Vom heimatkundlichen und volkstümlichen zum wissenschaftsorientierten Sachunterricht nach 1969


Seminararbeit, 2003

33 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Was ist und was soll Sachunterricht?
1. 1. Auflistung einiger Definitionsansätze
1. 2. Was sagt der Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 zum Sachunterricht?
1. 3. Was sagt die Kultusministerkonferenz von 1970 zum Sachunterricht?

2. Die Ablösung der Heimatkunde und die Entwicklung eines neuen Sachunterrichts in einer veränderten Grundschule 1969- 1984
2. 1. Wie kam es zur Ablösung der Heimatkunde durch den Sachunterricht?
2. 2. Die Unterschiede zwischen Heimatkunde und Sachunterricht
2. 3. Nähere Erläuterungen einiger Aspekte des Sachunterrichts
2. 3. 1. Welche Veränderungen mussten zur Umsetzung eines wissenschaftsorientierten Sachunterrichts vorgenommen werden?
2. 3. 2. Wissenschaftsorientierter oder kindorientierter Sachunterricht?
2. 3. 3. Vom geschlossenen Curriculum zum offenen Unterricht
2. 3. 4. Was ist ‚entdeckendes Lernen’?
2. 3. 5. Integration statt Aufsplitterung
2. 3. 6. Vom einseitig kognitiven zu einem mehrdimensionalen persönlichkeitsintegrativen Ansatz

3. Theorie der individuellen Optimalförderung im Sachunterricht
3. 1. Anlage oder Umwelteinfluss?
3. 2. Begabung durch Lernen
3. 3. Reifen und Lernen
3. 4. gezielte Bildungsförderung
3. 5. optimale Passung
3. 6. Jean Piagets Bedeutung für die Sachunterrichtsdidaktik
3. 6. 1. Stufen der kognitiven Entwicklung
3. 6. 2. Stufen der moralischen Entwicklung
3. 7. Altersplacierung sachunterrichtlicher Lernziele
3. 8. Förderung der Lernmotivation
3. 9. lebenslanges Lernen
3.10. Sachunterricht und die kindlichen Bedürfnisse

4. Konzeptionen des Sachunterrichts
4. 1. strukturorientierter Sachunterricht - Kay Spreckelsen
4. 2. verfahrensorientierter Sachunterricht - Göttinger Arbeitsgruppe um Hans Tütken
4. 3. mehrperspektivischer Sach- und Grundschulunterricht-Reutlinger CIEL- Gruppe
4. 4. situationsorientierter Sachunterricht
4. 5. genetischer Sachunterricht - Martin Wagenschein u. a.
4. 6. generativer Sachunterricht - Ulrich Fiedler
4. 7. Dortmunder Modell einer Bereichsdidaktik für den naturwissenschaftlich-mathematischen Grundschulunterricht und einer bereichsdidaktischen Lehrerausbildung - Wolfram Winnenburg
4. 8. Ansätze zu einem ‚schülerorientierten’ Sachunterricht - Jürgen Ziechmann und die Projektgruppe der Universität Bremen
4. 9. Ansätze zu einem aspekt- komplementären naturwissenschaftlich-technischen Sachunterricht - Essener Arbeiten von Soostmeyer u. a.

5. eigene Stellungnahme und kritische Reflexion

6. Literaturverzeichnis
6. 1. Printinformationen
6. 2. Internetinformationen

7. Anlagen
7. 1. Grafiken 1- 3
7. 2. Ausdrucke der verwendeten Internetseiten

1. Was ist und was soll Sachunterricht?

1. 1. Auflistung einiger Definitionsansätze

„Grundschulsachkunde ist nicht ungefächerter Integrationsunterricht, ist aber auch noch nicht Fachunterricht, er ist Propädeutik des nachfolgenden Fächerunterrichts.“

(Kopp, 1970 c, Seite 169)

„Sachunterricht… ein situationsgemäßes, lernzielorientiertes und damit fachspezifisches Lehren und Lernen, und dies auf der Grundlage anschaulich konkreter Unterrichts-
themen.“ (Kopp, 1972, Seite 15)

