liebesgebot Jesu kann also nicht die kategorische positive Würdigung „anderer Religionen“ gemeint sein (diese müssen ja zuvor im konkreten Einzelfall beurteilt werden), sondern die positive Würdigung der Menschen, die anderen Religionen angehören.

[4] J. Hick, Religion, S. 323. Zitiert in: Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 27.

[5] Ebd.

[6] Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 72.

[7] Ebd.

[8] D.h. auch wenn man unter bestimmten Umständen das Heil außerhalb der sichtbaren Kirche erlangen kann (LG 16), gibt es jedoch prinzipiellkeinen anderen Heilsweg als den katholischen Glauben allein (LG 14). Damit bleibt der exklusivistische Satz „extra ecclesiam nulla salus“ auf relative, jedoch grundsätzliche Weise weiterhin katholisches Dogma (vgl. KKK 846-847).

[9] Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 87.

[10] Ebd., S. 91.

[11] Karl Rahner, Schriften zur Theologie, Bd. V, S. 401; Bd. VIII, S. 341; Bd. IX, S. 515. Zitiert in: Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 95.

[12] Anders ausgedrückt heißt das: aus dem exklusivistischem „extra ecclesiam nulla salus“ macht Rahner ein inklusivistisches „extra ecclesiam minor salus“. Genau das hat aber die Glaubenskongregation verurteilt: „Doch aus dem bisher Gesagten über die Mittlerschaft Jesu Christi (...) geht klar hervor, dass es dem katholischen Glauben widerspräche, die Kirche als einen Heilsweg neben jenen in den anderen Religionen zu betrachten...“ (Erklärung Dominus Jesus, Nr. 21)

[13] H. Küng, Was ist die wahre Religion?, S. 542. Zit. in: Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 94, Anm. 273.

[14] Kl. v. Stosch, Komparative Theologie, S. 133f.

[15] Ebd., S. 133. – Ab hier werden die Seiten für Kl. v. Stosch, Komparative Theologie in Klammern angegeben.

[16] Vgl. „Denn Stückwerk ist unser Erkennen (...) wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk.“ (1 Kor 13,9-10)

[17] „Apophatische“ bzw. „negative“ Theologie besagt, dass wir von Gott eher wissen, was er nicht ist, als was er ist (z.B. un-endlich, un-begreiflich, un-sichtbar, un-fassbar, usw.). Gott bleibt demnach immer ein unfassbares und unaussprechliches Geheimnis, so dass alle Erkenntnis und Rede von Gott (= Theologie, Glaubenslehre) inadäquat, mangelhaft und unvollkommen sein muss.

[18] Der Pluralist Perry Schmidt-Leukel geht z.B. auf der Basis einer „Hermeneutik des Vertrauensvorschusses“a priori von einer „positiven Wahrheitsvermutung“ bei anderen Religionen voraus. (166, Anm. 150)

[19] U. Winkler, Zum Projekt einer Komparativen Theologie, S. 139.

[20] Vgl.: „Was haben denn Gerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis gemeinsam? Was für ein Einklang herrscht zwischen Christus und Beliar? Was hat ein Gläubiger mit einem Ungläubigen gemeinsam? Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit Götzenbildern?“ (2 Kor 6,14-16) Oder: „ Liebe Brüder, traut nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgezogen.“ (1 Joh 4,3)

[21] Vgl. K. Rahner, Grundkurs des Glaubens, S. 14

[22] Mit anderen Worten: Bestimmt das, was ich glaube, die Art und Weise, wie ich glaube oder bestimmt die Art und Weise, wie ich glaube, das, was ich glaube?Bestimmt also mein Glaubensbekenntnis meine Glaubenshaltung oder bestimmt meine Glaubenshaltung mein Glaubensbekenntnis? Oder noch zugespitzter formuliert: Glaube ich, was ich will, oder will ich, was ich glaube? Was kommt zuerst? Der Wille oder der Glaube? Die innere Haltung oder das äußere Bekenntnis? Fides qua oder fides quae ?

[23] Vgl. LudwigWittgenstein, ÜberGewißheit, (Hg.) G.E.M. Anscombeu. G.H. v. Wright. In: Ders., Werkausgabe Bd. 8. Neu durchges. v. J. Schulte, Frankfurt a.M. 51992, S. 113-257.

[24] Vgl.: „ Entweder: der Baum ist gut - dann sind auch seine Früchte gut. Oder: der Baum ist schlecht - dann sind auch seine Früchte schlecht. An den Früchten also erkennt man den Baum.“ (Mt 12,33)

[25] Das „n“ ist entweder ein Druckfehler oder es sollte heißen: „in den (...) Sprachspielzusammenhänge n “.

[26] Ludwig Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen, (Hg.) G.H. v. Wright, In: Ders., Werkausgabe Bd. 8. Neu durchges. v. J. Schulte, Frankfurt a.M. 51992, S. 445-573, hier 570.

