Reformpädagogik um 1900. Inwiefern lassen sich während dieser Zeit reformpädagogische Entwicklungen in der Gestaltung von Fibeln beobachten?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung … 2

2. Rastererstellung zur Fibelanalyse … 3
2.1 Äußerlichkeiten von Fibeln … 3
2.2 Inhalte von Fibeln … 5
2.3 Entwickeltes Raster … 7

3. Fibelanalysen … 8
3.1 Deutsche Fibel (1897) … 8
3.2 Münchner Fibel (ca. 1910) … 10
3.3 Hamburg Fibel (1914) … 11
3.4 Comenuis-Fibel (ca. 1920) … 12
3.5 Hansa Fibel (1925) … 13
3.6 Fibel für Niedersachsen (ca. 1928) … 14

4. Auswertung … 15

5. Bibliographie … 18

6. Anhang … 20
6.1 Exemplarische Auszüge aus den untersuchten Fibeln … 20
6.1.1 Deutsche Fibel (1897) … 20
6.1.2 Münchner Fibel (ca. 1910) … 21
6.1.3 Hamburg Fibel (1914) … 22
6.1.4 Comenuis-Fibel (ca. 1920) … 23
6.1.5 Hansa Fibel (1925) … 25
6.1.6 Fibel für Niedersachsen (ca. 1928) … 26
6.2 Auswertungen der Fibeln … 27

Einleitung

Meine Forschung im Rahmen des Seminars "Deutschunterricht in der Reformpädagogik" untersucht die Frage, inwiefern sich in dem Zeitraum der fachdidaktischen Diskussionen zwischen 1897 und 1928 deutliche reformpädagogische Entwicklungen in der Gestaltung von Fibeln beobachten lassen. Ziel meiner Arbeit ist es, reformpädagogische Ansätze in zeitgenössischen Schriften herauszuarbeiten und diese zu rezipieren. Hierzu führe ich mit Hilfe einer systematischen Rasterentwicklung eine empirisch-historische Fibelanalyse durch, d.h. die ausgewählten Fibeln werden als Untersuchungsgegenstand im Original erforscht und deduktiv auf ihre reformpädagogischen Ansätze durchleuchtet.

Meine Rasterentwicklung basiert im Wesentlichen auf dem Grundlagentext "Reformpädagogik in Geschichte und Gegenwart" von Eln·enhard Skiera aus dem Jahr 2010. Weitere Ergänzungen entnehme ich aus zeitgenössischen Texten von Fritz Gansberg, Berta Gootz, H. Herbst, Johannes Müller und B.W.

Für die Untersuchung der Fibeln bediene ich mich der qualitativen Forschung, so dass ich an Einzelfällen ansetze und ausgewählte Fibeln analysiere. Um ein größtmögliches Spektrum dieser Zeit abzubilden, wähle ich meine Fibeln nach zeitlichen Abständen sowie inhaltlichen Differenzen aus. Meine erste Fibel, die Deutsche Fibel, ist die älteste zeitlich zugeordnete Fibel aus der Martha-Muchow-Bibliothek (1897), so dass sie als Ausgangsfibel dient, aufgrund derer die Entwicklungen der späteren Fibeln herausgestellt werden sollen. Im Weiteren wähle ich die Münchner Fibel (ca. 1910), die Hamburg Fibel (1914), die Comenuis-Fibel (ca. 1920), die Hansa Fibel (1925) und die Fibel für Niedersachsen (ca. 1928), um einen möglichst großen Zeitraum dieser Epoche mit Untersuchungsgegenständen abzudecken.

Im Anschluss an die Fibelanalysen ziehe ich ein Fazit und beantworte schließlich meine Eingangsfrage.

Diese Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in Bezug auf die gewählten Untersuchungsgegenstände und ist nicht repräsentativ für alle Fibeln dieser Zeit.

Des Weitern ist bei der Auswahl meiner Fibeln zu beachten, dass es sich jeweils um verschiedene Auflagen handelt, so dass ggf. schon weitergehende Überarbeitungen einer Fibel stattgefunden haben [1].

2. Rastererstellung zur Fibelanalyse

Die Definition der Reformpädagogik zu Zeiten der sogenannten reformpädagogischen Epoche der Jahrhundertwende vom 19. ins 20 Jahrhundert ist vielumfassend. Für meine Fibelanalyse stelle ich daher nur die hierfür relevanten Aspekte heraus. Um den Rahmen der Arbeit auf das Wesentliche zu beschränken, beschäftige ich mich mit den, meiner Ansicht nach, aussagekräftigsten Merkmalen der Reformpädagogik im Hinblick auf die Fibelgestaltung und den Deutschunterricht in der Volksschule.