„Der Sachunterricht der Grundschule führt die Kinder zu sachgemäßer Auseinander- setzung mit den Gegenständen ihres Erfahrungsraumes. Dabei weckt er ihr Interesse für fachlich ausgerichtete Fragestellungen und schafft die Voraussetzungen für den gefächer- ten Sachunterricht der weiterführenden Schulen.“

(Kopp, 1972, Seite 15, nach Kitzinger u. a., 1972- 73, Seite 205; zitiert nach Mitzlaff, 1985, Seite 1185)

„Sachunterricht ist ein wiss. strukturierter Unterricht, der den Gewinn fachlicher Ordnungssysteme anstrebt und den Heimatkundeunterricht der Grundschule abgelöst hat. Der S. bezieht seine Inhalte aus der Erdkunde, Biologie, Chemie, Physik, Geschichte und Verkehrserziehung. Die Gefahr des S.s. liegt darin, daß die Frage nach kindgemäßen Stoffen hinter die strukturspezifischen Grundgedanken der einzelnen Wissenschaften zurücktritt.“ (Böhm, 1982)

1. 2. Was sagt der Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 zum Sachunterricht?

Der Strukturplan und auch davor liegende Prozesse, wie z. B. der zentrale Grundschulkongress 1969, der viele Lehrer und Erzieher erstmals mit den Reformideen konfrontierte, sorgten für die Verbreitung des Begriffs ‚Sachunterricht’. Der entscheidende Impuls ging jedoch vom Strukturplan des Deutschen Bildungsrates 1970 aus. Dieser sorgte für eine Unterrichtsdiskussion, die die ablaufenden Entwicklungsprozesse von der Heimatkunde zum Sachunterricht beeinflusste. Außerdem deutete er neue Denkansätze und Entwicklungsrichtungen an, die in der Bundesrepublik Deutschland entscheidende Wendungen mit sich brachten.

Zu diesen Ansätzen zählte unter anderem, dass man den bisherigen Gesamtunterricht als Sachunterricht neu gliedern wollte. Der Sachunterricht sollte zukünftig nämlich historisch- kulturelle, sozial- gesellschaftliche sowie naturwissenschaftlich- technische Inhalte mit einbeziehen.

Zur Umsetzung dieser Ziele war es notwendig, den Gesamtunterricht in einen vorfachlichen Unterricht in der 1. und 2. Klasse umzugestalten. Dabei sollte der Sachunterricht und die muttersprachliche Erziehung von einer Lehrerin übernommen werden. In der 3. und 4. Klasse löste der Sachunterricht dann endgültig die Heimatkunde ab.

(vergleiche Strukturplan des Bildungswesens, 1970)

1. 3. Was sagt die Kultusministerkonferenz für das Bildungswesen von 1970 zum

Sachunterricht?

Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) befürwortete einen vorfachlichen Unterricht in der gesamten Grundschulzeit.

Durch die stärkere „Eigengesetzlichkeit der Unterrichtsgebiete“ in der 3. und 4. Klasse wird der „Übergang […] zwischen der Stufe des Anfangsunterrichts und dem mit der 5. Klasse einsetzenden Fachunterricht“ geschaffen (KMK, 1970, Seite 18).

In den Empfehlungen wird aufgeführt, dass „durch Natur- und Sachbegegnung […] die Kinder angeleitet [werden], ihre Umwelt und die für sie bedeutungsvollen Lebenszusammenhänge bewusst zu erleben und zu erkennen. Dabei sind neben der Beobachtung und Pflege von Pflanzen und Tieren auch technische Erscheinungen und Vorgänge zu berücksichtigen, soweit sie vom Kinde schon erfasst werden können“ (KMK, 1970, Seite 6; Hansen/ Roth).

Deshalb war der Begriff ‚Sachunterricht’ in der Zukunft angemessener.

Voraussetzung für diesen Unterricht waren eindeutig formulierte Lernziele. Die curricularen Lerninhalte mussten nach dem Bedeutungsinhalt für den Schüler sowie nach der Umsetzbarkeit im Unterricht ausgewählt werden. Im Unterricht war eine sachgerechte Bearbeitung der Inhalte genauso notwendig wie die Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Lernbedürfnissen und Lernerfordernissen.