[27] Helmut Hoping, Die Pluralität der Religionen und der Wahrheitsanspruch des Christentums, S. 132.

[28] Das christliche Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an Gott... und an seinen eingeborenen Sohn...“ würde nach Wittgensteinseinen „Sinn verlieren“ und nach von Stosch eine „biologistisch missverständliche“ Aussage sein, die ergo keinen definitiven und letztgültigen Sinn hat (vgl. oben, Kap. 2.2.d).

[29] Vgl. auch: Klaus von Stosch, Glaubensverantwortung in doppelter Kontingenz, S. 117-125, 275f.

[30] Erstes Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution: Dei filius. Über den katholischen Glauben, Nr. 29 und „3. Kanon über Glaube und Vernunft“ (DH 3020; 3043) und Dogmatische Konstitution: Pastor aeternus, Nr. 21 (DH 3074-3075).

[31] Dies bringt sehr gut ein berühmter Witz über Hans Küng (der die päpstliche Unfehlbarkeit leugnete) auf den Punkt: „Warum will Hans Küng nicht Papst sein? – Weil er dann nicht mehr unfehlbar wäre.“ Der Witz dabei ist, dass Hans Küng selber mit absoluter Unfehlbarkeit kritisiert, dass niemand unfehlbar ist. Entweder er sagt also: „Es ist unfehlbar sicher, dass niemand unfehlbar ist“ und widerspricht sich damit selbst. Oder er sagt: „Es ist nicht absolut sicher, dass niemand unfehlbar ist“ und zieht somit seine Kritik zurück. Dahinter und hinter der KT verbirgt sich also nichts anderes als der uralte Selbstwiderspruch des Skeptizismus, der sich selbst relativiert und aufhebt.

[32] Vgl. Thomas Schärtl, Rez. zu von Stosch: Glaubensverantwortung in doppelter Kontingenz. In: ThRv 100 (2004), S. 42-50.

[33] Um von Stosch gerecht werden zu wollen, könnte man z.B. den Unterschied von religiöser Widersprüchigkeit und Verschiedenheit so darstellen: Christen behaupten, dass Jesus das „menschgewordene Wort Gottes“ ist. Muslimebehaupten, er sei ein „ Prophet Gottes“. Das muss aber nicht unbedingt ein Widerspruch sein, denn man kann beide Ansichten so verstehen, dass Gott in Jesus und durch Jesus zu uns gesprochen hat, sowohl als „Wort Gottes“, als auch als „Prophet Gottes“. Beide Ansichten sind demnach verschieden, aber nicht widersprüchig, weil sie doch beide, wenn auch auf verschiedene Weise, ausdrücken, dass Gott durch Jesus zu uns gesprochen hat.

[34] Hl. Johannes v. Kreuz, Empor den Karmelberg, 2,22.

[35] Natürlich gibt es auch philosophische Religionskriterien, aber religionstheologisch reicht das christologische Kriterium völlig aus: „ Wer ist der Lügner - wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist: wer den Vater und den Sohn leugnet.“ (1 Joh 2,22)

[36] Kongregation für die Glaubenslehre,Erklärung Dominus Jesus, Nr. 21.

[37] In Nostra Aetate wird z.B. der muslimische Glaube an den „alleinigen Gott“ und die „Verehrung gegenüber Jesus und Maria“ gewürdigt (NA 3), also dort, wo christlicher und muslimischer Glaube gleich sind.Die Verschieden- bzw. Gegensätzlichkeit, z.B. dass Jesus „nicht als Gott anerkannt“ wird,würdigt die Kirche nicht !

[38] Papst Johannes XXIII., Enzyklika: Mater et magistra, 15. Mai 1961., Nr. 1.

[39] Vgl. Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Mysterium Ecclesiae. Erklärung zur katholischen Lehre über die Kirche, die gegen einige heutige Irrtümer zu verteidigen ist, 24. Juni 1973., Nr. 2.

[40] Vgl. Ebd., Nr. 2-3.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Komparative Theologie bei Klaus von Stosch
Hochschule
Sveučilište u Splitu  (Katholisch-theologische Fakultät)
Veranstaltung
Die Entwicklung der Theologie der Religionen nach dem II. Vatikanischen Konzil
Note
2
Autor
Jahr
2014
Seiten
28
Katalognummer
V310698
ISBN (eBook)
9783668093225
ISBN (Buch)
9783668093232
Dateigröße
550 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Komparative Theologie, Klaus von Stosch, Theologie der Religionen, Pluralismus, Exklusivismus, Inklusivismus, Wahrheit, Heil, Heilsfrage, Bezug der Religionen, Wahrheitsanspruch, Heilsanspruch
Arbeit zitieren
Diplom-Theologe Petar Komljenovic (Autor:in), 2014, Komparative Theologie bei Klaus von Stosch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310698

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Titel: Komparative Theologie bei Klaus von Stosch



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