Meine Rasterentwicklung basiert auf sechs Texten der oben genannten Verfasser und unterteilt sich in die Äußerlichkeiten von Fibeln, hierzu zählen die Unterkategorien Seitenzahlen, Bilder sowie Schriftart, und den Inhalten von Fibeln, inklusive der Aspekte Aufbau/Gliederung, Themen und Sprachstil nebst Methoden.

2.1 Äußerlichkeiten von Fibeln

Seitenzahlen

Ehrenhard Skiera, Professor für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik und Reformpädagogik, fordert gemäß seines reformpädagogischen Verständnisses ein ästhetisches und intellektuell anregendes Lernmilieu für die Lerner. Hierzu zählt er u.a. die Orientierung des Unterrichts an kindlichen Interessen und Lebenswelten, auf welche an späterer Stelle noch genauer eingegangen wird[2]. Nach Skiera und H. Herbst, seinerseits Reformpädagoge sowie Lehrer in Woldenberg, empfiehlt sich ein strukturiertes und anschauliches Lernbuch, um das Interesse und die Mitarbeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern[3]. Meinen Erfahrungen zufolge kann bei der Attraktivität eines Lerngegenstandes der Umfang genau so wie das Abwechslungsreichtum eine entscheidende Rolle spielen. So dürfen Lerninhalte nicht zu kurz behandelt werden, damit ein allgemeines Verständnis gewährleistet werden kann und gleichzeitig sollte der Lernstoff nicht zu lange thematisie1t werden, um keine Langeweile und damit verbundenes Desinteresse aufkommen zu lassen.

Für den Beginn meiner Fibelanalysen habe ich daher zunächst die Gesamtanzahl der Seiten der Lehrbücher benannt sowie die anteiligen Seitenanzahlen zum Buchstaben und Laute lernen bzw. zu der Beschäftigung mit längeren Texten herausgestellt, um somit die Menge und die Abwechslung des Lernstoffs quantitativ zu untersuchen.

Bilder

Skiera fordert im Sinne der Reformpädagogik, wie eingangs bereits erwähnt, ein anregendes und ästhetisches Lernmilieu4, hierzu zählt, meines Erachtens, u.a. eine ansprechende Gestaltung des Lerngegenstandes. Auch Herbst stellt in seiner Fibelsuche den wichtigen Aspekt der anschaulichen Bebilderung der Arbeitsbücher heraus und untersucht u.a. die Anzahl sowie die Frequenz von Illustrationen [5]. Diese Analysekriterien habe ich in meine Rastererstellung einbezogen. Ich untersuche ferner, inwieweit die Bilder die von den Reformern geforderte Lebensnähe der Kinder aufgreifen und ob die Bilder deutlich, farbig und die wesentlichen Inhalte einfach dargestellt werden. Berta Gootz, eine Lehrerin dieser Zeit, welche sich aktiv an der damaligen Fibelreform beteiligte, erachtet diese Eigenschaften ebenfalls als reformpädagogisch, da sie zum Einen die Anschaulichkeit des Lerngegenstandes gewährleisten und das Interesse der Kinder wecken und darüber hinaus den Schülerinnen und Schülern Kunstweite vermitteln[6]. Die Berührung mit künstlerischen Aspekten geht (fächerübergreifend) über die Intention eines üblichen Fibelunterrichts hinaus. Gootz spricht sich darüber hinaus für Bilder aus, welche Dinge in Bewegung darstellen, zum Nachmalen anregen und humoristische Kinderszenen wiedergeben[7].

Schriftart

Die Auswahl der Schriftart in Lehrbüchern sowie der Übergang von Fraktur zu Antiqua waren um 1918 sehr umstritten und entfachten u.a. Diskussionen bezüglich der besseren Les- und Schreibbarkeit für Schülerinnen und Schüler, aber auch die Frakturschrift als deutsches Kulturgut'. Für meine Fibelanalysen untersuche ich daher, inwieweit sich die reformatorische Antiqua bereits in den Büchern durchgesetzt hat.