Dadurch wurde eine „propädeutische Vorleistung für die künftigen Unterrichtsfächer erbracht“ (KMK, 1970, Seite 20).

2. Die Ablösung der Heimatkunde und die

Entwicklung eines neuen Sachunterrichts in

einer veränderten Grundschule 1969 - 1984

2. 1. Wie kam es zur Ablösung der Heimatkunde durch den Sachunterricht?

Verschiedene Kritikpunkte am Heimatkundeunterricht machten 1966 eine Revision dieses Unterrichts in Bezug auf Inhalt, Methode und Zielsetzung unumgänglich.

Es gab drei Gründe, die die Entwicklung der Heimatkunde zum Sachunterricht vorantrieben. Erstens die ‚Bildungsoffensive’, die nicht zuletzt durch den so genannten ‚Sputnikschock’ hervorgerufen wurde, da die Angst vor einem großen Technologievorsprung des Ostens Überhand nahm (weltpolitischer Grund).

Des Weiteren ein entwicklungspsychologischer Grund, der auf Bruners Hypothese zurückzuführen war: „Jedem Kind kann auf jeder Entwicklungsstufe jeder Lerngegenstand in einer intellektuell ehrlichen Form erfolgreich gelehrt werden. Es ist eine kühne Hypothese […] Es gibt kein Zeugnis, das dieser Hypothese widerspräche, jedoch bereits viele, die sie stützen.“ (Bruner, 1973, Seite 44)

Zuletzt auch noch ein bildungspolitischer Grund. Durch Vergleiche mit anderen Ländern, insbesondere den USA, war mehrfach der Bildungsnotstand bzw. die sich anbahnende Bildungskatastrophe verdeutlicht worden.

Man erkannte, dass die Heimatkunde den gegenwärtigen Bedürfnissen nicht genügte, weil man den Wandel des Begabungsbegriffs, der Hinwendung zur Wissenschaft und zur Leistungsschule wie auch der Prämisse des lebenslangen Lernens gerecht werden musste.

Diese Voraussetzungen konnte die traditionelle Heimatkunde nicht erfüllen. Deshalb wurde als notwendige Weiterführung der Heimatkunde der vorfachliche Sachunterricht eingeführt.

Im Zuge dieser Reformanstöße kam es 1969 im Rahmen des Frankfurter Grundschulkongresses zur Formulierung eines ‚wissenschaftsorientierten’ Unterrichts in der ersten Generation der Sachunterrichtslehrpläne, der nach facheigenen Gesichtspunkten in die Bereiche Sozial- und Wirtschaftslehre, Geschichte, Erdkunde, Biologie, Chemie und Physik aufgegliedert wurde. In diesen Bereichen sollte eine Interpedenz von Sachkompetenz, Fachkompetenz, Sozialkompetenz, kommunikativer Kompetenz und kulturell- zivilisatorischer Kompetenz stattfinden, die die Ziele des Sachunterrichts konstituiert.

Zu dieser Zeit war Wissenschaftsorientierung jedoch noch stark durch „fach- bzw. fächerpropädeutische Differenzierung“ geprägt (vergleiche Mitzlaff, 1985, Seite 1188).

Sowohl der ‚Strukturplan des Bildungswesens’ als auch die ‚Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule der Kultusministerkonferenz’ lieferten 1970 zwar Denkanstöße zur Notwendigkeit der Umstrukturierung von der Heimatkunde zum Sachunterricht, sie konnten aber beide keine revolutionären Veränderungen in der Weiterentwicklung des Sachunterrichts bewirken.

Erst die Diskussion verschiedener Sachunterrichtskonzeptionen von 1972 - 1977 führte zum Gleichgewicht zwischen Wissenschafts- und Kindorientierung, was eine zweite Generation der Lehrpläne erforderlich machte.

Im Gegensatz zur Orientierung an den herkömmlichen Schulfächern und der Fülle von Themen der ersten Generation, fand man in diesen Lehrplänen nur noch allgemeine Vorgaben, und es vollzog sich ein „Kurswechsel, der die didaktisch- curriculare Grundkonzeption [betraf] und von den fächerpropädeutischen und disziplinorientierten zu situationsorientierten, erfahrungsorientierten oder themenadditiven Ansätzen [führte]“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1193; Hansen/ Roth).

Bereits in den 80er Jahren kam es aber schon wieder, bedingt durch den Einfluss grundschulpädagogischer Strömungen, zu einer „Öffnung des Unterrichts, Individualität der kindlichen Lernprozesse, Kindheit heute, situative Interessen“ und zur Rückbesinnung auf den Heimatbezug, „um [die] unmittelbare Lebenswelt der Kinder stärker zu akzentuieren“ (Internetseite http://www.dagmarwilde.de/sachunterricht/hkusu2.html, 2002; Hansen/ Roth).

2. 2. Die Unterschiede zwischen Heimatkunde und Sachunterricht

Zur besseren Übersicht folgt eine tabellarische Gegenüberstellung der Unterschiede zwischen Heimatkunde und Sachunterricht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vergleiche Mitzlaff, 1985, Seite 1234- 1236, 1238, 1240f, 1246f; Hansen/ Roth)

Auf einige in der Tabelle genannte Aspekte wird in Bezug auf den Sachunterricht in Abschnitt 2. 3. noch näher eingegangen.

2. 3. Nähere Erläuterungen einiger Aspekte des Sachunterrichts

2. 3. 1. Welche Veränderungen mussten zur Umsetzung eines wissenschaftsorientierten Sachunterrichts vorgenommen werden?

Um eine Reform der Unterrichtsinhalte und Lernfelder im Sachunterricht

umzusetzen, waren drei Veränderungen notwendig:

a) „Themen, die sich nicht mehr mit den Vorstellungen eines sachbetonten und wissenschaftsorientierten Unterrichts“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1237) deckten, mussten aufgegeben werden.
b) „Die modifizierte Fortschreibung bewährter Inhalte unter veränderten Zielsetzungen und z. T. mit einer anderen Altersplazierung.“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1237)
c) „Aufnahme neuer Inhalte und Lernbereiche, die in der Gesellschaft und der Erfahrungswirklichkeit der Kinder […] eine wichtige Rolle spielen.“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1237)

2. 3. 2. Wissenschaftsorientierter oder kindorientierter Sachunterricht?

Die Gestaltung des ‚alten’ Sachunterrichts orientierte sich stark an dem Modell der Heimatkunde und volkstümlichen Bildung. Die Ideen des Strukturplans von 1970 betonten stark die wissenschaftliche Ausrichtung des Unterrichts. Neuere Entwürfe des Sachunterrichts orientierten sich mehr an den Interessen und Fähigkeiten des Kindes. Das Problem dieser gegensätzlichen Auffassungen war auch auf die mangelnde Definition der ‚Wissenschaftsorientierung’ zurückzuführen. Die Diskussion tendierte vom Sachunterricht auf kindlichem Lernniveau bis hin zur Orientierung an Fächern der Sekundarstufe, die sich von den Interessen der Grundschüler abwandte, und als überfordernd, unpädagogisch und unpsychologisch bezeichnet wurde. „Einige Modelle des Sachunterrichts drohten zu vergessen, dass sie es mit Kindern zu tun hatten.“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1200)

Grundschulunterricht soll allgemein bildend, sich an den Interessen von Kindern orientierend und das Lernniveau der Kinder berücksichtigend sein. Er soll aus einer ausgewogenen Mischung von lebenspraktischer und wissenschaftlich orientierter Bildung bestehen.

Da Kinder in ihrem Alltag von (technischen) Produkten der Wissenschaft umgeben sind, müssen sie lernen, die Basis dieser Wissenschaft zu verstehen, sie aber auch kritisch zu hinterfragen. So wird ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht und die Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen, gestärkt. Wissenschaftliches Denken muss geduldig entwickelt werden. Dieser andauernde Prozess vollzieht sich von Meinungen und kreativen Vermutungen hin zu objektiven Aussagen und beweisbaren Theorien.

Der Unterricht in der Schule sollte die Menschen auf dem Weg dieses Prozesses unterstützen und fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, war es nötig, von alten Grundsätzen der volkstümlichen Bildung loszukommen.