2.3 Inhalte von Fibeln

Aufbau / Gliederung

Skiern benennt, dass Lemsituationen leistungs- bzw. altershomogen differenziert werden 9• Dies folgert, dass eine Unterteilung des Lernstoffes erforderlich ist. Auch Berta Gootz forderte 1907 eine Kennzeichnung neuer Lerninhalte durch markante Schriftarten, da sich, ihrer Erfahrung nach, die Themenbereiche auf diese Weise besser einprägen konnten [10]. Aus diesem Grunde enthält mein Raster Angaben zum Aufbau der Fibel und untersucht, inwiefem Themen und Schwierigkeitsstufen voneinander abgegrenzt und kenntlich gemacht werden. Außerdem beschäftigt sich meine Untersuchung mit dem Aufbau des Lemstoffes, z.B. Buchstaben als Grundlage für Laute, darauf basierende Wörter, welche schließlich über Sätze zu Texten führen sowie mit der Gliederung von Schwierigkeitsstufen. Gootz zieht es vor, Buchstabengruppen statt einzelner Buchstaben zu vermitteln, da in ihren Augen durch dieses Verfahren ein größerer Wortschatz mit reicherem Übungsstoff vermittelt wird und somit mehr Abwechslung in dem Anfangsunterricht gewährleistet werden kann [11]. Die Fibelanalyse untersucht zudem, inwiefern sich Anwendungsübungen als Verfestigungsmöglichkeit des Gelernten für die Kinder bieten [12].

Themen und Sprachstil

Skiern nennt als eine der wichtigsten Veränderungen nach reformpädagogischen Gesichtspunkten, die thematische Orientierung an der Lebenswelt der Kinder und damit das Anknüpfen an ihren Interessen [13].In diesem Ausgangspunkt sieht er "den Schlüssel zur Entwicklung einer besseren Welt, [...]"[14]. Die Lerner sollen, so Skiera, Möglichkeiten zur Themenmitbestimmung erhalten [15]. Neben Skiera betrachten auch Gootz und Fritz Gansberg, Reformpädagoge und Volksschullehrer, diesen Lebensbezug für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler als elementar[16]. So benennt Gootz die Themeninhalte aus der Erfahrungswelt der Kinder, dargestellt in angemessener Kindersprache, als Voraussetzung für das sachliche Textverständnis sowie das Entwickeln von Interesse im Umgang mit Texten[17]. Und auch Gansberg äußert als Reformer, dass "[...]der gute Stoff, der in einfacher Kindersprache geboten wird, die beste Gewähr für den Fortschritt bedeutet."[18]

Neben der Untersuchung dieser Aspekten stelle ich weiterhin heraus, inwiefern die jeweiligen Fibeln Raum für Kreativität und Aktivität der Kinder sowie Möglichkeiten zur individuellen Bearbeitung des Lerngegenstandes 19 bieten. Diese reformatorischen Ansätze stellt Skiera in seinen Ausführungen als pädagogische Grundmotive heraus[20] und findet bei Gansberg seine Bestätigung, der seinerseits fordert, dass Fibelinhalte die Lerner von der ersten Seite an einnelunen und den individuellen Gedankenfluss anregen sollen[21]. Weiterhin legt Skiera großen Wert auf die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler bei der Auswahl möglichst fächerübergreifender Themen[22] so dass auch diese Bewertungskriterien in meine Rastererstellung einfließen.

Methoden

Reformpädagoge B. berichtet in seinem Artikel "Zur Fibelfrage" von einem Lehrervortrag über die Fibelfrage. Hierin hält er u.a. das Ergebnis fest, dass die Schreiblesemethode der Lautiermethode vorzuziehen ist[23] und auch Herbst unterstützt diese Ansicht in seinen Ausführungen. So müssen Herbst zufolge die Laute innerhalb der Lautiermethode den Kindern vorgesprochen werden und der Unterrichtsverlauf an der Sprechschwierigkeit der Laute ausgerichtet sein, während sich die Schreiblesemethode an den sichtbaren Bestandteilen der Sprache, nämlich dem Geschriebenen, orientiert. Seinen Erklärungen nach lehnt sich das Schreiben bei der Lautiermethode an das Lesen, während sich bei der Schreiblesemethode das Lesen am Schreiben entwickelt[24] Darüber hinaus unterscheiden Herbst und B. die reine Schreiblesemethode, bei welche lediglich eine Schriftart gelehrt wird, von der gemischten Schreiblesemethode, welche Schreib- und Druckschrift bzw. die Groß­ und Kleinschreibung gleichermaßen behandeln kann[25]. B. wertet die reine Form als pädagogisch wertvoller, da sie weniger komplexe Problemstellungen beinhaltet und somit eine sicherere Anwendung des Gelernten stattfinden kann[26]. Herbst unterscheidet zudem die synthetische Lesemethode, bei welcher Buchstaben und Laute nacheinander erfasst und zu Silben bzw. Wörtern zusammengesetzt werden, von der analytischen Methode, die sich durch die Erfassung der Wörter im Ganzen auszeichnet und nennt schließlich die Normalwortmethode, welche er als analytisch­ synthetisch bezeichnet[27]. Allen Reformern nach soll gleichzeitig das Lesen und Schreiben gefördert werden, so dass dieses Untersuchungsmerkmal in meine Analyse einfließt.