Der wissenschaftsorientierte Sachunterricht hat in großem Maße erzieherische Aufgaben. Er soll das Kind zu wissenschaftlichen Arbeiten verleiten, da dies im Grundschulalter am leichtesten fällt. Das bedeutet, weg von seinen emotionalen Empfindungen und nicht realer Phantasien über sachliche Problemlösung und dem eigenständigem Erarbeiten von Lösungsansätzen hin zu wahrheitsgemäßen Aussagen und Erkenntnissen. Dabei ist darauf zu achten, dass die aktuellen wissenschaftlichen Grundsätze nicht missachtet werden und das Kind in weiterführenden Klassen darauf aufbauen kann.

Die Wissenschaft wird im Sachunterricht als Mittel verstanden, die schwer verstehbaren Phänomene und Hindernissen der heutigen Welt zu erklären und mögliche Lösungen zu prüfen. In dieser Funktion hat die Wissenschaft bisher keine adäquate Konkurrenz. Doch darf nicht mit den Errungenschaften aus Jahrzehnte langen Forschungen begonnen werden, sondern mit den Anfängen und Grundzügen der modernen Wissenschaft.

Dennoch darf bei allen Vorzügen der Wissenschaftsorientierung der kindliche Spieltrieb nicht zu kurz kommen. Im Sachunterricht müssen „auch Spiele, die kindliche Spontaneität […] und das Erlebnis von Solidarität und Freundschaft […] ihren festen Platz haben“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1197).

Durch dieses Gemisch von „naturwissenschaftlichen und sozial- bzw. humanwissenschaftlichen Lernbereichen“ fördert der Sachunterricht die „von der Gesellschaft dringend benötigten Modelle des vernetzten und biokybernetischen Denkens durch Handeln und Entdecken“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1199).

Der erste Schritt in Richtung Wissenschaftsorientierung im Sachunterricht ist eine geeignete Lehrerausbildung, die stärker auf die Notwendigkeit der Annäherung an das soziale Umfeld des Kindes und dessen Lebenswirklichkeit hinweist. Des Weiteren ist eine Unterrichtsdidaktik einzuführen, „die als Wissenschaft des Lehrens und Lernens im Sachunterricht der Komplexität dieses Arbeitsfeldes und den Handlungsbedürfnissen des Unterrichtsalltags gerecht wird“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1200).

Um eine Kindorientierung im Sachunterricht zu gewährleisten, muss die gegenwärtige Entwicklung berücksichtigt werden, dass den Kindern immer mehr außerhalb der Schule die Unterstützung durch Erwachsene und ihre Spiel- und Freiräume verloren gehen. Deshalb darf es nicht zu einer Kürzung des Sachunterrichts zugunsten anderer Fächer kommen, denn sonst wird die Handlungsorientierung und das ‚entdeckende Lernen’ vernachlässigt.

Eine erste Idee zur Prävention einer solchen Entwicklung besteht darin, dass man in zukünftigen Lehrplänen sowohl einen Minimalplan zur Vereinheitlichung der Lernziele formuliert, als auch eine Auswahl an Zusatzangeboten bereitstellt.

2. 3. 3. Vom geschlossenen Curriculum zum offenen Unterricht

In den Anfangsjahren des Sachunterrichts führte man nach deutschem und amerikanischem Vorbild einen geschlossenen Unterricht durch, der dem Lehrer eine sichere Vorbereitung der einzelnen Stunden garantierte.

Beeinflusst durch englische Ansätze eines offenen Curriculums, änderte sich der Sachunterricht grundlegend. Nun versuchte man ein „entdeckendes, exploratives und offenes Lernen“ zu ermöglichen (vergleiche Mitzlaff, 1985, Seite 1203).

Elke Callies sah den Vorteil eines solchen Unterrichts unter anderem darin, dass „offene Lernsituationen […] den spontanen Aktivitäten der Kinder möglichst freien Raum [lassen], ohne jedoch das Lernen dem Zufall zu überlassen“ (Callies, 1974, Seite 74f; zitiert nach Mitzlaff, 1985, Seite 1203).

Zur Umsetzung eines offenen Unterrichts ist vor allem eine Kindorientierung sowie die Gewährleistung von ‚entdeckendem Lernen’ unumgänglich.