[...]


[1] Die jeweiligen Erstauflagen konnten nicht in der Martha-Muchow-Bibliothek aufgefunden werden.

[2] vgl. Skiern, Ehrenhard 2010 (2. Auflage nach 2003): Reformpädagogik in Geschichte und Gegenwart. Eine kritische Einführung, R. Oldenbourg Verlag München und Wien, MMB B 700/10022, S.23.

[3] vgl. Herbst, H.: „Auf der Fibelsuche. In: Schulblatt für die Provinz Brandenburg [Elektronische Ressource], 52, 1887, 3/4, S.192ff. http://www.bbf.dipf.de/cgi-shl/digibert.pl?id=BBF0822608&c=190 (Eingesehen am 30.06.2011).

[4] vgl. Sk:iera 2010, S.23.

[5] vgl. Herbst 1887, S.192f.

[6] vgl. Gootz Berta: ,,Fibelreform". In: Die Lehrerin in Schule und Haus [Elektronische Ressource] : Zentralorgan für d. Interessen d. Lehrerinnen u.d. Erzieherinnen d. In- und Auslandes, 24, 1907/08, 45, S.1301. .http://www.bbf.dipf.de/cgi-shl/digibert.pl?id BBF0564087 (Eingesehen am 30.06.2011).

[7] vgl. ebd.

[8] vgl. Müller, Josef 1918: Von Fraktur, Antiqua und Fibelreform. In: Pädagogische Reform [Elektronische Ressource] : zugl. Zeitschrift der Hamburger Lehrmittelausstellung, 42, 1918, 23, S.120-121. http://www.bbf.dipf.de/cgi-shl/digibert.pl?id BBF0783276 (Eingesehen am 30.06.2011).

[9] vgl. Skiera 2010, S.23.

[10] vgl. Gootz 1907/08, S.1301

[11] vgl. a.a.0., S.1300.

[12] vgl. Herbst, 1887, S.193ff.

[13] vgl. Skiera 2010, S20.

[14] ebd.

[15] vgl. a.a.0., S.23.

[16] vgl. Gootz 1907/08, S.1300f.

[17] vgl. ebd.

[18] Gansberg, Fritz 1913 (Ausgabe b): Das kann ich auch. Eine Anleitung zum Bilderschreiben und Fibeldichten, R. Voigtländers Verlag Leipzig, S.6.

[19] vgl. Skiera 2010, S.23.

[20] vgl. a.a.O., S.22.

[21] vgl. Gansberg 1913, S.14.

[22] vgl. Skiera 2010, S.23.

[23] vgl. B., W.: „Zur Fibelfrage". In: Pädagogische Reform [Elektronische Ressource] : zugl. Zeitschrift der Hamburger Lehrmittelausstellung, 16, 1892, 8, S.44f. http://www.bbf.dipf.de/cgi­ shl/digibert.pl?id=BBF0710741 (Eingesehen am 30.06.2011).

[24] vgl. Herbst 1887, S.193ff.

[25] vgl. a.a.O., S.194t:

[26] vgl. B. 1892, S.lf.

[27] vgl. Herbst 1887, S.195ff.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Reformpädagogik um 1900. Inwiefern lassen sich während dieser Zeit reformpädagogische Entwicklungen in der Gestaltung von Fibeln beobachten?
Hochschule
Universität Hamburg  (Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Forschungsseminar: Deutschunterricht in der Reformpädagogik
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
33
Katalognummer
V310685
ISBN (eBook)
9783668094376
ISBN (Buch)
9783668094383
Dateigröße
1513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reformpädagogik, inwiefern, zeit, entwicklungen, gestaltung, fibeln
Arbeit zitieren
Natalie Rath (Autor:in), 2011, Reformpädagogik um 1900. Inwiefern lassen sich während dieser Zeit reformpädagogische Entwicklungen in der Gestaltung von Fibeln beobachten?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/310685

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