Zwar ist ein offenes Curriculum generell wegen der Orientierung an den „Lernbedürfnissen der Kinder“ zu befürworten, doch gerade im „naturwissenschaftlich- technischen Bereich“ kommt es hauptsächlich auf „geschlossene Bausteine“ an, die es in einen „aktiven Lernprozess“ einzubinden gilt (vergleiche Mitzlaff, 1985, Seite 1204).

Im sozial- humanwissenschaftlichen Bereich ist die entsprechende Offenheit bereits von Anfang an gegeben.

Grundsätzlich sollte Sachunterricht aus einem Zusammenspiel von offenem und geschlossenem Unterricht bestehen, wobei die Offenheit immer im Vordergrund stehen und überwiegen sollte.

Wie sich der Unterricht in der Praxis schließlich gestaltet, hängt sowohl von der Motivation der Klasse und der Kompetenz des Lehrers, als auch von dem gerade zu bearbeitenden Thema ab. Ebenso spielt es eine entscheidende Rolle, ob der Lehrer genug Engagement aufbringt, um die zwangsläufig erhöhte notwendige Vorbereitungszeit zur Durchführung eines solchen Sachunterrichts in Kauf zu nehmen, und ob die Eltern konsequent zur Mitarbeit bereit sind und sich aktiv am Lernprozess ihrer Kinder beteiligen.

2. 3. 4. Was ist ‚entdeckendes Lernen’?

‚Entdeckendes Lernen’ ist das Leitprinzip des Sachunterrichts.

Ein entdeckender Unterricht sollte die Kinder zu selbstständigem Forschen und eigenen Problemlösungsansätzen motivieren und dieses angeeignete Wissen sollte dann von den Kindern auf neue weiterführende Sachverhalte angewendet werden können. Diese offene Unterrichtsform erforderte jedoch eine Veränderung der Lehrerrolle. Zu seinen Hauptaufgaben zählte nun:

„herausfordern, aufmerksam machen, ermuntern, ermutigen, insistieren, hinlenken, zu Bedenken geben, auffordern, auf Widersprüche aufmerksam machen, zum Probieren usw. anregen, inspirieren, begeistern. Auch sehr bescheiden aussehende Beiträge der Schüler müssen gewürdigt werden. Entdeckendes Lernen schließt die behutsame Entwicklung von Fragestellungen in einer Weise ein, daß jedes Kind eine Chance erhält, sich am Lernen aktiv zu beteiligen“ (Entwurf, 1983, MA Seite 6; zitiert nach Mitzlaff, 1985, Seite 1241).

Es ist jedoch nicht möglich, einen völlig entdeckenden Unterricht ohne jegliche Lenkung des Lehrers durchzuführen, denn ein solcher würde vor allem passive Schüler unzureichend fördern und die Lernziele würden unter Umständen nicht erreicht werden.

Um das zu verhindern sollte der Lehrer Lernhilfen geben, sowie „die eher geschlossenen, reproduktiven und rezeptiven Phasen [arrangieren], die für diese Lerngruppe und den einzelnen Schüler unter dem Blickwinkel einer optimalen Lernförderung notwendig sind“ (Mitzlaff, 1985, Seite 1244; Hansen/ Roth).

[...]

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Vom heimatkundlichen und volkstümlichen zum wissenschaftsorientierten Sachunterricht nach 1969
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Insitut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe)
Veranstaltung
200 Jahre Sachunterricht in Theorie und Praxis. Von den Anfängen der Heimatkunde bis zum Sachunterricht der Gegenwart- Perspektiven für die zukünftige Entwicklung
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
33
Katalognummer
V31062
ISBN (eBook)
9783638321754
Dateigröße
705 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im Anhang waren ursprünglich Ausdrucke der verwendeten Internetseiten enthalten. Diese können hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht mitgeliefert werden.
Schlagworte
Sachunterricht, Jahre, Sachunterricht, Theorie, Praxis, Anfängen, Heimatkunde, Sachunterricht, Gegenwart-, Perspektiven, Entwicklung
Arbeit zitieren
Daniela Arend (Autor:in), 2003, Vom heimatkundlichen und volkstümlichen zum wissenschaftsorientierten Sachunterricht nach 1969, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31062

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